Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 21.11.2002, Az.: S 9 KR 207/00

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
21.11.2002
Aktenzeichen
S 9 KR 207/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 35755
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2002:1121.S9KR207.00.0A

In dem Rechtsstreit

...

gegen

Deutsche Angestellten-Krankenkasse,

vertreten durch den Geschäftsführer,

hat die 9 Kammer des Sozialgerichts Lüneburg

auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2002

durch den Vorsitzenden, Direktor des Sozialgerichts Taubert,

sowie die ehrenamtlichen Richter Herr Wulf und Frau Molkentin

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1. Die Bescheide vom 8.6.1999 und 22.9.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2000 werden aufgehoben.

    2. Die Beklagte wird verurteilt, die Hälfte der aufgewandten Kosten für die Besohlung der orthopädischen Stiefel zu erstatten.

    3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

    4. Die Beklagte hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Übernahme von Reparaturkosten für orthopädische Stiefel.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten versichert und trägt seit vielen Jahren orthopädische Stiefel. Deren Beschaffung wurde von der Beklagten auf die entsprechenden Verordnungen der behandelnden Ärzte auch jeweils übernommen. Nicht übernommen wurden jedoch die hier vom Kläger geltend gemachten Reparaturkosten in Form des Ersatzes von Sohlen bzw. Absätzen. Den darauf gerichteten Antrag lehnte die Beklagte mit den Bescheiden vom 8. Juni 1999 und 22. September 1999 ab. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2000 zurück. Als Begründung führte sie aus, Reparaturkosten würden nur für den "orthopädischen" Anteil des Schuhs übernommen. Bei dem Ersatz der Sohle und des Absatzes handele es sich um eine normale Abnutzung und damit um Kosten, die auch bei normalen Schuhen anfallen würden. Diese habe der Kläger selbst zu zahlen, denn es handele sich nicht um Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.

3

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Er macht geltend, die Sohlen und Absätze seiner orthopädischen Stiefel würden sich wesentlich stärker abnutzen als dies bei Personen geschehe, die normale Schuhe tragen würden. Er gehe vergleichsweise wenig und habe trotzdem häufige Reparaturen. Die Sohlen würden insbesondere im Bereich des Ballens durchscheuern. Dies sei bei normalen Schuhen nicht der Fall. Außerdem sei die Beklagte verpflichtet, nicht nur die orthopädischen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, sondern auch die notwendigen Instandsetzungsnahmen zu übernehmen.

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Der Kläger beantragt,

die ablehnenden Bescheide vom 8. Juni 1999 und 22. September

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1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2000 aufzuheben

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und die Beklagte zu verurteilen, die aufgewandten Reparaturkosten für die orthopädischen

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Stiefel zu erstatten.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Sie hält an ihrer Auffassung fest, es handele sich bei den geltend gemachten Reparaturkosten nicht um Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Reparaturen würden an der orthopädischen Zurichtung von der Beklagten übernommen, nicht jedoch die gewöhnlichen Reparaturen von Sohlen und Absätzen, wie sie auch bei Gesunden auftreten würden.

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Wegen der übrigen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und zum Teil begründet.

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Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch V - SGB V - haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB V umfasst der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln. Im vorliegenden Fall ist bei dem Kläger zu unterscheiden zwischen der Notwendigkeit, die Sohlen der Schuhe unverhältnismäßig oft zu erneuern und der Abnutzung der Absätze. Hinsichtlich der Abnutzung der Absätze vertritt die Kammer die Auffassung, dass es sich um Reparaturen handelt, wie sie auch bei Gesunden mit normal gefertigten Konfektionsschuhen auftreten. Es handelt sich dabei um Aufwendungen, die unabhängig davon eintreten, ob jemand einen orthopädischen Schuh trägt oder nicht. Diese Kosten sind von dem Versicherten selbst zu tragen und stehen in keinem Zusammenhang mit der Erkrankung, die die Verordnung von orthopädischen Hilfsmitteln, insbesondere orthopädischen Stiefeln, notwendig macht. Anders ist es hinsichtlich der Abnutzung der Sohlen. In der mündlichen Verhandlung konnte sich die Kammer davon überzeugen, dass der Kläger, der an zwei Unterarmgehstützen geht, die Füße so aufsetzt, dass bei jedem Schritt die Schuhe im Bereich des Ballens zuerst den Boden berühren und dabei eine zugleich drehende und schiebende Bewegung auftritt, wie sie bei einem Gesunden mit normalem Gehvermögen nicht vorkommt. Es liegt auf der Hand, dass durch diese untypische Belastung nur eines kleinen Teils der Sohlen ein deutlich stärkerer Verschleiß auftritt, als bei Gesunden. Das von der Beklagten zur Verfügung gestellte orthopädische Hilfsmittel, die orthopädischen Stiefel, wird daher krankheitsbedingt einem ungewöhnlichen Verschleiß unterworfen und macht daher eine regelmäßige und relativ kurzfristige Instandsetzung erforderlich. Es handelt sich daher bei dem Ersatz der Sohlen der orthopädischen Stiefel um eine notwendige Instandsetzung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Diese Kosten hat die Beklagte zu tragen. Ein eventueller Eigenanteil bzw. eine Zuzahlung des Klägers ist nach § 61 Abs. 1 SGB V ausgeschlossen, weil bei dem Kläger die Voraussetzungen für eine unzumutbare Belastung nach § 61 Abs. 2 bis 4 SGB V vorliegt. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Es wird insoweit auch auf das Urteil in dem Verfahren S 9 KR 167/00 vom gleichen Tag verwiesen. Aufgrund dieser Trennung lässt sich für die Zukunft der Reparaturanteil durch vorzulegende Quittungen des Klägers eindeutig unterscheiden. Dort müßte dann jeweils im einzelnen aufgeführt werden, welche Kosten auf die Reparatur gerade der Sohlen und welche Kosten auf sonstige Reparaturen entfallen. Dies ist für die Vergangenheit nicht möglich. Aufgrund der vom Kläger zu den Akten gereichten Quittungen schätzt die Kammer den Anteil der notwendigen Instandsetzung, der von der Beklagte zu übernehmen ist, auf die Hälfte der von dem Kläger geltend gemachten Kosten.

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Diese Kosten hat die Beklagte zu übernehmen. Die darüber hinausgehende Klage konnte hingegen keinen Erfolg haben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG -.