Versionsverlauf

Pflichtfeld

  • ab 01.01.2022 (aktuelle Fassung)

Anlage KURS NI-RdErl

Bibliographie

Titel
Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftäterinnen und Sexualstraftätern in Niedersachsen (KURS Niedersachsen)
Redaktionelle Abkürzung
KURS NI-RdErl,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21021
g_ni_636_as_2.jpg

KURS Niedersachsen

Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftäterinnen und Sexualstraftätern in Niedersachsen

Hannover, 29.12.2021

Inhalt
1Einleitung ............................................................................................................................4
2Zielgruppe ...........................................................................................................................5
3Einstufung/Kategorisierung...............................................................................................6
4Verfahren zur Einstufung ...................................................................................................7
4.1Fälle aus dem Justizvollzug........................................................................................8
4.1.1Zuständigkeit............................................................................................................8
4.1.2Meldeverfahren.........................................................................................................8
4.1.3Einstufung von Personen........................................................................................10
4.1.4Verfahren nach Wiedereintritt in den Justizvollzug..................................................10
4.2Fälle aus dem Maßregelvollzug ................................................................................10
4.2.1Zuständigkeit..........................................................................................................10
4.2.2Meldeverfahren/Entlassung ....................................................................................11
4.2.3Einstufung von Personen........................................................................................12
4.3Fälle ambulanter Sanktionen ....................................................................................12
4.3.1Probewohnen .........................................................................................................12
4.4Fälle aus anderen Bundesländern............................................................................12
5Staatsanwaltschaft ...........................................................................................................13
6Polizei ................................................................................................................................15
6.1Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen ....................................15
6.2Polizeidirektionen......................................................................................................18
6.3Polizeiinspektionen ...................................................................................................19
7Führungsaufsicht .............................................................................................................21
7.1Zuständigkeit .............................................................................................................21
7.2Maßnahmen der Führungsaufsicht ..........................................................................22
7.2.1Aufgabe der Führungsaufsicht/Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe..............22
7.2.2Dauer der Führungsaufsicht ...................................................................................22
7.2.3Maßnahmen der Führungsaufsicht.........................................................................23
8Bewährungshilfe...............................................................................................................25
8.1Einleitung...................................................................................................................25
8.2Schwerpunkt Sexualstraftäterinnen oder Sexualstraftäter.....................................25
8.3Betreuung von Personen der KURS-Kategorien A und B.......................................26
8.4Betreuung von Personen der KURS-Kategorie C....................................................28
8.5Fachberatung Risikomanagement............................................................................29
9Datenschutz ......................................................................................................................29
10"Runde Tische".................................................................................................................31
11KURS-Konferenz...............................................................................................................32
Anlagen:
Ablaufschema (Anlage 1)
Polizeilicher Maßnahmenkatalog (Anlage 2)
Informationsblatt (Anlage 3)
Formblatt Meldung durch die Vollzugsbehörde (Anlage 4 A)
Formblatt Meldebogen (Anlage 4 B)
Formblatt zur Entbindung von der Schweigepflicht (Anlage 5)

1 Einleitung

Ziel der Konzeption ist die Verbesserung der Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen der Polizei, des Maßregelvollzuges und der Justiz bei der Verringerung des Rückfallrisikos und der Resozialisierung von Sexualstraftäterinnen oder Sexualstraftätern, die unter Führungsaufsicht stehen. Das Ziel soll durch eine bessere Informationssammlung und eine Optimierung der Maßnahmen erreicht werden, insbesondere durch:

  • Bewertung der Rückfallgefahr durch ein individuelles Risikoprofil, bei vorherigem stationären Aufenthalt durch den Justiz- bzw. den Maßregelvollzug;

  • Erfassung des Personenkreises und risikorelevanter Informationen über Täterinnen und Täter in einer eigenen polizeilichen EDV-Anwendung;

  • konsequente Ausnutzung der rechtlichen Möglichkeiten im Bereich des Straf- und Gefahrenabwehrrechts zur Verhinderung weiterer Straftaten;

  • Einsatz besonders qualifizierter Justizsozialarbeiterinnen oder Justizsozialarbeiter und der Fachberatung Risikomanagement;

  • Festlegung von Verantwortlichkeiten auf Ebene der Polizeidirektionen und Polizeiinspektionen;

  • Vernetzung der örtlichen Dienststellen insbesondere der Justiz und der Polizei sowie Erörterung der einzelfallbezogenen Maßnahmen an Runden Tischen;

  • gemeinsame Entwicklung von geeigneten Interventionsstrategien;

  • Koordination und Dokumentation der getroffenen Maßnahmen durch eine zentrale Stelle im Landeskriminalamt Niedersachsen.

Bei sämtlichen mit der Konzeption verbundenen Maßnahmen ist von allen beteiligten Stellen auch das Resozialisierungsziel zu beachten.

Das gesondert geregelte Verfahren zur Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b StGB wird von dieser Konzeption nicht berührt.

2 Zielgruppe

Zielgruppe des Konzeptes sind Sexualstraftäterinnen und Sexualstraftäter, die

  • wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung gemäß §§ 174 bis 174 c, 176 bis 180, 182 und 184 b StGB1

    oder

  • eines Tötungsdeliktes (§§ 211, 212 StGB) mit sexuell motiviertem Hintergrund

    oder

  • wegen der Begehung einer der vorgenannten Taten wegen Vollrausches (§ 323 a StGB) verurteilt worden sind

    oder

  • wegen der Begehung einer der vorgenannten Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) eine Unterbringung angeordnet worden ist

    und

  • die deshalb unter Führungsaufsicht stehen.

Die Konzeption gilt auch für Sexualstraftäterinnen und Sexualstraftäter, die wegen eines anderen Deliktes unter Führungsaufsicht stehen, wenn

  • durch diese Führungsaufsicht die Führungsaufsicht wegen eines Deliktes nach Satz 1 gemäß § 68 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB vorzeitig endete

    oder

  • die Führungsaufsicht im Anschluss an den Vollzug eintritt, durch den die Führungsaufsicht wegen eines Deliktes nach Satz 1 gemäß § 68 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 StGB endete

    oder

  • in den Fällen des § 68 f Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. StGB im Zusammenhang mit der vollständig verbüßten Freiheitsstrafe auch eine Freiheitsstrafe wegen eines Deliktes nach Satz 1 vollstreckt wurde.

Die Konzeption bleibt bis zur Beendigung einer nach Satz 2 angeordneten Führungsaufsicht anwendbar, auch wenn diese durch Eintritt einer weiteren Führungsaufsicht vorzeitig beendet wird.

Im Einzelnen sind folgende Fallgruppen der Führungsaufsicht möglich:

  1. 1.

    Personen, die wegen einer Straftat der genannten Art verurteilt worden sind und die deshalb eine Jugendstrafe, Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vollständig verbüßt haben (§ 68 f Abs. 1 Satz 1 StGB), wenn nicht ausnahmsweise von der gesetzlichen Führungsaufsicht abgesehen worden ist (§ 68 f Abs. 2 StGB).

  2. 2.

    Personen, gegen die wegen einer Straftat der genannten Art die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist, in den Fällen, in denen wegen Vorwegvollzuges einer Freiheitsstrafe die Maßregel für erledigt erklärt wird und gesetzliche Führungsaufsicht gemäß § 67 c StGB eintritt.

  3. 3.

    Personen, deren Unterbringung wegen einer Straftat der genannten Art in einem psychiatrischen Krankenhaus, einer Entziehungsanstalt oder der Sicherungsverwahrung gemäß § 67 d StGB nicht weiter vollstreckt wird, wenn nicht ausnahmsweise von der gesetzlichen Führungsaufsicht abgesehen worden ist (§ 67 d Abs. 6 Satz 2 StGB).

  4. 4.

    Personen, die wegen einer Straftat der genannten Art zu einer Jugendstrafe, Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden sind und die das Gericht wegen einer negativen Prognose gemäß § 68 StGB der Führungsaufsicht unterstellt hat, es sei denn, das Ruhen der Führungsaufsicht ist gemäß § 68 g Abs. 2 Satz 1 StGB angeordnet.

  5. 5.

    Personen, gegen die wegen einer Straftat der genannten Art die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist, deren Vollstreckung jedoch zur Bewährung ausgesetzt worden ist (§ 67 b Abs. 2 StGB).

3 Einstufung/Kategorisierung

Hinsichtlich der Rückfallgefahr der Sexualstraftäterinnen oder Sexualstraftäter der Zielgruppe wird nach drei Kategorien unterschieden.

Kategorie A

In der Kategorie A werden jene Personen geführt, bei denen von einer hohen Rückfallgefährlichkeit (resultierend aus der kriminellen Vorgeschichte, der Tatdynamik, der Persönlichkeit oder einer psychischen Störung der Inhaftierten sowie der fehlenden rückfallpräventiven Effekte im Rahmen des Vollzuges) auszugehen ist und die nicht über weitere protektive risikorelevante Bedingungen (labile, eigenständige Faktoren, die eine rückfallpräventive Wirkung haben können, z. B. Abstinenz von Suchtmitteln, Einbindung in Behandlung, Familie und Partnerschaft, Arbeitsstelle, soziales Umfeld, Pharmakotherapie) verfügen als jene, die bereits zum Zeitpunkt der Tat/Taten vorlagen. Es ist in diesen Fällen zu besorgen, dass jederzeit erneut eine einschlägige Straftat begangen werden kann.

Kategorie B

In der Kategorie B werden jene Personen geführt, bei denen von einer hohen Rückfallgefährlichkeit (resultierend aus der kriminellen Vorgeschichte, der Tatdynamik, der Persönlichkeit oder einer psychischen Störung der Inhaftierten sowie der fehlenden rückfallpräventiven Effekte im Rahmen des Vollzuges) auszugehen ist, die jedoch über eine oder mehrere protektive risikorelevante Bedingungen (labile, eigenständige Faktoren, die eine rückfallpräventive Wirkung haben können z. B. Abstinenz von Suchtmitteln, Einbindung in Behandlung, Familie und Partnerschaft, Arbeitsstelle, soziales Umfeld, Pharmakotherapie) verfügen, die zum Zeitpunkt der Tat/Taten nicht vorlagen. Es ist in diesen Fällen zu besorgen, dass bei Wegfall oder Gefährdung einer oder mehrerer protektiven Bedingungen jederzeit erneut eine einschlägige Straftat begangen werden kann.

Kategorie C

In der Kategorie C werden alle unter Führungsaufsicht stehenden Personen der Zielgruppe erfasst, die nicht unter Kategorie A oder B fallen.

Bei diesen Personen wird von einer moderaten bis geringen Rückfallwahrscheinlichkeit ausgegangen.

Von der Konzeption betroffene Personen, die aus dem Maßregelvollzug entlassen werden, sind in Fällen einer günstigen Sozialprognose grundsätzlich in Kategorie C einzustufen (Nr. 4.2.2).

In sämtlichen Fällen der unter Ziffer 3 genannten Kategorien wird die Einstufung mit einem detaillierten Risikoprofil begründet (Anlage 4 A).

4 Verfahren zur Einstufung

Werden die von der Konzeption betroffenen Personen aus dem Justiz- oder dem Maßregelvollzug entlassen, bewerten die Vollzugsbehörden die Rückfallgefahr und entscheiden über die Einstufung unter Anwendung der Anlage 4 A. Dabei stützen Sie Ihre Entscheidungen auf die Aktenanalyse und anerkannte wissenschaftliche Prognosemethoden.

4.1 Fälle aus dem Justizvollzug

4.1.1 Zuständigkeit

Zuständig für die Bewertung der Rückfallgefahr und die Einstufung nach Nr. 3 ist beim Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Sicherungsverwahrung im niedersächsischen Justizvollzug

  • die jeweilige Jugendanstalt im Jugendvollzug,

  • die Justizvollzugsanstalt Vechta für die in ihrem Zuständigkeitsbereich untergebrachten Jungtäter,

  • und im Übrigen das Prognosezentrum des niedersächsischen Justizvollzuges.

Zur Qualitätssicherung und zum Zwecke der zentralen Archivierung erhält das Prognosezentrum Kenntnis von allen Meldungen der Jugendanstalten und der Justizvollzugsanstalt Vechta.

4.1.2 Meldeverfahren

Sechs Monate vor der Entlassung initiiert die Justizvollzugseinrichtung bei der nach Nr. 4.1.1 zuständigen Stelle die Einstufung der Personen. Die zuständige Stelle greift dazu auf die vorhandenen Gutachten und Daten zurück. Sie kann auch eine weitere Begutachtung der Personen veranlassen. Die für die Einstufung zuständige Stelle schließt ihre Vorarbeiten so rechtzeitig ab, dass die Justizvollzugsvollzugseinrichtung die vorgesehene Erstmeldung (vgl. Anlage 4 A) rechtzeitig übermitteln kann. Die Justizvollzugseinrichtung hat sich die Einstufung der zuständigen Stelle einschließlich einer etwaigen Begründung durch das Risikoprofil zu eigen zu machen. Die Justizvollzugseinrichtung ergänzt den Meldebogen im Übrigen.

Vier Monate vor der Entlassung sind die zuständige Staatsanwaltschaft (vgl. Nr. 5) und nachrichtlich die Staatsanwaltschaften, für die aktuell ebenfalls freiheitsentziehende Maßnahmen vollzogen werden, darüber zu unterrichten, in welche Kategorie die Personen der Zielgruppe einzustufen sind. Die Mitteilung erfolgt ausschließlich mit den vorgegebenen Formblättern. Der als "Erstmeldung" bezeichnete Meldebogen beinhaltet insbesondere detaillierte Angaben zur Einstufung der Personen, wobei auf das Rückfallrisiko sowie mögliche protektive risikorelevante Bedingungen besonders einzugehen ist (Risikoprofil).

In den Fällen, bei denen eine Staatsanwaltschaft außerhalb Niedersachsens originär zuständig ist, informiert die zuständige niedersächsische Justizvollzugseinrichtung zusätzlich die Zentralstelle im LKA Niedersachsen über den Sachverhalt (vgl. Anlage 4 A).

Vierzehn Tage vor der Entlassung erfolgt eine "Aktualisierung der Erstmeldung" durch Fortschreibung des Meldebogens der Erstmeldung.

Soweit wegen Vollzuges einer Jugendstrafe eine Vollstreckungsleiterin bzw. ein Vollstreckungsleiter bestimmt ist, wird der Meldebogen zusätzlich auch ihr bzw. ihm zur Kenntnis übersandt.

Bei den genannten Fristen ist auf die voraussichtliche Entlassung aus der Jugendstrafe, Freiheitsstrafe oder Sicherungsverwahrung abzustellen. Ersatzfreiheitsstrafen und Überhaftbefehle bleiben ebenso außer Betracht wie die Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes gemäß §§ 18, 40 Abs. 8, 9 NJVollzG (§§ 16, 43 StVollzG).

Das Meldeverfahren wird durch ein ggf. noch anhängiges Verfahren zur Aussetzung einer Jugend- oder Freiheitsstrafe zur Bewährung nicht beeindruckt. Das Meldeverfahren ist erst bei Vorliegen einer rechtskräftigen Strafaussetzung zur Bewährung abzubrechen; wurde der KURS-Datei zu diesem Zeitpunkt bereits eine "Erstmeldung" übermittelt, ist die veränderte Sachlage mit der "Aktualisierung der Erstmeldung" mitzuteilen.

Wird gegen eine Person, die bereits der KURS-Datei gemeldet worden ist, nur noch Untersuchungshaft vollstreckt, teilt die Justizvollzugsanstalt die Aufhebung des Haftbefehls unverzüglich durch eine weitere "Aktualisierung der Erstmeldung" mit. Die geänderte Sachlage ist den beteiligten Stellen vorab telefonisch mitzuteilen.

Die genannten Fristen sind im Buchwerk der Vollzugsgeschäftsstelle zu überwachen. Kopien der Meldebögen werden auf der ersten Nadel der Gefangenenpersonalakten abgeheftet. Auf dem Personalblatt sowie im Gefangenenverwaltungsprogramm BASIS-web ist ein Querverweis auszubringen.

Die Justizvollzugseinrichtungen führen an zentraler Stelle einen für das Prognosezentrum abrufbereiten Fristenkalender mit den Namen der Personen, die gemäß KURS Niedersachsen zu melden sind und für die vom Prognosezentrum ein Risikoprofil zu erstellen oder zu aktualisieren ist. Eine Anmeldung zur Aktualisierung des Risikoprofils im Prognosezentrum ist nur erforderlich, wenn sich in den letzten Monaten vor der Entlassung für die Einschätzung des Rückfallrisikos relevante Veränderungen ergeben.

4.1.3 Einstufung von Personen

Sofern zum Zeitpunkt der Entlassung eine Einstufung nicht stattgefunden hat, erfolgt in diesen Fällen zunächst eine vorsorgliche Führung der Personen in Kategorie A. Zur Gewährleistung einer zeitnahen Ersteinstufung initiiert der AJSD eine anlassbezogene Einberufung des "Runden Tisches" (vgl. Nr. 10), an dem das Prognosezentrum verbindlich teilnimmt. Das Prognosezentrum erstellt sodann ein Risikoprofil zur Bewertung der Rückfallgefahr und entscheidet über die Einstufung in eine vorhandene Kategorie. Analog wird bei Zuzug bereits entlassener Personen aus anderen Bundesländern verfahren.

4.1.4 Verfahren nach Wiedereintritt in den Justizvollzug

Wird eine Person, die bereits von KURS erfasst ist, erneut im Justizvollzug aufgenommen, übersendet die Zentralstelle KURS, nachdem sie von der erneuten Inhaftierung Kenntnis erlangt hat, der Justizvollzugseinrichtung, in der sich die Person gegenwärtig befindet, unverzüglich eine "Meldung über die Neuinhaftierung eines KURS Probanden". Im Fall der zwischenzeitlichen Verlegung der Person, leitet die Justizvollzugseinrichtung diese Meldung unverzüglich weiter.

Wird im weiteren Verlauf des Justizvollzuges eine Jugendstrafe, Freiheitsstrafe oder Sicherungsverwahrung vollzogen, die eigenständig zur wiederholten Aufnahme in die KURS-Datei führt, ist nach Nr. 4.1.2 zu verfahren. Die ursprüngliche Meldung ist zu berücksichtigen.

Wird nur sonstige Jugendstrafe, Freiheitsstrafe oder Sicherungsverwahrung vollzogen, ist die ursprüngliche Meldung fortzuschreiben, ggf. die Erstellung eines neuen Risikoprofils anzuregen und analog der Konzeption zu verfahren. Die Justizvollzugseinrichtung klärt frühzeitig ab, ob die wegen der Sexualstraftat verhängte Führungsaufsicht nach der Entlassung wiederauflebt.

Wird nur Untersuchungshaft, eine Ersatzfreiheitsstrafe oder eine andere Haftart vollzogen, ist die ursprüngliche Meldung fortzuschreiben. Eine Entlassung aus der Haft ist den zuständigen Stellen unverzüglich anzuzeigen.

4.2 Fälle aus dem Maßregelvollzug

4.2.1 Zuständigkeit

Zuständig für die Bewertung der Rückfallgefahr und die Einstufung nach Nr. 3 ist beim Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt die jeweilige Einrichtung des niedersächsischen Maßregelvollzuges. Die Vollzugsleitung entscheidet, ob im Einzelfall zur Vorbereitung der Entscheidung ein Prognoseteam der Prognosekommission hinzuzuziehen ist.

