Verwaltungsgericht Braunschweig
v. 18.10.2007, Az.: 3 A 25/07
Abschiebung; Abschiebungskosten; Ausländer; Begleitbeamter; Begleitung; Bordgewalt; Bundespolizei; Flugzeugführer; Kosten; Kostenerstattung; Luftfahrzeug
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 18.10.2007
- Aktenzeichen
- 3 A 25/07
- Entscheidungsform
- Gerichtsbescheid
- Referenz
- WKRS 2007, 71833
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 67 Abs 1 S 3 AufenthG 2004
- § 12 LuftSiG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein Ausländer hat gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG die bei seiner Abschiebung entstandenen Kosten für eine amtliche Begleitung durch zwei Bundespolizeibeamte auch dann zu tragen, wenn die Abschiebung nicht mit einem deutschen Luftfahrzeug bzw. unter Mitwirkung eines deutschen Flugzeugführers durchgeführt wurde.
Tenor:
Soweit der Kläger und die Beklagte den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben und der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu 39 %. Die übrigen Verfahrenskosten (61 %), einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf insgesamt 11.191,12 EUR festgesetzt. Davon entfallen 4.380,49 EUR auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil des Verfahrens. Für das weitere Verfahren unter Beteiligung der Beigeladenen liegt der Streitwert bei 6.810,63 EUR.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Geltendmachung von Kosten für seine Abschiebung.
Der am 27. November 1978 in F. geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Nach wiederholten Straftaten u. a. wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und verschiedener Gewaltdelikte wurde der Kläger vom Landkreis F. zunächst mit Verfügung vom 25. Januar 2000 aus der Bundesrepublik Deutschland vollziehbar ausgewiesen und am 25.Oktober 2001 in die Türkei abgeschoben. Nach illegaler Wiedereinreise und Verwendung falscher Personalien verbüßte der Kläger bis zum 12. Mai 2003 eine Restfreiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt G.. Am 24. Juni 2003 wurde der Kläger erneut auf dem Luftweg von H. nach Istanbul abgeschoben.
Nach erfolgter Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen Frau I. B., wohnhaft in J., beantragte der Kläger mit Schreiben vom 24. Februar 2005 bei den Landkreisen F. und G. eine Befristung seiner unbefristeten Wiedereinreisesperre.
Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger mit Leistungsbescheid vom 07.11.2005 auf, die anlässlich seiner Abschiebungen in die Türkei am 25. Oktober 2001 und 24. Juni 2003 entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 11.191,12 EUR zu zahlen. Diese Kosten sollten sich wie folgt zusammensetzen:
Kosten für die Zuführung des Klägers zur Justizvollzugsanstalt am 09. April 2001 | 700,47 EUR |
Kosten für die Abschiebehaft des Klägers vom 09. April 2001 bis 11. April 2001 | 163,36 EUR |
Kosten für die Abschiebung des Klägers am 25. Oktober 2001 | Inland: 357,81 EUR |
Kosten für die Abschiebungshaft des Klägers vom 13. Mai 2003 bis 24. Juni 2003 | 3.516,66 EUR |
Kosten für die Botschaftsvorführung des Klägers am 27. Mai 2003 | 151,66 EUR |
Kosten für die Abschiebung des Klägers am 24. Juni 2003 | Inland: 379,60 EUR |
Hiergegen hat der Kläger am 08. Dezember 2005 Klage mit dem Antrag erhoben, den Bescheid der Beklagten vom 07. November 2005 aufzuheben und ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Dazu macht er im Wesentlichen geltend:
Da er zu Unrecht in Abschiebehaft gehalten worden sei, dürften ihm die Kosten der Zuführung von der Justizvollzugsanstalt zum Flughafen am 25. Oktober 2001 ebenso wenig in Rechnung gestellt werden, wie die 24. Juni 2003 für die Abschiebung entstandenen Transport- und Personalkosten oder die Kosten der Botschaftsvorführung am 27. Mai 2003.
Zweifelhaft sei zudem die Höhe der geltend gemachten Flugkosten für die Begleitbeamten. Die Beklagte habe behauptet, den Begleitbeamten seien durch die Luftverkehrsgesellschaft Turkish Airlines und Air France jeweils Sondertarife mit einer Ersparnis von etwa 50 % gewährt worden. Trotzdem hätten seine eigenen Flugkosten bei beiden Rückführungen jeweils unter denen der Begleitbeamten gelegen. Dies sei vor allem deshalb nicht nachzuvollziehen, weil One Way Tickets üblicherweise teurer verkauft würden als Hin- und Rückflugtickets.
