Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 09.06.2016, Az.: 10 A 4629/11
Begehung terroristischer Straftaten; Bildaufzeichnung; Bildübertragung; Gefährdungslage; Leistungsklage; präventiv polizeiliche Videoüberwachung; Recht auf informationelle Selbstbestimmung; verfassungskonforme Auslegung; öffentlich rechtlicher Unterlassungsanspruch
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 09.06.2016
- Aktenzeichen
- 10 A 4629/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 43437
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 1 S 1 GG
- Art 2 S 1 GG
- § 32 Abs 3 S 1 SOG ND
- § 32 Abs 3 S 2 Nr 1 SOG ND
- § 32 Abs 3 S 2 Nr 2 SOG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Bereits die präventiv polizeiliche Video Beobachtung bestimmter Örtlichkeiten in Form des sog. Kamera Monitor Prinzips greift in den Schutzbereich der Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nach Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG ein.
2. Die Vorschrift zur Datenerhebung im öffentlichen Raum durch Videobeobachtung in § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass auch die reine Beobachtung durch Bildübertragung nur zulässig ist, wenn zugleich die Voraussetzungen für die Bildaufzeichnung nach § 32 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG erfüllt sind.
3. Die Videoüberwachung im Bereich der Polizeidirektion Hannover ist nur zum Teil durch die Ermächtigung in § 32 Abs. 3 Nds. SOG gedeckt.
4. Die Voraussetzungen für die Aufzeichnung übertragener Bilder nach § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Nds. SOG sind erfüllt, wenn die beobachteten Orte eine besondere Symbolträchtigkeit im Fall eines terroristischen Anschlags aufweisen und eine durch konkrete Anschlagsversuche und -pläne sowie tatsächliche Anschläge dokumentierte aktuelle Bedrohungslage in Deutschland und den angrenzenden Nachbarstaaten zu verzeichnen ist.
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Hannover die Beobachtung öffentlich zugänglicher Orte mittels Bildübertragung sowie die Aufzeichnung dieser Bilder an den Kamerastandorten 501-518, 520, 525-528, 532-536, 540, 542-543, 545, 547-550, 552-561, 566, 568-573, 575, 576 und 580 zu unterlassen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte 3/4 und der Kläger 1/4. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen den Betrieb der Videoüberwachung durch den Beklagten mittels Bildübertragung und -aufzeichnung im Bereich der Polizeidirektion Hannover.
Der in A-Stadt wohnhafte Kläger hatte sich bereits im Verfahren 10 A 5452/10 gegen die Beobachtung öffentlich-zugänglicher Orte in A-Stadt durch den Beklagten gewandt. Die erkennende Kammer verurteilte den Beklagten mit (rechtskräftigem) Urteil vom 14. Juli 2011, in A-Stadt die Beobachtung öffentlich zugänglicher Orte mittels Bildübertragung - mit Ausnahme der reinen Verkehrsüberwachung - sowie die Aufzeichnung dieser Bilder zu unterlassen. Die Bildbeobachtung (und auch die Aufzeichnung der übermittelten Bilder) in der vom Beklagten praktizierten Art sei als Datenerhebung im Sinne des § 32 Abs. 1 Nds. SOG schon deshalb rechtswidrig, weil sie nicht offen erfolge. Genüge die Datenerhebung mithin nicht den Anforderungen an eine offene Datenerhebung im Sinne des § 32 Abs. 1 Nds. SOG, sei sie bis zur Herstellung der Offenheit rechtswidrig und zu unterlassen. Daraufhin ließ der Beklagte in den von der Videoüberwachung betroffenen Bereichen in A-Stadt eine Vielzahl von Aufklebern anbringen, die auf die Videoüberwachung hinweisen.
Am 25.10.2011 hat der Kläger erneut Klage erhoben. Er hält seine Klage für zulässig, auch wenn er sein Unterlassungsbegehren nicht erneut vorprozessual gegenüber dem Beklagten geltend gemacht hat. Der Beklagte habe bereits durch seine Äußerungen in einer Presseerklärung vom 13.09.2011 deutlich gemacht, dass er die von ihm praktizierte (offene) Videoüberwachung für rechtmäßig halte und diese nicht einstellen werde. Insofern sei ein vorheriger Antrag auf Unterlassung der offenen Videobeobachtung beim Beklagten wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit entbehrlich.
Die Videoüberwachung sei selbst bei einer „perfekten Beschilderung“ rechtswidrig. Die insoweit maßgebliche Vorschrift des § 32 Abs. 3 Nds. SOG genüge nicht den verfassungsmäßigen Anforderungen an eine das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einschränkende Norm, soweit auf § 1 Abs. 1 Nds. SOG Bezug genommen werde. Der bloße Aufenthalt im öffentlichen Raum bedeute auch keine Einwilligung in die Informationserhebung, selbst wenn von einer Kenntnis der Videoüberwachung auszugehen sei. Die Videobeobachtung sei auch ein Grundrechtseingriff von einigem Gewicht, da bei einem Einsatz von 78 Kameras eine große Anzahl von Personen betroffen sei, ohne dafür einen Anlass gegeben zu haben. Auch sei nicht ersichtlich, dass sie nur an Orten erhöhter Kriminalitätsraten erfolgen dürfe, da diese Entscheidung allein im Ermessen der tätig werdenden Behörde liege. Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit sei insofern nicht geeignet, eine Begrenzung des Tatbestandes zu bewirken.
Zudem seien auch die Voraussetzungen für Bildaufzeichnungen nach § 32 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG nicht erfüllt. Aus der vom Beklagten vorgelegten Lagebewertung vom Februar 2016 ergebe sich keine konkrete Gefährdungslage für terroristische Anschläge in A-Stadt, so dass eine Aufzeichnung an den in § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Nds. SOG genannten besonders gefährdeten Orten unzulässig sei. Zudem ließen die vom Beklagten vorgelegten Kriminalitätsstatistiken nicht erkennen, dass an den beobachteten Orten künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung bzw. Straftaten nach § 224 StGB begangen werden, so dass auch eine Aufzeichnung nach § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Nds. SOG rechtswidrig sei. Unklar sei, wie die Wetterverhältnisse und Lichtverhältnisse zum Zeitpunkt der den jeweiligen Kamerastandorten zugeordneten Straftaten gewesen seien, da es an Hintergrunddaten zu den statistischen Werten fehle. Zudem seien keine Vergleichsdaten zu anderen Standorten ohne Videoüberwachung vorgelegt worden. Schließlich habe der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nur anhand des Kamerastandortes Opernplatz nachvollziehbar erläutert, mit welcher Methodik den einzelnen Kamerastandorten Straftaten zugeordnet werden.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Hannover die Beobachtung öffentlich zugänglicher Orte mittels Bildübertragung sowie die Aufzeichnung dieser Bilder zu unterlassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht Hannover habe es in seinem Urteil vom 14. Juli 2011 ausdrücklich offengelassen, ob die hier streitige Vorschrift des § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG einer Auslegung zugänglich sei, die den Tatbestand in verfassungsmäßiger Weise einenge. Es handele sich bei der offenen Videobeobachtung um einen Grundrechtseingriff von geringer Tiefe, der an öffentlich zugänglichen Orten als Mittel der Abwehr von Gefahren im Rahmen des polizeilichen Auftrages, insbesondere zur Gefahrenverhütung zulässig sei. Da die Bereiche der Videoüberwachung kenntlich gemacht worden seien, könne der Bürger sein Verhalten bei Bedarf auch darauf ausrichten, dass er beobachtet werde. Neben dem Abschreckungseffekt diene die Videobeobachtung auch der Abwehr konkreter Gefahren im Einzelfall wie der Unterstützung beim Einsatz polizeilicher Kräfte zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung und dem schnellen Erkennen des Bedarfs an nichtpolizeilichen Kräften wie Rettungsdienst, Arzt usw. Zudem sei das Erforderlichkeitskriterium zu beachten, so dass die Videobeobachtung zur Abwehr von Straftaten an Kriminalitätsschwerpunkten bzw. zur Abwehr anderer Gefahren von Gewicht geboten sei. Schließlich orientiere er sich beim Einsatz der angegriffenen Videoüberwachung an der sich nunmehr abzeichnenden Neuregelung der Voraussetzungen der Bildübertragung im geplanten Gesetz über die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit (NGefAG), die eine solche offene Bildübertragung an Orten ermögliche, an denen wiederholt Straftaten oder nicht geringfügige Ordnungswidrigkeiten begangen wurden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass dort auch künftig Straftaten oder nicht geringfügige Ordnungswidrigkeiten begangen werden, und die Beobachtung zur Verhütung von Straftaten oder nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten erforderlich sei.