4.2.2 Meldeverfahren/Entlassung

Entsprechend dem gesetzlichen Auftrag des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes ist der Maßregelvollzug von intensiven therapeutischen Behandlungsmaßnahmen und regelmäßigen prognostischen Risikoeinschätzungen der Untergebrachten sowie von systematischen Vollzugslockerungen geprägt.

Der weitaus überwiegende Teil der Untergebrachten wird durch eine Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung gemäß § 67 d Abs. 2 StGB aus dem Maßregelvollzug entlassen, nachdem zuvor eine günstige Legalprognose erstellt wurde; gleichzeitig tritt in diesen Fällen die gesetzliche Führungsaufsicht ein. Diese Personengruppe ist grundsätzlich der Kategorie C zuzuordnen.

Das Entlassungsverfahren beginnt in der Regel mit einer entsprechenden Empfehlung der Vollzugsleitung an die Strafvollstreckungskammer, die bei Sexualstraftäterinnen oder Sexualstraftätern regelmäßig noch eine externe Prognosebegutachtung veranlasst. Die Entlassungsempfehlung wird nachrichtlich zeitgleich mit dem KURS-Formular (s. o. Nr. 4.1.2, Erstmeldung, vgl. Anlage 4 A) an die Staatsanwaltschaft zur Weiterleitung an die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen übersandt.

In Fällen, bei denen eine Staatsanwaltschaft außerhalb Niedersachsens originär zuständig ist, informiert die zuständige niedersächsische Maßregelvollzugseinrichtung zusätzlich die Zentralstelle im LKA Niedersachsen über den Sachverhalt (vgl. Anlage 4 A).

Zugleich erhält die zuständige Führungsaufsichtsstelle die vorbenannten Dokumente und informiert die zuständige Justizsozialarbeiterin oder den zuständigen Justizsozialarbeiter. Nach Bekanntgabe der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer erfolgt unverzüglich die entsprechende Mitteilung der Vollzugsleitung an die Staatsanwaltschaft und in Fällen der Vollstreckung nach dem JGG zusätzlich an die Vollstreckungsleiterin oder den Vollstreckungsleiter durch Aktualisierung des Meldebogens der Erstmeldung (s. o. Nr. 4.1.2).

Abweichend von diesem Entlassungsverfahren werden Unterbringungen im Maßregelvollzug in Einzelfällen durch Erreichen der Höchstfrist nach § 67 d Abs. 4 StGB oder durch Wegfall der Voraussetzungen und Erledigung der Unterbringung (§ 67 d Abs. 5 und 6 StGB) beendet; gleichzeitig tritt Führungsaufsicht ein. Für diese Risikogruppe kann eine Zuordnung zu den Kategorien A oder B in Betracht kommen, was die zuständigen Vollzugsleitungen ggf. mit Unterstützung eines Prognoseteams zu beurteilen haben, und was bei den Meldungen an die Staatsanwaltschaften entsprechend zu berücksichtigen ist.

4.2.3 Einstufung von Personen

Sofern zum Zeitpunkt der Entlassung eine Einstufung nicht stattgefunden hat, erfolgt in diesen Fällen zunächst eine vorsorgliche Führung der Personen in Kategorie A. Zur Gewährleistung einer zeitnahen Ersteinstufung initiiert der AJSD eine anlassbezogene Einberufung des "Runden Tisches" (vgl. Nr. 10), an dem die zuständige Vollzugsleitung verbindlich teilnimmt. Die zuständige Vollzugsleitung erstellt sodann ein Risikoprofil zur Bewertung der Rückfallgefahr und entscheidet über die Einstufung in eine vorhandene Kategorie. Analog wird bei Zuzug bereits entlassener Personen aus anderen Bundesländern verfahren.

4.3 Fälle ambulanter Sanktionen

In den Fällen, in denen unter Führungsaufsicht stehende Personen der Zielgruppe nicht zuvor stationär im Justiz- oder im Maßregelvollzug untergebracht waren, erfolgt die Einstufung zunächst in die Kategorie C. Die Meldung an die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen erfolgt durch die Führungsaufsichtsstellen mit einem Formblatt zur Aufnahme in die Datei (vgl. Anlage 4 B). Zugleich informieren die Führungsaufsichtsstellen die zuständige Justizsozialarbeiterin oder den zuständigen Justizsozialarbeiter.

4.3.1 Probewohnen

In Fällen, in denen im Maßregelvollzug untergebrachte Personen in das Probewohnen übergehen, benachrichtigt die jeweilige Einrichtung des Maßregelvollzugs bei Unterbringungsdelikten, die voraussichtlich zur KURS-Einstufung führen werden, vor Beginn der Maßnahme das LKA Niedersachsen mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass es sich aufgrund der zugrundeliegenden Anlasstaten (vgl. Nr. 2) um einen voraussichtlich zukünftigen KURS-Probanden bzw. eine voraussichtlich zukünftige KURS-Probandin handelt.

Die Zentralstelle KURS im LKA Niedersachsen informiert sodann die örtlich zuständige KURS-Sachbearbeitung und regt ein Kontaktgespräch mit dem zukünftigen KURS-Probanden bzw. der zukünftigen KURS-Probandin an, dass ggf. auch im Beisein von Mitarbeitenden des Maßregelvollzugs und / oder des AJSD stattfinden kann. Ziel dieses Gesprächs ist die Information der Person über die Maßnahmen des KURS Konzepts, die sich dem Probewohnen im Rahmen der Führungsaufsicht anschließen werden.

4.4 Fälle aus anderen Bundesländern

Im Fall des Wechsels von unter Führungsaufsicht stehenden Personen der Zielgruppe aus anderen Bundesländern nach Niedersachsen ist wie folgt zu verfahren:

Die Führungsaufsichtsstellen fertigen unverzüglich nach Übergang der Zuständigkeit eine Mitteilung an die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen mit einem Formblatt zur Aufnahme in die Datei (vgl. Anlage 4B) und informieren die zuständige Justizsozialarbeiterin oder den zuständigen Justizsozialarbeiter.

Die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen entscheidet über die Anerkennung einer gegebenenfalls vorhandenen Risikokategorisierung. Die Führungsaufsichtsstelle kann diesbezüglich eine Empfehlung abgeben.

Sollte eine vergleichbare Kategorisierung nicht vorhanden sein, wird eine Bewertung des Rückfallrisikos und die Einstufung in die Kategorien gemäß Anlage 4 A vorgenommen. Zuständig für Fälle aus dem Strafvollzug ist das Prognosezentrum. Fälle aus dem Maßregelvollzug werden durch die für den Wohnort der Person zuständige forensische Institutsambulanz bearbeitet.

Bis zur Anerkennung einer ggf. vorhandenen Risikokategorisierung oder bis zum Zeitpunkt einer Einstufung durch eine niedersächsische Stelle wird die Person vorsorglich in der Kategorie A geführt (vgl. Nr. 4.1.3).

5 Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaften sind gesetzlich ermächtigt, personenbezogene Informationen aus Strafverfahren an Polizeibehörden zu übermitteln (§ 481 Abs. 1 Satz 2 StPO). Das Strafverfahren umfasst die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung.

Im Fall der Verbüßung einer Freiheitsstrafe oder der Anordnung einer Maßregel nach dem Strafgesetzbuch sind die Staatsanwaltschaften auch Vollstreckungsbehörden. Im Fall einer Verurteilung nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) obliegt die Vollstreckungsleitung den Jugendrichterinnen und Jugendrichtern. In diesen Fällen informiert die Staatsanwaltschaft die Vollstreckungsleiterin oder den Vollstreckungsleiter nachrichtlich über die Mitteilungen an die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen. Für die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft im (Jugend-)Vollstreckungsverfahren ist § 85 Abs. 7 JGG zu beachten. Zuständig ist demnach grundsätzlich die Staatsanwaltschaft, die das Ermittlungsverfahren geführt hat.

Werden für mehrere Staatsanwaltschaften freiheitsentziehende Maßnahmen im Zusammenhang vollstreckt, bestimmt sich die Zuständigkeit im Rahmen von KURS wie folgt: Primär zuständig ist die niedersächsische Staatsanwaltschaft, die wegen einer der genannten Sexualstraftaten oder eines sexuell motivierten Tötungsdeliktes eine freiheitsentziehende Maßnahme vollstreckt. Trifft das auf mehrere Staatsanwaltschaften zu, ist die Höhe des Strafmaßes entscheidend. Alle übrigen Strafvollstreckungsbehörden erhalten die Meldebögen nachrichtlich und der Information halber zugesandt.

Die zuständige Staatsanwaltschaft erhält zu den unter Nr. 4.1.2 und Nr. 4.2.2 genannten Zeitpunkten das standardisierte Formblatt mit den Informationen der Vollzugsbehörde. Sie prüft die formale Vollständigkeit des Formulars und nimmt bei Bedarf Rücksprache mit der Vollzugsbehörde. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob die gemeldete Person zur Zielgruppe im Sinne von Nr. 2 gehört. Sie leitet das Formblatt, gegebenenfalls mit ergänzenden Informationen, die für die Gefahrenabwehrzwecke der Polizei für erforderlich gehalten werden, gemäß § 481 StPO unverzüglich - in Fällen der Nr. 4.1 spätestens drei Monate vor der Entlassung - an die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen weiter.

Die Staatsanwaltschaft fertigt die Stellungnahme zur Vorbereitung der Führungsaufsicht gemäß § 54 a Strafvollstreckungsordnung (StVollstrO) gegenüber der Strafvollstreckungskammer. Sie fertigt auch eine entsprechende Stellungnahme in den Fällen der Jugendstrafvollstreckung gegenüber der Jugendrichterin oder dem Jugendrichter (§ 82 Abs. 1 Satz 2 JGG, §§ 463 Abs. 6, 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO). Sie nimmt insbesondere Stellung zu möglichen Auflagen und Weisungen während der Führungsaufsicht, insbesondere zu den in Nr. 8.3 formulierten Kontaktfrequenzen. Diese Stellungnahme gemäß § 54 a StVollstrO erfolgt auch dann, wenn ein Antrag auf nachträgliche Sicherungsverwahrung gestellt worden sein sollte, über den noch nicht entschieden ist. Der Stellungnahme sind unter Hinweis auf die KURS-Datei auch Ablichtungen des Formblattes für die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen beizufügen. In den Fällen der Jugendstrafvollstreckung kann davon abgesehen werden, weil die nachrichtliche Beteiligung bereits durch die Jugendanstalt erfolgt ist.

Die Stellungnahme gemäß § 54 a StVollstrO und die Unterlagen für die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen sind nachrichtlich auch der zuständigen Führungsaufsichtsstelle sowie der zuständigen Justizsozialarbeiterin oder dem zuständigen Justizsozialarbeiter zuzuleiten.

Vor der Entlassung erhält die Staatsanwaltschaft eine aktualisierte Fassung des Formblattes für die KURS-Datei aus dem Vollzug, aus dem sich alle relevanten Änderungen ergeben. Diese Aktualisierung leitet die Staatsanwaltschaft nach Prüfung und ggf. Abstimmung mit der Vollzugsbehörde ebenfalls unverzüglich an die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen, die zuständige Führungsaufsichtsstelle und in Jugendsachen ggf. zusätzlich an die Vollstreckungsleiterin oder den Vollstreckungsleiter sowie die zuständige Justizsozialarbeiterin oder den zuständigen Justizsozialarbeiter weiter.

Die Staatsanwaltschaften übermitteln an die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen mit dem Formblatt in allen Fällen auch das der voraussichtlichen Führungsaufsicht zugrunde liegende Urteil sowie einen aktuellen Auszug aus dem Bundeszentralregister (BZR).

Die Staatsanwaltschaft informiert die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen gemäß § 481 StPO insbesondere über alle weiteren Führungsaufsichtsbeschlüsse der Strafvollstreckungskammer, dazu gehören neben Änderungen von Weisungen und Auflagen auch Verkürzungen oder Verlängerungen der Führungsaufsicht sowie die Anordnung einer unbefristeten Führungsaufsicht. Sie teilt auch das Ende einer Führungsaufsicht mit.

Von dieser Konzeption unberührt bleibt die Pflicht der Staatsanwaltschaften, rechtzeitig zu prüfen, ob über eine Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist. Die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts soll einen Antrag auf nachträgliche Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der Entlassung stellen (§ 275 a Abs. 1 Satz 3 StPO).

6 Polizei

Die Zentralstelle im Landeskriminalamt Niedersachsen ist für die Verdichtung und Anreicherung der übermittelten Informationen mit Erkenntnissen aus polizeilichen Datenquellen verantwortlich. Sie steuert den Informationsfluss zu den Polizeibehörden, in deren Zuständigkeitsbereich die Entlassungsanschrift liegt und berät bei Übergabe der Personen im Hinblick auf die Gefährdungseinschätzung und die angezeigten Maßnahmen.

Die Polizeiinspektionen2 entscheiden im Rahmen eigener Zuständigkeit und lageabhängig über geeignete polizeipräventive Maßnahmen mit dem Ziel, die prognostizierte Rückfallgefahr zu reduzieren.

Die vollständige Falldokumentation sowie der Nachweis der getroffenen Maßnahmen erfolgen im Vorgangsbearbeitungssystem "NIVADIS" als "Sonstiges Ereignis" und werden in einer schriftlichen Fallakte zusammengeführt.

6.1 Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen

Die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen ist verantwortlich für den Prozess der gesamten polizeilichen Informationssteuerung sowie für die Dokumentation des Verfahrensablaufs in der KURS-Datei. Die Speicherung der Daten erfolgt für die Dauer der Führungsaufsicht. Nach Beendigung der Führungsaufsicht werden die Daten gelöscht oder bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen in eine andere Datei überführt. Die Erkenntnisse der Vollzugsbehörden, Staatsanwaltschaften und Führungsaufsichtsstellen zu rückfallgefährdeten Sexualstraftäterinnen oder Sexualstraftätern werden durch polizeiliche Informationen angereichert. Im Sinne eines Wissensmanagements ist die Verdichtung und Vernetzung der Informationslage das wesentliche Anliegen der Zentralstelle.

Polizeiliche Informationsquellen sind hierfür insbesondere:

  • NIVADIS,

  • ViCLAS-Datenbank,

  • INPOL/POLAS,

  • TBS-Anwendungen,

  • Kriminalakten.

Darüber hinaus stehen zur Verfügung:

  • KURS-Meldebogen,

  • Abschrift des Gerichtsurteils,

  • Führungsaufsichtsbeschluss,

  • BZR-Ausdruck,

  • MIN (Meldedatenspiegel)

  • AZR,

  • weitere Informationen der Strafvollstreckungsbehörde.

Polizeiliche Informationssysteme werden mit den so erlangten Erkenntnissen im gegebenen Fall ergänzt bzw. aktualisiert.

  1. 1.

    Für die ViCLAS-Datenbank der Operativen Fallanalyse (OFA) führt dies zu einer zusätzlichen Erfassung von Vorgängen, die der Verurteilung der Personen zugrunde lagen.3

  2. 2.

    Die "P-Gruppe" im INPOL/POLAS-Datensatz der Personen wird bei Vorliegen der Voraussetzungen mit dem personenbezogenen Hinweis "SEXT" für "Sexualstraftäterin oder Sexualstraftäter" versehen.

  3. 3.

    Die Kriminalakten sind um die zentralen Dokumente und Informationen der KURS Sachbearbeitung zu ergänzen.4 Die einzustellenden Dokumente werden in der elektronischen Kriminalakte unter dem Marker "KURS" zusammengeführt.

  4. 4.

    Eingehende Vorgänge werden auf das Vorliegen der Kriterien zur Anforderung einer Interpol Grünecke (hier: Green Diffusion) geprüft und nötigenfalls über die jeweilige Fachdienststelle des BKA angefordert.

Aus den übermittelten Informationen gemäß KURS-Meldebögen der Vollzugsbehörden und der Staatsanwaltschaften werden Grunddatenbestände in der KURS-Datei mit einer Vorgangsnummer erfasst. Parallel dazu wird für jede Personen eine KURS-Akte angelegt, um alle personenbezogenen Erkenntnisse aus polizeilichen sowie externen Quellen zusammenzufassen und zur Falldokumentation vorzuhalten.

Die KURS-Akte beinhaltet insbesondere Angaben zu:

  • der Anlasstat/den Anlasstaten,

  • der Biografie der Personen,

  • Therapiemaßnahmen/Verhalten während der Haftzeit,

  • Faktoren, die eine Rückfallgefahr begründen,

  • stabilisierenden Faktoren,

  • der Kategorisierung der Personen,

  • Weisungen/Auflagen der Führungsaufsicht,

  • Entlassungs- und bekannten Wohnanschriften,

  • Faktoren für die Einschätzung der Gefahrenlage,

  • sonstigen Erkenntnissen der Vollzugsbehörden, Staatsanwaltschaften und der Führungsaufsichtsstellen,

  • polizeilichen Erkenntnissen.

Die Zentralstelle im Landeskriminalamt Niedersachsen koordiniert und steuert den Informationsaustausch mit anderen Bundesländern. Personen aus Niedersachsen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Bundesland nehmen, werden dem jeweils zuständigen Landeskriminalamt gemeldet; hierzu erfolgt die Übersendung des Risikoprofils, des Urteils, des Führungsaufsichtsbeschlusses sowie ggf. Berichten des AJSD mit einem Übergabevermerk. Personen aus anderen Bundesländern, die ihren Wohnsitz in Niedersachsen nehmen, sind den niedersächsischen Personen gleichzustellen. Das Verfahren regelt sich nach Nr. 4.4 dieser Konzeption.

Die Aufgaben der Zentralstelle sind:

  • Umgehende Weiterleitung der von der Staatsanwaltschaft an die Zentralstelle übermittelten Erstmeldung und ggf. Aktualisierungsmeldungen an die örtlich zuständige Polizeidirektion mit den Grunddaten

    • Personalien,

    • Entlassungsdatum,

    • Entlassungsanschrift,

    • Kategorisierung,

    • Risikoprofil,

    • Urteil,

    • BZR-Auszug.

  • Anreicherung- u. Verdichtung der Informationslage durch Recherchen in polizeilichen Auskunftssystemen,

  • Erfassung in der KURS-Datei,

  • Ergänzung/Änderung anderer polizeilicher Dateien (insbesondere ELKA und ViCLAS),

  • Ergänzung der INPOL/POLAS-Datensätze,

  • Beratung der Polizeidirektionen insbesondere hinsichtlich der Gefährdungseinschätzung von Personen sowie angezeigter Maßnahmen,

  • standardisierter länderübergreifender Informationsaustausch zu haftentlassenen Sexualstraftäterinnen oder Sexualstraftätern,

  • Feststellung des polizeilichen Fortbildungsbedarfs,

  • Vorsitz und Geschäftsführung der "KURS-Konferenzen".

6.2 Polizeidirektionen

Die Polizeidirektionen benennen Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner für die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen. Diese sind Adressaten für die Erst- und Aktualisierungsmeldungen sowie Koordinierungsmaßnahmen der Zentralstelle.

Den Polizeidirektionen obliegt im Rahmen der Sicherung einheitlicher Qualitätsstandards, mit den Polizeiinspektionen ein ggf. erweitertes Maßnahmenbündel, welches über die Standardmaßnahmen (Nr. 6.3, vgl. Anlage 2) hinausgeht, festzulegen. Als Grundlage dafür dienen die Informationen der Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen. Sofern ein konkreter Entlassungswohnort nicht bekannt ist, ist zunächst die Polizeidirektion im Bezirk der zuständigen Justizvollzugsanstalt, Jugendanstalt oder Maßregelvollzugsanstalt fachlich verantwortlich (abweichend von Nr. 7.1). Bei einem Wohnsitzwechsel geht die Verantwortung auf die für den neuen Wohnsitz zuständige Polizeidirektion über. Die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen ist darüber unverzüglich von der abgebenden Dienststelle zu informieren.

Die Polizeidirektionen gewährleisten einheitliche Qualitätsstandards durch Koordination der "Runden Tische" (Nr. 10) und durch eine Handlungsanleitung, welche die Durchführung, den Ablauf und die Dokumentation der "Runden Tische" regelt. In dieser Funktion informieren sie die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen über Beschlusslagen, die eine Höherstufung bzw. eine Abstufung der Personen zum Inhalt haben (Nr. 10).

Die Aufgaben der Polizeidirektionen sind:

  • Ansprechpartnerfunktion für die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen,

  • Bestimmung der sachbearbeitenden Dienststelle,

  • Weiterleitung des Vorgangs an die zuständige Dienststelle,

  • Qualitätssicherung bei der Festlegung von erweiterten Standardmaßnahmen,

  • Koordination der "Runden Tische" (Nr. 10),

  • Controlling der mindestens sechsmonatlich zu führenden Kontaktgespräche.

6.3 Polizeiinspektionen

Die örtlich zuständigen Polizeidienststellen erhalten dezidierte Informationen über die Personen, die als rückfallgefährdet klassifiziert wurden. Sie bestimmen für den jeweiligen Einzelfall eine KURS-Sachbearbeiterin bzw. einen KURS-Sachbearbeiter und übermitteln den Namen an die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen.

Technisch/organisatorische Aufgaben der KURS-Sachbearbeiterin bzw. des KURS-Sachbearbeiters sind u. a.:

  • Eingang/Anlegen und regelmäßiges Fortschreiben eines Vorgangs in NIVADIS als Vorgangsart "Sonstiges Ereignis" (SO) und dort unter Ereignisart "KURS" und Übermittlung des Aktenzeichens an die Zentralstelle KURS,

  • Einstellen des Führungsaufsichtsbeschlusses in der Q-Gruppe im INPOL / POLAS-Datensatz in Verbindung mit der Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung (PB),

  • Erhebung weiterer Daten (soweit erforderlich),

  • Fortschreibung des Gefährdungslagebildes, insbesondere auf Basis der Eindrücke aus den Kontaktgesprächen, zur polizeilichen Einschätzung des Rückfallrisikos im Rahmen eigenständiger Berichte an die Zentralstelle KURS,

  • Mitteilung von Änderungen der Daten (z. B. Wohn-/Aufenthaltsort, Namen, Personenstand, pp.) an die Zentralstelle KURS,

  • Vorsitz und Geschäftsführung des "Runden Tisches" (Nr. 10) und Übersendung des Protokolls an die Zentralstelle KURS.

Die Polizeiinspektionen entscheiden im Rahmen eigener Zuständigkeit und lageabhängig über geeignete polizeipräventive Einzelmaßnahmen (vgl. Anlage 2).

Unabhängig von der Kategorisierung der Personen sind die nachfolgenden Maßnahmen im Sinne landeseinheitlicher Standards vorzunehmen, um eine präventive Wirkung zu erzielen:

  • Regelmäßige Kontaktgespräche mit den Personen sind wesentlich für die polizeiliche Informationsgewinnung und Lagebeurteilung. Sie sollen erstmalig zum Ende der Haft bzw. der Unterbringung, spätestens jedoch eine Woche nach Haftentlassung bzw. Beendigung des Maßregelvollzugs, durchgeführt und im Anschluss anlassbezogen, mindestens jedoch sechsmonatlich wiederholt werden. Die Kontaktgespräche sind jeweils im NIVADIS-Vorgang zu dokumentieren.

  • Vervollständigung/Aktualisierung der ED-Unterlagen und des DNA-Materials,

  • Vervollständigung/Aktualisierung der Kriminalakte,

  • Verbleibskontrollen i. V. m. Kontrolle melderechtlicher Bestimmungen,

  • Kontaktaufnahme mit externen Einrichtungen z. B.

    • Führungsaufsichtsstellen,

    • Bewährungshilfe,

    • Justizvollzugsanstalten,

    • ggf. Kommunalbehörden,

    • ggf. forensischen Ambulanzen,

  • Gefährderansprachen.

Im Rahmen der Kontaktgespräche und Gefährderansprachen sind die Personen grundsätzlich über die Erfassung ihrer personenbezogenen Daten in der KURS-Datei zu informieren.

Sofern über die Standardmaßnahmen hinausgehende weitere Maßnahmen (Anlage 2, Teil B) für erforderlich gehalten werden, ist dieser "individuelle Maßnahmenkatalog" mit der Leitung der Polizeiinspektion bzw. des Zentralen Kriminaldienstes und der Polizeidirektion abzustimmen.

Liegen der Polizei hinreichende Anhaltspunkte für einen Weisungsverstoß vor, ist der notwendige Strafantrag durch die Polizei bei der antragsberechtigten Führungsaufsichtsstelle einzuholen.

Einzelfallbezogene Presseinformationen, insbesondere im Zusammenhang mit operativen Maßnahmen, die über die Standardmaßnahmen des Konzepts hinausgehen, sind den örtlichen Polizeibehörden vorbehalten.

Eine grundsätzliche Öffentlichkeitsarbeit zu den Zielen des Konzepts, Standardmaßnahmen und Erfahrungen mit dem KURS Konzept sowie zu den beteiligten Netzwerkpartnern und deren zielgerichtetes Zusammenwirken aus polizeilicher Sicht erfolgt ausschließlich durch das LKA Niedersachsen oder das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport.

Alle Prozessverläufe werden schriftlich dokumentiert. Die Vorgangsdokumentation sowie die Maßnahmendokumentation erfolgt ausschließlich über das VBS NIVADIS im führenden "Sonstigen Ereignis" (Report). Die schriftliche Fallakte wird nach Ablauf der Führungsaufsicht zur Dokumentation behördlichen Handelns der Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen übersandt.

7 Führungsaufsicht

7.1 Zuständigkeit

Die Führungsaufsichtsstelle wird bereits vor der Entlassung der Personen und vor dem Führungsaufsichtsbeschluss des Gerichts im Rahmen der Entlassungsvorbereitung tätig (Abschnitt IV Nr. 2 AV "Übergangsmanagement zwischen den Justizvollzugsanstalten, dem Ambulanten Justizsozialdienst Niedersachsen, den Staatsanwaltschaften und den freien Trägern der Straffälligenhilfe (AV Übergangsmanagement), AV d. MJ v. 12.7.2011 - 4260 - 403.116 in der jeweils gültigen Fassung).

Nach § 463 a Abs. 3 StPO ist örtlich zuständig die Aufsichtsstelle, in deren Bezirk die Person ihren bzw. seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort haben wird. Ist der zukünftige Wohnsitz/Aufenthaltsort noch unklar, ist die Führungsaufsichtsstelle am letzten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort vor der Inhaftierung zuständig. Stellt die Führungsaufsichtsstelle fest, dass eine andere Führungsaufsichtsstelle zuständig ist, leitet sie die Unterlagen an die zuständige Führungsaufsichtsstelle weiter.

7.2 Maßnahmen der Führungsaufsicht

7.2.1 Aufgabe der Führungsaufsicht/Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe

Die Führungsaufsicht ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung. Sie hat die Aufgabe, gefährdeten oder gefährlichen Täterinnen oder Tätern mit vielfach negativer Sozialprognose Lebenshilfe zu geben, sie zu führen und zu überwachen. Für die Dauer der Führungsaufsicht bestellt das Gericht auch eine Justizsozialarbeiterin oder einen Justizsozialarbeiter als Bewährungshelferin oder Bewährungshelfer (§ 68 a Abs. 1 StGB), die bzw. der in enger Abstimmung mit der Führungsaufsichtsstelle arbeitet (vgl. § 68 a StGB). Die Führungsaufsichtsstelle "überwacht im Einvernehmen mit dem Gericht und mit Unterstützung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers das Verhalten der Verurteilten und die Erfüllung der Weisungen" (§ 68 a Abs. 3 StGB). Der Hilfe- und Kontrollprozess wird von der Führungsaufsichtsstelle und der Justizsozialarbeiterin oder dem Justizsozialarbeiter in enger Abstimmung organisiert (§ 68 a Abs. 2 und 3 StGB).

Die Zusammenarbeit zwischen Führungsaufsichtsstelle und AJSD ist auch in der Anordnung über Organisation, Aufgaben und Dienstbetrieb des Ambulanten Justizsozialdienstes in Niedersachsen und der Führungsaufsichtsstellen sowie über die Wahrnehmung der Aufgaben der Opferhilfe im Rahmen der Stiftung Opferhilfe Niedersachsen (AV AJSD), AV d. MJ. v. 28.01.2009 (4263 - S3. 141 in der jeweils gültigen Fassung), geregelt. Die Führungsaufsichtsstelle stimmt zu Beginn ihrer Tätigkeit die beabsichtigten Maßnahmen mit dem AJSD ab (§ 33 Abs. 1 AV AJSD).

  • Die Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeiter übersenden ihre Berichte an das aufsichtsführende Gericht und nachrichtlich auch der Führungsaufsichtsstelle und der Vollstreckungsbehörde. (§ 34 Abs. 3 AV AJSD).

  • Die Führungsaufsichtsstelle und der AJSD unterrichten sich gegenseitig unaufgefordert und zeitnah über alle wesentlichen Umstände und Erkenntnisse (§ 33 Abs. 3 AV AJSD).

7.2.2 Dauer der Führungsaufsicht

Die Führungsaufsicht dauert mindestens zwei Jahre und in der Regel höchstens fünf Jahre (§ 68 c Abs. 1 StGB). In den Fällen des § 68 c StGB kann das Gericht die Führungsaufsicht auch über die Höchstfrist hinaus verlängern oder unbefristete Führungsaufsicht anordnen.

Die Führungsaufsichtsstelle prüft und regt ggf. eine Verlängerung der Führungsaufsicht gegenüber dem Gericht an. In diesen Fällen holt sie rechtzeitig vor Ablauf der Führungsaufsicht eine Stellungnahme der Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen ein.

7.2.3 Maßnahmen der Führungsaufsicht

  • Die Führungsaufsichtsstelle leitet die erhaltenen Unterlagen:

    • Erstmeldung mit Risikoprofil (Anlage 4 A)

    • Gutachten

    • Urteil

    • Beschlüsse

    • Auszug aus dem Bundeszentralregister

    • Stellungnahmen zur Entlassung

    • Rückfallvermeidungspläne

    unverzüglich an das zuständige Büro des AJSD (Nr. 8) weiter und stimmt sich ggf. mit der zuständigen Justizsozialarbeiterin oder dem zuständigen Justizsozialarbeiter über die Entlassungsvorbereitungen und die Maßnahmen zur Vorbereitung der Führungsaufsicht ab.

  • Die Führungsaufsichtsstellen prüfen und veranlassen ggf. unverzüglich nach der Entlassung die Ausschreibung zur bundesweiten polizeilichen Beobachtung und erforderlichenfalls zur schengenweiten polizeilichen Beobachtung für die Dauer der Führungsaufsicht (§ 463 a Abs. 2 Satz 1 StPO / Art. 36 Abs. 2b SIS-II-Ratsbeschluss 2007/533/JI vom 12.06.2007). Die Erforderlichkeit der Maßnahme ist mindestens jährlich zu prüfen (§ 463 a Abs. 2 Satz 2 StPO).

  • Bei Personen der Kategorien A und B sollte gerade zu Beginn der Betreuung eine intensive Kontrolle durch die Führungsaufsichtsstelle und die Justizsozialarbeiterin oder den Justizsozialarbeiter erfolgen.

  • Im Rahmen der gezielten Vorbereitung auf die Entlassung aus dem Justizvollzug oder dem Maßregelvollzug ist das Informationsblatt (vgl. Anlage 3) auszuhändigen und zu erläutern.

  • Bei Kontaktabbruch von Personen der Kategorien A und B wird die Führungsaufsichtsstelle unverzüglich von der Justizsozialarbeiterin oder dem Justizsozialarbeiter informiert (Nr. 8). Kann die Justizsozialarbeiterin oder der Justizsozialarbeiter binnen vier Werktagen weder telefonisch noch durch Hausbesuch den Kontakt zu der Person wiederherstellen, ist das weitere Vorgehen in einer gemeinsamen kollegialen Beratung zwischen der zuständigen Justizsozialarbeiterin oder dem zuständigen Justizsozialarbeiter, der Fachberatung Risikomanagement des AJSD und der Führungsaufsichtsstelle unverzüglich abzustimmen. Die Führungsaufsichtsstelle informiert die örtlichen KURS-Sachbearbeiterinnen bzw. KURS-Sachbearbeiter der Polizei und stimmt mit ihnen die weiteren Maßnahmen, ggf. die Einberufung des "Runden Tisches" ab. Die Führungsaufsichtsstelle veranlasst ggf. die polizeiliche Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung (§ 463 a Abs. 1 Satz 2 StPO).

  • Die Führungsaufsichtsstelle berichtet regelmäßig, in Fällen der Kategorien A und B mindestens alle sechs Monate, dem aufsichtführenden Gericht über risikorelevante Erkenntnisse, sofern diese dort nicht bereits durch die Berichte der Justizsozialarbeiterin oder des Justizsozialarbeiters bekannt geworden sind.

  • Die Führungsaufsichtsstelle kann von allen öffentlichen Behörden Auskunft verlangen und Ermittlungen jeder Art selbst vornehmen oder durch andere Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit vornehmen lassen (§ 463 a StPO). Die Führungsaufsichtsstelle bittet daher zu Beginn der Führungsaufsicht die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen alle polizeilichen Erkenntnisse über die Führungsaufsichtsprobandinnen oder Führungsaufsichtsprobanden unverzüglich der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen. In diesem Zusammenhang teilt die Führungsaufsichtsstelle der Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen jederzeit unverzüglich Informationen mit, die für die effektive Nutzung der KURS-Datei für die Zwecke der Führungsaufsicht von Bedeutung sind. Dabei kann es sich z. B. auch um vorhandene Erkenntnisse über bereits bekannte Weisungsverstöße aus Berichten der Bewährungshilfe handeln, um auch polizeiliche Erkenntnisse über ähnliche Vorfälle zu sammeln.

  • Vorführungsanordnung

    Auf Antrag der Aufsichtsstelle kann das Gericht einen Vorführungsbefehl erlassen, wenn die Verurteilten einer Weisung nach § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StGB (sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Justizsozialarbeiterin oder dem Justizsozialarbeiter zu melden) oder § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StGB (sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen) ohne genügende Entschuldigung nicht nachgekommen sind und sie in der Ladung darauf hingewiesen wurden, dass in diesem Fall eine Vorführung zulässig ist (§ 463 a Abs. 3 Satz 1 StPO). Die Führungsaufsichtsstelle trägt dafür Sorge, dass dieser Hinweis in den genannten Fällen in die Ladungen der entsprechenden Stellen aufgenommen wird.

  • Strafantrag

    Hält die Führungsaufsichtsstelle die Voraussetzungen des § 145 a StGB für erfüllt, kann sie Strafantrag stellen. Zuvor holt die Führungsaufsichtsstelle die Stellungnahme der Justizsozialarbeiterin oder des Justizsozialarbeiters (§ 68 a Abs. 6 StGB) und der örtlich zuständigen KURS-Sachbearbeiter ein. Handelt es sich um einen Fall der Kategorie A oder B wird auch die Stellungnahme der Fachberaterin oder des Fachberaters Risikomanagement eingeholt.

  • Die zuständige Führungsaufsichtsstelle prüft ständig, ob die Auflagen und Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht ergänzt oder geändert werden sollten und gibt gegebenenfalls eine entsprechende Stellungnahme gegenüber dem Gericht ab. Die Stellungnahme leitet sie nachrichtlich der Staatsanwaltschaft und der Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen zu.

8 Bewährungshilfe

8.1 Einleitung

Die Bewährungshilfe hat den gesetzlichen Auftrag, die Verurteilten zu betreuen und zu überwachen (§ 56 d Abs. 3 StGB). Wie die Führungsaufsichtsstelle werden auch die als Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer bestellten Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeiter bereits vor der gerichtlichen Bestellung im Rahmen der Entlassungsvorbereitung tätig (Abschnitt IV Nr. 1 AV "Übergangsmanagement zwischen den Justizvollzugsanstalten, dem Ambulanten Justizsozialdienst Niedersachsen, den Staatsanwaltschaften und den freien Trägern der Straffälligenhilfe (AV Übergangsmanagement), AV d. MJ v. 12.7.2011 - 4260 - 403.116 in der jeweils gültigen Fassung).

8.2 Schwerpunkt Sexualstraftäterinnen oder Sexualstraftäter

Die Betreuung von Sexualstraftäterinnen oder Sexualstraftätern im Rahmen der Bewährungshilfe erfordert ein differenziertes und professionelles Vorgehen, um der Problematik und Heterogenität dieser Straftätergruppe adäquat begegnen zu können. Vor allem das oft fehlende Problembewusstsein dieser Personen erschwert die Umsetzung des gesetzlichen Auftrags, ihnen helfend und betreuend zur Seite zu stehen. Auch die im Einvernehmen mit den Gerichten zu überwachende Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt für die Betreuung dieser Klientel nicht nur spezifische Kenntnisse über verschiedene Erscheinungsformen der Sexualdelinquenz, über die unterschiedlichen Delinquenzverläufe und über empirische Daten zur Legalprognose voraus, sondern auch die konkreten Fähigkeiten, diese Themen mit den Personen angemessen besprechen zu können.

Hierzu verfügt der AJSD über speziell für die Betreuung von Sexualstraftätern ausgebildete Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeiter. Ihre Tätigkeit ist in einem entsprechenden fachlichen Schwerpunkt der Bewährungshilfe geregelt worden.

Personen, die in die Kategorien A oder B eingestuft worden sind, sollen grundsätzlich den besonders qualifizierten Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeitern mit dem fachlichen Schwerpunkt Sexualstraftäterinnen oder Sexualstraftäter zugeteilt werden. Hat das aufsichtführende Gericht eine Justizsozialarbeiterin oder einen Justizsozialarbeiter ohne diese Qualifikation bestellt, soll eine Umbestellung unter Hinweis auf die speziell geschulten Sexualstraftäterbetreuerinnen oder Sexualstraftäterbetreuer und dieses Konzept angeregt werden. In Ausnahmefällen, z. B. bei einer vorherigen Befassung einer Justizsozialarbeiterin oder eines Justizsozialarbeiters mit den Personen, ist in Abstimmung mit den Bezirksleiterinnen oder Bezirksleitern des AJSD auch die Zuständigkeit einer Justizsozialarbeiterin oder eines Justizsozialarbeiters ohne diese Schwerpunktausbildung möglich. Die Gründe dafür sind in der Akte zu vermerken.

Die Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeiter in dem fachlichen Schwerpunkt Sexualstraftäterinnen und Sexualstraftäter sollen ständig fortgebildet werden; ihr Erfahrungsaustausch soll gefördert werden.

Für die Fälle der Kategorien A und B ist eine kollegiale Fallberatung obligatorisch. Für die Fälle der Kategorie C ist innerhalb der ersten drei Monate nach der Entlassung eine kollegiale Fallberatung durchzuführen. Diese Fallberatungen sollen durch die Fachberatung Risikomanagement (vgl. Nr. 8.4) geleistet werden.

Bei der Betreuung jugendlicher und heranwachsender Personen sind im Besonderen die regelmäßig noch nicht gefestigte Persönlichkeit und die individuelle Entwicklung der Person zu berücksichtigen.