Der Umstand, dass er bei beiden Rückführungen jeweils gegen seinen Willen von privaten Luftverkehrsgesellschaften transportiert worden sei, erfülle den strafrechtlichen Tatbestand der Freiheitsberaubung. Im Übrigen sei auch der Einsatz von zwei Begleitbeamten der Beigeladenen schon gar nicht notwendig gewesen. Denn derartige Begleitbeamte verfügten gemäß § 29 Abs. 3 LuftVG nach dem Schließen der Außentüren eines Flugzeuges nicht mehr über eigene bundespolizeiliche Befugnisse zum Einschreiten, sondern unterstünden ausschließlich der Polizeigewalt des verantwortlichen Luftfahrzeugführers. Die Begleitbeamten hätten deshalb nach Schließen der Außentüren und während des Fluges gar nicht in rechtmäßiger Weise auf ihn einwirken können. Ihre Begleitung, die gerade diesen Zweck der Einwirkung auf ihn gehabt habe, sei deshalb schon gar nicht geboten gewesen. Dementsprechend hätte seine Begleitung auch durch kostengünstigere „Privatleute“ übernommen werden können. Jedenfalls dürften die Kosten, die aus dieser Begleitung entstanden seien, nicht ihm auferlegt werden.
Am 17. Oktober 2006 erging ein Beschluss des erkennenden Gerichts, wonach dem Kläger Prozesskostenhilfe nur im Hinblick auf die Kosten seiner Zuführung zur Justizvollzugsanstalt am 09. April 2001 gewährt wurde. Im Übrigen wurde das Prozesskostenhilfegesuch abgelehnt.Die am 30. Oktober 2006 gegen den Prozesskostenhilfebeschluss erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. Juni 2007 (Az. 11 PA 363/06) abgelehnt.
Unter dem 13. Dezember 2006 widerrief die Beklagte den angefochtenen Leistungsbescheid im Hinblick auf die Kosten für die Zuführung des Klägers zur Justizvollzugsanstalt am 09. April 2001 in Höhe von 700,47 EUR sowie die Kosten für die Abschiebehaft des Klägers vom 09. April 2001 bis 11. April 2001 (163,36 EUR) und vom 13. Mai 2003 bis 24. Juni 2003 (3.516,66 EUR). Insgesamt erfolgte damit eine Reduktion der vom Kläger zu leistenden Abschiebungskosten auf 6.810,63 EUR. Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit im Hinblick auf den von der Beklagten reduzierten Betrag von 4.380,49 EUR in der Hauptsache für erledigt erklärt.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage in Höhe von 659,49 EUR zurückgenommen. Bei diesem Betrag handelt es sich um die Summe der Flugkosten des Klägers bei beiden Abschiebungen sowie um die Transportkosten zum Flughafen bei der ersten Abschiebung.
Der Kläger beantragt nunmehr,
den Bescheid der Beklagten vom 07. November 2005 aufzuheben, soweit damit nunmehr noch Kosten von mehr als 659,49 EUR festgesetzt werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, die Flugpreise für den Kläger und die beiden Begleitbeamten unterlägen unterschiedlichen Einflüssen, wie z. B. dem Wochentag der Buchung, der Auslastung des Flugzeugs sowie die Rückkehrmöglichkeiten für die Begleitbeamten. Daraus könnten in manchen Fällen Diskrepanzen bei den Ticketpreisen entstehen. Im Übrigen sei sie schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu einer kostengünstigen Organisation der Abschiebung verpflichtet.
Die Beklagte beruft sich außerdem auf eine Stellungnahme der Beigeladenen vom 04.10.2006, worin diese ausführt, dass die Flugkosten der beiden Begleitbeamten schon deshalb höher gewesen seien als die des Klägers, weil es sich um Kosten für den Hin- und Rückflug, nicht lediglich für einen einzelnen Flug gehandelt habe. Die Flugtickets seien ordnungsgemäß nach haushaltsrechtlichen Grundsätzen beschafft worden, wonach stets die günstigste verfügbare Verbindung zu buchen sei. Spezielle Billigangebote der Luftverkehrsgesellschaften könnten für Rückführungen nicht genutzt werden, da hierbei entweder bestimmte Mindestaufenthalte im Zielstaat erforderlich seien oder auf die Besonderheiten einer Rückführung, wie z. B. gesonderten, zusammenhängenden Sitzplätzen, keine Rücksicht genommen werden könne.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dabei trägt sie im Wesentlichen wie folgt vor:
Gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG sei sie zuständig für die Rückführung von Ausländern in andere Staaten. Über die Erforderlichkeit einer Begleitung der Rückzuführenden zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord von Flugzeugen entscheide sie deshalb im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens selbst. Gemäß Ziff. 1.1.1 der internen Dienstanweisung „Bestimmungen über die Rückführung ausländischer Staatsangehöriger auf dem Luftweg“ (Best.-Rück-Luft) habe die die Rückführung veranlassende Behörde die Rückführung anzukündigen und, sofern diese in Begleitung der Bundespolizei erfolgen solle, mit einem entsprechenden Ersuchen zu verbinden. Über die Anzahl der einzusetzenden Begleitbeamten entscheide sie gemäß Ziff. 1.2.2 der Best.-Rück-Luft im Rahmen einer Gefährdungsanalyse auf der Grundlage eigener Erkenntnisse sowie solcher der veranlassenden Behörde. Aus Gründen der Eigensicherung der Begleitbeamten müsse jeder Rückzuführende in der Regel von mindestens zwei Begleitbeamten begleitet werden.
Im vorliegenden Fall habe die Beklagte sie bei beiden Rückführungen um Begleitung des Klägers ersucht. Nach Mitteilung des Landeskriminalamtes vom 11. Juli 2003 handele es sich bei dem Kläger um einen Ausbrecher. Dieser sei während seines Aufenthalts in der BRD wegen gefährlicher Körperverletzung, Nötigung, räuberischen Diebstahls, räuberischer Erpressung, Hehlerei und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz strafrechtlich in Erscheinung getreten. Aus diesen Gründen sei während der Rückführung mit Widerstand zu rechnen gewesen, weshalb für beide Rückführungen eine Begleitung durch eigene Beamte erforderlich gewesen sei. Angesichts der Vorgeschichte des Klägers sei auch die Anzahl der eingesetzten Begleitbeamten nicht zu beanstanden. Hinzu komme, dass der Kläger mit einem Linienflug nach Istanbul zurückgeführt worden sei, weshalb an die Begleitkräfte erhöhte Anforderungen gestellt gewesen seien, um auch die Sicherheit der weiteren Fluggäste zu gewährleisten. Die Begleitung des Klägers durch jeweils zwei Begleitbeamte sei deshalb unter den genannten Gesichtspunkten verhältnismäßig gewesen.
Die Personalkosten der Begleitbeamten seien in Anwendung der „Bestimmungen über wirtschaftliche Leistungen des Bundesgrenzschutzes zu Gunsten Dritter“ (BWL-BGS) berechnet worden, wobei neben den reinen Flugzeiten auch Zeiten der Vor- und Nachbereitung der Maßnahme berücksichtigt worden seien. Auch die Flugtickets der Begleitbeamten seien ordnungsgemäß nach haushaltsrechtlichen Grundsätzen beschafft worden. Schließlich sei sie schon nach der Bundeshaushaltsordnung verpflichtet, so die Beigeladene, für jede Rückführungsmaßnahme die günstigste Verbindung zu buchen. Aufgrund der Vorgaben der Luftverkehrsgesellschaften für Rückführungsmaßnahmen stünden jedoch nur bestimmte Sitzplätze zur Verfügung. Spezielle Billigangebote könnten hingegen nicht genutzt werden, da in diesen Fällen Mindestaufenthalte im Zielstaat erforderlich seien oder auf Besonderheiten einer Rückführung, wie gesonderte zusammenhängende Sitzplätze, keine Rücksicht genommen werden könne. Die Reisekosten seien auch entsprechend den Vorschriften des Bundesreisekostengesetzes berechnet worden, die gewählten Luftverkehrsgesellschaften Turkish Airlines und Air France hätten für die Tickets der Begleitbeamten sogar einen um 50 % reduzierten Tarif gewährt. Im Übrigen sei es gefestigte Rechtsprechung, dass eine Begleitung des abzuschiebenden Ausländers regelmäßig schon dann als erforderlich angesehen werden müsse, wenn sich die Beeinträchtigung der Rückführung aufgrund der Persönlichkeitsstruktur des Ausländers nicht verlässlich ausschließen lasse. Nach diesen Kriterien sei die Begleitung des Klägers während seiner beiden Rückführungen nach Istanbul jedenfalls notwendig gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie das Vorbringen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
Die Heranziehung des Klägers durch die Beklagte zur Erstattung von Abschiebungskosten im Bescheid vom 07. November 2005 ist, soweit diese noch geltend gemacht werden, rechtmäßig und verletzt den Kläger insoweit nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Kostenbescheid sind die §§ 66 Abs. 1 und 67 Abs. 1 und 3 AufenthG. Danach hat ein Ausländer die Kosten zu tragen, die durch die Durchsetzung seiner Abschiebung entstehen. Diese Kosten umfassen gemäß § 67 Abs. 1 AufenthG
1. die Beförderungs- und sonstigen Reisekosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebiets und bis zum Zielort außerhalb des Bundesgebietes,
2. die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Abschiebungshaft und der Übersetzungs- und Dolmetscherkosten und die Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers sowie
3. sämtliche durch eine erforderliche amtliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten.
Nach teilweiser Reduktion des zunächst geforderten Kostenerstattungsbetrages steht zwischen den Beteiligten nur noch im Streit, ob die Kosten der Botschaftsvorführung des Klägers am 27. Mai 2003 (151,66 EUR), die Kosten für den Transport des Klägers zum Flughafen bei der Abschiebung am 24. Juni 2003 (77,92 EUR) sowie die Personal- und Flugkosten der Begleitbeamten bei beiden Abschiebungen i. H. v. insgesamt 5.921,56 EUR vom Kläger zu tragen sind.
Die Kosten für die Botschaftsvorführung sind gemäß § 67 Abs. 1 AufenthG vom Kläger zu tragen, da dessen Vorführung unabhängig von der Rechtswidrigkeit seiner Abschiebehaft erforderlich war. Denn der Kläger hat zu keiner Zeit an der Beschaffung der benötigten Reisedokumente mitgewirkt. Insbesondere hat er die Möglichkeit, sich die notwendigen Unterlagen durch einen Antrag bei der türkischen Botschaft bzw. vor Antritt seiner Haft zu beschaffen, nicht genutzt.
Die Kosten für den begleiteten Transport des Klägers von der JVA K. zum Flughafen L. bei seiner zweiten Abschiebung am 24.Juni 2003 sind rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Kläger wurde aus der Haft heraus abgeschoben und war deshalb von der JVA K. zum Flughafen nach M. zu verbringen. Für die Frage nach Entstehung der Transportkosten ist unbeachtlich, dass es sich bei dem Aufenthalt des Klägers in JVA K. nicht um eine Abschiebungs-, sondern um eine Strafhaft gehandelt hat.
Auch die Geltendmachung der Kosten für die polizeiliche Begleitung des Klägers während seiner Rückführungen (Personal- und Flugkosten) durch jeweils zwei Beamte der Beigeladenen führt nicht zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Denn die amtliche Begleitung des Klägers während des Rückführungsfluges war erforderlich i. S. d. § 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG. Die Entscheidung über den Einsatz von Begleitbeamten während des Fluges trifft ausschließlich die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragte Behörde, also die Beigeladene. Sie allein ist für die ordnungsgemäße Durchführung der Rückführungsmaßnahme verantwortlich. Dabei hat sie in eigener Zuständigkeit alle sicherheitsrelevanten Umstände zu berücksichtigen, zu denen u. a. neben der eigenen Einschätzung der individuellen Gefährlichkeit des Ausländers in der Situation der Abschiebung und den allgemeinen Flugsicherheitsvorschriften auch die Personenbeschreibung des zuständigen Ausländeramtes gehört (vgl. OVG Münster, Urt. v. 18.06.2001 - 18 A 702/97 - , NVwZ-RR 2002, S. 69 f.). Eine unbegleitete Abschiebung auf dem Luftwege kommt nur dann in Betracht, wenn die mit der Abschiebung betraute Behörde angesichts des ihr bekannten Sachverhalts mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass der abzuschiebende Ausländer sich weder der Abschiebung widersetzt, noch im Übrigen eine Gefährdung der Flugsicherheit von ihm ausgeht.
