Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 10.05.2000, Az.: 2 U 224/99
Schadensersatz; Mietminderung; Überschwemmung; Wasserschaden; Verfahrensmangel; Unzulässiges Teilurteil; Widerklage
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 10.05.2000
- Aktenzeichen
- 2 U 224/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 19855
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2000:0510.2U224.99.0A
Rechtsgrundlagen
- § 537 BGB
- § 538 BGB
- § 301 ZPO
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2000, 257-258
Amtlicher Leitsatz
1. Zur Zulässigkeit von Grund- und Teilurteil.
2. Schadensersatzansprüche des Mieters gegen den Vermieter bei Wasserschäden nach starken Niederschlägen.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. August 1999 verkündete (Teil-)Grundurteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des vorliegenden Berufungsverfahrens und des Berufungsverfahrens 2 U 204/96, an das Landgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.
Die Beschwer beider Parteien und der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren betragen 5. 706, 49 DM.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Das angefochtene Grundurteil leidet unter einem wesentlichen Verfahrensmangel i. S. v. § 539 ZPO, der zu einer Zurückverweisung der Sache an das Landgericht nötigt. Im Hinblick auf den Umfang der erforderlichen weiteren Sachaufklärung sowohl zum Grund als auch zur Höhe der von dem Kläger zur Begründung der Klage und zur Rechtsverteidigung gegenüber der Widerklageforderung geltend gemachten Schadensersatzansprüche ist eine eigene Sachentscheidung des Senats unter Einbeziehung des im Berufungsrechtszug nicht angefallenen Streites der Parteien über die einseitige Erledigungserklärung der Beklagten in Bezug auf die Widerklage nicht als sachdienlich anzusehen, § 540 ZPO. Insbesondere hätte durch prozessleitende Maßnahmen die Entscheidungsreife der Sache auch in dem zunächst auf den 29. Juni 2000 anberaumten Verhandlungstermin vor dem Senat nicht herbeigeführt werden, sodass auch im Interesse der Beschleunigung des Rechtsstreits eine Sachentscheidung des Senats nicht angezeigt war.
1. Der Erlass des Grundurteils beruht auf dem gleichen Verfahrensfehler, der bereits zur Aufhebung des am 23. September 1996 verkündeten Teilurteils des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg in dieser Sache durch die Entscheidung des Senats vom 26. November 1997 geführt hat. Das angefochtene Grundurteil stellt sich nämlich wiederum als unzulässiges Teilurteil i. S. v. § 301 ZPO dar. Zwar hat das Landgericht mit dem Grundurteil nicht abschließend über die Klage entschieden, sondern lediglich ein Zwischenurteil über den Grund des Klaganspruchs erlassen. Wegen der bei dem Landgericht weiter anhängigen Widerklage handelt es sich indes lediglich um ein Teil-Grundurteil. Für die Zulässigkeit eines solchen Urteils sind neben den besonderen Voraussetzungen, die für den Erlass eines Grundurteils gemäß § 304 ZPO gelten, zusätzlich die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Teilurteils gemäß § 301 ZPO zu prüfen. Danach ist der Erlass eines Teil-Grundurteils zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wenn es z. B. mit einem Teil-Endurteil hinsichtlich eines Feststellungsantrages verbunden ist (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 19. Aufl. , § 304 Rn. 3). Indessen ist auch für ein Teil-Grundurteil das Gebot der Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussurteil zu beachten.
Zwar betreffen Klage und Widerklage unterschiedliche Streitgegenstände. Das Landgericht hat jedoch erneut nicht beachtet, dass es für die Zulässigkeit eines Teilurteils an der erforderlichen Unabhängigkeit der Entscheidung über den Grund der Klageforderung von der Beurteilung des restlichen Teils des Streitgegenstandes fehlt. Der Senat hat bereits in seinem am 26. November 1997 verkündeten Urteil darauf hingewiesen, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Entscheidung über den Teil unabhängig davon sein muss, wie das Schlussurteil über den Rest des noch anhängigen Streitgegenstandes entscheidet (vgl. BGH NJW 1994, 932). Es darf nicht die Gefahr bestehen, dass es im Teilurteil und im Schlussurteil zu widersprüchlichen Entscheidungen kommt. Dabei muss das Gericht auch die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung im Instanzenzug in seine Beurteilung einbeziehen (vgl. BGH NJW-RR 1994, 380 [BGH 12.01.1994 - XII ZR 167/92]).
Im vorliegenden Fall ist diese Gefahr nicht schon deshalb ausgeräumt, weil die Beklagte die Widerklageforderung in der Hauptsache für erledigt erklärt hat. Der Kläger hat nämlich der Erledigungserklärung widersprochen, sodass die Entscheidung über die Feststellung der Erledigung oder die Abweisung der Widerklage davon abhängig ist, ob die lediglich unter Vorbehalt geleistete Mietzinszahlung des Beklagten als erledigendes Ereignis anzusehen ist und ob die Widerklage im Zeitpunkt der Abgabe der Erledigungserklärung der Beklagten mit Schriftsatz vom 8. Mai 1998 begründet war. Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen resultiert im vorliegenden Fall daraus, dass sowohl für den Grund der Klageforderung als auch für die ursprüngliche Begründetheit der Widerklageforderung zu prüfen ist, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz derjenigen Schäden zusteht, die infolge der am 5. August 1994 aufgetretenen Überschwemmung in der angemieteten Arztpraxis entstanden sind. Während der Kläger mit der Klage einen Teil der ihm entstandenen Schäden, nämlich die Kosten für die Instandsetzung des elektrischen Leitungssystems begehrt, hat er gegenüber der Widerklageforderung sowohl mit den weiteren im Schreiben vom 29. März 1995 näher bezifferten Schadensersatzforderungen in Höhe von 15. 980, 39 DM als auch mit zusätzlichen Schadensersatzansprüchen in Höhe von insgesamt 73. 684, 88 DM aufgerechnet, wobei sich die Reihenfolge im Einzelnen aus dem am 5. Februar 1996 eingegangenen Schriftsatz des Klägers ergibt. Der Einwand der Minderung des Mietzinses greift gegenüber der Widerklageforderung schon deshalb nicht in vollem Umfang durch, weil Gegenstand der Widerklage auch der mit dem Schriftsatz vom 25. März 1996 geltend gemachte Heizkostennachzahlungsanspruch für das Jahr 1995 in Höhe von 2. 729, 98 DM ist. Im Übrigen hatten die Parteien unbeschadet der Frage der Wirksamkeit des formularmäßigen Ausschlusses von Mietminderungsansprüchen wegen anfänglicher Mängel gemäß § 4 Nr. 1 Satz 2 Mietvertrag als zusätzliche Einschränkung des Mietminderungsrechts vereinbart, dass eine Mietminderung gesondert geltend zu machen ist, § 9 Nr. 4 Satz 2 Mietvertrag (vgl. zur Wirksamkeit der formularmäßigen Beschränkung des Änderungsrechts bei Geschäftsräumen BGH NJW-RR 93, 519; OLG Hamm, ZMR 98, 343). Die von dem Landgericht in dem angefochtenen Urteil angestellten Erwägungen zur Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses gemäß § 4 Ziffer 4 Mietvertrag stellen sich als Vorfrage für den Klaganspruch ebenso wie für die im Rahmen der Entscheidung über den einseitig für erledigt erklärten Widerklageantrag notwendige Prüfung der Begründetheit des vorbezeichneten Aufrechnungseinwandes. Das Landgericht konnte bei Erlass seiner Entscheidung nicht ausschließen, dass entweder nur das Teil-Grundurteil oder das Endurteil über den restlichen Streitgegenstand von der jeweils unterlegenen Partei angefochten werden würde. Damit war die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen jedenfalls im Instanzenzug vorgezeichnet.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann den vorstehenden Erwägungen nicht entgegengehalten werden, dass dann ein Grundurteil immer wegen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen unzulässig wäre. Zwar kann ausnahmsweise gemäß § 304 Abs. 2 2. Hs. ZPO das Gericht des ersten Rechtszuges auf Antrag über den Betrag des Anspruchs bereits dann verhandeln, wenn die Rechtskraft des Zwischenurteils über den Grund noch nicht eingetreten ist. Dieses Verfahren birgt jedoch die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen zum Grunde des Anspruchs bei einem sämtliche in dem Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche erfassenden Grundurteil nicht in sich. Wird das Urteil über den Grund des Anspruchs nach Erlass des Urteils über den Betrag aufgehoben, verliert im Übrigen das letztere, auch wenn es rechtskräftig ist, seine Wirkung (vgl. Zöller-Vollkommer, a. a. O. , § 304 Rn. 27; RGZ 107, 331).
2. Für die erneute Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Die angefochtene Entscheidung begegnet auch in materiellrechtlicher Hinsicht durchgreifenden Bedenken. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist es für die Entscheidung über die Begründetheit der Schadensersatzansprüche des Klägers von Bedeutung, ob es sich bei den die streitbefangene Überschwemmung auslösenden erheblichen Niederschlägen am 5. August 1994 um ein 'Jahrhundertereignis' gehandelt hat oder nicht. Das Landgericht hat zwar angenommen, dass die Grundleitungen schon eine Regenmenge nach DIN nicht hätten ableiten können. Indessen fehlt es an dem für einen Schadensersatzanspruch erforderlichen Ursachenzusammenhang, wenn die Überschwemmungsschäden auf Grund nur ganz selten auftretender extremer Witterungsbedingungen auch bei einem in jeder Hinsicht fachgerecht errichteten Kanalisations- und Drainagesystem entstanden wären. Die Beklagte war nämlich weder auf Grund der ihr als Vermieterin obliegenden Obhutspflicht noch auf Grund ihrer Verkehrssicherungspflicht als Grundstückseigentümerin gehalten, für das medizinische Zentrum ....... eine Regenwasserkanalisation und ein Drainagesystem einzurichten und zu unterhalten, die alle denkbaren Niederschlagsmengen bewältigen konnten. Ebenso wie bei einer gemeindlichen Regenwasserkanalisation hat auch ein Grundstückseigentümer die Regenwasser abführenden Systeme nicht so groß zu bemessen, dass das System auch für ganz selten auftretene, außergewöhnlich heftige Regenfälle ausreicht (vgl. BGH NJW 1983, 622). Insbesondere ist eine Dimensionierung im Hinblick auch auf katastrophenartige Unwetter, wie sie erfahrungsgemäß nur in sehr großen Zeitabständen vorkommen, nicht erforderlich (vgl. BGH NJW 1990, 1167 [BGH 05.10.1989 - III ZR 66/88]). Schäden, die an Gebäuden auf Grund von derart seltenen Unwettern unabhängig davon auftreten, ob die baurechtlichen Anforderungen an die Auslegung von Regenwasserkanalisations- und Drainagesystemen eingehalten worden sind, stellen sich lediglich als die Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos dar und sind dem für den Zustand des Gebäudes Verantwortlichen unter dem Gesichtspunkt der überholenden Kausalität auch dann nicht zuzurechnen, wenn tatsächlich bauliche Mängel vorliegen, auf Grund derer häufiger auftretende geringere Niederschlagsmengen nicht hätten abgeleitet werden können. Diesen Erwägungen wird die dem Sachverständigen vorgegebene Fragestellung im Beweisbeschluss des Landgerichts vom 28. Juni 1998 nicht gerecht, ob das Regenwasserkanalisationssystem und das Drainagesystem des streitbefangenen Objekts im August 1994 ausreichend dimensioniert waren, um auch extrem starke Regenfälle auffangen zu können.
Aus dem amtlichen Gutachten des ....... ....... vom 12. Oktober 1998 ergibt sich entgegen der Behauptung des Klägers nicht, dass am 5. August 1994 lediglich überdurchschnittliche Regenfälle zu verzeichnen gewesen seien, die häufiger vorkommen. Aus der Feststellung des Wetterdienstes, dass am 5. August 1994 in der kurzen Zeit von etwa 6 - 7 Stunden im Bereich ....... bis zu ca. 47 %, stellenweise auch bis zu ca. 70 % der im gesamten Monat August im langjährigen Mittel (1961 - 1990) zu erwartenden Niederschlagsmenge von ca. 70 mm gefallen seien, kann ohne weitere Angaben auf die Häufigkeit eines derartigen Ereignisses nicht geschlossen werden. Vielmehr bedarf es der Aufklärung anhand der Wetterstatistik, wie häufig derart extreme Regenfälle im Bereich ....... in der Vergangenheit aufgetreten sind und ob es sich bei dem Unwetter am Schadenstag um einen seltenen Ausnahmefall handelte. Im Hinblick auf die von dem Wetterdienst angegebene Schwankungsbreite der möglichen Niederschlagsmenge am Schadentage kann auch von indizieller Bedeutung sein, ob die von der Beklagten im Schriftsatz vom 8. Februar 2000 zusätzlich unter Beweis gestellte Behauptung zutrifft, dass es vergleichbare Überschwemmungen in dem Mietobjekt in der Zeit von 1976 bis zum 5. August 1994 nicht gegeben habe.
b) Das Landgericht wird sich außerdem mit den in der Berufungsbegründung und dem Schriftsatz vom 8. Februar 2000 erhobenen Einwendungen gegen das Gutachten des Sachverständigen ....... auseinanderzusetzen haben. Dies gilt insbesondere für den Einwand, die von dem Sachverständigen zu Grunde gelegte DIN 1986 T 2 habe zum Zeitpunkt der Errichtung des streitbefangenen Gebäudes in dieser Fassung noch nicht gegolten. Vielmehr habe der in dem Privatgutachten ....... angegebene Wert von 150 l/sha gegolten. Ebenso wird sich das Landgericht mit der Erheblichkeit der unter Beweis gestellten Behauptung der Beklagten auseinander zu setzen haben, dass das streitbefangene Gebäude und die Nebenanlagen entsprechend den vom Landkreis ....... genehmigten Plänen errichtet worden seien.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 8 GKG, die Festsetzung der Beschwer auf § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.