Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 15.08.2002, Az.: S 16 KR 22/01
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 15.08.2002
- Aktenzeichen
- S 16 KR 22/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 35753
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2002:0815.S16KR22.01.0A
In dem Rechtsstreit
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte(r): Rechtsanwältin
gegen
Krankenkasse , vertreten durch den Geschäftsführer,
Beklagte,
hat die 16. Kammer des Sozialgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 15. August 2002
durch die Vorsitzende, Richterin am Sozialgericht Maiworm,
und die ehrenamtlichen Richter Erhard Kubin und Heinrich Brammer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme für die locoregionale Hyperthermiebehandlung.
Die 1949 geborene Klägerin erkrankte im November 1999 an einem Mamma-Carcinom. Durch den behandelnden Arzt Dr. W. wurden ihr 5 locoregionale Hyperthermiebehandlungen (Kosten pro Behandlung: 350,-- DM) verabreicht sowie weitere Behandlungen für notwendig erachtet. Die Beklagte bat den MDKN um ärztliche Stellungnahme. Dr. K. führte am 17.08.2000 aus, daß die Wirksamkeit der Hyperthermiebehandlung wissenschaftlich nicht nachgewiesen sei und eine Kostenübernahme deshalb nicht empfohlen werden könne. Mit Bescheid vom 17.08.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2001 wurde der Kostenübernahmeantrag deshalb zurückgewiesen. Die Hyperthermiebehandlung habe keinen Eingang in die vertragsärztliche Versorgung gefunden. Eis handele sich vielmehr um eine Maßnahme, die im Rahmen der geltenden Verträge nicht abrechnungsfähig sei. Schließlich habe auch der Bundesausschuß bisher über die Hyperthermiebehandlung nicht entschieden.
Im Klageverfahren verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie meint, sehr wohl einen Anspruch auf Kostenübernahme zu haben und führt aus, daß es ihr nicht einleuchte, daß die Beklagte die Kosten einer Chemo-Bestrahlungstherapie übernehme, nicht jedoch die wesentlich kostengünstigere und für die Klägerin nicht so belastende Hyperthermiebehandlung. Die Klägerin weist darauf hin, daß für eine Behandlung ein strenger Wirksamkeitsnachweis nicht verlangt werden könne, wenn die Ursache der Krankheit - wie bei ihrer Krebserkrankung - weitgehend unerforscht sei. Schließlich habe sich die Therapie in der Praxis durchgesetzt und werde von einer nennenswerten Anzahl von Ärzten angewandt (Schreiben Dr. W. vom 10.04.2000).
Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid vom 17.08.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2001 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, die von der Klägerin verauslagten Kosten für 5 Hyperthermiebehandlungen sowie die noch zu erfolgenden Behandlungskosten zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich im wesentlichen auf den angefochtenen Bescheid und verweist auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenversicherung nur dann abgerechnet werden dürften, wenn der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben habe. Dieses liege bei der Klägerin nicht vor. Insbesondere könne auch ein Systemversagen nicht festgestellt werden.
Außer der Gerichtsakte war die Beklagtenakte, die Klägerin betreffend, Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Auf ihren Inhalt wird wegen des weiteren Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben und daher zulässig.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 17.08.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2001 den Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme für 5 bereits durchgeführte locoregionale Hyperthermiebehandlungen sowie die zukünftigen Kosten der Behandlung abgelehnt.
Nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) sind Kosten für eine selbst beschaffte Leistung, soweit sie notwendig war, in der erstandenen Höhe von der Krankenkasse zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Dieser Kostenerstattungsanspruch tritt an die Stelle eines an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs, den die Kasse infolge eines Versagens des Beschaffungssystems nicht erfüllt hat. Daher kann der Anspruch nur bestehen, soweit die selbst beschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die die Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu gewähren haben.
Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V sind nicht erfüllt, weil die Beklagte die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt gem. Satz 2 Ziff. 1 auch die ärztliche Behandlung. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen auf Antrag m der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben haben über
1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit ..... nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2. die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern und
3. die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Neu ist dabei die Behandlungsmethode, die noch nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistungen im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) enthalten sind (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95 - in SozR 3-2500, § 135 Nr. 4). Da die locoregionale Hyperthermiebehandlung bisher noch nicht Bestandteil des vertragsärztlichen Leistungsspektrums ist, ist unter Anwendung des § 135 Abs. 1 SGB V erforderlich, daß die Anerkennung dieser Therapie in der vertragsärztlichen Versorgung eine Empfehlung durch den Bundesausschuß erfordert. Eine solche Empfehlung wurde bisher noch nicht ausgesprochen. Mithin ist diese Behandlungsform nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung und von der Beklagten daher nicht zu erbringen.
Führt die Klägerin aus, daß die Beklagte bei Mamma-Erkrankungen automatisch weitaus teurere Chemo- und Bestrahlungsbehandlungen gewährt, während die Hyperthermiebehandlung abgelehnt werde, konnte dies nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ein Systemmangel vorliegen würde, der dann gegeben wäre, wenn der Bundesausschuß über die Anerkennung einer neuen Methode ohne sachlichen Grund oder nicht zeitgerecht entschieden hat. Ausweislich der Auskunft der Beklagten in der mündlichen Verhandlung wurde bisher ein solcher Antrag beim Bundesausschuß nicht gestellt. Daß die Einleitung oder Durchführung eines entsprechenden Prüfungsverfahrens jedoch willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen heraus blockiert oder verzögert worden ist, wurde nicht vorgetragen. Auch die Tatsache, daß der behandelnde Arzt Dr. W. in seinem Schreiben vom 10.04.2000 ausführt, daß die locoregionale Hyperthermie in vielen Gebieten Fuß gefaßt habe und er in seiner Praxis auf sehr gute Erfolge verweist, kann nicht zu einem anderen Ergebnis fuhren. Die Kammer nimmt insoweit Bezug auf das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28.01.2000 (Gerichtsakte Bl. 50/51), worin ausgeführt ist, daß es lediglich zwei Studien mit jeweils nur 10 Patienten gibt, die sich mit der Wirksamkeit dieses Verfahrens bei Krebserkrankungen beschäftigen. Dies ist auch nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichend, um von einer weit verbreiteten Anwendung der Therapie auszugehen.
Da somit die neue Behandlungsmethode der locoregionalen Hyperthermiebehandlung noch nicht durch den Bundesausschuß geprüft wurde und ein Systemversagen nicht vorliegt, war die Klage mit der Kostenfolge des § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abzuweisen.