Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 19.11.2007, Az.: 8 A 267/07

Abrechnungsbescheid; Abrechnungsbescheid; Allgemeine Leistungsklage; Aufrechenbarkeit; Aufrechnung; Aufrechnungsbescheid; Aufrechnungserklärung; Auszahlung durch Umbuchung; Beantragung eines Abrechnungsbescheides; Beantragung eines Abrechnungsbescheides; berechtigtes Interesse; effektivere Rechtsschutzmöglichkeiten; einfachere Rechtsschutzmöglichkeit; Gebührenschuldner; rechtlicher Vorteil; Rechtsschutz; Rechtsschutzbedürfnis; Rechtsschutzinteresse; rechtsschutzwürdiges Interesse; Verwaltungsakt; vorherige Beantragung; Zulässigkeit; Zulässigkeit einer Klage; öffentlich-rechtliche Forderungen

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
19.11.2007
Aktenzeichen
8 A 267/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71880
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Hält ein Gebührenschuldner die nicht in der Gestalt eines Verwaltungsaktes erklärte Aufrechnung einer Behörde für unwirksam, so muss er gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5 a NKAG i. V. m. § 218 Abs. 2 AO zunächst einen Abrechnungsbescheid beantragen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Verrechnung seines Guthabensbetrages in Höhe von 108,00 Euro aus dem Bescheid über Abwassergebühren der Beklagten vom 30.01.2007. Mit diesem Bescheid zog die Beklagte den Kläger zu Abwassergebühren für den Zeitraum 01.07.2006 bis 31.12.2006 in Höhe von 342,00 Euro heran. Da der Kläger Abschläge bis zum 31.12.2006 in Höhe von 450,00 Euro bereits gezahlt hatte, ist ein Guthaben in Höhe von 108,00 Euro für den Kläger entstanden.

2

Mit Buchungsmitteilung vom 7. Februar 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Umbuchung durch Aufrechnung gegen fällige offene Zahlungspositionen der Kindergartengebühren in Höhe von 47,40 Euro sowie die Gebühr für den Monat Januar 2007 in Höhe einer Teilzahlung von 60,60 Euro erfolgt sei.

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Unter dem 4. August 2007 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, dass die Umbuchung des Guthabensbetrages von 108,00 Euro Abwassergebühren vorgenommen worden sei, ohne dass eine schriftliche Mitteilung erfolgt sei. Außerdem seien in der Umbuchung keine Rechtsvorschriften, Paragrafen, Gesetzestexten, Gesetzesbücher, Satzungen oder andere Vorschriften, aus denen die Rechtfertigung dieser Art und Weise der Umbuchung hervorgehen würden, angegeben worden. Daher sei die Buchungsmitteilung rechtswidrig.

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Der Kläger beantragt (sinngemäß),

5

die Aufrechnungserklärung vom 7. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung in Form einer Umbuchung eines Betrages von 108,00 Euro zu verpflichten.

6

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

8

Sie ist der Auffassung, dass für die Klage ein Rechtsschutzbedürfnis nicht ersichtlich sei. Außerdem sei nicht erkennbar, mit welchem zulässigen Rechtsmittel der Kläger sich gegen die vorgenommene Aufrechnung zur Wehr setzen könne.

9

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

10

Die auf Aufhebung der Aufrechnungserklärung vom 7. Februar 2007 und auf Auszahlung eines Betrages in Höhe von 108,00 Euro in Form einer Umbuchung gerichtete allgemeine Leistungsklage ist unzulässig.

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Der Kläger wendet sich dem Grunde nach gegen die von der Beklagten erlassene Aufrechnungserklärung vom 7. Februar 2007. Die darin enthaltene Aufrechnungserklärung stellt für sich betrachtet keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG dar (vgl. BVerwG, Urt. vom 27.10.1982 - Az.: 3 C 6.92 - BVerwGE 66, 218; Hübschmann/ Hepp/Spitaler/Rozek, Abgabenordnung, § 226 Rn. 101; Klein/Rüsken, Abgabenordnung § 226 Rn. 65; VG Bayreuth, Beschl. vom 18.12.2002 - B 4 K 01.448 - zit. nach juris; FG Nürnberg, Urt. vom 26.09.2007 - III 178/2005 -, zit. nach juris; Tippke/Kruse, AO-FGO, § 226 AO, Teilziff. 50 m.w.N.).

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Die erhobene allgemeine Leistungsklage ist unzulässig. Es fehlt dem Kläger bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis.

13

Mit dem Begriff Rechtsschutzbedürfnis (Rechtsschutzinteresse oder berechtigtes Interesse) wird zum Ausdruck gebracht, dass nur derjenige, welcher mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung hat und beim Fehlen eines solchen Interesses das prozessuale Begehren als unzulässig abgewiesen werden muss (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., Vorbem. § 40 Rn. 30). Das Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses gilt generell für alle Klagearten. Bei (allgemeinen) Leistungsklagen ist es im Regelfall zu bejahen, weil der Grundsatz gilt, dass die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, grundsätzlich auch ein Interesses des Inhabers dieses Rechtes am gerichtlichen Schutz anerkennt (BVerwG, Urt. vom 17.01.1989, 9 C 44.87, BVerwGE 81, 164/165). Das Rechtsschutzbedürfnis ist aber ausnahmsweise zu verneinen, wenn besondere Umstände gegeben sind, die darin bestehen, dass auch ein Obsiegen dem Kläger keinen rechtlichen Vorteil bringt, es einfachere oder effektivere Möglichkeiten des Rechtsschutzes gibt oder sich die Inanspruchnahme des Gerichts als rechtsmissbräuchlich darstellt.

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Vorliegend ist ein solcher Umstand, der ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis entfallen lässt, zu bejahen. Zwar würde ein Obsiegen dem Kläger einen rechtlichen Vorteil bringen, nämlich die Zahlung eines Geldbetrages in Form einer Umbuchung in Höhe von 108,00 Euro, und die Inanspruchnahme des Gerichtes erscheint auch nicht rechtsmissbräuchlich. Für den Kläger besteht allerdings eine einfachere und effektivere Möglichkeit zur Realisierung seines Rechtsschutzes, indem er sich vor Inanspruchnahme des Gerichts zunächst unmittelbar an die Beklagte wendet.

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Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es bei einer allgemeinen Leistungsklage dann, wenn ein Rechtsschutz eines Bürgers in einem Verwaltungsverfahren in Betracht kommt, dessen vorherige Durchführung gesetzlich nicht gefordert wird, nicht unterlaufen werden darf, indem unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses grundsätzlich die erfolglose Absolvierung des Verwaltungsverfahrens gefordert wird. Deshalb ist es bei einer allgemeinen Leistungsklage regelmäßig nicht erforderlich, dass der Kläger vorher einen Antrag an die zuständige Behörde auf Erbringung einer Leistung stellt, es sei denn, dies ist gesetzlich vorgesehen.

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Letzteres ist vorliegend aber zu bejahen. Hält ein Gebührenschuldner die nicht in der Gestalt eines Verwaltungsaktes erklärte Aufrechnung einer Behörde für unwirksam, so muss er gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5a des Nds. Kommunalabgabengesetzes i.V.m. § 218 Abs. 2 AO einen Abrechnungsbescheid beantragen (Hübschmann/Hepp/Spitaler/Rozek, § 226 Rn. 124 m.w.N.). Erst gegen diesen Abrechnungsbescheid ist dann die Klage zum Verwaltungsgericht möglich (vgl. Tippke/Kruse, AO, 98. Ergänzungslieferung, Stand: August 2002, Bd. II, § 226 Teilziff. 60 m.w.N.). Eine sofortige Inanspruchnahme des Gerichts ist ohne vorherige Beantragung eines Abrechnungsbescheides bei der Behörde folglich nicht möglich.

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Lediglich ergänzend weist das Gericht noch zur Klarstellung darauf hin, dass öffentlich-rechtliche Forderungen grundsätzlich gegeneinander aufrechenbar sind (vgl. Palandt/Grünberg, 66. Aufl. 2007, § 395 Rn. 1; BVerwG, Urt. vom 27.10.1982 - 3 C 6/82 -, NJW 83, 776; BVerwG, Urt. vom 12.02.1987 - 3 C 22/86 -, NJW 87, 2530 [2531]). Der Hinweis des Klägers, die Beklagte habe durch die Aufrechnung rechtswidrig in seine Rechte eingegriffen, geht daher fehl.