Vorliegend spricht schon das Profil des Klägers für die Annahme, dass die von der Beigeladenen verfügten Begleitungen des Klägers durch jeweils zwei Begleitbeamte erforderlich waren. Denn die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger schon vor seiner ersten Abschiebung mehrfach Gewalttaten begangen hatte, wegen derer er auch verurteilt wurde. Außerdem wurde er vom Landeskriminalamt Niedersachsen nachweislich als „Ausbrecher“ geführt. Aufgrund dieser vom Kläger offenbarten Gewalt- und Fluchtbereitschaft durfte die Beklagte davon ausgehen, dass auch bei den beiden Rückführungen jeweils mit Widerstand des Klägers zu rechnen sein würde. Dies gilt umso mehr, als es sich bei den Rückführungsflügen jeweils um Linienflüge gehandelt hat.
Mit seinem Argument, die Begleitbeamten hätten ihm gegenüber ohnehin nicht in rechtmäßiger Weise Zwangsmittel anwenden dürfen, dringt der Kläger ebenfalls nicht durch.
Fehl geht schon die Annahme des Klägers, dass die gegen seinen Willen erfolgten Abschiebungen auf dem Luftweg den strafrechtlichen Tatbestand von Freiheitsberaubungen erfüllten und deshalb zu seinen Gunsten Notwehrrechte gegen mögliche Zwangsmaßnahmen begründeten. Eine solche Argumentation verkennt den grundlegenden Charakter einer Abschiebung. Unter einer Abschiebung ist die zwangsweise Durchsetzung einer vollziehbaren Ausreisepflicht des Ausländers zu verstehen (§ 58 Abs. 1 AufenthG). Sie wird überhaupt nur angeordnet, weil der Ausländer - so auch der Kläger - seiner Ausreisepflicht nicht freiwillig nachgekommen ist. Die Abschiebung ist also eine Zwangsmaßnahme, die schon ihrer Natur nach stets gegen den Willen des Ausreisepflichtigen erfolgt. Dem Ausreisepflichtigen ein Notwehrrecht zuzubilligen, weil er gegen seinen Willen in einem Flugzeug festgehalten wird, stünde zu dem Wesen dieser Zwangsmaßnahme in diametralem Widerspruch. Zudem würde die Durchsetzung von Abschiebungen in Länder, die in zumutbarer Weise nur auf dem Luftweg zu erreichen sind, faktisch unmöglich gemacht.
Entgegen der Ansicht des Klägers war die Begleitung durch die Bundespolizeibeamten auch nicht wegen fehlender Eingriffbefugnisse der Begleitbeamten von vornherein rechtswidrig. Denn die Bundespolizei ist gemäß § 58a Abs. 2 Satz 3 AufenthG i. V. m. dem Bundespolizeigesetz (BPolG) für den Vollzug von Abschiebungen zuständig. Dem Kläger ist zwar insoweit zuzustimmen, dass grundsätzlich der verantwortliche Luftfahrzeugführer als Beliehener für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord des im Flug befindlichen Luftfahrzeuges zu sorgen hat und zu diesem sogar Zwangsmittel anwenden darf. Dies folgt jedoch entgegen klägerischer Ansicht nicht aus § 29 Abs. 3 Luftverkehrsgesetz, der inzwischen aufgehoben worden ist, sondern aus § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG). Soweit es sich um ein deutsches Flugzeug handelt, welches sich über deutschem Luftraum befindet, bestehen daneben eigene Eingriffsbefugnisse der Bundespolizeibeamten auch während des Fluges unmittelbar gemäß § 4a BPolG. Sie müssen sich dabei mit dem verantwortlichen Luftfahrzeugfahrzeugführer abstimmen (vgl. van Schyndel, Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Band 1.3 - Luftsicherheitsgesetz -, Stand: 50. Aktualisierungslieferung August 2007, § 12 Rn. 69 ff.). Nach völkergewohnheitsrechtlicher Anerkennung liegt die originäre Bordgewalt aber auch in Ländern, in denen keine vergleichbaren Regelungen existieren, bei dem Flugzeugführer. (Baumann, Die „Bordgewalt“ bei Abschiebungen auf dem Luftweg als Rechtsproblem, in: ZLW 2000, S. 174, 178). Sie ist also unabhängig von dessen Nationalität oder von der staatlichen Zuordnung des Zivilflugzeugs. Diese Bordgewalt kann der Flugzeugführer im Falle einer Gefährdung der Sicherheit und Ordnung an Bord durch den Abzuschiebenden während des Fluges auf mitreisende Beamte der Bundespolizei delegieren (vgl. Bundesinnenministerium, BT-Drucks. 14/1454 v. 27.Juli 1999, S. 3 und Baumann, a.a.O., S. 174) und diese zur Ausführung der erforderlichen Maßnahmen ermächtigen. Weigert sich der Abzuschiebende schon auf dem deutschen Abflughafen, die Maschine überhaupt zu betreten, stehen den Beamten der Bundespolizei die originären Zwangsbefugnisse nach Maßgabe des Bundespolizeigesetzes zu, um ihn zum Einsteigen zu bewegen. Einer Übertragung von Eingriffsbefugnissen durch den Luftfahrzeugführer bedarf es also allenfalls nach Schließen der Außentüren. Der Einsatz der Bundespolizeibeamten hätte auch nicht durch mitreisende private Sicherheitsleute ersetzt werden können. Denn die Beigeladene als polizeiliche Kontrollbehörde muss sich auf die von ihr ausgewählten Begleitpersonen verlassen können. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn sie im Rahmen ihrer Gefährdungsprognose ausschließlich auf eigene Beamte zurückgreift, deren personelle Leistungsfähigkeit sie konkret einzuschätzen weiß.
Den Begleitungen durch jeweils zwei Beamte kann der Kläger auch nicht mit dem Argument entgegentreten, die Begleitung durch einen Polizeivollzugsbeamten hätte ausgereicht. Denn nach Ansicht der erkennenden Kammer ist es durchaus nachvollziehbar, dass - insbesondere bei einem mehrfach verurteilten Gewaltstraftäter - schon aus Gründen der Eigensicherung die Begleitung durch zwei Beamte erforderlich ist. Es bestehen erhebliche Zweifel, dass ein Beamter allein in der Lage gewesen wäre, den Kläger gegebenenfalls unter Anwendung von körperlicher Gewalt unter Kontrolle zu bringen, wenn dieser sich der Abschiebung widersetzt hätte.
Die geltend gemachten Personalkosten für die Begleitbeamten sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Berechnung dieser Kosten gelten gemäß § 67 Abs. 3 Satz 2 AufenthG die allgemeinen Grundsätze zur Berechnung von Personalkosten der öffentlichen Hand. Sie wurden vorliegend in Anwendung der „Bestimmungen über wirtschaftliche Leistungen des Bundesgrenzschutzes zu Gunsten Dritter“ (BWL-BGS) berechnet. Die Beigeladene hat die für die Begleitbeamten entstandenen Kosten durch Einzelnachweise vom 20. Januar 2004 und 14. Januar 2005 auch in hinreichender Weise dargelegt. Insbesondere die Auswahl der befördernden Luftverkehrsgesellschaften und die daraus resultierenden Flugkosten der eingesetzten Beamten begegnen keinen Bedenken, zumal die Beigeladene für die Tickets jeweils einen Sondertarif gewährt bekam, der eine Reduzierung der Flugkosten um 50 % gegenüber dem IATA-Tarif beinhaltete. Anhaltspunkte dafür, dass die von der Beklagten nach Maßgabe des Bundesreisekostengesetzes bestimmten Reisekosten der Begleitbeamten fehlerhaft berechnet worden sind, bestehen ebenfalls nicht. Insbesondere unterscheidet die Berechnung in zutreffender Weise zwischen Zeiten für die Begleitung des Klägers während der Rückführung und den Reisezeiten der Beamten nach erfolgter Übergabe des Klägers in Istanbul.
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, hat die Beklagte gemäß § 161 Abs. 1 VwGO die entstandenen Kosten zu tragen, da sie dem Begehren des Klägers durch teilweise Aufhebung des angefochtenen Leistungsbescheids insoweit entsprochen hat.
Im Übrigen hat der Kläger als Unterlegener die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kostentragungspflicht hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen entspricht der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO), da die Beigeladene durch eigene Antragstellung auch das Risiko einer eigener Kostentragungspflicht übernommen hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.