Die Aufzeichnung der übertragenen Bilder sei auf wenige Kriminalitätsschwerpunkte bzw. besonders gefährdete Objekte begrenzt; nach der letzten turnusmäßigen Überprüfung der Kamerastandorte im Februar 2016 sei die Aufzeichnung am Kamerastandort 542 Emmichplatz deaktiviert worden, so dass nunmehr an insgesamt 23 Standorten eine Aufzeichnung erfolge. Alle anderen Kameras zeichneten nicht auf. Es bestehe in der Lage- und Führungszentrale der Polizeidirektion Hannover im besonderen Einzelfall jedoch bei jeder Kamera die Möglichkeit die übertragenen Bilder aufzuzeichnen, wenn hierfür besonderer Anlass bestehe und eine spezielle Rechtsgrundlage dies gestatte; so könne ein Beamter der Lage- und Führungszentrale im Zuge einer zufälligen Beobachtung oder aufgrund eines Notrufs wahrgenommene Straftaten Aufzeichnungen der Tatbegehung zu Zwecken der Strafverfolgung (§ 100 h StPO) veranlassen.
Die Aufzeichnung erfolge in Form der Ringspeichertechnik, die ältesten Daten werden automatisch nach fünf Tagen, fünf Stunden und 31 Minuten überschrieben.
Wegen der Gefahr terroristischer Straftaten werde an den folgenden 11 Standorten aufgezeichnet: Christuskirche (519: türkisches Generalkonsulat), Friederikenplatz (524: Ministerien/Landtag), Waterlooplatz (531: Ministerien/LKA), Lister Tor (541: Hauptbahnhof/Knotenpunkt ÖPNV), Ernst-August-Platz (544: Hauptbahnhof/Knotenpunkt ÖPNV), Kröpcke (546: Knotenpunkt ÖPNV), Aegidientorplatz (551: Knotenpunkt ÖPNV), Landtag (562: Landtag), Karmarschstraße/Marktstraße (565: Ministerien/Landtag), Trammplatz (567: Neues Rathaus/Ministerium), Jüdische Gemeinde/Haeckelstraße (574: Jüdische Gemeinde).
An den weiteren 12 Standorten Königsworther Platz (520), Goethestraße/Leibnizufer (521), Steintor (522), Goetheplatz (523), Küchengarten (529), Schwarzer Bär (530), Vahrenwalder Platz (537), Arndtstraße (538), Hamburger Allee/Celler Straße (539), Klagesmarkt (563), Am Marstall/Scholvinstraße (564) und Opernplatz (581) werde aufgezeichnet, da zu erwarten sei, dass dort oder in der unmittelbaren Umgebung künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung oder gefährliche Körperverletzungen begangen werden.
Darüber hinaus sei der Betrieb der Kamera 561 Hermesturm eingestellt worden, weil eine Erforderlichkeit an diesem Standort nicht mehr gesehen werde. Diese Kamera sei jedoch bislang weder abgedeckt noch abgebaut worden
Weiter sei beabsichtigt, die 28 bislang ausschließlich zur Verkehrsbeobachtung genutzten Kameras an den Standorten Autobahnkreuz Buchholz Überleitung (501), Autobahnkreuz Buchholz Rampe (502), Anschlussstelle Misburg 1 (503), Anschlussstelle Misburg 2 (504), Anschlussstelle Weidetor 1 (505), Anschlussstelle Weidetor 2 (506), Sortierbereich Eilenriede (507), Anschlussstelle Pferdeturm (508), Anschlussstelle Bischofshol - Nord (509), Anschlussstelle Bischofshol -Süd (510), Autobahnkreuz Seelhorst West (511), Autobahnkreuz Seelhorst (512), Sortierbereich Mittelfeld (513), Anschlussstelle Mittelfeld (514), Anschlussstelle Nordspange 1 (515), Anschlussstelle Nordspange 2 (516), Anschlussstelle Kronsbergstraße (517), Abzweig B6 (518), Berliner Platz (534), Jädekamp/Am Leineufer (568), Mecklenheidestraße/Am Leineufer (569), Herrenhäuser Straße/Anschlussstelle Westschnellweg (570), Schwanenburgkreuzung (571), Limmerstraße/Anschlussstelle Westschnellweg (572) sowie an den Verkehrskreiseln Landwehrkreisel (525), Tönniesbergkreisel (526), Ricklinger Kreisel (527) und Deisterplatz (528) der Verkehrsmanagementzentrale C./Region A-Stadt (VMZ) zur Übernahme anzubieten.
Schließlich fänden sich an 26 weiteren Standorten Kameras ohne Aufzeichnung, mit denen in der Lage- und Führungszentrale der Beklagten anlassbezogen beobachtet werde. Bei einer Gruppe von 17 Kameras, die sich an den Standorten Rudolf-von-Bennigsen-Ufer/Arthur-Menge-Ufer (532), Bruchmeisterallee/Arthur-Menge-Ufer (533), Vahrenwalder Straße/Sahlkamp (535), Vahrenwalder Straße/Niedersachsenring (536), Lister Platz (540), Emmichplatz (542), Berliner Allee/Schiffgraben (543), Thielenplatz (545), Berliner Allee/Marienstraße (547), Braunschweiger Platz (548), Vier Grenzen (549), Podbielskistraße/Hermann-Bahlsen-Allee (550), Hildesheimer Straße/ Südschnellweg (552), Theodor-Heuss-Platz (566), Stadion (575), Arena (576) und Schützenplatz (580) befinden, werde noch geprüft, ob diese Kameras beibehalten oder zum Teil nur zu bestimmten Anlässen betrieben werden sollen. Die Voraussetzungen für eine Aufzeichnung lägen an diesen Standorten nicht vor.
Hinsichtlich einer weiteren Gruppe von 9 Kamerastandorten mit Beobachtungsfunktion an den Standorten Hildesheimer Straße/Garkenburgstraße (553), Hildesheimer Straße/Am Mittelfelde (554), Hildesheimer Straße/Kronsbergstraße (555), Kronsbergstrasse/Karlsruher Straße (556), Kronsbergstraße/Gutenbergstraße (557), Lissaboner Allee/Weltausstellungsallee (558), Hermesallee/Karlsruher Straße (559), Emmy-Noether-Allee/Cousteaustraße (560) und Wülfeler Straße/Laatzener Straße (573) lasse die Kriminalitätsentwicklung der letzten Jahre eine Beobachtung nicht mehr als notwendig erscheinen, so dass beabsichtigt sei, auch diese Kameras der VMZ zur Übernahme anzubieten bzw. sie spätestens mit In-Kraft-Treten des neuen Gefahrenabwehrgesetzes außer Betrieb zu nehmen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Beklagte exemplarisch für den Kamerastandort Opernplatz (581) unter Vorlage farblich gekennzeichneter Übersichtspläne erläutert, nach welcher Methode Straftaten einem oder mehreren Kamerastandorten anhand von potenziellen Bewegungsmustern von Straftätern in der unmittelbaren Umgebung zugerechnet werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen; ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
I. Die Klage ist zulässig.
Sie ist als Leistungsklage in Form der allgemeinen Unterlassungsklage statthaft, da der Kläger von dem Beklagten das Unterlassen eines schlicht-hoheitliches Handelns, nämlich der Videoüberwachung durch Bildübertragung und Bildaufzeichnung an insgesamt 78 Kamerastandorten, begehrt (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 25.01.2012 - 6 C 9/11 -, juris; VGH Bad.-Würt., Urt. v. 21.07.2003 - 1 S 377/02 -, juris).
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass sich der Kläger zunächst nicht ein weiteres Mal erfolglos an den Beklagten gewandt hat, nachdem dieser die Videoüberwachung nach Kennzeichnung der Kamerastandorte mit Aufklebern fortgesetzt hat. Anders als bei einer Verpflichtungsklage setzt die Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage nach überwiegender Auffassung bereits nicht voraus, dass sich der Kläger zuvor durch einen entsprechenden Antrag bei der zuständigen Behörde vergeblich um die begehrte Handlung bemüht hat (Sodan, in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage, § 42, Rn. 45; Kopp, VwGO, 18. Auflage, vor § 40, Rn. 51; HessVGH, Urt. v. 16.09.2014 - 10 A 500/13 -, juris; OVG Berlin-Brand., Urt. v. 28.01.2015 - 12 B 13.13 -, juris). Zudem hat der Beklagte bereits vor Klageerhebung durch seine Presseerklärung im September 2011 deutlich gemacht, dass er nicht bereit ist, dem Begehren des Klägers zu folgen, so dass nichts dafür spricht, dass ihm mit einem entsprechenden Antrag an den Beklagten eine einfachere Möglichkeit zur Erreichung seines Ziels zur Verfügung gestanden hätte
Der Kläger hat auch eine Klagebefugnis entsprechend § 42 VwGO, da ihn die streitgegenständliche Videoüberwachung möglicherweise in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt. Wie die Kammer bereits in ihrem oben zitierten Urteil vom 14. Juli 2011 ausgeführt hat, greifen sowohl die Bildaufzeichnung als auch die bloße Bildbeobachtung mit den schwenkbaren und mit einer Zoomfunktion ausgestatten Kameras des Beklagten aufgrund der damit gegebenen Auswertungsmöglichkeiten in Echtzeit in das Recht des Klägers ein, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Dieser grundrechtliche Schutz entfällt auch nicht dadurch, dass der Kläger aufgrund der entsprechenden Beschilderung weiß, dass er im räumlichen Bereich der Kameras gefilmt wird und er sich trotzdem in diesem Bereich in der Öffentlichkeit bewegt, da er gerade nicht in die Informationserhebung eingewilligt hat (vgl. dazu auch BVerfG, Beschl. v. 23.02.2007 - 1 BvR 2368/06 -, juris).
Schließlich hat sich das Begehren des Klägers auch nicht dadurch (teilweise) erledigt, dass der Beklagte die Kamera 561 deaktiviert und im Übrigen angekündigt hat, den Betrieb der Kameras an einer Reihe von im Einzelnen benannten Standorten zukünftig einstellen zu wollen bzw. diese Kameras der Verkehrsmanagementzentrale Niedersachsen/Region A-Stadt anzubieten.
Zu der Frage, ob im Fall der tatsächlichen Abschaltung von Videokameras eine Erledigung des Rechtsstreits eintritt, hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 25.01.2012 (6 C 9/11 -, juris) Folgendes ausgeführt:
„Die Hauptsache des Rechtsstreits hat sich objektiv erledigt, wenn der Kläger infolge eines nachträglich eingetretenen Ereignisses sein Klagebegehren nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterverfolgen kann, seinem Klagebegehren vielmehr rechtlich oder tatsächlich die Grundlage entzogen worden ist. Es muss eine Lage eingetreten sein, die eine Entscheidung über seinen Klageanspruch erübrigt oder ausschließt. Das ist der Fall, wenn das Rechtsschutzziel in dem Prozess nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder außerhalb des Prozesses bereits erreicht ist oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann (vgl. Beschluss vom 15. August 1988 - BVerwG 4 B 89.88 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 82).
Die Klägerin hat ihr Rechtsschutzziel - was hier allein in Betracht zu ziehen ist - nicht bereits erreicht. Das wäre nur der Fall, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die beanstandete Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die inmitten stehende Videokamera ausgeschlossen ist. Tatsächlich wäre dies der Fall, wenn die Videokamera abgebaut ist; rechtlich wäre dies der Fall, wenn die Beklagte sich gegenüber der Klägerin in rechtlich verbindlicher Weise verpflichtet hätte, die Videokamera nicht mehr für die streitige Maßnahme einer anlasslosen Dauerüberwachung der Reeperbahn einzusetzen. Die bloße Mitteilung über die rein faktische Abschaltung der Videokamera genügt hingegen nicht, zumal die Kamera ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus Gründen technischer Unzweckmäßigkeit außer Betrieb genommen wurde. Jedenfalls solange eine Wiederholungsgefahr als materiell-rechtliche Voraussetzung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs noch gegeben ist, erledigt sich die Unterlassungsklage nicht in der Hauptsache.“
Entsprechend den vorstehenden Erwägungen, denen die erkennende Kammer vollumfänglich folgt, stellt die Ankündigung des Beklagten zur künftigen Übergabe der bislang zur Verkehrsbeobachtung genutzten Kameras (sowie die bloße Deaktivierung der Kamera 561) keine tatsächliche Erledigung des Rechtsstreits dar. Soweit die Kamera 561 lediglich deaktiviert und noch nicht abgebaut oder abgehängt worden ist, wäre ihre erneute Inbetriebnahme jederzeit ohne weiteres möglich. Soweit der Beklagte beabsichtigt, derzeit noch zur Verkehrsbeobachtung genutzte Kameras an die Verkehrsmanagementzentrale abzugeben, ist ungewiss, ob und ggfs. wann dies erfolgen soll. Auch insoweit hat sich das Begehren des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht erledigt.
Schließlich steht der Zulässigkeit der Klage nicht die materielle Rechtskraft des Urteils der Kammer vom 14. Juli 2011 entgegen. Zwar ist der Beklagte bereits in dem Verfahren 10 A 5452/10 rechtskräftig zur Unterlassung der angegriffenen Videoüberwachung verurteilt worden. Allerdings bezog sich das Urteil allein auf die Videoüberwachung ohne Kennzeichnung der Kamerastandorte und erfasste damit nicht die nunmehr streitgegenständliche offene Videoüberwachung an mit Aufklebern gekennzeichneten Kamerastandorten.
II. Die Klage ist nur teilweise begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Videoüberwachung an den Kamerastandorten 501-518, 520, 525-528, 532-536, 540, 542-543, 545, 547-550, 552-561, 566, 568-573, 575, 576 und 580 unterlassen wird (1.); ein Abwehranspruch in Hinblick auf die Kamerastandorte 519, 521-524, 529-531, 537-539, 541, 544, 546, 551, 562-565, 567, 574 und 581 steht ihm hingegen nicht zu (2.).
1. Anspruchsgrundlage ist der - aus den Grundrechten abgeleitete - öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch, der den Kläger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen auch durch schlichtes Verwaltungshandeln schützt.
Die Beobachtung durch die Kameras 501-518, 520, 525-528, 532-536, 540, 542-543, 545, 547-550, 552-561, 566, 568-573, 575, 576 und 580 greift in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie in seine allgemeine Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Abs. 1 GG ein, ohne dass der Eingriff nach § 32 Abs. 3 Nds. SOG gerechtfertigt wäre.
Wie bereits oben ausgeführt, stellt die Bildübertragung im Sinne des Kamera-Monitor-Prinzips einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, da auf diesem Weg Verhaltensweisen (Bewegungen, Aufenthalte, Gespräche, persönliche Eigenarten) und das äußere Erscheinungsbild einer Vielzahl von Bürgern registriert werden, die keinen Anlass für eine Beobachtung gegeben haben. Aufgrund der bestehenden technischen Möglichkeiten wie insbesondere von Zoomfunktionen sowie Dreh- und Schwenktechniken ermöglicht diese Videoübertragung gegenüber dem bloßen menschlichen Auge eine weit großflächigere und intensivere Beobachtung, die darüber hinaus zu jeder Tages- und Nachtzeit stattfindet und damit jedenfalls potenziell eine „Rund-um-die-Uhr-Überwachung“ zulässt. Durch die Option detaillierter Momentaufnahmen bestimmter individueller Verhaltensweisen und Gesichtsausdrücke kommt der Bildübertragung Eingriffscharakter zu, da der Betroffene sich wegen des psychisch wirkenden Überwachungsdrucks ggfs. zu einem angepassten Verhalten veranlasst sieht. Dieser Anpassungsdruck könnte den Bürger von der Ausübung seiner Grundrechte abhalten, weil er unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen notiert und als Information gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden (so auch OVG Hamburg, Urt. v. 22.06.2010 - 4 Bf 276/07 -, juris; VGH Bad.-Würt., Urt. v. 31.07.2003, a.a.O.; Sächs. VerfGH, Urt. v. 10.07.2003 - Vf. 43-II/00 -, juris ). Zwar hat sich das Bundesverfassungsgericht in seinem bereits oben unter I. zitierten Beschluss vom 23. Februar 2007 (a.a.O.) ausdrücklich nur mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Videoüberwachung durch Aufzeichnung gewonnenen Bildmaterials befasst. Allerdings spricht für die Eingriffsqualität einer Videoüberwachung selbst ohne Aufzeichnung die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht in diesem Beschluss vom 23. Februar 2007 Bezug genommen hat auf sein sog. Volkszählungsurteil vom 15.12.1983 (1 BvR 209/83, BVerfGE 65, 1-71). In diesem Urteil hatte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt, dass allein die Tatsache, dass ein Mensch sein Verhalten ändere, wenn er davon ausgehe, beobachtet zu werden, einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung begründen könne (so auch Fezer/Zöller, Verfassungswidrige Videoüberwachung - Der Beschluss des BVerfG zur geplanten Überwachung des Regensburger Karavan-Denkmals durch Videotechnik, NVwZ 2007, 775, 777 [BVerfG 23.02.2007 - 1 BvR 2368/06]). Derjenige, der von einer Videokamera überwacht werde, weiß im Regelfall nicht, ob diese lediglich observiert oder ob die Aufnahmen auch gespeichert werden. Das subjektive Gefühl der Überwachung hängt hiervon aber nicht ab, sondern wird allein durch die Anwesenheit der Kameras begründet.
Dies gilt auch im vorliegenden Fall, in dem die Kameras lediglich als Überwachungskameras gekennzeichnet sind und die Kennzeichnung nicht erkennen lässt, ob an einem Kamerastandort nur beobachtet oder auch aufgezeichnet wird. Hinzu kommt der Umstand, dass nach Auskunft des Beklagten an sämtlichen Kamerastandorten jederzeit auch die Aufzeichnungsfunktion aktiviert werden kann.
Dieser Eingriff ist auch nicht nach § 32 Abs. 3 Nds. SOG gerechtfertigt. Nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG dürfen die Verwaltungsbehörden und die Polizei öffentlich zugängliche Orte mittels Bildübertragung offen beobachten, wenn dies zur Erfüllung von Aufgaben nach § 1 Abs. 1 erforderlich ist. Darüber hinaus kann die Polizei gemäß § 32 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG die nach Satz 1 übertragenen Bilder aufzeichnen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an den beobachteten Orten oder in deren unmittelbarer Umgebung künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung oder Straftaten nach § 224 StGB begangen werden (Nr. 1) oder soweit die Bilder an oder in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage, einer Verkehrs- oder Versorgungseinrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt aufgenommen werden und tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass an oder in Objekten dieser Art terroristische Straftaten begangen werden sollen (Nr. 2).
Nach Ansicht der Kammer ist Maßstab für die streitgegenständliche Videoüberwachung § 32 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nds. SOG, wobei es keinen Unterschied macht, ob die Überwachung ohne oder mit Bildaufzeichnung erfolgt. Zwar ist nach dem Wortlaut der vorgenannten Regelungen zwischen einer reinen Bildübertragung einerseits und einer Bildaufzeichnung andererseits zu differenzieren. Allerdings hat die Kammer bereits in ihrem oben zitierten Urteil ausgeführt, warum ein weites Verständnis der Voraussetzungen für die Videoüberwachung nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, ohne sich in diesem Zusammenhang mit Satz 2 zu befassen:
„Selbst unter Berücksichtigung der geringen Eingriffstiefe einer offenen Beobachtung im öffentlichen Straßenraum genügt die Vorschrift jedenfalls nach ihrem Wortlaut nicht den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an die Bestimmtheit und Normenklarheit einer Rechtsgrundlage stellt, die Behörden zu Eingriffen in Grundrechte der Bürger ermächtigt.
Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass der demokratisch legitimierte Parlamentsgesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe und deren Reichweite selbst trifft, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Ferner erlauben die Bestimmtheit und Klarheit der Norm, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann. Der Gesetzgeber hat deshalb Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs hinreichend bereichsspezifisch, präzise und normenklar festzulegen (vgl. bereits BVerfGE 65, 1, 44 ff., 54 [BVerfG 15.12.1983 - 1 BvR 209/83]; ausführlich BVerfGE 100, 313, 359 f., 372; 110, 33, 53; 113, 348, 375; BVerfG, NJW 2007, 2464, 2466 [BVerfG 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03; 1 BvR 2357/04; 1 BvR 603/05]). Da die Vorschrift auch der Gefahrenverhütung dienen soll und damit eine Anknüpfung an eine konkrete Gefahrenlage, wie sie die Maßnahmen der Gefahrenabwehr nach dem Nds. SOG kennzeichnen, entfällt, müssen die Bestimmtheitsanforderungen an dieser Vorfeldsituation ausgerichtet werden. Das bedeutet, die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandselemente enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit vergleichbar dem schaffen, der für die überkommenen Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung rechtsstaatlich geboten ist (vgl. BVerfGE 113, 348, 377 [BVerfG 27.07.2005 - 1 BvR 668/04]).
Die Anknüpfung an die Aufgaben der Polizei nach § 1 Abs. 1 Nds. SOG genügt nicht, den Tatbestand des § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG hinsichtlich des Anlasses der Datenerhebung und hinsichtlich des Verwendungszwecks der Daten hinreichend einzugrenzen. Die Bildbeobachtung dient in erster Linie dem Zweck der Gefahrverhütung (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG; vgl. auch LT-Drs. 15/4212, S. 5). Da der Begriff der Gefahr denkbar weit ist und jede Sachlage erfasst, bei der im Einzelfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung - Begriffe, die ihrerseits weit sind (vgl. BVerfGE 69, 315, 352) - einzutreten droht (vgl. § 2 Nr. 1a Nds. SOG), ist eine tatbestandliche Begrenzung über die Zielrichtung der Bildbeobachtung kaum möglich. Dies wird schon illustriert durch das Verständnis des Beklagten, auch die permanente Beobachtung des fließenden Verkehrs mit Kameras auf Grundlage des § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG zu betreiben. Begrenzt wird der Tatbestand auch nicht durch das Merkmal der Erforderlichkeit. Die Bildbeobachtung muss danach zur Gefahrenverhütung besser geeignet sein als andere Maßnahmen der Gefahrenverhütung, wie etwa die Präsenz von Polizeibeamten auf Streifenfahrten, Kontrollgängen u.ä. Unter der Annahme, die Bildbeobachtung ist zur Gefahrenverhütung geeignet (vgl. VGH Ba.-Wü., Urt. v. 21.07.2003, a.a.O., S. 502; OVG Hamburg, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., S. 504; Fetzer/Zöller, NVwZ 2007, 775, 778 [BVerfG 23.02.2007 - 1 BvR 2368/06], m.w.N.), steht nach Auffassung der Kammer außer Frage, dass eine permanente anlasslose Beobachtung unter den Bedingungen beschränkter personeller Mittel der Polizeibehörden effektiver ist als eine stichprobenhaft erfolgende anlasslose Überwachung durch Polizeibeamte. Schließlich bietet auch der räumliche Anwendungsbereich des § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG, der auf öffentlich zugängliche Orte beschränkt ist, kaum Anhaltspunkte für eine dem Bestimmtheitsgebot genügende Einschränkung des Tatbestandes. Letztlich erlaubt die Vorschrift jedenfalls nach ihrem Wortlaut (in den Grenzen von Art. 13 GG) die flächendeckende Beobachtung öffentlich zugänglicher Orte in Niedersachsen.
Aufgrund der Weite ihres Anwendungsbereichs dürfte die Vorschrift auch gegen das Übermaßverbot verstoßen. Die anlasslose Beobachtung dient nämlich nicht ausschließlich dem Schutz eines besonders hohen Schutzguts der Verfassung und ist auch nicht in irgendeiner Weise verfahrensrechtlich - etwa durch einen Behördenleitervorbehalt - abgesichert (vgl. zu diesen Kriterien BVerfG, Urt. v. 14.07.1999 - 1 BvR 2226/94, 2420/95 u. 2437/95 - NJW 2000, 55, 63; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Aufl. 2007, Rz. 340).
Ob § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG einer Auslegung zugänglich ist, die den Tatbestand in verfassungsgemäßer Weise einengte, hat die Kammer indes nicht zu entscheiden. Denn der Unterlassungsanspruch des Klägers besteht schon deshalb, weil hier die Voraussetzungen von § 32 Abs. 3 Nds. SOG nicht vorliegen. Die Videoüberwachung, der der Kläger in A-Stadt ausgesetzt ist, ist rechtswidrig.“
Angesichts dieser Erwägungen hält es die Kammer für erforderlich, die Vorschrift zur Datenerhebung im öffentlichen Raum durch Videobeobachtung verfassungskonform auszulegen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Grenzen verfassungskonformer Auslegung einfachgesetzlicher Normen mit Beschluss vom 16.12.2014 (1 BvR 2142/11 juris) wie folgt definiert:
„(a) Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden (vgl. BVerfGE 119, 247 <274>). Eine Norm ist nur dann für verfassungswidrig zu erklären, wenn keine nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung vereinbare Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelung und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten (vgl. BVerfGE 88, 145 <166>; 119, 247 <274>). Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet allerdings dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch träte (vgl. BVerfGE 95, 64 <93>; 99, 341 <358>; 101, 312 <329> m.w.N.; stRspr). Anderenfalls könnten die Gerichte der rechtspolitischen Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers vorgreifen oder diese unterlaufen (vgl. BVerfGE 8, 71 [BVerfG 10.07.1958 - 1 BvF 1/58] <78 f.>; 112, 164 <183>). Das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung muss demnach nicht nur vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein, sondern auch die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahren (vgl. BVerfGE 86, 288 <320>; 119, 247 <274>). Das gesetzgeberische Ziel darf nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht werden (vgl. BVerfGE 119, 247 [BVerfG 19.09.2007 - 2 BvF 3/02] <274> m.w.N.).“
Anders als der Beklagte meint, kommt eine an der beabsichtigten Novellierung der Vorschrift zur offenen Videoüberwachung orientierte Auslegung auf der Grundlage des Entwurfs des § 32 Absatz 3 NGefAG nicht in Betracht. Nach dem derzeitigen Gesetzesentwurf der Niedersächsischen Landesregierung vom 22.03.2016, der gemäß § 31 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen (GGO) zur Verbandsbeteiligung freigegeben worden ist, ist geplant, § 32 Abs. 3 wie folgt neu zu fassen:
„c) Absatz 3 wird wie folgt geändert:
aa) Satz 1 erhält folgende Fassung:
1Die Verwaltungsbehörden und die Polizei dürfen öffentlich zugängliche
Orte, an denen wiederholt Straftaten oder nicht geringfügige Ordnungswidrigkeiten begangen wurden, mittels Bildübertragung offen beobachten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig Straftaten oder nicht geringfügige Ordnungswidrigkeiten begangen werden, und die Beobachtung zur Verhütung von Straftaten oder nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten erforderlich ist.“
bb) Es werden die folgenden neuen Sätze 2 und 3 eingefügt:
„2Die offene Beobachtung eines öffentlich zugänglichen Ortes mittels Bildübertragung ist auch zulässig während eines zeitlich begrenzten Ereignisses, wenn aufgrund der Beschaffenheit des Ortes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass während des Ereignisses Straftaten oder nicht geringfügige Ordnungswidrigkeiten begangen werden, und die Beobachtung zur Verhütung von Straftaten und nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten erforderlich ist. 3An den Orten, die mittels Bildübertragung beobachtet werden, ist auf die Beobachtung hinzuweisen.“
cc) Die bisherigen Sätze 2 und 3 werden Sätze 4 und 5.“
In der Gesetzesbegründung zu dieser Novellierung wird Folgendes ausgeführt:
„Zu Buchstabe c:
Mit der Änderung des Absatzes 3 wird eine Konkretisierung der Rechtsgrundlage für die offene Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Orte vorgenommen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Bestimmtheit und Normenklarheit stärker Rechnung trägt. In Satz 1 wird der Zweck der Videoüberwachung in Anlehnung an Absatz 1 Satz 1 bestimmt, indem klargestellt wird, dass die Videoüberwachung zur Verhütung von Straftaten und nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten zulässig ist. Nicht geringfügige Ordnungswidrigkeiten sind solche, bei denen die betroffene Person nicht verwarnt und kein Verwarnungsgeld erhoben werden kann. Als weitere Voraussetzung wird die Videoüberwachung auf bestimmte Orte beschränkt.
Dies sind Orte an denen bereits wiederholt Straftaten oder nicht geringfügige Ordnungswidrigkeiten begangen und an denen mit der Begehung weiterer Taten zu rechnen ist.
Durch den neuen Satz 2 wird die offene Beobachtung eines öffentlich zugänglichen Ortes mittels Bildübertragung auch zugelassen bei zeitlich begrenzten Ereignissen, wenn die zukünftige Begehung von Straftaten oder nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Diese Tatbestandsvariante soll Fallgestaltungen abdecken, bei denen kurzfristig anlassbezogen Gefahrenorte entstehen, an denen vorher nicht zwangsläufig bereits Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen sein müssen. Zu denken ist hier beispielsweise an Großveranstaltungen wie Konzerte, Messen oder Jahrmärkte, bei denen eine besondere Verkehrslenkung für Fußgänger eingerichtet wird, die aufgrund von Enge und Unübersichtlichkeit in gesteigertem Maße Straftaten z.B. Taschendiebstähle erwarten lässt. Die in Satz 3 angeordnete Kenntlichmachung der Videoüberwachung dient als verfahrenssichernde Bestimmung für die Erkennbarkeit der offenen Maßnahme. Die Art und Weise der Kennzeichnung ist nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmen. Im Regelfall wird eine deutliche Kennzeichnung durch Hinweisschilder der erforderlichen Erkennbarkeit gerecht werden.“
Ohne dass die Kammer den Entwurf zur Datenerhebung an öffentlich zugänglichen Orten materiell-rechtlich bewertet, ist aus Sicht des Gerichts eine beschränkende Auslegung der derzeit noch gültigen Vorschrift des § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG im Sinne der geplanten Neuregelung aus zwei Gründen nicht möglich: Zum einen ist im derzeitigen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens noch völlig unklar, ob und ggfs. wann der derzeitige Gesetzesentwurf, zu dem sich der Landtag noch nicht geäußert hat, mit welchem Inhalt verabschiedet wird; zum anderen fehlt es für eine derartige beschränkende Auslegung auch an hinreichenden Anknüpfungspunkten im Gesetzeswortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte des § 32 Abs. 3 Nds. SOG.
Eine mit § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG vergleichbare Regelung war bereits in der auf das oben zitierte Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1983 (a.a.O) folgenden Novellierung des seinerzeitigen NGefAG im Jahr 1994 zu finden, mit der ein neuer Abschnitt „Befugnisse zur Datenerhebung“ in das allgemeine niedersächsische Polizeigesetz eingefügt wurde, unter anderem mit der Regelung in § 32 Abs. 5 NGefAG:
„Öffentliche Straße und Plätze sowie andere öffentlich zugängliche Orte dürfen mittels Bildübertragung offen beobachtet werden, wenn dies zur Erfüllung von Aufgaben nach § 1 Abs. 1 oder Abs. 5 erforderlich ist.“
Ausweislich der Gesetzesbegründung (LT-Drucksache 12/4140, S. 64-65 zur ursprünglich als § 27c Abs. 5 NGefAG formulierten Regelung) war es insbesondere Zweck dieser Vorschrift, Straftaten zu verhüten und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld zu stärken. Erforderlich sollte die Überwachung mittels Bildübertragung nach Abs. 5 jedoch nur sein, wenn es sich um Orte handelt, an denen nach allgemeiner Erfahrung vermehrt Straftaten begangen werden oder die für die Begehung von Straftaten - z.B. aufgrund der konkreten baulichen oder Beleuchtungsverhältnisse - besonders geeignet seien. Überdies sollten nach dieser Vorschrift nur Bildübertragungen und keine Bildaufzeichnungen erlaubt sein, wie sich auch aus Ziffer 32.5 der Ausführungsbestimmungen zur seinerzeitigen Regelung Vorschrift ergibt.
Abgesehen von der Streichung des Verweises auf § 1 Abs. 5 hat diese weit gefasste Formulierung zur Datenerhebung mittels (reiner) Bildübertragung bis heute keine wesentlichen Änderungen erfahren. Allerdings ist - als Reaktion auf die Terror-Anschläge vom 11. September 2001 (Böhrenz/Siefken, Nds. SOG, 9. Auflage, 2014, Einführung, Rn. 5.3) - zunächst die Regelung zur Bildübertragung im Jahr 2001 durch eine Regelung zur Videoaufzeichnung ergänzt worden, die im Wesentlichen der heutigen Fassung des § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Nds. SOG entspricht, und im Jahr 2007 nochmals erweitert worden um die Regelung des § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Nds. SOG, die auch jetzt noch Gültigkeit hat. Wie sich aus dem Stenographischen Protokoll der 85. Plenarsitzung des Niedersächsischen Landtags am 24. Oktober 2001 (S. 8341) ergibt, beruhte die (erstmalige) Zulassung der Aufzeichnung der bei offenen Videoüberwachungen öffentlich zugänglicher Orte übertragenen Bilder auf der Empfehlung des federführenden Ausschusses für innere Verwaltung, der seinerseits einer Anregung des (damaligen) Innenministeriums folgte, mit der Neuregelung potenzielle Straftäter abzuschrecken und eine spätere Strafverfolgung zu erleichtern.
Nach Auffassung der Kammer lässt sich sowohl der Gesetzesbegründung zur erstmaligen Regelung der Bildübertragung im Jahr 1994 in § 32 Abs. 5 NGefAG, der nur restriktiven Ermöglichung der Bildaufzeichnung durch die Gesetzesnovellen 2001 und 2007,als auch der Begründung zur beabsichtigten Gesetzesnovellierung (Stand: März 2016) der Gedanke entnehmen, dass der Gesetzgeber einen uneingeschränkten - nur am allgemeinen Zweck der Gefahrenabwehr orientierten - Einsatz der Videoüberwachung durch Bildübertragung nicht bezweckt hat. Angesichts dessen legt die Kammer die Vorschrift zur Datenerhebung im öffentlichen Raum durch Videobeobachtung in der Weise verfassungskonform aus, dass auch die reine Beobachtung durch Bildübertragung nur zulässig ist, wenn zugleich die Voraussetzungen für die Bildaufzeichnung erfüllt sind. Auch wenn damit die Dualität der Vorschriften zur Bildübertragung (Satz 1) einerseits und zur Bildaufzeichnung (Satz 2) andererseits aufgegeben wird, ist die Anknüpfung an die (strengeren) Voraussetzungen der Bildaufzeichnung der einzig zulässige und sinnvolle Weg, zu einer nach den Auslegungsgrundsätzen zulässigen und mit der Verfassung zu vereinbarenden Deutung der Voraussetzungen für die reine Bildübertragung zu kommen.
Für die von der Kammer vorgenommene Reduktion des Wortlautes von § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds.OVG dahingehend, dass derzeit auch die Videoüberwachung in Form der reinen Bildübertragung nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der Bildaufzeichnung zulässig ist, sprechen vor allem die grundrechtlichen Interessen der Betroffenen. Wie bereits dargelegt, stellt die derzeit praktizierte Form der Videoüberwachung durch schwenkbare und mit Zoom ausgestattete Kameras, bei denen jederzeit die Aufnahmefunktion aktiviert werden kann, einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Da nach dem Verständnis der Kammer Anknüpfungspunkt für diese Eingriffsermächtigung nicht jede Gefahrenverhütung an jedem öffentlich zugänglichen Ort in Niedersachsen sein kann, und die einschüchternde Wirkung der bildübertragenden Videokameras durch die mangelnde Kennzeichnung von lediglich beobachtenden und auch aufzeichnenden Kameras der Wirkung aufzeichnender Kameras entspricht, trägt eine Angleichung der Voraussetzungen an die Regelung zur Aufzeichnung von Bildern dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in spezifischer Weise Rechnung. In diesem Sinne hatte die Kammer bereits in dem Verfahren 10 A 226/13, das das Vorhalten einer Mastkamera zur Beobachtung einer Versammlung zum Gegenstand hatte, mit Urteil vom 14. Juli 2014 festgestellt, dass jedenfalls in den Fällen, in denen (für Versammlungsteilnehmer) nicht ersichtlich ist, ob eine (teil-)ausgefahrene Kamera in Betrieb genommen war oder nicht, unabhängig vom tatsächlichen Einsatz der Kamera das Gefühl entstehen kann, beobachtet und gefilmt zu werden, und Personen potenziell von der Ausübung ihres Versammlungsrechts abgehalten werden, weil sie nicht übersehen konnten, ob ihnen daraus Risiken entstehen. Diese Einschätzung hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 24.09.2015 (11 LC 215/14, juris) bestätigt und darauf verwiesen, dass sich die Beurteilung des streitgegenständlichen Einsatzes ausschließlich nach deren Wirkung auf die Versammlungsteilnehmer und nicht nach dem von der Polizei beabsichtigten Zweck des Einsatzes richte:
„Ebenso wie Grundrechte nicht nur durch Rechtsakte, sondern auch durch staatliche Realakte, die tatsächlich Auswirkungen auf eine Grundrechtsposition haben, beeinträchtigt werden können, ist anerkannt, dass Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht nur final, sondern auch faktisch als (un-)beabsichtigte Nebenfolge eines auf ganz andere Ziele gerichteten Staatshandelns erfolgen können (Bayer. VGH, Urt. v. 15.7.2008 - 10 BV 07.2143 -, juris, Rdnr. 23; Ullrich, NVersG, § 12, Rdnr. 2).“
Auch wenn sich diese Urteile auf die Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit beziehen, lassen sich diese Erwägungen nach Auffassung der Kammer ebenso auf die Ausübung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung oder auch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Artikel 2 Abs. 1 GG anwenden und rechtfertigen die von der Kammer zugrunde gelegte Auslegung der Vorschrift zur Bildübertragung (ohne dass der Gesetzgeber allerdings zukünftig daran gehindert wäre, für den Fall der eindeutigen Unterscheidbarkeit von Bildübertragungen und Bildaufzeichnungen unterschiedliche Eingriffsvoraussetzungen zu normieren).
Vor dem Hintergrund eines solchen restriktiven Verständnisses der Regelung zur reinen Bildübertragung sind die Voraussetzungen für die derzeit praktizierte Videoüberwachung an den Kamerastandorten 501-518, 520, 525-528, 532-536, 540, 542-543, 545, 547-550, 552-561, 566, 568-573, 575, 576 und 580 zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt in der mündlichen Verhandlung nicht erfüllt.
Soweit es sich um die Kamerastandorte an Autobahnkreuzen und Anschlussstellen (Nummern 501-518), an Verkehrskreiseln (Nummern 525-528) und an den größeren Ausfallstraßen und auf sowie entlang des Messegeländes (Nummern 534, 553-560) und auf bzw. entlang der Schnellwege (568-573) handelt, hat bereits der Beklagte selbst eingeräumt, dass diese reine Verkehrsbeobachtung nicht die Voraussetzungen der Videoüberwachung nach § 32 Abs. 3 Nds. SOG erfüllt. Da der Beklagte diese Standorte allerdings tatsächlich (noch) nicht aufgegeben hat, besteht insoweit der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch. Gleiches gilt für den Standort 561 am Hermesturm, den der Beklagte nach eigenen Angaben deaktiviert, aber nicht abgebaut hat, so dass auch insoweit - wegen der unbestrittenen Möglichkeit, die Kamera wieder zu aktivieren - ein Unterlassungsanspruch zu bejahen ist.
Hinsichtlich der weiteren Standorte am Rudolf-von-Bennigsen-Ufer/Arthur-Menge-Ufer (532), Bruchmeisterallee/Arthur-Menge-Ufer (533), Vahrenwalder Straße/Sahlkamp (535), Vahrenwalder Straße/Niedersachsenring (536), Lister Platz (540), Emmichplatz (542), Berliner Allee/Schiffgraben (543), Thielenplatz (545), Berliner Allee/Marienstraße (547), Braunschweiger Platz (548), Vier Grenzen (549), Podbielskistraße/Hermann-Bahlsen-Allee (550), Hildesheimer Straße/Südschnellweg (552), Theodor-Heuss-Platz (566), Stadion (575), Arena (576) und Schützenplatz (580) hat der Beklagte ebenfalls erklärt, dass die Voraussetzungen für eine Aufzeichnung an diesen Orten nicht erfüllt seien und lediglich geprüft werde, ob ein anlassbezogener Einsatz in Betracht komme. Da die Kammer keinen Anlass hat, an dieser - auf kriminalistischen Erfahrungen beruhenden - Einschätzung des Beklagten zu zweifeln, hat das Unterlassungsbegehren des Klägers auch insoweit Erfolg.
Entsprechendes gilt schließlich für den Kamerastandort 520 am Königsworther Platz, an dem die Aufzeichnungsfunktion aktiviert ist. Der Beklagte hat zu diesem Kamerastandort dargelegt, dass er bei gleichbleibenden Fallzahlen im kommenden Jahr nicht mehr davon ausgehen werde, dass die Aufzeichnung der Bilder noch erforderlich zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung sei. Anders als der Beklagte vermag das Gericht allerdings bereits jetzt nicht zu erkennen, dass die Anzahl der insoweit relevanten Straftaten aktuell die Aufzeichnung von Bildern an diesem Kamerastandort rechtfertigt. Aus der vom Beklagten vorgelegten Kriminalitätsstatistik für diesen Standort ist erkennbar, dass die Straftaten von erheblicher Bedeutung einschließlich der gefährlichen Körperverletzungsdelikte im Jahr 2015 rückläufig waren. Nicht nur im Vergleich zum Jahr 2014, in dem insgesamt noch 33 derartige Delikte zu verzeichnen waren, sondern auch gemessen am Vorvorjahr 2013 (27 Straftaten) und auch am Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2015 mit rund 29 Straftaten ist der Wert für das Jahr 2015 mit 24 Delikten im Sinne von § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Nds. SOG stark zurückgegangen. Dass sich im laufenden Jahr 2016 eine andere Entwicklung abzeichnet, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Damit liegen aus Sicht der Kammer aktuell nicht die Voraussetzungen zur Aufzeichnung von Bildern zur Verhütung von Straftaten vor und die Videoüberwachung ist auch insoweit zu unterlassen.
2. Keinen Erfolg hat die Klage hingegen, soweit sich der Kläger gegen die Aufzeichnung übertragener Bilder an den Kamerastandorten 519, 521-524, 529-531, 537-539, 541, 544, 546, 551, 562-565, 567, 574 und 581 wendet, da die Aufzeichnung an diesen Standorten den gesetzlichen Voraussetzungen nach § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Nds. SOG (a) bzw. § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Nds. SOG (b) entspricht.
a) Die Aufzeichnung der nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG übertragenen Bilder durch die Polizei setzt gemäß § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Nds. SOG voraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an den beobachteten Orten oder in deren unmittelbarer Umgebung künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung, d.h. im Sinne von § 2 Nr. 11 Nds. SOG oder Straftaten nach § 224 StGB gegangen werden.
Wie bereits unter II.1 legt das Gericht die von dem Beklagten vorlegten Daten der Kriminalstatistik aus den Jahren 2008 bis 2015 der Prüfung nach § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Nds. SOG zugrunde. Zwar hat der Kläger beanstandet, dass diese Zahlen nicht aussagekräftig seien, weil nicht ersichtlich sei, auf welchen Bereich sich die Straftaten bezögen und der Beklagte eine detaillierte Darstellung der Methodik nur in Hinblick auf den Kamerastandort Opernplatz (581) vorgelegt hat.
Die Kammer hat allerdings nach der exemplarischen Erläuterung der Statistik für den Standort Opernplatz weder Zweifel an der Validität der statistischen Daten noch daran, dass diese Methodik auf sämtliche Kamerastandorte angewendet wurde.
Soweit der Beklagte am Beispiel des Opernplatzes zunächst dargelegt hat, dass er entsprechend der unterschiedlichen Vegetationsverhältnisse in Sommer und Winter eine differenzierte Betrachtung der Bereiche vornimmt, die dem Sichtfeld der Kameras zugeordnet werden können, ist dies nachvollziehbar. So ist das Sichtfeld im Sommer deutlich kleiner, wenn der Bewuchs an Büschen und Bäumen die Sicht auf dahinter liegende Bereiche einschränkt. Nachvollziehbar ist für das Gericht darüber hinaus die darauf basierende Darstellung der an das eigentliche Sichtfeld angrenzenden Bereiche, aus denen Straftaten ebenfalls diesem Kamerastandort zugeordnet sind. Wie der Beklagte ausgeführt hat, sind in die Ermittlung dieses Bereichs mögliche Wege der Straftäter zum Tatort hin oder vom Tatort weg als Fußgänger, Fahrradfahrer oder Autofahrer eingeflossen, bei denen eine mindestens 50%ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Straftäter auf diesem Weg den Beobachtungsbereich der Kamera passieren. Diese Betrachtungsweise begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Auch wenn sich damit der Zuordnungsbereich von Straftaten gegenüber dem eigentlichen Sichtfeld der Kamera deutlich vergrößert, hält sich dies im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben, die auch die Aufzeichnung von Bildern zulassen, wenn Straftaten von erheblicher Bedeutung in der unmittelbaren Umgebung zu verzeichnen sind. Dass dies anzunehmen ist, wenn Straftäter mit mindestens 50%iger Wahrscheinlichkeit auf ihrem Weg vom bzw. zum Tatort das Sichtfeld der Kamera durchqueren müssen, ist ein geeignetes Kriterium für die räumliche Zuordnung von Straftaten. Zudem führt auch der Umstand, dass keine weitere Differenzierung der Statistik nach den Witterungsverhältnissen und den Lichtverhältnissen sowie der Uhrzeit, zu der die Taten begangen werden, erfolgt, nicht dazu, dass die statistischen Daten anzuzweifeln wären, da das eigentliche Sichtfeld der Kameras flächenmäßig nicht übermäßig groß abgebildet wird und keine substantiierten Zweifel an der grundsätzlichen Qualität der Kamera-Aufzeichnungen geltend gemacht worden sind. Die Kamerastandorte befinden sich durchweg im Innenstadtbereich, der durch die Straßenbeleuchtung auch nachts hinreichend deutliche Aufnahmen erwarten lässt.
Schließlich hat das Gericht auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die - exemplarisch für den Kamerastandort Opernplatz erläuterte - Methodik zur Ermittlung der statistischen Daten für die Kamerastandorte nicht auf sämtliche Kamerastandorte angewendet hat.
Unter Berücksichtigung dieser nach den vorstehenden Maßstäben als valide geltenden statistischen Daten sind die Voraussetzungen für eine Aufzeichnung nach § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Nds. SOG an den nachfolgend genannten Standorten erfüllt.
Beginnend mit dem Standort Goethestraße/Leibnizufer (Kamera 521) über die Standorte Steintor (522), Goetheplatz (523), Am Küchengarten (529), Schwarzer Bär (530), Vahrenwalder Platz (537), Arndtstraße (538), Hamburger Allee/Celler Straße (539), Klagesmarkt (563), Am Marstall (564) bis hin zum Standort Opernplatz (581) rechtfertigen an allen genannten Kamerastandorten Tatsachen die Annahme, dass an den beobachteten Orten oder in deren unmittelbarer Umgebung künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung oder Straftaten nach § 224 StGB begangen werden. Dies ergibt sich ohne Zweifel für die Standorte, die in den Jahren 2014 und 2015 Straftaten von erheblicher Bedeutung im dreistelligen Bereich aufweisen wie Goethestraße/Leibnizufer (185/196), Steintor (312/459), Am Marstall (280/470) und der Opernplatz (280/470). Auch die Standorte Am Küchengarten (57/50), Schwarzer Bär (48/67), Vahrenwalder Platz (59/73), Arndtstraße (59/729); Hamburger Allee/Celler Straße (91/91) und Klagesmarkt (71/75) weisen aktuell hohe zweistellige Werte von Straftaten von erheblicher Bedeutung sowie Straftaten nach § 224 StGB auf, die die Prognose des Beklagten, die Videoüberwachung ist zur Verhütung entsprechender Straftaten erforderlich, tragen. Grenzwertig ist aus Sicht der Kammer allein der Kamerastandort Goetheplatz, der für die Jahre 2014 und 2015 insgesamt 32 bzw. 35 Straftaten von erheblicher Bedeutung bzw. nach § 224 StGB aufweist. Diese Werte sind weder in absoluten Zahlen noch in Relation zum Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2015 (42) auffällig hoch. Allerdings ist - mit dem Vorbringen des Beklagten - festzustellen, dass die Deliktszahlen tendenziell zunehmen. Gemessen daran hält die Kammer es aktuell (noch) für vertretbar, auch für diesen Standort die Einschätzung des Beklagten zu teilen, dass derzeit eine Videoüberwachung in Form der Aufzeichnung zur Verhütung derartiger Delikte (noch) erforderlich ist. Sollten die Fallzahlen in den kommenden Jahren jedoch auf diesem Niveau stagnieren, dürfte die rechtliche Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Videoaufzeichnung an diesem Standort allerdings anders ausfallen.
b) Nach § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 kann die Polizei die nach Satz 1 übertragenen Bilder aufzeichnen, soweit die Bilder an oder in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage, einer Verkehrs- oder Versorgungseinrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt aufgenommen werden und tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass an oder in Objekten dieser Art terroristische Straftaten begangen werden sollen.
Zu den im ersten Halbsatz unter Nr. 2 genannten Objekten zählen das Türkische Generalkonsulat (Kamera 519), der Niedersächsische Landtag (Kamera 524 und 562), das Niedersächsische Justizministerium (Kamera 531), das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport sowie das Landeskriminalamt (Kamera 531), das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (Kamera 565), das Neue Rathaus (Kamera 567) und die Jüdische Gemeinde (Kamera 574) als herausragende repräsentative Amtsgebäude sowie die Knotenpunkte des Öffentlichen Personennahverkehrs an den Standorten Lister Tor (Kamera 541), Ernst-August-Platz/Hauptbahnhof (544), Kröpcke (Kamera 546) und Aegidientor (Kamera 551), die allesamt im Fall eines Terroranschlags symbolträchtige Orte darstellen.
Anders als der Kläger geht das Gericht auch davon aus, dass tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass an oder in Objekten dieser Art terroristische Straftaten begangen werden. Der Begriff der terroristischen Straftaten wird unter Rückgriff auf § 129a StGB bestimmt, der wiederum aus der Umsetzung eines EU-Rahmenbeschlusses vom 13.06.2002 zur Terrorismusbekämpfung (Abl EG 2002 NR. L. 64, umgesetzt durch Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates, BGBl I 2836) hervorgegangen ist (Ullrich/Weiner/Brüggemann, Niedersächsisches Polizeirecht, 2012, Rn. 182; im Ergebnis auch Saipa, Nds. SOG, Oktober 2014, § 32, Rn.4). Erfasst sind danach Taten, die katalogartig in § 129a Abs. 1 und Abs. 2 StGB aufgeführt und die bestimmt sind, die Bevölkerung erheblich einzuschüchtern oder die die tragenden Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation mindestens beeinträchtigen sollen (vgl. auch LT-Drucksache 15/3810, S. 28).
Zwar liegen ausweislich der zur Vorbereitung der Jahresprüfung 2016, Kriminalitätslage im Bereich der Kamerastandorte, erstellten „Gefährdungslage Terrorismus“ vom 17. Februar 2016 keine Erkenntnisse zu einer konkreten Gefahrenlage für terroristische Anschläge für den Bereich der Polizeidirektion Hannover vor. Allerdings ist die Vorschrift des § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Nds. SOG nach Auffassung des Gerichts nicht so zu verstehen, dass sie die Kenntnis einer derartigen konkreten Gefahrenlage für A-Stadt oder sogar einzelne Orte im Bereich der Polizeidirektion A-Stadt voraussetzt. Vielmehr ist es aus Sicht der Kammer ausreichend, wenn aufgrund allgemeiner Lageerkenntnisse über eine terroristische Bedrohungssituation die Gefahr eines Anschlags auf bestimmte Orte hinreichend wahrscheinlich ist (so auch Böhrenz/Siefken, Nds. SOG, 9. Auflage, 2014, § 32, Rn. 7; Ullrich/Weiner/Brüggemann, Niedersächsisches Polizeirecht, 2012, Rn. 182; LT-Drucksache 15/3810, S. 28).
Für das Türkische Generalkonsulat ergibt sich dies aus dem gegenwärtigen - zuletzt durch blutige Anschläge in der Türkei im Mai und Juni 2016 gekennzeichneten - Konflikt zwischen dem türkischen Staat und den Anhängern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, der (wie bereits in der Vergangenheit) geeignet erscheint, Anschläge oder einen Sturm auf türkische Einrichtungen in Deutschland und damit auch auf das Türkische Konsulat in A-Stadt zu provozieren. Ähnliches gilt für den Kamerastandort bei der Jüdischen Gemeinde, für den sich aus Sicht der Kammer aufgrund der aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis hinreichende Anhaltspunkte für eine grundsätzliche Gefährdung jüdischer Einrichtungen auch in Deutschland ergeben.
Auch für die weiteren Kamerastandorte am Niedersächsischen Landtag (524 und 562), am Niedersächsischen Justizministerium (531), am Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport (531), am Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (565), am Landeskriminalamt (531) und am Neuen Rathaus (567) sowie an den Knotenpunkten des Öffentlichen Personennahverkehrs am Lister Tor (541), Ernst-August-Platz/Hauptbahnhof (544), am Kröpcke (546) und am Aegidientor (551) sind tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche allgemeine terroristische Gefahrenlage aufgrund der gegenwärtigen Bedrohungslage für die politischen und sozialen Grundstrukturen in Deutschland gegeben.
Dabei berücksichtigt das Gericht zum einen die zunehmende Bedrohungslage allein in Europa, beginnend mit dem Anschlag auf die Redaktionsbüros des Satire-Magazins Charlie Hebdo in Paris durch religiöse Islamisten im Januar 2015, den Anschlag in einen Thalys-Zug in Belgien durch einen religiösen Islamisten im August 2015, die Anschlagserie auf Gebäude, Straßen und Veranstaltungen in Paris im November 2015, die Terroranschläge auf Flughafen und Metrostationen in Brüssel durch religiöse Islamisten im März 2016 und einen Sprengstoffanschlag durch Sympathisanten des Islamischen Staates (IS) auf Zivilisten und Sikhs in Essen im April 2016. Zum anderen sind die Ereignisse um die Absage des Fußballländerspiels im November 2015 in A-Stadt wegen der Gefahr eines möglichen Anschlags auf das Stadion und der Angriff durch eine 15 Jährige auf einen Bundespolizisten im Hauptbahnhof in A-Stadt, in dem der Verdacht eines islamistischen Hintergrundes der Tat besteht, in die Lagebewertung nach § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Nds. SOG einzubeziehen. Auch der Bericht zur „Gefährdungslage Terrorismus“ aus dem Februar 2016 des Zentralen Kriminaldienstes in A-Stadt sieht infolge des deutschen militärischen Engagements im Zusammenhang mit dem Konflikt in Syrien und im Irak und im Kampf gegen den sog. Islamistischen Staat eine hohe abstrakte Gefährdung deutscher Interessen im In- und Ausland als erklärtes und tatsächliches Ziel jihadistisch motivierter Gewalt. Angesichts nur schwer abschätzbarer Hinweise auf mögliche Anschläge in Europa, der möglichen allgemeinen Gefahr des Aufenthaltes unentdeckter terroristischer Zellen im europäischen Raum auf der einen Seite und der zunehmenden Radikalisierung rechtsextremistischer und rechtspopulistischer Kräfte im Bundesgebiet auf der anderen Seite wird in diesem Zusammenhang eine anhaltend hohe abstrakte Gefahr im Bundesgebiet konstatiert.
Auf der Basis dieser allgemeinen Erkenntnisse ist festzustellen, dass auch in A-Stadt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass Knotenpunkte des ÖPNV und Amtsgebäude wie Landtag, Ministerien und auch das Landeskriminalamt als Orte mit besonderer gesellschaftspolitischer Bedeutung zum Angriffspunkt terroristischer Straftaten werden, ohne dass sich ein solcher Verdacht schon auf eine konkret bevorstehende Tat an einem der vorgenannten Orte verdichtet hat. Notwendig, aber auch hinreichend ist insoweit nach Auffassung der Kammer die Symbolträchtigkeit der im Einzelnen benannten Orte einerseits und die durch konkrete Anschlagsversuche und -pläne sowie tatsächliche Anschläge dokumentierte aktuelle Bedrohungslage in Deutschland und den angrenzenden Nachbarstaaten andererseits, die derzeit eine Aufzeichnung der von den Kameras übertragenen Bildern nach § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Nds. SOG rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Kammer hat die Berufung nach § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da es die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, welche Anforderungen an die Beobachtung mittels Bildübertragung nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG und welche Anforderungen an die Annahme tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass an Objekten im Sinne von § 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Nds. SOG terroristische Straftaten begangen werden sollen, zu stellen sind.