8.3 Betreuung von Personen der KURS-Kategorien A und B

Bereits vor der Entlassung der Personen aus dem Justizvollzug oder dem Maßregelvollzug findet ein Erstgespräch durch die Justizsozialarbeiterin oder den Justizsozialarbeiter gemeinsam mit der Vollzugsbehörde und ggf. mit der zuständigen Fachberaterin oder dem zuständigen Fachberater Risikomanagement sowie der polizeilichen Sachbearbeiterin oder dem polizeilichen Sachbearbeiter statt.

In Fällen, in denen die Entlassungsanschrift und damit die oder der künftig zuständige Justizsozialarbeiterin oder Justizsozialarbeiter noch nicht bestimmt werden kann, sollte das Erstgespräch durch die oder den örtlich zuständige Fachberaterin oder zuständigen Fachberater Risikomanagement geführt werden.

Während der ersten sechs Monate der Unterstellung ist der Kontakt zu den Personen besonders eng zu halten. Die möglichen Hilfen für diesen Personenkreis können dabei gemäß den Standards des AJSD voll ausgeschöpft werden. Die Einstufung in die Prognosekategorien A und B erfordert eine verstärkte Kontrolle. In den ersten sechs Monaten der Unterstellungszeit sind daher grundsätzlich in Fällen der Kategorie A wöchentlich und in Fällen der Kategorie B zweiwöchentlich persönliche Kontakte erforderlich, wenn nicht ausdrückliche Anweisungen (§ 56 d Abs. 4 Satz 2 StGB) oder Weisungen des aufsichtführenden Gerichtes eine davon abweichende Kontaktfrequenz festlegen. Die Justizsozialarbeiterin oder der Justizsozialarbeiter und die Führungsaufsichtsstelle bemühen sich in diesem Fall gemeinsam um eine Änderung des entsprechenden Beschlusses per Anregung an das Gericht unter Darlegung der Einstufung der Personen und Verweis auf KURS. Bei Erkrankung oder Urlaub der zuständigen Justizsozialarbeiterin bzw. des zuständigen Justizsozialarbeiters stellt die Bezirksleiterin oder der Bezirksleiter des jeweiligen Büros sicher, dass die Kontakte weiter stattfinden.

In Fällen dauerhafter stationärer Unterbringung ist es möglich, nach Absprache mit der Fachberatung Risikomanagement sowie mit der Bezirksleitung, von dem Grundsatz der wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Kontakte binnen der ersten sechs Monate der Unterstellungszeit abzuweichen.

Der erste reguläre Bericht über die Lebensführung an das Gericht und die Führungsaufsichtsstelle wird drei Monate nach der Entlassung der Person gefertigt. Im weiteren Betreuungsverlauf sind mindestens alle sechs Monate Berichte zu fertigen.

Personen der Kategorien A und B, deren Unterstellung nicht problemfrei verläuft, sind unverzüglich per Fax der Führungsaufsichtsstelle und dem aufsichtführenden Gericht zu melden. Die Meldung geht nachrichtlich auch an die zuständige Fachberaterin oder den zuständigen Fachberater Risikomanagement (vgl. Nr. 8.4).

Dies ist zu veranlassen, wenn

  • Personen unentschuldigt einen Termin versäumen oder den Kontakt abbrechen,

  • die Gespräche mit Personen krisenhafte Zuspitzungen der Situation offenbaren wie z. B. Gewaltphantasien oder die Schaffung rückfallgefährdender Situationen,

  • es zu Alkohol- oder Drogenabusus kommt und dieser neue Straftaten befürchten lässt,

  • Anzeichen für eine ernsthafte Gefährdung Dritter erkennbar werden,

  • Verstöße gegen Weisungen und Auflagen bekannt werden.

Die Führungsaufsichtsstelle informiert unverzüglich die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen.

Bei einem Kontaktabbruch versucht die Justizsozialarbeiterin oder der Justizsozialarbeiter den Kontakt wiederherzustellen. Kann binnen vier Werktagen weder telefonisch noch durch Hausbesuch der Kontakt zu der Person hergestellt werden, ist das weitere Vorgehen in einer gemeinsamen kollegialen Beratung zwischen Justizsozialarbeiterin oder Justizsozialarbeiter, Fachberatung Risikomanagement und Führungsaufsichtsstelle unverzüglich abzustimmen.

Gelingt es, den Kontakt wiederherzustellen, erfolgt eine neue Bewertung und darauf basierend, eine neue Fassung des Kontaktintervalls nach Rücksprache mit der Fachberatung Risikomanagement oder nach Durchführung einer kollegialen Beratung.

In Fällen von krisenhafter Zuspitzung oder Alkohol- und Drogenabusus ist das weitere Vorgehen unverzüglich mit der Führungsaufsichtsstelle und der Fachberatung Risikomanagement abzustimmen. Insbesondere soll das mögliche Hilfepotenzial wie Vermittlung an Therapeutinnen und Therapeuten, forensische Ambulanzen, Drogenberatungsstellen oder Suchtkliniken ausgeschöpft werden.

In Fällen der möglichen Gefährdung Dritter ist zusätzlich im Einzelfall abzuwägen, ob eine Information der KURS-Sachbearbeiterinnen bzw. KURS-Sachbearbeiter zu erfolgen hat. Dies kann beispielsweise unter den Voraussetzungen des § 34 StGB bei einer "gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut" der Fall sein, wenn das geschützte Interesse die datenschutzrechtliche Beeinträchtigung überwiegt.

Verläuft diese erste Phase der Führungsaufsicht unproblematisch, kann die Kontaktfrequenz reduziert werden. Mindestens sollen jedoch einmal monatlich persönliche Kontakte stattfinden, wenn nicht das aufsichtführende Gericht eine andere Anordnung getroffen hat.

Es ist weiter im Abstand von sechs Monaten an das aufsichtführende Gericht und die Führungsaufsichtsstelle zu berichten.

8.4 Betreuung von Personen der KURS-Kategorie C

Bereits vor der Entlassung der Person aus dem Justizvollzug oder dem Maßregelvollzug findet ein Erstgespräch durch die Justizsozialarbeiterin oder den Justizsozialarbeiter gemeinsam mit der Vollzugsbehörde und ggf. mit der zuständigen Fachberaterin oder dem zuständigen Fachberater Risikomanagement sowie der polizeilichen Sachbearbeiterin oder dem polizeilichen Sachbearbeiter statt.

In Fällen, in denen die Entlassungsanschrift und damit die oder der künftig zuständigen Justizsozialarbeiterin oder Justizsozialarbeiter noch nicht bestimmt werden kann, sollte das Erstgespräch durch die örtlich zuständige Fachberaterin oder den örtlich zuständigen Fachberater Risikomanagement geführt werden.

Eine Fallberatung durch die Fachberatung Risikomanagement erfolgt einmalig 3 Monate nach der Entlassung. Über einen weitergehenden Beratungsbedarf entscheidet der fallführende JSA.

8.5 Fachberatung Risikomanagement

Der Umgang mit gefährdeten und gefährlichen Straftäterinnen oder Straftätern gehört zu den professionellen Herausforderungen der Sozialarbeit im AJSD. Der sozialarbeiterische Kontrollprozess soll durch methodisches Risikomanagement verbessert werden, um das Rückfallrisiko besonders gefährlicher Personen besser einschätzen zu können und entsprechende sozialarbeiterische Handlungsstrategien ableiten zu können.

Zu diesem Zweck verfügt der AJSD über speziell geschulte Fachberaterinnen oder Fachberater für sozialarbeiterisches Risikomanagement. Die Fachberaterinnen oder Fachberater werden vor allem für kollegiale Fallberatungen und Schulungen von Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeitern eingesetzt. Sie verfügen über vertiefte Kenntnisse zu Risikomanagementmethoden und Grundkenntnisse in forensischer Psychiatrie und Psychologie. Sie kennen die Methoden, die im Justizvollzug und Maßregelvollzug für die Prognose und Behandlung von Sexualstraftäterinnen oder Sexualstraftätern angewendet werden.

In den Fällen der KURS-Kategorien A und B führen die Fachberaterinnen und Fachberater die obligatorischen Fallberatungen durch. In den Fällen der KURS-Kategorie C führen die Fachberaterinnen und Fachberater verpflichtend einmalig eine Fallberatung nach Entlassung durch. Sie erhalten durch ihre intensive Beschäftigung mit diesen Fällen und ihren überregionalen Einsatz einen guten Überblick über die Fälle und erfolgsgeeignete Handlungsstrategien. Sie nehmen als Ansprechpartnerinnen bzw. Ansprechpartner für den AJSD an den KURS-Konferenzen teil.

9 Datenschutz

Im Bereich des Justizvollzuges ist die Übermittlung der Daten an die Polizei bzw. die Staatsanwaltschaft insbesondere gem. § 192 Abs. 1 i. V. m. § 191 Abs. 3 Nrn. 2 und 4 sowie gem. § 191 Abs. 2 Nr. 1 NJVollzG zulässig. Hinsichtlich der Daten aus Gutachten ist eine Übermittlung in den Fällen der Kategorien A und B gem. §§ 192 Abs. 1, 191 Abs. 2 i. V. m. § 195 Abs. 2 Sätze 2 und 3 NJVollzG zulässig ("Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib und Leben Dritter").

Aus dem Bereich des Maßregelvollzuges erfolgt die Datenübermittlung an die Staatsanwaltschaften als Strafvollstreckungsbehörden auf der Grundlage der §§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 11 Abs. 1 i. V. m. § 10 NDSG und i. V. m. § 16 Niedersächsisches Maßregelvollzugsgesetz.

Bei dem Informationsaustausch mit anderen Stellen müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Führungsaufsichtsstellen und des AJSD den Berufsgeheimnisschutz des § 203 StGB beachten.

Für die Übermittlung von Informationen der Führungsaufsichtsstelle an die Polizei gibt es eine rechtliche Grundlage. Die Führungsaufsichtsstelle darf auf der Grundlage des § 463 a StPO Daten erheben und für ihre Zwecke andere Stellen mit Ermittlungen jeder Art beauftragen. Sie kann daher z. B. auch in Verbindung mit Ermittlungsaufträgen an die Polizei Informationen über Personen weitergeben.

Der Informationsaustausch zwischen AJSD und der Führungsaufsichtsstelle ist durch § 68 a StGB legitimiert (s. u. Führungsaufsicht).

Unabhängig davon, ob man für Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeiter den weiter reichenden persönlichen Berufsgeheimnisschutz des § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB5 oder den nicht innerdienstlich geltenden Geheimnisschutz für Amtsträger im Sinne des § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB6 annimmt, ist für die Weiterleitung aus dem innerdienstlichen Bereich eine rechtliche Erlaubnisnorm erforderlich. Wegen der abschließenden bereichsspezifischen Regelung des § 481 StPO für den Zweck der Gefahrenabwehr kann ein Datenaustausch zwischen der Bewährungshilfe und der Polizei nicht auf die Regelungen der §§ 474 ff. StPO, §§ 12 ff. EGGVG oder das Niedersächsische Datenschutzgesetz gestützt werden.

Eine Weitergabe von Informationen ist aber dann problemlos möglich, wenn sie nicht "unbefugt" im Sinne des § 203 StGB erfolgt, also wenn sie durch Rechtfertigungsgründe (z. B. Einwilligung der Person, rechtfertigenden Notstand gemäß § 34 StGB) gedeckt sind. Da die Justizsozialarbeiterinnen oder Justizsozialarbeiter kein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 StPO haben, schließt auch die Offenbarungspflicht als Zeugin oder Zeuge den Geheimnisschutz aus. Auch Informationen aus zeugenschaftlichen Vernehmungen von Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeitern können von den Staatsanwaltschaften gemäß § 481 StPO zu Gefahrabwehrzwecken an die Polizei weitergegeben werden. Eine direkte Übermittlung von Daten vom AJSD an die Polizei ist im Hinblick auf die abschließende bereichsspezifische Regelung des § 481 StPO datenschutzrechtlich nur in den Fällen eines strafrechtlichen Rechtfertigungsgrundes (z. B. § 34 StGB) oder Entschuldigungsgrundes straffrei möglich.

Um in der Praxis eine Datenweitergabe an die Polizei zu ermöglichen, sollen die Personen, die in der KURS-Datei erfasst werden, von den Justizsozialarbeiterinnen und den Justizsozialarbeitern bzw. den Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern des Maßregelvollzugs um eine Einwilligungserklärung zur Weitergabe von Informationen über Verstöße gegen Weisungen und Auflagen gebeten werden. Zu diesem Zweck ist das Formblatt zur Entbindung von der Schweigepflicht (Anlage 5) zu verwenden.

10 "Runde Tische"

Ein wichtiges Instrument zur Koordinierung der Maßnahmen der beteiligten Stellen ist der sogenannte "Runde Tisch". Durch einen gegenseitigen Informations- und Meinungsaustausch können die Maßnahmen der Beteiligten gemeinsam beraten und optimiert werden.

Jeweils am Standort einer Polizeiinspektion wird als örtliches Gremium ein sog. "Runder Tisch", eingerichtet.

Dieses Gremium setzt sich zusammen aus:

  • Angehörigen der zuständigen Polizeidienststelle,

  • Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeitern,

  • Leiterinnen und Leiter der Führungsaufsichtsstellen,

  • Fachberaterinnen und Fachberater Risikomanagement.

Die Justizsozialarbeiterin bzw. der Justizsozialarbeiter des AJSD tragen dafür Sorge, dass der Berufsgeheimnisschutz des § 203 StGB bei den Beratungen eingehalten wird. Der "Runde Tisch" tritt unter Federführung der Polizeiinspektionen regelmäßig und anlassbezogen zusammen, jedoch mindestens halbjährlich. Die Einberufung des "Runden Tisches" kann von jeder Beteiligten und jedem Beteiligten initiiert werden. Die Organisation der "Runden Tische" obliegt den Polizeiinspektionen. Der "Runde Tisch" zieht bei Bedarf Vertreterinnen oder Vertreter weiterer externer Stellen (z. B. Jugendämter, Kommunen, freie Straffälligenhilfe, forensische Ambulanzen, Strafvollstreckungsbehörden, Leiterinnen und Leiter der Führungsaufsichtsstelle, Prognosezentrum des niedersächsischen Justizvollzuges) beratend hinzu, wenn diese datenschutzrechtlich zur Weitergabe und zum Empfang von Informationen im Einzelfall berechtigt sind.

Die durch die jeweilige Vollzugsbehörde mitgeteilte Kategorisierung ist grundsätzlich beizubehalten. In begründeten Einzelfällen ist es aber möglich, dass Personen aufgrund der polizeilichen Gesamtbewertung unter Einbeziehung der Erkenntnisse und Einschätzung der Führungsaufsichtsstellen bzw. des AJSD in eine höhere oder aber auch in eine niedrigere Kategorie überführt werden.

Liegen einzelfallbezogene Gründe für eine Höherstufung der Betroffenen vor, entscheidet hierüber der jeweils zuständige lokale "Runde Tisch". Die Höherstufung von Personen kann nur einstimmig erfolgen. Die Gründe für die Höherstufung sind schriftlich zu dokumentieren. Die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen erhält eine Ausfertigung der schriftlichen Begründung. Sie bringt den konkreten Fall bei der KURS-Konferenz (vgl. Nr. 11) zur weiteren Prüfung hinsichtlich eines landesweit einheitlichen Standards ein.

Eine Herabstufung der Personen ist nur im begründeten Ausnahmefall möglich. Außer in Fällen einer übergangsweisen Ersteinstufung in Kategorie A (vgl. Nr. 4), ist vor Ablauf eines Jahres von einer Herabstufung abzusehen.

Liegen Anhaltspunkte vor, die nach einstimmiger Bewertung des lokalen "Runden Tisches" eine Herabstufung einer Person angezeigt erscheinen lassen, wird der Vorgang der KURS-Konferenz zur Entscheidung vorgelegt.

In der Vorlage müssen alle entscheidungsrelevanten Tatsachen und Bewertungen enthalten sein. Bei Bedarf können einzelne Vertreterinnen oder Vertreter des "Runden Tisches" im Rahmen der Sitzung der KURS-Konferenz angehört werden.

11 KURS-Konferenz

Mitglieder der KURS-Konferenz sind:

  • die Dezernatsleiterin oder der Dezernatsleiter 31 des Landeskriminalamtes Niedersachsen (Vorsitz)

  • die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen sowie einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters mit psychologischer und / oder sozialwissenschaftlicher Kompetenz

  • eine Vertreterin oder ein Vertreter einer Führungsaufsichtsstelle oder der dienstaufsichtführenden Behörden (Landgericht, Oberlandesgericht, MJ)

  • eine Justizsozialarbeiterin oder ein Justizsozialarbeiter des AJSD (Fachberatung Risikomanagement)

  • die oder der KURS-Beauftragte des niedersächsischen Justizvollzugs und/oder deren oder dessen Vertretung sowie die Leitung der Abteilung Diagnostik und Planung der Jugendanstalt Hameln, Im Falle von Beratungen bezüglich einer Hoch- oder Herabstufung im Einzelfall soll die oder der fallverantwortliche Justizsozialarbeiterin oder Justizsozialarbeiter an der Konferenz teilnehmen

  • eine Vertreterin oder ein Vertreter der Prognosekommission aus dem Maßregelvollzug.

Die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen ist zugleich Geschäftsstelle der KURS-Konferenz. In dieser Funktion organisiert sie die Fallkonferenzen nach Bedarf. Neben den Vertreterinnen und Vertretern der KURS-Konferenz werden an der Protokolldokumentation die betroffenen Ressorts (MI, MJ, MS) beteiligt und der Informationsfluss zu den Polizeidirektionen sichergestellt. Die Zentralstelle KURS im Landeskriminalamt Niedersachsen informiert die "Runden Tische" auf dem Dienstweg über den Ausgang der Fallkonferenzen.

Die KURS-Konferenz kann im Einzelfall im Rahmen ihrer Prüfungskompetenz die Entscheidung des lokalen "Runden Tisches" über die Höherstufung der Person aufheben. Die Entscheidung über die Herabstufung der Personen wird ausschließlich in der KURS-Konferenz getroffen; Fälle einer vorsorglichen Führung in Kategorie A (vgl. Nr. 4.1.3) bleiben hiervon unberührt.

Es handelt sich um den Straftatkatalog des § 181 b StGB ohne § 181 a StGB (Zuhälterei). In den Fällen des § 181 a StGB ist die Konzeption wegen der Nähe zur organisierten Kriminalität nicht geeignet.

Soweit in der Konzeption die Polizeiinspektionen mit Aufgaben betraut werden, nimmt in der Polizeidirektion Hannover jeweils der Zentrale Kriminaldienst (ZKD) diese Aufgabe wahr.

Gemäß den Erfassungskriterien der ViCLAS-Richtlinie.

In Übereinstimmung mit den "Richtlinien für das Führen von Kriminalakten".

Schönke/Schröder-Lenckner, 27. Aufl., StGB, § 203 Rn. 13; Damian, Bewährungshilfe - BewHi - 1992, S. 325 ff.; Schmitt, BewHi 1992, S. 359, 360.

MK-Cierniak, StGB, § 203 Rn. 43; Lackner/Kühl, StGB, 25. Aufl., § 203 Rn. 5; LK-Schünemann, StGB, 11. Aufl., § 203 Rn. 37; Schenkel NStZ 1995, 67 ff.; Onderka/Schade BewHi 1993, 136, 144.

Außer Kraft am 1. Januar 2028 durch Nummer 2 des RdErl. vom 29. Dezember 2021 (Nds. MBl. 2022 S. 2, Nds. Rpfl. 2022 S. 41)