Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 12.12.2002, Az.: S 9 KR 179/00

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
12.12.2002
Aktenzeichen
S 9 KR 179/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 35751
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2002:1212.S9KR179.00.0A

In dem Rechtsstreit

Klägerin,

gegen

D. Krankenkasse , vertreten

durch den Geschäftsführer, Hamburg,

Beklagte,

hat die 9. Kammer des Sozialgerichts Lüneburg

auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2002

durch den Vorsitzenden, Direktor des Sozialgerichts Taubert,

sowie die ehrenamtlichen Richter Frau Schaefer und Herr Brammer

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Bescheide der Beklagten vom 28.3. und 17.5.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2000 werden aufgehoben.

    Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine stationäre Mutter-Kind-Kur zu bewilligen.

    Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Bewilligung einer Mutter-Kind-Kur durch die Beklagte.

2

Die Klägerin stellte im März 2000 einen Antrag auf eine Mutter-Kind-Kur. Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen -MDKN - vom 27. März 2000 ein. Dieser vertrat die Auffassung, eine ambulante Kur sei ausreichend. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 28. März 2000 ab. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte erneut ein Gutachten des MDKN vom 4. Mai 2000 ein und erließ einen erneuten ablehnenden Bescheid vom 17. Mai 2000, gegen den die Klägerin wiederum Widerspruch einlegte. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2000 zurück.

3

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie vertritt die Auffassung, eine ambulante Kur reiche in ihrem Fall nicht aus. Neben ihren körperlichen Beschwerden sei sie auch psychisch erholungsbedürftig. Darüber hinaus sei bei etlichen Anwendungen im Rahmen einer Kurmaßnahme eine anschließende Ruhepause erforderlich. Diese könne, wenn sie nur eine ambulante Kur mit ihren Kindern durchführe, nicht einhalten. Sie müsse sich, ebenso wie zu Hause, im wesentlichen den ganzen Tag um die Betreuung ihrer Kinder kümmern, so dass die durch die Kur eigentlich bezweckte Verbesserung ihrer körperlichen und seelischen Leistungsfähigkeit nicht eintreten werde.

4

Die Klägerin beantragt,

  1. die Bescheide der Beklagten vom 28. März und 17. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die beantragte stationäre Mutter-Kind-Kur zu bewilligen.

5

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

6

Sie hält an ihrer Auffassung fest, eine ambulante Kur reiche im Falle der Klägerin aus. Diese sei bewilligt worden. Einen weitergehenden Anspruch habe die Klägerin nicht.

7

Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat das Gericht den Befundbericht von Dr. Peters vom 20. April 2001 eingeholt. Danach leidet die Klägerin an einem psycho-physischen Erschöpfungszustand, einem Hals-Wirbelsäulen-Syndrom und einer arteriellen Hypotonie. Nach Auffassung des behandelnden Arztes ist dringend ein Orts- und Klimawechsel erforderlich, so dass die Klägerin vorübergehend Abstand von der häuslichen Belastungssituation gewinnen könne.

8

Wegen der übrigen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, denn die Beklagte hat sich zu Unrecht geweigert, der Klägerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu bewilligen.

10

Nach § 40 Abs. 1 und 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - kann die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche stationäre Rehabilitationsmaßnahmen mit Unterkunft und Verpflegung in einer Rehabilitationseinrichtung erbringen, wenn bei einem Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung oder eine ambulante Rehabilitationsleistung in Rehabilitationseinrichtungen nicht ausreicht. Nach § 41 SGB V kann die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche Leistungen der Rehabilitation in einer Einrichtung des Muttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung erbringen; die Leistung kann in Form einer Mutter-Kind-Maßnahme erbracht werden.

11

Aufgrund der über die Klägerin in den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen treffen bei ihr die Notwendigkeit zur Behandlung rein körperlicher Erkrankungen, wie dem Hals-Wirbelsäulensyndrom und einer arteriellen Hypotonie zusammen mit einem psycho-physischen Erschöpfungszustand, der durch eine häusliche Belastungssituation mit hergerufen wird. Bei dieser Sachlage ist zum einen eine Rehabilitationsmaßnahme erforderlich, bei der die Behandlung der körperlichen Erkrankungen der Klägerin sichergestellt ist. Darüber hinaus ist jedoch erforderlich, dass die Situation, die zu dem Erschöpfungszustand führt, aufgebrochen wird und die Klägerin die Möglichkeit erhält, diese Situation zu reflektieren und ggf. auch Möglichkeiten zu erlernen, diese zu bewältigen bzw. in Grenzen zu halten. Dazu gehört auch, dass ihr die Möglichkeit gegeben wird, während einer Rehabilitationsmaßnahme eine Entspannungsmöglichkeit zu haben. Dies wäre bei Durchführung einer ambulanten Kurmaßnahme, auch wenn sie nicht am Wohnort durchgeführt werden würde, nicht der Fall, denn die Klägerin wäre während des größten Teils des Tages verpflichtet, sich um ihre Kinder zu kümmern. Ein Erfolg der Rehabilitationsmaßnahme kann nach Überzeugung der Kammer nur dann eintreten, wenn eine stationäre Rehabilitation in einer Mutter-Kind-Einrichtung im Sinne des § 41 SGB V durchgeführt wird. Dieses Zusammenspiel zwischen den körperlichen Leiden und dem psychischen Erschöpfungszustand ist nach Auffassung der Kammer bei der Verwaltungsentscheidung der Beklagten und auch in dem Gutachten des MDKN nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt worden.

12

Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid aufzuheben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG -.