Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 12.11.2002, Az.: S 19 P 68/01
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 12.11.2002
- Aktenzeichen
- S 19 P 68/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 35750
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2002:1112.S19P68.01.0A
In dem Rechtsstreit
...
gegen
Krankenkasse - Pflegekasse -,
hat das Sozialgericht Lüneburg -19. Kammer -
am 12. November 2002
durch die Vorsitzende, Richterin am Sozialgericht Jansen-Krentz,
beschlossen:
Tenor:
Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen
Kosten der Klägerin.
Gründe
Nach § 193 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht über die Kostentragung durch Beschluss, wenn der Rechtsstreit anders, als durch Urteil endet. Die Entscheidung ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Rechts- und Streitstandes im Zeitpunkt der Beendigung des Rechtsstreits.
Eine Belastung der Beklagten mit den außergerichtlichen Kosten der Klägerin in dem ausgesprochenen Umfang ist gerechtfertigt, da der Anspruch der Klägerin durch das ausgesprochene Anerkenntnis im wesentlichen Umfang anerkannt worden ist und das ausgesprochene Anerkenntnis den Anspruch des Klägers auf Kostentragung nur teilweise mindern kann.
Die Klägerin begehrte in dem vorliegenden Rechtsstreit Leistungen aus der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe l ab Februar 2001. Einen entsprechenden Antrag hatte die Beklagte mit Bescheid vom 12. März 2001 abgelehnt, den dagegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2001 zurückgewiesen. Auf Veranlassung des Gerichts begutachtete der Arzt für Innere Medizin Dr. H die Klägerin am 17. Juni 2002. Er ermittelte einen Pflegeaufwand von 104 Minuten im Bereich der Grundpflege. Diesen Pflegebedarf sah er seit dem letzten Tag vor der jüngsten Krankenhausaufnahme am 24. Dezember 2001 als gegeben an. Bezüglich des Zeitraumes vor der Krankenhausaufnahme konnte er einen relevanten grundpflegerischen Bedarf nicht ableiten.
Die Beklagte hat daraufhin den Anspruch der Klägerin auf Leistungen aus der
Pflegeversicherung ab dem 24. Dezember 2001 anerkannt.
Die Klägerin hat das Anerkenntnis der Beklagten zur Erledigung des Rechtsstreits
angenommen und beantragt,
der Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Klägerin, ggf. mit einer angemessenen Quote, aufzuerlegen.
Die Beklagte hält eine Belastung mit den außergerichtlichen Kosten der Klägerin nicht für gerechtfertigt, da die Voraussetzungen der Bewilligung der Leistung aus der Pflegeversicherung erst nach der Erhebung der Klage erfüllt würden.
Wie das Bayerische Landessozialgericht in seinem Beschluss vom 10. Oktober 1996 (L 5 B 198/95 AR Breithaupt 98, Seite 454) überzeugend ausführt, bemisst sich das Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen, d. h. die Erfolgsquote eines Klägers, die die Erstattungsquote des Sozialleistungsträgers im sozialgerichtlichen Verfahren bestimmt, nicht danach, für welchen Teil des Verfahrens, sondern für welchen Teil des geltend gemachten Anspruchszeitraumes der Anspruch sich als begründet erweist. Der die Leistung versagende Leistungsträger nimmt ein Klageverfahren in Kauf und nimmt auch in Kauf, dass ein Eintreten der Anspruchsvoraussetzungen während des gerichtlichen Verfahren aufgrund der gerichtlichen Ermittlungen festgestellt bzw. nachgewiesen wird, womit ihm zwangsläufig auch ein Kostenrisiko zufällt. Das Veranlassungsprinzip dient im Kostenrecht nur der Korrektur der Ergebnisse der Kostenteilung nach dem Erfolgsprinzip, so wenn der obsiegende Kläger seinen Anspruch auch ohne gerichtlichen Rechtsstreit
verwirklichen könnte, bzw. bestimmte Verfahrensabschnitte oder kostenmäßig aussonderbare Vorgänge unnötigerweise verursacht hat. Eine Klage oder auch deren Aufrechterhaltung war bzw. ist unnötig, wenn der Beklagte ohnehin bereit war oder ist, einen ggf. erst nachträglich entstandenen Anspruch anzuerkennen.
In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob eine Beklagte aufgrund ihres Anerkenntnisses im Klageverfahren von der entsprechend ihrer Unterliegensquote auf sie anfallende Kostenlast ganz freizustellen ist bzw. ob diese Quote zu mindern ist.
Maßgebend sind insoweit die Grundgedanken der Bestimmung des § 93 ZPO über die Folgen eines sofortigen Anerkenntnisses. Diese sind insofern, als sie den Verbund zwischen Sachergebnis und Kostenlastverteilung aus Billigkeitserwägungen auflösen, auf das sozialgerichtliche Verfahren übertragbar. Bei der Anwendung des § 93 ZPO sind allerdings die Besonderheiten des Verhältnisses zwischen den Parteien des sozialgerichtlichen Verfahrens zu beachten. Der Beklagte, der zur Klageerhebung Anlass gegeben hat, soll danach die Möglichkeit haben, sich durch sofortiges Anerkenntnis des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs von der Kostentragungspflicht zu befreien. Diese Möglichkeit steht der Beklagten auch dann zu, wenn eine ursprünglich unbegründete Klage im Laufe des Verfahrens aufgrund einer Änderung der Verhältnisse zu einer begründeten geworden ist.
Die Frage, ob das Anerkenntnis sofort nach der Entstehung des Anspruchs abgegeben wurde, richtet sich nach dem Sachstand zum Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits. Wie das LSG in dem zitierten Beschluss ausführt, wäre ein sofortiges Anerkenntnis grundsätzlich ein solches bei Fälligkeit des Anspruchs. Komme es - so das LSG - z.B. aufgrund des Ergebnisses einer gerichtlich angeordneten ärztlichen Begutachtung zu einem einen Rechtsstreit um Rente wegen verminderte Erwerbsfähigkeit beendenden Vergleich, in dem der beklagte Rentenversicherungsträger den Eintritt eines Versicherungsfalls der verminderten Erwerbsfähigkeit während des Rechtsstreits anerkennt und sich zur entsprechenden Rentengewährung bereit erklärt, so werde man darin in aller Regel kein "sofortiges" Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO sehen können. Denn die Entwicklung des Gesundheitszustandes eines Versicherten sei in der Regel ein fließendes Geschehen. Es werde kaum jemals vorkommen, dass Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit genau zum Zeitpunkt der ärztlichen Begutachtung eintrete.
Entsprechendes gilt auch für Leistungen aus der Pflegeversicherung, die - bei gegebenem Antrag - ebenfalls ab dem Zeitpunkt zu gewähren sind, ab dem die Voraussetzungen erfüllt sind.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat das im August 2002 erstellte Sachverständigengutachten ergeben, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen aus der Pflegeversicherung bereits im Dezember 2001 vorgelegen haben. Mithin stellt das im August 2002 abgegebene Anerkenntnis der Beklagten kein "sofortiges Anerkenntnis" in dem o.g. Sinn dar mit der Folge, dass eine völlige Freistellung von den Kosten nicht in Betracht kommt.
Die Bereitschaft der Beklagten, die Gesundheitsverschlechterung anzuerkennen und den Rechtsstreit unstreitig zu erledigen, ist jedoch insoweit Rechnung zu tragen, als sie in dem ausgesprochenen Umfang von der Tragung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin befreit wird.