Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 21.11.2002, Az.: S 9 KR 167/00
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 21.11.2002
- Aktenzeichen
- S 9 KR 167/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 35754
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2002:1121.S9KR167.00.0A
In dem Rechtsstreit
...
hat die 9 Kammer des Sozialgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 21 November 2002 durch ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid vom 29.1.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.2.2001 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die aufgewandten Kosten bei dem Kauf der orthopädischen Stiefel zu erstatten.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger möchte erreichen, dass er die erforderlichen orthopädischen Stiefel ohne Zuzahlung eines Betrages von 140,-- DM erhalt.
Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert und gemäss § 61 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - von Zuzahlungen befreit. Er beantragte daher im Dezember 1997 die Kosten für die angefertigten orthopädischen Stiefel vollständig zu übernehmen und auf einen Eigenanteil von 140,- DM verzichten.
Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Januar 1999 ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2002 zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei dem Betrag von 140,- DM handele es sich nicht um einen Zuzahlungsbetrag bzw. einen Eigenanteil, von dem man nach § 61 Abs. 1 SGB V befreit werden könne. Bei dem Betrag von 140,- DM handele es sich vielmehr um den Gegenwert von ersparten eigenen Aufwendungen. Der Kläger habe durch die Nutzung der orthopädischen Stiefel den Kauf von Schuhen erspart. Diese Ersparnis müsse er sich anrechnen lassen. Eine Befreiung nach § 61 Abs. 1 SGB V komme daher nicht in Betracht.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Er macht geltend, seiner Auffassung nach bestehe kein grundsätzlicher Unterschied zwischen orthopädischen Schuhen und anderen Hilfsmitteln, für die Zuzahlungen erforderlich seien. Bei allen anderen Hilfsmitteln werde er von der Zuzahlung befreit, weil ein Härtefall vorliege. Aus dem Gesetz ergebe sich keine Begründung dafür, dass dies bei orthopädischen Schuhen anders sein könne.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die von dem Kläger aufgewandten Kosten bei der Beschaffung der orthopädischen Stiefel zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer Auffassung fest, bei der Verordnung von orthopädischen Schuhen handele es sich um eine andere Situation als bei anderen Hilfsmitteln mit Zuzahlungsverpflichtung. Das Entscheidende seien die ersparten Aufwendungen, die in dieser Form bei anderen Hilfsmitteln nicht vorlagen.
Wegen der übrigen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Beklagte hat sich zu Unrecht geweigert, die Kosten für die orthopädischen Stiefel vollständig zu übernehmen.
Nach § 61 Abs. 1 SGB V hat die Krankenkasse Versicherte von der Zuzahlung u.a. zu Hilfsmitteln zu befreien, wenn die Versicherten unzumutbar belastet würden. Die Voraussetzungen für die Annahme einer unzumutbaren Belastung sind in § 61 Abs. 2 bis 4 SGB V geregelt. Diese liegen im Fall des Klägers vor. Die Regelung des § 69 Abs. 1 SGB V über eine Befreiung von der Zuzahlung bei Hilfsmitteln gilt auch für orthopädische Stiefel. Entgegen der Auffassung der Beklagten vermag die Kammer kein Differenzierungsmerkmal zu finden, das die orthopädischen Stiefel von anderen Hilfsmitteln unterscheidet und die Annahme rechtfertigen könnte, für den Eigenanteil an der Beschaffung orthopädischer Stiefel gelte die Regelung des § 61 Abs. 1 SGB V nicht. § 61 Abs. 1 SGB V bestimmt, dass die Kosten von der Krankenkasse für die dort genannten Leistungsarten voll zu übernehmen sind, soweit die Voraussetzungen für eine unzumutbare Belastung des Versicherten vorliegen. Zu diesen Leistungsarten gehören neben den Arznei-, Verbands- und Heilmitteln auch die Hilfsmittel nach § 33 SGB V. Dies hat einerseits zur Folge, dass die in § 61 Abs. 1 SGB V nicht genannten Leistungsarten, wie Kostenanteil bei kieferorthopädischer Behandlung nach § 29 Abs. 2 und die Zuzahlung zur Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs. 4 SGB V nicht unter die Härtefallregelung fallen und daher nicht von der Krankenkasse übernommen werden müssen. Auf der anderen Seite besteht jedoch eine Verpflichtung der Krankenkasse, bei den genannten Leistungsarten auf jegliche Zuzahlung bzw. jeglichen Eigenanteil zu verzichten, sofern diese den Versicherten unzumutbar belasten würden (vgl. Gerlach in Hauck, Sozialgesetzbuch V, Kommentierung zu § 61, Randnummer 16). Da die orthopädischen Stiefel unzweifelhaft zu den orthopädischen Hilfsmitteln gehören, ist der Kläger von etwaigen Zuzahlungen und Eigenanteilen befreit.
Der angefochtene Bescheid konnte somit keinen Bestand haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG -.