Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 24.11.2008, Az.: 10 A 1017/08

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
24.11.2008
Aktenzeichen
10 A 1017/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 45512
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2008:1124.10A1017.08.0A

Fundstelle

  • ZfWG 2009, 133-151

In der Verwaltungsrechtssache

...

hat das Verwaltungsgericht Hannover - 10. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Reccius, die Richterin am Verwaltungsgericht Kärst, den Richter Matthias sowie die ehrenamtliche Richterin ... und den ehrenamtlichen Richter ... für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

  4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Gültigkeit verschiedener Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages und des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes.

2

Die Klägerin ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in Hamburg. Sie betreibt seit 1999 die gewerbliche Vermittlung ausschließlich von Spielaufträgen an inländische staatliche Lotterien, insbesondere von Zahlenlotto 6/49, Spiel 77, Super 6 und den weiteren Spielen des Deutschen Lotto- und Totoblocks sowie der Norddeutschen und Süddeutschen Klassenlotterie und der ARD Fernsehlotterie. Sie vermittelt Spielaufträge an 8 staatliche Lottogesellschaften, nämlich die Gesellschaften der Bundesländer Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Nach ihren Angaben vermittelte sie im Jahre 2006 Spieleinsätze von gut 260 000 000 Euro und beschäftigte zum 30. September 2007 151 Mitarbeiter. Zu diesem Zeitpunkt sollen knapp 2 000 000 Kunden bei der Klägerin registriert gewesen sein.

3

Die Vermittlung von Spielaufträgen erfolgt ausschließlich über das Internet. Die Kunden füllen am Bildschirm ihren Lottoschein oder ihr Glücksspirale-Los aus und geben den Spielauftrag online ab. Die Klägerin vermittelt diese Spielaufträge an den jeweiligen staatlichen Veranstalter der Lotterie über elektronische Schnittstellen zu den Datenverarbeitungsanlagen der Lotteriegesellschaften. Der Spieler erhält per E-Mail eine Quittung mit der Angabe des Spieltipps, der Lottogesellschaft, an die vermittelt worden ist, und des Spieleinsatzes. Die Gewinne werden über einen Treuhänder abgewickelt und dem Spielkonto des Spieler zugeschrieben, der hierüber verfügen kann. Der Kunde zahlt für einen Tipp, den die Klägerin an die Lottogesellschaft vermittelt, bei dieser dieselbe Summe, wie er sie in einer Annahmestelle in Niedersachsen zahlen müsste.

4

Weiterhin vermittelt die Klägerin - außer derzeit für Bürger mit Wohnsitz in Sachsen-Anhalt - auch die Bildung von so genannten Spielgemeinschaften zum Lottospiel bei den staatlichen Lotterien, bei denen sich Spieler zusammenschließen, um ihre Gewinnchancen zu erhöhen und ihren Einsatz zu verringern. Für eine solche Vermittlung wird von den Teilnehmern eine besondere Bearbeitungsgebühr erhoben. Ob ein Teilnehmer aus einem Land stammt, für welches das Angebot zur Vermittlung von Spielgemeinschaften nicht gilt, wird anhand der registrierten Anschrift des Teilnehmers ermittelt, die auch für die Gewinnübermittlung maßgeblich ist.

5

Die Klägerin hat Tochtergesellschaften unter anderem in Italien, Spanien und Großbritannien. Eine Gesellschaft in Großbritannien - (A). - erbringt zugleich technische Dienstleistungen für die Internetverarbeitung aller Konzerngesellschaften.

6

Zum 1. Januar 2008 traten der zwischen allen 16 Bundesländern geschlossene Glücksspielstaatsvertrag sowie das Niedersächsische Glücksspielgesetz in Kraft. Aufgrund dieser Regelungen dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet und vermittelt werden; ohne eine solche Erlaubnis ist das Veranstalten und Vermitteln verboten. Das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten. Lediglich befristet auf ein Jahr nach Inkrafttreten des Staatsvertrages können die Länder bei Lotterien die Veranstaltung und Vermittlung im Internet erlauben. Neben inhaltlichen Beschränkungen der Werbung für öffentliches Glücksspiel ergibt sich aus dem Glücksspielstaatsvertrag ein absolutes Verbot der Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen, im Internet sowie über Telekommunikationsanlagen. Die Erlaubnis zum Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen wird von der zuständigen Behörde für das Gebiet des jeweiligen Landes oder einen Teil dieses Gebietes erteilt.

7

Die Klägerin hat unter dem 29. November 2007 bei der Glücksspielaufsicht beantragt, ihr eine bis zum 31. Dezember 2008 befristete Erlaubnis für die Vermittlung von Glücksspielen im Internet zu erteilen. Über diesen Antrag ist bislang nicht entschieden.

8

Zur Begründung ihrer am 30. Januar 2008 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, für die Einführung eines repressiven Verbots mit Befreiungsvorbehalt für die Lottovermittlung fehle es bereits an der notwendigen Gesetzgebungskompetenz. Die Regelungen seien zu unbestimmt und hätten bei der EU-Kommission notifiziert werden müssen, was nicht geschehen sei. In inhaltlicher Hinsicht verletzten die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages und des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes Grundrechte der Klägerin. Sie beinhalteten einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit und zerstörten mit der wirtschaftlichen Existenz der Klägerin zugleich einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG. Die Werbebeschränkungen und das Internetwerbeverbot hielten dem Maßstab des Art. 5 Abs. 1 GG nicht stand. Der Erlaubnisvorbehalt verstoße auch gegen Art. 2 Abs. 1 GG und enthalte unzureichende Übergangs- und Bestandsschutzregelungen und -fristen. Mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren sei die unterschiedliche Behandlung von gewerblichen Spielvermittlern einerseits und der zum Vertriebssystem der staatlichen Lotterien zählenden Annahmestellen andererseits, an deren Tätigkeit wesentlich mildere Anforderungen gestellt würden, ohne dass es für diese Ungleichbehandlung einen hinreichenden sachlichen Grund gebe. Schließlich verletzten die Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages die Dienstleistungs-, Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit und Europäisches Kartellrecht.

9

Auf Grund der in der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2008 erteilten Zusicherung des Beklagten, bis zum 31. Dezember 2008 die bisherige Tätigkeit der Klägerin im Bereich der Internetvermittlung von Lottoprodukten im bisherigen Umfang weiter zu dulden und aus dieser Tätigkeit keine strafrechtlichen oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Konsequenzen zu ziehen, haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit er die Voraussetzungen betraf, unter denen gemäß § 25 Abs. 6 GlüStV die Vermittlung von Lotterien übergangsweise erlaubt werden konnte.

10

Die Klägerin beantragt nunmehr noch,

  1. festzustellen, dass sie sowohl im Jahr 2008 als auch im Jahr 2009 in Bezug auf Niedersachsen berechtigt ist,

    1. a)

      entgegen § 4 Abs. 1 GlüStV i.V.m. § 3 Abs. 4, § 7 Abs. 1 Satz 1, 4 NGlüSpG ohne Erlaubnis Glücksspiele zu vermitteln, deren Veranstaltung staatlich zugelassen ist (wie z.B. Lotto 6 aus 49, Spiel 77 und Super 6 der Toto-Lotto Niedersachsen GmbH und die Norddeutsche Klassenlotterie),

    2. b)

      dies entgegen § 4 Abs. 4 GlüStV im Internet zu tun,

    3. c)

      hierbei entgegen § 4 Abs. 1, § 9 Abs. 4, 3 Abs. 4 GlüStV i.V.m. § 3 Abs. 4, § 7 Abs. 1, 4 NGlüSpG auch Niedersächsische Lotterieangebote (wie z.B. Lotto 6 aus 49, Spiel 77 und Super 6 der Toto-Lotto Niedersachsen GmbH und die Norddeutsche Klassenlotterie) an Personen zu vermitteln, die sich bei Abgabe des Tipps nicht in Niedersachsen aufhalten,

    4. d)

      und entgegen § 4 Abs. 1, § 9 Abs. 4, 3 Abs. 4 GlüStV, i.V.m. § 3 Abs. 4, § 7 Abs. 1 Satz 4, 25 NGlüSpG auch zugelassene Lotterie-produkte anderer Länder (wie z.B. Lotto 6/49, Spiel 77 und Super 6 von Lotto Hessen und die Süddeutsche Klassenlotterie) in Niedersachsen über das Internet zu vermitteln,

    5. e)

      für diese Dienstleistungen entgegen § 5 Abs. 3 GlüStV auch im Internet zu werben,

    6. f)

      entgegen § 5 Abs. 1 u. 2 GlüStV im Rahmen der Werbung für die Vermittlungsleistung gezielt zur Teilnahme an Lotto etc. aufzufordern, anzureizen und zu ermuntern,

11

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

12

Er ist unter Vertiefung im Einzelnen der Auffassung, die Klage sei unzulässig und im Übrigen unbegründet.

13

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sämtliche Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

14

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in sinngemäßer Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

15

Das zur Entscheidung des Gerichts gestellte Klagebegehren ist zulässig, aber nicht begründet.

16

Die als Feststellungsklage nach § 43 VwGO erhobene Klage ist zulässig.

17

Nach § 43 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Absatz 1, 1. Alt.) und soweit der Kläger seine Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann (Absatz 2 Satz 1). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Klage liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis als Streitgegenstand zu Grunde (1.), die Klägerin hat ein hinreichendes Feststellungsinteresse (2.), und die Feststellungsklage ist hier nicht subsidiär gegenüber einer etwaigen Gestaltungs- oder Leistungsklage (3.).

18

1. Der Klage liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis als Streitgegenstand zu Grunde. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlichrechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander (oder einer Person zu einer Sache) ergeben, kraft derer eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht ( BVerwG, Urteil vom 20. November 2003 - 3 C 44.02 - juris, dort Rdnr. 18 m.w.N.). Rechtliche Beziehungen eines Beteiligten zu einem anderen (a) haben sich zudem erst dann zu einem bestimmten konkretisierten und daher feststellungsfähigen Rechtsverhältnis verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts (d) auf einen bestimmten, bereits jetzt überschaubaren Sachverhalt (b) streitig (c) ist ( BVerwG, Urteil vom 23. Januar 1992 - 3 C 50.89 - juris, dort Rdnr. 30 m.w.N.). So liegt es hier.

19

a) Im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestehen rechtliche Beziehungen im vorgenannten Sinne. Als Bezugspersonen eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 VwGO kommen in Betracht der Normgeber, der Normadressat und (als Vollzugsbehörde) der Normanwender. Im Regelfall eröffnet sich ein Rechtsverhältnis nur zwischen Normadressaten und Normanwender und nicht zwischen Normadressat und Normgeber, weil letzterer an der Umsetzung der Norm gegenüber dem Adressaten nicht beteiligt ist. Dies gilt auch für sog. "self-executing" Normen, soweit dort Verwaltungsvollzug möglich ist. Auch hier stehen sich im Regelfall als alleinige Zuordnungssubjekte der Normadressat und der Normanwender gegenüber. Denn auf der einen Seite befindet sich die von der Norm betroffene Person, und dieser steht auf der anderen Seite der Rechtsträger der vollziehenden Behörde gegenüber, die die Regelungen nach Maßgabe der geregelten Befugnisse zum Vollzug der Norm durchzusetzen oder ihre Befolgung zu überwachen hat ( BVerwG, Urteil vom 23. August 2007 - 7 C 13.06 - juris, dort Rdnr. 21 f.m.w.N). Ein Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 VwGO liegt mithin in der Regel vor zwischen einer von einem in einer öffentlich-rechtlichen Rechtsnorm geregelten imperativen Ge- oder Verbot selbst betroffenen Person (Normadressat) und dem mit dem Vollzug der Rechtsnorm betrauten Träger hoheitlicher Gewalt (Normanwender; vgl. BVerfG - 3. Kammer des Ersten Senats -, Beschluss vom 25. Februar 2004 - 1 BvR 2016/01 - NVwZ 2004, 977 [BVerfG 25.02.2004 - 1 BvR 2016/01] [979]). Ein solches Rechtsverhältnis besteht hier zwischen der Klägerin als Betreiberin einer gewerblichen Spielvermittlung im Sinne von § 3 Abs. 6 des am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Nds. GVBl. 2007, 768 - GlüStV) und § 7 Abs. 1 Satz 1 des gleichfalls am 1. Januar 2008 In Kraft getretenen Niedersächsischen Glücksspielgesetzes vom 17. Dezember 2007 (Nds. GVBl. 2007, 756 - NGlüSpG) und dem Beklagten, dessen für Inneres zuständiges Ministerium als oberste Landebehörde nach § 23 Abs. 1 Satz 1 NGlüSpG für die Glücksspielaufsicht nach § 9 GlüStV zuständig ist und damit nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV die Aufgabe hat, die Erfüllung der nach dem GlüStV bestehenden oder aufgrund des Glücksspielstaatsvertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Klägerin zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele ohne die erforderliche Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV) und die Werbung hierfür durch die Klägerin unterbleiben; dies schließt den Vollzug des von der Klägerin ebenfalls angegriffenen Internet-Glückspielverbots nach § 4 Abs. 4 GlüStV durch den Beklagten bzw. dessen Behörde ein (vgl. Schriftlicher Bericht, LT-Drs. 15/4393, S. 11 [zu § 22 Abs. 1 Satz 1]). Nur in dieser Eigenschaft (und nicht als Normgeber) nimmt die Klägerin den Beklagten im Übrigen auch nach ihrem eigenen Vorbringen in Anspruch.

20

b) Diese rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten ergeben sich auch im Hinblick auf einen bestimmten, bereits jetzt überschaubaren Sachverhalt. Dies wäre nicht der Fall, wenn lediglich abstrakte Rechtsfragen im Zusammenhang mit nur möglicherweise eintretenden Beeinträchtigungen im Wege der Feststellungsklage zur gerichtlichen Klärung gestellt würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O., bei juris Rdnr. 27 m.w.N.). An der Zulässigkeit einer Feststellungsklage ändert es in diesem Zusammenhang hingegen nichts, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits allein davon abhängt, ob die betreffende, ggf. auf den Sachverhalt anzuwendende öffentlich-rechtliche Norm rechtsgültig ist. Die Klage wird dadurch nicht zu einer nicht vorgesehenen Normenkontrollklage. Richtig ist zwar, dass dort, wo das Gesetz eine Nachprüfung landesrechtlicher Bestimmungen im Wege der Normenkontrolle nicht zulässt, Klagebegehren, die im Ergebnis darauf hinauslaufen, die Rechtmäßigkeit einer Norm zum eigentlichen Gegenstand eines Verwaltungsstreitverfahrens zu machen, unzulässig sind, gleichviel in welche Form sie gekleidet werden. Der Umstand allein, dass die zu treffende Entscheidung die Überprüfung einer Norm erfordert und in diesem Bereich konkreter Normenkontrolle ihr eigentlicher Zweck liegt, macht die Klage jedoch nicht unzulässig. Dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kann nicht etwa entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechtsetzungsakten ausgeschlossen sein soll. Es gehört vielmehr seit jeher zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht (insbesondere nationalem Verfassungsrecht und Europarecht) zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt. Daran hat sich durch die Zulassung der abstrakten Normenkontrolle In den Fällen des § 47 VwGO nichts geändert. Maßgebend ist allein, ob mit der Klage lediglich die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines solchen Sachverhalts erreicht werden soll, dessen Eintritt noch ungewiss ist. In einem solchen Fall dient der Rechtsstreit nicht der Durchsetzung von konkreten Rechten der Beteiligten, sondern dazu, Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen rechtstheoretisch zu lösen. Anders liegt es hingegen, wenn die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist. Der Feststellung eines solchen Rechtsverhältnisses steht nicht entgegen, dass der Erfolg der Klage ausschließlich von der von den Beteiligten unterschiedlich beurteilten Rechtsgültigkeit einer Norm abhängt. Damit wird nicht etwa ein über das Normenkontrollverfahren nach § 47 vwGO hinausgehender Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Rechtsetzung begehrt, sondern die Rechtmäßigkeit der Norm lediglich als streitentscheidende Vorfrage aufgeworfen ( BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 1982 - 5 C 103.81 - juris, dort Rdnr. 10 m.w.N.). So verhält es sich hier.

21

Es ist unstreitig, dass die Klägerin als Betreiberin einer gewerblichen Spiel Vermittlung unternehmerische Tätigkeiten ausgeübt hat und weiter ausübt, die ihr, die Gültigkeit der von der Klägerin im Einzelnen zur gerichtlichen Prüfung gestellten öffentlich-rechtlichen Rechtsnormen des Glücksspielstaatsvertrages und des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes unterstellt, künftig entweder generell oder jedenfalls ohne entsprechende Erlaubnis verboten wären, und es spricht nichts dafür, dass die Klägerin beabsichtigen könnte, diese Tätigkeiten in Zukunft ohne Weiteres aufzugeben. Vielmehr hat sie ausdrücklich erklärt, die streitgegenständlichen Tätigkeiten auch künftig unverändert ausüben zu wollen. Damit steht aber auch fest, dass der Beklagte bzw. dessen Behörde dem Grunde nach verpflichtet wäre, wegen dieser Tätigkeiten der Klägerin im Wege der Glücksspielaufsicht einzuschreiten, soweit die von der Klägerin zur gerichtlichen Prüfung gestellten Normen, die ggf. auf die von ihr ausgeübten Tätigkeiten anzuwenden wären, rechtsgültig wären. Damit steht der - alsbald eintretende - Sachverhalt fest; es kommt lediglich darauf an, ob die darauf ggf. anzuwendenden Rechtsnormen gültig sind. Damit ist ein hinreichend konkreter Sachverhalt gegeben, der es ausschließt, dass hier lediglich abstrakte Rechtsfragen ohne konkreten Anlass gerichtlich geprüft werden sollen. Dies genügt, ohne dass es darauf ankäme, in welcher Art und Weise der Beklagte bzw. seine Behörde gegen die Klägerin voraussichtlich einschreiten würde.

22

c) Die Anwendung der betreffenden Normen des Glücksspielstaatsvertrages und des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes auf diesen konkreten Sachverhalt ist zwischen den Beteiligten auch streitig. Dies setzt voraus, dass zwischen den Beteiligten des Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt (BVerwG, Urteil vom 23. Januar 1992, a.a.O., bei juris Rdnr. 31). Diese Voraussetzungen liegen zwar in der Regel nicht vor, wenn sich eine beklagte Behörde bzw. ihr Rechtsträger noch in keiner Weise und zu keinem Zeitpunkt irgendwelcher verwaltungsrechtlicher Eingriffsbefugnisse gegenüber dem Kläger berühmt hat. Nach der sog. "Damokles-Rechtsprechung" des Bundesverwaltungsgerichts ist vielmehr erforderlich, dass durch die Drohung mit einer behördlichen Sanktion Druck auf den Bürger ausgeübt werden soll, um ein bestimmtes verwaltungsrechtlich relevantes Verhalten des Bürgers zu erzielen. In diesem Fall ist nämlich "die rechtliche Einstellung der Parteien zu einem bestimmten tatsächlich bestehenden Sachverhalt so eindeutig klargestellt und kundgetan worden ..., dass das Vorliegen eines konkreten Rechtsverhältnisses nicht geleugnet werden kann" (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 1992, a.a.O., Rdnr. 32 f.m.w.N.). Auf der anderen Seite setzt die Annahme eines "streitigen" Rechtsverhältnisses aber nicht voraus, dass zwischen dem Normadressaten und der die Norm anwendenden Behörde etwa schriftlich ausgetauschte Divergenzen offenkundig geworden sein müssten. Es genügt vielmehr, dass die Behörde Kenntnis von der abweichenden Rechtsauffassung des Klägers hat und hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie diese nicht teilt. Ein streitiges Rechtsverhältnis kann zudem angenommen werden, wenn ein Streit um eine gesetzliche Neuregelung allseits bekannt ist. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, ob ernsthaft davon ausgegangen werden kann, dass der Beklagte bzw. seine Behörde tatenlos zusehen und von seinen Befugnissen - pflichtwidrig - nicht Gebrauch machen würde, wenn der Kläger sein bisheriges unternehmerisches Verhalten unter Missachtung der neuen Rechtslage fortsetzen würde. Deshalb ist auch nicht erforderlich, dass bereits konkrete Vollzugsmaßnahmen des Beklagten absehbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O., bei juris Rdnr. 28 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass auch im vorliegenden Fall das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten hinreichend streitig ist. Denn die Klägerin hat u.a. auf ihrer Homepage im Internet öffentlich angekündigt, sie gehe von einer Fortsetzung ihres Internetgeschäftes aus, halte den Glücksspielstaatsvertrag nach wie vor für eindeutig rechtswidrig und werde ihre Rechte notfalls einklagen. Der Beklagte in seiner Eigenschaft als Normgeber hat demgegenüber in der unverändert übernommenen Begründung zum Entwurf des Niedersächsischen Gesetzes zur Neuordnung des Glücksspielrechts, mit dem u.a. dem Glücksspielstaatsvertrag zugestimmt wurde (Artikel 1) und ergänzend das Niedersächsische Glücksspielgesetz geschaffen wurde (Artikel 2), ebenfalls öffentlich erklärt, diese Regelungswerke sollten der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 - 1 BvR 10545/01 - dienen, und zur Durchsetzung sämtlicher Anforderungen und zur wirksamen Bekämpfung illegalen Glücksspiels solle eine starke Glücksspielaufsicht geschaffen werden, die den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts entspreche (vgl. nur LT-Drs. 15/4090, S. 62 unten). Damit steht fest, dass der Beklagte auch in seiner Eigenschaft als Normanwender in Gestalt seiner Glücksspielaufsichtsbehörde zum einen die öffentlich bekundete Rechtsauffassung der Klägerin zur Gültigkeit der betreffenden Normen nicht teilen kann und zum anderen bej unveränderter Fortsetzung der streitgegenständlichen Tätigkeiten der Klägerin dem Grunde nach verpflichtet ist, gegen diese im Wege der Glücksspielaufsicht einzuschreiten. Eine weitere Konkretisierung des bestehenden Streits zwischen den Beteiligten zu verlangen, wäre bei dieser Sach- und Rechtslage reine Förmelei. Darauf, dass nicht konkret absehbar ist, wann und in welcher Form die Glücksspielaufsichtsbehörde des Beklagten Vollzugsmaßnahmen zur Durchsetzung der streitbefangenen Normen einleiten wird, kann es nicht ankommen.

23

d) Der Zulässigkeit der Klage steht ferner nicht entgegen, dass es sich bei den dem Streit zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Normen des Glücksspielstaatsvertrags und des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes um Vorschriften förmlicher Landesgesetze handelt. Richtig ist zwar, wie dargelegt, dass eine abstrakte verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle außerhalb des - hier nicht eröffneten - Anwendungsbereichs des § 47 VwGO unzulässig ist. Die Nichtigkeit einer Rechtsnorm als solche ist kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O., bei juris Rdnr. 20). Zulässig ist hingegen, wie ebenfalls bereits dargelegt, eine konkrete verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle, wenn sie im Rahmen einer auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines sich aus der Norm ergebenden Rechtsverhältnisses gerichteten Feststellungsklage zur Klärung einer Vorfrage erfolgt, auf die es bei der Entscheidung des Rechtsstreits ankommt. Insoweit besteht aber kein grundsätzlicher Unterschied zwischen einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO einerseits und einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nach § 42 VwGO andererseits. In beiden Fällen ist vom Gericht die Gültigkeit der Rechtsnormen, auf die es bei der Entscheidung ankommt, zu prüfen. Der wesentliche Unterschied besteht vielmehr zwischen förmlichen Gesetzen einerseits und untergesetzlichen Rechtsnormen andererseits (nur) insoweit, als letztere von den Verwaltungsgerichten selbst verworfen werden können, während förmliche Gesetze nach Artikel 100 Abs. 1 des Grundgesetzes und Artikel 54 Nr. 4 der Niedersächsischen Verfassung (NV) dem sog. Verwerfungsmonopol der Verfassungsgerichte unterliegen. Dementsprechend dürfte ein Verwaltungsgericht, das nach Durchführung einer konkreten Normenkontrolle im Rahmen eines bei ihm anhängigen Verfahrens ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, dieses nicht einfach unangewendet lassen, sondern wäre nach Artikel 100 Abs. 1 GG bzw. Artikel 54 Nr. 4 NV verpflichtet, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bzw. des Staatsgerichtshofs einzuholen. Vor diesem Hintergrund hält auch das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 25. Februar 2004 - 1 BvR 2016/01 -, NVwZ 2004, 977 [BVerfG 25.02.2004 - 1 BvR 2016/01]) die Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nach § 43 VwGO vor Erhebung einer unmittelbar gegen ein förmliches Gesetz gerichteten Verfassungsbeschwerde (vgl. § 93 Abs. 3 BVerfGG) nicht nur für zulässig, sondern im Hinblick auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde grundsätzlich auch für geboten, und zwar ausdrücklich auch dann, wenn es sich um ein durch ein förmliches Gesetz im Sinne von Artikel 100 Abs. 1 GG (bzw. Artikel 54 Nr. 4 NV) begründetes unmittelbar geltendes ("self-executing") gesetzliches Verbot handelt, durch das dem Beschwerdeführer verboten wird, eine vor Inkrafttreten des Gesetzes erlaubte und tatsächlich ausgeübte unternehmerische Tätigkeit fortzuführen (vgl. allerdings auch den Nichtannahmebeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 -, ZfWG 2008, 351 = GewArch 2009, 26, in dem die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde keine Erwähnung findet). Genau um einen solchen Fall handelt es sich hier.

24

2. Die Klägerin hat ferner ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des bezeichneten Rechtsverhältnisses:

25

Ein Kläger hat ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO, wenn sich aus seiner Sicht die Rechtslage als unklar darstellt, der Beklagte eine inhaltlich der Auffassung des Klägers entgegenstehende Auffassung vertritt und der Kläger mit Blick auf sein weiteres wirtschaftliches Verhalten genötigt ist, bald Klarheit darüber zu gewinnen, ob er einer bestimmten Regelung unterworfen ist oder nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2004 - 8 C 13/03 - juris, dort Rdnr. 36). Ein hinreichendes Feststellungsinteresse kann mithin insbesondere in der für die weiteren wirtschaftlichen Dispositionen des Klägers benötigten Rechtssicherheit begründet liegen. Dabei kann ihm ggf. auch nicht entgegengehalten werden, dass ein auf ein Bundesland bezogenes Urteil seinen wirtschaftlichen Interessen nur sehr begrenzt nutzen würde, weil er auch in anderen Bundesländern oder gar bundesweit tätig ist, wenn sich das erklärte Klageziel allein auf die Tätigkeit in dem betreffenden Bundesland bezieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O., bei juris Rdnr. 29 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Denn es ist nach dem nachvollziehbaren Vorbringen der Klägerin offensichtlich, dass ihre streitgegenständlichen Tätigkeiten als Betreiberin einer gewerblichen Spielvermittlung, die den fragliche Normen des Glücksspielstaatsvertrags und des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes unterworfen werden sollen, einen wesentlichen Teil ihres Unternehmens betreffen und sie in der Tat darauf angewiesen ist, alsbald eine Klärung der Frage nach der Gültigkeit der betreffenden Normen zu erreichen, um sinnvoll wirtschaftlich disponieren zu können.

26

3. Schließlich ist die Feststellungsklage auch nicht deshalb unzulässig, weil die Klägerin ihre Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen könnte.

27

Der in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO geregelte Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage erfasst nur Fälle, in denen das mit der Feststellungsklage erstrebte Ziel sich gleichermaßen oder gar besser mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage erreichen lässt. Den Rückgriff auf die Feststellungsklage will der Gesetzgeber dann verhindern, wenn für die Rechtsverfolgung ein unmittelbareres, sachnäheres und wirksameres Verfahren zur Verfügung steht. Davon kann dann keine Rede sein, wenn die Feststellungsklage einen Rechtsschutz gewährleistet, der weiter reicht, als er mit der Gestaltungsklage erlangt werden kann (BVerwG , Urteil vom 21. Februar2008 - 7 C 43.07 - juris, dort Rdnr. 11 m.w.N.). So liegt es hier. Die Klägerin könnte zwar möglicherweise einzelne Bescheide der Glückspielaufsichtsbehörde des Beklagten abwarten, um diese dann im Wege der Anfechtungsklage nach § 42 VwGO mit der Begründung anzugreifen, die den Bescheiden zugrunde liegenden Vorschriften seien unanwendbar. Ein solches Vorgehen würde aber aller Voraussicht nach lediglich zu einer sehr partiellen, jeweils nur auf die im Einzelfall getroffene Anordnung bezogenen Klärung der Rechtslage führen können und hinge zudem davon ab, ob, wann und mit welchem Inhalt die Glücksspielaufsichtsbehörde des Beklagten überhaupt tätig würde. Demgegenüber ist die Klägerin, wie dargelegt, bereits jetzt auf eine umfassende Klärung der Rechtslage im Hinblick auf die ihr erlaubten Tätigkeiten angewiesen, um sinnvoll wirtschaftlich disponieren zu können. Außerdem ist nicht erkennbar, warum eine Anfechtungsklage der genannten Art ein unmittelbareres, sachnäheres und wirksameres Verfahren zur Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen darstellen sollte. Vielmehr bestünde bei der Erhebung einer solchen Anfechtungsklage für die Klägerin das Risiko, dass die jeweilige Anordnung der Glücksspielaufsichtsbehörde des Beklagten schon aus formalen oder jedenfalls anderen Gründen als der Ungültigkeit der in Anspruch genommenen Rechtsgrundlage aufzuheben sein könnte, ohne dass es zu einer Klärung der Frage nach den der Klägerin im Einzelnen erlaubten Tätigkeiten käme, wie sie im Rahmen der vorliegenden Feststellungsklage möglich ist und auf die die Klägerin im Hinblick auf ihre weiteren wirtschaftlichen Dispositionen angewiesen ist.

28

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

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Die Klägerin darf die von ihr näher bezeichneten Tätigkeiten nur mit Erlaubnis der niedersächsischen Glücksspielaufsicht (Klageantrag zu a)), bzw. überhaupt nicht (Klageanträge zu b) bis f)) ausüben.

30

Die von der Klägerin im Klageantrag näher bezeichneten und von ihr für unanwendbar gehaltenen Vorschriften verstoßen weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht.

31

1. In ihrem auf Verfassungsbeschwerde der Klägerin gegen verschiedene Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages, des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes und des Berliner Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag ergangenen Nichtannahmebeschluss vom 14. Oktober 2008 (1 BvR 928/08 -, ZfWG 2008, 351 = GewArch 2009, 26) hat die Zweite Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts u.a. festgestellt, dass die - auch im vorliegenden Klageverfahren - angegriffenen Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages und des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes zwar die Berufsfreiheit der Klägerin beeinträchtigten, dass diese, zum Teil schwerwiegenden, Beschränkungen ihrer unternehmerischen Tätigkeit aber gerechtfertigt seien. Die angegriffenen Vorschriften entsprächen sowohl der Kompetenzordnung der Verfassung als auch den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Normklarheit und Justitiabilität. Die Vorschriften beachteten auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Sie dienten vorrangig dem Ziel, die Bevölkerung, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor den Gefahren der Glücksspielsucht und der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität zu schützen. Damit würden überragend wichtige Gemeinwohlziele verfolgt, die selbst objektive Berufswahlbeschränkungen rechtfertigen könnten. Die angegriffenen Regelungen seien zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich und auch nicht übermäßig belastend. Eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe führe zu dem Ergebnis, dass die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt sei.

32

Im Einzelnen hat das Bundesverfassungsgericht zu den auch hier streitbefangenen Vorschriften ausgeführt:

"2. Die im Übrigen zulässige Verfassungsbeschwerde ist in der Sache selbst ohne Aussicht auf Erfolg. Durch die angegriffenen Bestimmungen wird die Beschwerdeführerin insbesondere nicht in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt, deren Schutz sie nach Art. 19 Abs. 3 GG für ihre Erwerbszwecken dienende Tätigkeit beanspruchen kann (vgl. BVerfGE 114,196 [BVerfG 13.09.2005 - 2 BvF 2/03]<244> ) .

a) Im vorliegenden Fall ist der Schutzbereich der Berufsfreiheit berührt; denn durch die angegriffenen Vorschriften wird die von der Beschwerdeführerin praktizierte und bisher grundsätzlich zulässige gewerbliche Internetvermittlung von Lotterieprodukten reglementiert und ab dem 1. Januar 2009 völlig verboten. Die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) ist daneben nicht heranzuziehen. Der Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG kommt in Betracht, wenn ein Akt der öffentlichen Gewalt die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter begrenzt, nicht jedoch, wenn - wie hier - in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit eingegriffen wird (vgl. BVerfGE 30, 292 [BVerfG 16.03.1971 - 1 BvR 52, 665, 667, 754/66]<334>; 84, 133 <157>; 85, 360 <383> ) .

aa) Die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags, die nach den Zustimmungsgesetzen auch in den Ländern Berlin und Niedersachsen gelten, beeinträchtigt.

Ein Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin liegt in erster Linie in der Bestimmung des § 4 Abs. 4 GlüStV, nach der - mit Ablauf der Jahresfrist nach § 25 Abs. 6 GlüStV - das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten sind. Die Beschwerdeführerin wird durch die Vorschrift daran gehindert, weiterhin die gewerbliche Vermittlung von staatlichen Lotterieangeboten im Internet zu betreiben, mit der sie einen Großteil ihres Umsatzes erzielt. Dies berührt den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, der dem Einzelnen das Recht gewährt, jede Tätigkeit als Beruf zu ergreifen und zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen (vgl. BVerfGE 75, 284 [BVerfG 05.05.1987 - 1 BvR 981/81]<292> ) .

Ebenfalls einen Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin stellt § 4 Abs. 1 und 2 GlüStV dar. Hiernach dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit behördlicher Erlaubnis veranstaltet oder vermittelt werden, wobei auf die Erlaubniserteilung kein Rechtsanspruch besteht. Durch die genannten Regelungen wird der Beschwerdeführerin zwar nicht unmittelbar ein bestimmtes berufliches Handeln verboten. Das Tätigwerden wird aber an das Vorliegen einer Erlaubnis seitens der Landesbehörden geknüpft. Auch die Einführung bestimmter Voraussetzungen für die Aufnahme des Berufs berührt das Grundrecht der Berufsfreiheit (vgl. BVerfGE 7, 377 [BVerfG 11.06.1958 - 1 BvR 596/56]<378> ) .

Mit der vorstehenden Problematik eng verknüpft ist die Regelung des § 9 Abs. 4 GlüStV. Hiernach wird die - widerrufliche und befristete, unter Umständen auch mit Nebenbestimmungen versehene - Erlaubnis von der zuständigen Behörde nur für das Gebiet des jeweiligen Landes oder einen Teil dieses Gebiets erteilt. Da die Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV Voraussetzung für das Veranstalten oder Vermitteln öffentlicher Glücksspiele und damit die Aufnahme des Berufs ist, ist auch insoweit das Grundrecht der Berufsfreiheit betroffen (vgl. BVerfGE 7, 377 [BVerfG 11.06.1958 - 1 BvR 596/56]<378> ) .

Die in § 5 Abs. 1 bis 4 GlüStV enthaltenen Vorschriften über die Werbung für Glücksspiele einschließlich des in Absatz 3 normierten Verbots der Fernseh-, Internet- und Telefonwerbung schränken die Möglichkeiten der Beschwerdeführerin zur Werbung für ihre Vermittlungsdienste ein und nehmen unmittelbar Einfluss auf ihre Geschäftstätigkeit. Somit ist Art. 12 Abs. 1 GG hier ebenfalls einschlägig.

bb) Auch die angegriffenen Bestimmungen des Berliner Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag berühren den Schutzbereich der Berufsfreiheit.

§ 13 Abs. 1 AGGlüStV Bln, wonach im Gebiet des Landes Berlin die gewerbliche Spielvermittlung nur für Lotterien und Sportwetten zulässig ist, die in Berlin erlaubt sind, greift in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin ein. Die Regelung hat zur Folge, dass die Beschwerdeführerin in Berlin keine Lotterien vermitteln darf, die von den übrigen Ländern veranstaltet werden und dort zugelassen sind.

Einen Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin stellt zudem § 14 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 7 und 8 Abs. 5 AGGlüStV Bln dar. Die Vorschriften legen fest, unter welchen Voraussetzungen die Erlaubnis einer Tätigkeit als gewerblicher Spielvermittler in Berlin erteilt werden kann.

...

cc) Nach den bereits dargestellten Grundsätzen beeinträchtigen die angegriffenen Bestimmungen des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes die Beschwerdeführerin ebenfalls in ihrer Berufsfreiheit; denn § 3 Abs. 4, § 7 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 4, 7 Abs. 2 und § 27 Abs. 3 NGlüSpG haben die Erlaubnispflicht und die Erlaubniserteilung im Zusammenhang mit der Veranstaltung und gewerblichen Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen zum Gegenstand.

b) Die Eingriffe in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin sind allerdings gerechtfertigt.

Um vor dem grundrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) Bestand zu haben, bedarf ein Eingriff einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 15, 226 [BVerfG 19.12.1962 - 1 BvR 163/56]<231>; 82, 209 <224> ) , die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Normen genügt. Die eingreifende Vorschrift muss kompetenzgemäß erlassen worden sein, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl. BVerfGE 95,193 [BVerfG 26.02.1997 - 1 BvR 1102/95]<214> ) . Daran gemessen sind die in zulässiger Weise angegriffenen Vorschriften verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin entsprechen die Regelungen der Kompetenzordnung der Verfassung. Von einer möglichen Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG hat der Bund jedenfalls nicht in der Weise Gebrauch gemacht, dass den Ländern der Erlass der angegriffenen Vorschriften verwehrt wäre (Art. 72 Abs. 1 GG). Zwar finden sich in den §§ 33c ff. der Gewerbeordnung (GewO) Regelungen zu Spielgeräten sowie anderen Spielen mit Gewinnmöglichkeiten. § 33h GewO stellt jedoch klar, dass diese Vorschriften auf die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen grundsätzlich nicht anwendbar sind.

bb) Die von der Beschwerdeführerin geäußerten Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit einzelner Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags (§ 4 Abs. 2, § 5 Abs. 1 bis 3 GlüStV) sind ebenfalls unbegründet. Die angegriffenen Regelungen des Staatsvertrags entsprechen den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Normklarheit und Justitiabilität (vgl. BVerfGE 21, 73 [BVerfG 12.01.1967 - 1 BvR 169/63]<79> ) . Dies gilt sowohl hinsichtlich der in § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 2 Satz 1 GlüStV enthaltenen Bezugnahmen auf die "Ziele des § 1" als auch mit Blick auf das Verbot der "auffordernden, anreizenden oder ermunternden" Werbung sowie der Internetwerbung in § 5 Abs. 2 Satz 1 bzw. Abs. 3 GlüStV. Aus der Zielsetzung des Staatsvertrags, dem sachlichen Zusammenhang der Vorschriften mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 115, 276 [BVerfG 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01]<314, 318> ) sowie den Materialien zu dem Staatsvertrag lassen sich Zweck und Inhalt ausreichend ermitteln und objektive Kriterien gewinnen, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden und Gerichte ausschließen (vgl. BVerfGE 21, 73 [BVerfG 12.01.1967 - 1 BvR 169/63]<80> ) . Dass hierbei eine Auslegung der verwendeten Begrifflichkeiten zu erfolgen hat, steht einer hinreichenden Bestimmtheit der genannten Vorschriften nicht entgegen (vgl. BVerfGE 45, 400 <420> ) .

cc) Die zu prüfenden Vorschriften beachten auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

(1) Der Glücksspielstaatsvertrag, das Berliner Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag und das Niedersächsische Glücksspielgesetz dienen vorrangig dem Ziel, die Bevölkerung, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor den Gefahren der Glücksspielsucht und der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität zu schützen (vgl. § 1 GlüStV, § 1 Abs. 3 NGlüSpG). Damit werden überragend wichtige Gemeinwohlziele verfolgt, die selbst objektive Berufswahlbeschränkungen zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerfGE 115, 276 [BVerfG 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01]<304 ff.>). Eine objektive Berufswahlbeschränkung erfolgt hier durch das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV). Das Provisionsverbot (§ 13 Abs. 3 AGGlüStV Bin) betrifft zwar zunächst nur die Berufsausübung, hat jedoch zur Folge, dass die gewerblichen Spielvermittler nicht nur in Einzelfällen zur Berufsaufgabe gezwungen werden, und ist deshalb ebenfalls an den strengen Voraussetzungen für eine Beschränkung der Berufswahl zu messen (vgl. BVerfGE 31, 8 [BVerfG 01.04.1971 - 1 BvL 22/67]<29> ) . Da diese Voraussetzungen angesichts der Bedeutung der verfolgten Gemeinwohlziele erfüllt sind, sind auch die weniger strengen Erfordernisse für Beschränkungen lediglich der Freiheit der Berufsausübung durch die angegriffenen Vorschriften erfüllt.

Insbesondere bei der Verhinderung von Glücksspielsucht und bei der wirksamen Suchtbekämpfung handelt es sich um besonders wichtige Gemeinwohlziele. Spielsucht kann zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen (vgl. BVerfGE 115, 276 [BVerfG 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01]<304 f.>). Zwar haben unterschiedliche Glücksspielformen ein unterschiedliches Suchtpotenzial, wobei das von der Beschwerdeführerin vermittelte Lottospiel nicht zuletzt aufgrund seiner relativ niedrigen Ereignisfrequenz weniger zu problematischem oder gar pathologischem Spielverhalten beiträgt als beispielsweise Geld- oder Glücksspielautomaten sowie Kasinospiele. Dies berührt jedoch nicht die Legitimität der von den Landesgesetzgebern verfolgten Ziele.

Die Länder waren entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht gehalten, das Zahlenlotto als eine nach ihrem Dafürhalten "harmlose" und nicht suchtgefährdende Art des Glücksspiels von dem Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags und der ihn ergänzenden Landesgesetze auszunehmen. Wird der Gesetzgeber - wie hier - zur Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit tätig, so belässt ihm die Verfassung bei der Prognose und Einschätzung der in den Blick genommenen Gefährdung einen Beurteilungsspielraum, der vom Bundesverfassungsgericht bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung zu beachten ist. Der Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen abgeben können (vgl. BVerfGE 117,163 [BVerfG 12.12.2006 - 1 BvR 2576/04]<183> m.w.N.). Hieran gemessen sind die Erwägungen der Landesgesetzgeber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie werden insbesondere durch die Ergebnisse der von der Universität Bremen für das nordrheinwestfälische Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales durchgeführten Studie gestützt, der sich - trotz teilweise abschwächender Äußerungen - entnehmen lässt, dass Lotterien in Abhängigkeit von den jeweiligen Veranstaltungsmerkmalen suchttypische Entwicklungsverläufe verursachen können. Es kommt hinzu, dass die Landesgesetzgeber davon ausgehen, eine Ausweitung des Glücksspielangebots werde die bereits jetzt gegebene Suchtgefahr zwangsläufig vergrößern (vgl. NdsLTDrucks 15/4090, S. 62). Auch diese Prognose ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und stützt zusätzlich die Annahme einer Gefahr, zu deren Verhinderung Eingriffe in die Berufswahlfreiheit gerechtfertigt sein können.

(2) Die angegriffenen Regelungen sind auch zur Zweckerreichung geeignet, weil mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann (vgl. BVerfGE 63, 88 [BVerfG 27.01.1983 - 1 BvR 1008/79]<115>; 67, 157 <175>; 96, 10 <23>; 103, 293 <307>; 115, 276 <308> ) .

(a) Die Regelungen zur Erlaubnispflicht und zu den Erlaubnisvoraussetzungen (§ 4 Abs. 1 und 2, § 9 Abs. 4, § 25 Abs. 6 GlüStV, § 13 Abs. 1, § 14 i.V.m. §§ 7 und 8 Abs. 5 AGGlüStV Bln, § 3 Abs. 4, § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 4, 7 Abs. 2, § 27 Abs. 3 NGlüSpG) sind sowohl dem Grunde als auch dem konkreten Inhalt nach geeignet, um die verfolgten Gemeinwohlziele durchzusetzen. Mithilfe des von den Ländern gewählten Prinzips des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt wird ein Kanalisierungseffekt erreicht, mit dem das Angebot an Glücksspielen beschränkt und die Transparenz des Spielbetriebs gefördert wird. Die zuständigen Landesbehörden werden durch das Erlaubniserteilungsverfahren in die Lage versetzt, unmittelbar Einfluss auf die Zahl und die Personen der auf dem Glücksspielmarkt tätigen Veranstalter und Vermittler zu nehmen.

Auch die Eignung der von der Beschwerdeführerin beanstandeten Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung begegnet keinen Bedenken. So ist nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GlüStV die Erlaubnis zu versagen, wenn das Veranstalten oder das Vermitteln des Glücksspiels den Zielen des § 1 GlüStV zuwiderläuft. Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass die inhaltliche Verknüpfung der Erlaubniserteilung mit dem Katalog des § 1 GlüStV geeignet ist, der Zielerreichung zu dienen. Nichts anderes gilt hinsichtlich der in § 25 Abs. 6 GlüStV normierten Voraussetzungen für die Erlangung einer Übergangserlaubnis zur Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet. Im Einzelnen sind dies der Ausschluss minderjähriger oder gesperrter Spieler durch Identifizierung und Authentifizierung nebst der Einhaltung der Richtlinien der Kommission für Jugendmedienschutz für geschlossene Benutzergruppen (Nr. 1), die Beachtung einer in der Erlaubnis festzulegenden Einsatzgrenze von höchstens 1 000 € und die Sicherstellung des Kreditverbots (Nr. 2), der Ausschluss besonderer Suchtanreize durch schnelle Wiederholung oder die Möglichkeit interaktiver Teilnahme mit zeitnaher Gewinnbekanntgabe (Nr. 3) sowie Entwicklung und Einsatz eines an die besonderen Bedingungen des Internets angepassten, wissenschaftlich evaluierten Sozialkonzepts (Nr. 5). Sämtliche genannten Voraussetzungen sind geeignet, der Suchtprävention und -bekämpfung, dem Spielerschutz sowie dem Jugendschutz zu dienen.

...

(b) Zur Zweckerreichung geeignet sind ferner die in Berlin für gewerbliche Spielvermittler gemäß § 14 Abs. 1 AGGlüStV Bin entsprechend anwendbaren Vorschriften aus §§ 7 und 8 Abs. 5 AGGlüStV Bln.

Nach § 7 Abs. 1 AGGlüStV Bln ist die Erlaubniserteilung davon abhängig, dass das Veranstalten und das Vermitteln von öffentlichen Glücksspielen nicht den Zielen des § 1 GlüStV zuwiderlaufen (Nr. 1), dass die Jugendschutzanforderungen, die Werbeverbote und das Internetverbot des Staatsvertrags beachtet werden (Nr. 2), dass ein Sozialkonzept gemäß § 6 GlüStV vorgelegt wird (Nr. 3), dass bei der Einführung neuer Glücksspielangebote oder Vertriebswege der in § 18 Abs. 2 GlüStV vorgesehene Fachbeirat hinzugezogen wird (Nr. 4), dass der Veranstalter am Sperrsystem teilnimmt und den Ausschluss gesperrter Spieler sicherstellt (Nr. 5) und dass bei gewerblicher Spielvermittlung die Anforderungen des § 19 GlüStV beachtet werden (Nr. 6). Sämtliche genannten Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung sind auf die Verwirklichung der Ziele des § 1 GlüStV, namentlich des Spieler- und Jugendschutzes, gerichtet und hierzu auch geeignet. Dies gilt auch für die Bestimmungen, mit denen in der Zeit nach Erteilung der Erlaubnis auf Verstöße gegen die Vorgaben des Staatsvertrags reagiert wird. So kann nach § 7 Abs. 5 AGGlüStV Bln ein Widerruf der Erlaubnis namentlich dann erfolgen, wenn der Veranstalter oder Vermittler nicht genügend Vorsorge im Hinblick auf den Spieler- und Jugendschutz trifft (Nr. 2), wenn die Sicherheit des Spielgeschäfts nachhaltig gefährdet wird (Nr. 4) oder wenn der Veranstalter bzw. Vermittler in erhebliche Zahlungsschwierigkeiten gerät (Nr. 6). Zur Zweckerreichung offenkundig geeignet sind schließlich auch die weiteren in § S Abs. 5 AGGlüStV Bln genannten Gründe für Versagung einer Erlaubnis für die gewerbliche Spielvermittlung. Zu diesen Gründen zählen insbesondere das Vorliegen von Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Betreiber die für diese Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt (Nr. 2), sowie Anhaltspunkte dafür, dass der Betreiber den Anforderungen des Jugend- und Spielerschutzes nicht hinreichend nachkommen wird (Nr. 3).

(c) Vergleichbare und mithin zur Zweckerreichung ebenfalls geeignete Regelungen zur Erlaubniserteilung finden sich im niedersächsischen Landesrecht. Dort gilt zunächst § 7 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 4 NGlüSpG. Danach hat ein gewerblicher Spielvermittler die Voraussetzungen des § 19 GlüStV zu erfüllen. Darüber hinaus bedingt die Erteilung der Erlaubnis unter anderem, dass die Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrags eingehalten werden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NGlüSpG) und kein Widerspruch zu den Zielen des § 1 Abs. 3 NGlüSpG besteht (Nr. 2), dass die Einhaltung der Jugendschutzanforderungen, der Werbebeschränkungen und der Aufklärung über Suchtrisiken sichergestellt ist (Nr. 3), dass ein den Vorgaben des § 6 GlüStV genügendes Sozialkonzept vorliegt (Nr. 4), dass der Vermittler zuverlässig ist (Nr. 5) und dass ein Sperrsystem unterhalten wird (Nr. 7), wobei der Ausschluss gesperrter Personen sichergestellt sein muss (Nr. 8). Auch setzt nach § 4 Abs. 4 NGlüSpG die Erteilung der Erlaubnis für die Tätigkeit als gewerblicher Spielvermittler voraus, dass die in § 8 NGlüSpG vorgesehenen Maßnahmen zum Jugendschutz ergriffen und die ebenfalls in § 8 NGlüSpG festgeschriebenen praktischen Vorgaben für den Umgang mit dem Sperrsystem befolgt werden.

Sämtliche vorstehend aufgezählten Erlaubnisvoraussetzungen dienen der Verwirklichung der in dem Glücksspielstaatsvertrag und in § 1 Abs. 3 NGlüSpG definierten Gemeinwohlbelange. Dabei zielen die Vorschriften teilweise auf die Suchtprävention und -bekämpfung unter Einbeziehung des Spielerschutzes (z.B. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 3, 4, 7 und 8 NGlüSpG), teilweise auf den Jugendschutz (ebenfalls § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 sowie § 4 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 NGlüSpG) und in einigen Fällen auch auf den Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften und die Abwehr der Folge- und Begleitkriminalität (vor allem § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 NGlüSpG).

(d) Die in § 5 Abs. 1 bis 4 GlüStV normierten Werbeverbote und Werbebeschränkungen sind ebenfalls geeignet, zur Umsetzung der Ziele des Staatsvertrags und der ihn ergänzenden Landesgesetze von Berlin und Niedersachsen beizutragen. Auch hier erfolgt eine unmittelbare Verknüpfung mit dem Zielkatalog des § 1 GlüStV; denn die Werbung für öffentliches Glücksspiel darf ausdrücklich nicht in Widerspruch zu den dort aufgeführten Zielen stehen. Werbung ist zu unterlassen, wenn sie nach ihrer Form oder ihrem Inhalt zum Glücksspiel anreizt oder ermuntert und damit problembehaftetem Glücksspielverhalten Vorschub leisten könnte. Auch darf Werbung nicht mittels Medien erfolgen, die aufgrund ihrer "Reichweite in besonderem Maße zum Gefährdungspotenzial von Glücksspielen" beitragen (vgl. NdsLTDrucks 15/4090, S. 68). Die Regelung vermeidet Werbung mit Aufforderungscharakter und ist damit ein geeignetes Mittel, um zur Verhinderung und Bekämpfung von Glücksspielsucht beizutragen.

(e) Das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV) ist geeignet, problematisches Spielverhalten einzudämmen. Das Spielen per Internet ist durch ein hohes Maß an Bequemlichkeit sowie durch eine zeitlich unbeschränkte Verfügbarkeit des Angebots gekennzeichnet. Hinzu kommt ein im Vergleich zur Abgabe des Lottoscheins in der Annahmestelle höherer Abstraktionsgrad, der geeignet ist, das virtuelle Glücksspiel in der Wahrnehmung des Spielers aus seinem Bedeutungszusammenhang herauszulösen und insbesondere die Tatsache des Einsatzes - und möglichen Verlustes von Geld - in den Hintergrund treten zu lassen. Die Möglichkeiten des Internet-Glücksspiels zu beschneiden, bedeutet, die Umstände der Teilnahme für den Einzelnen zu erschweren und ihm den Vorgang des Spielens bewusster zu machen. Hierdurch kann einem Abgleiten in problematisches Spielverhalten entgegenwirkt werden. Hinzu kommt, dass nach wie vor erhebliche Bedenken bestehen, ob sich bei einer Teilnahme an Glücksspielen per Internet der im Rahmen der Suchtprävention besonders wichtige Jugendschutz effektiv verwirklichen lässt (vgl. BVerf-GE 115, 276 <315>). Auch zur Vermeidung derartiger Präventionslücken ist das Internetverbot das geeignete Mittel.

(f)...

(g)...

(3) Die Eingriffe in die Berufsfreiheit sind zur Erreichung der von den Landesgesetzgebern angestrebten Ziele erforderlich.

Ebenso wie bei der Frage der Geeignetheit verfügt der Gesetzgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfGE 102,197 [BVerfG 19.07.2000 - 1 BvR 539/96]<218>; 115, 276 <309> ) . Infolge dieser Einschätzungsprärogative können Maßnahmen, die die Landesgesetzgeber zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts wie der Abwendung der Gefahren, die mit dem Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen verbunden sind, für erforderlich halten, verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen; die als Alternativen in Betracht kommen, zwar die gleiche Wirksamkeit versprechen, indessen die Betroffenen weniger belasten (vgl. BVerfGE 25, 1<12, 19 f.>; 40, 196 <223>; 77, 84 <106>; 115, 276 <309>). Solche milderen Mittel sind vorliegend nicht gegeben.

(a) Die Regelungen zur Erlaubnispflicht und zu den Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis (§ 4 Abs. 1 und 2, § 9 Abs. 4, § 25 Abs. 6 GlüStV, § 13 Abs. 1, § 14 i.V.m. §§ 7 und 8 Abs. 5 AGGlüStV Bln, § 3 Abs. 4, § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 4, 7 Abs. 2, § 27 Abs. 3 NGlüSpG) sind erforderlich. Bei ihrem Einwand, das Instrumentarium des allgemeinen Gewerberechts sei bei gleicher Wirksamkeit weniger belastend als die Statuierung eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt, lässt die Beschwerdeführerin außer Acht, dass eine gewerberechtliche Überwachung des laufenden Geschäftsbetriebs - und damit ein repressives Vorgehen - nicht dieselbe Effizienz haben kann wie eine präventive Zulassungskontrolle. Insbesondere erhalten die zuständigen Landesbehörden nur im Falle eines förmlichen Erlaubnisverfahrens einen genauen Überblick über den Kreis der tätigen Glücksspielveranstalter und -Vermittler.

Auch hinsichtlich der Erforderlichkeit der einzelnen Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zur gewerblichen Spielvermittlung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist insoweit unmaßgeblich, ob die konkrete Ausgestaltung in jedem einzelnen Fall - etwa bei der Einsatzgrenze von 1 000 € nach § 25 Abs. 6 Nr. 2 GlüStV - zwingend ist. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Landesgesetzgeber hierbei den ihnen zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraum überschritten hätten. Dies gilt auch im Hinblick auf § 25 Abs. 6 Nr. 4 GlüStV, wonach Voraussetzung für die Erlaubniserteilung eine Lokalisierung der Spieler "nach dem Stand der Technik" ist. Wie bereits ausgeführt, steht die Vorschrift in inhaltlichem Zusammenhang mit der Erlaubnissystematik des Glücksspielstaatsvertrags, insbesondere mit § 3 Abs. 4 GlüStV. Aus dem dort festgeschriebenen Anknüpfen an den Ort, an dem "dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird", folgt die Notwendigkeit einer Lokalisierung. Nur durch sie kann sichergestellt werden, dass der Spieler sich im Geltungsbereich der Erlaubnis aufhält, dass also mit anderen Worten auch das Veranstalten oder Vermitteln des Glücksspiels im Geltungsbereich der Erlaubnis erfolgt.

(b) Die in § 5 Abs. 1 bis 4 GlüStV normierten Werbeverbote und Werbebeschränkungen sind ebenfalls erforderlich, um die mit dem Staatsvertrag angestrebten Ziele - namentlich die Verhinderung und Bekämpfung der Glücksspielsucht - zu erreichen. Nach Einschätzung der Landesgesetzgeber ist die Spielleidenschaft zwar an sich unerwünscht, aber nicht völlig zu verhindern. Allerdings kann durch das Verbot unangemessener und unsachlicher Werbung, die zur Teilnahme am Glücksspiel auffordert, anreizt oder ermuntert und damit die Glücksspielsucht fördert, einer Ausweitung der Spielleidenschaft entgegengewirkt werden. Alternativen zu den Werbeverboten sind nicht ersichtlich, zumal es widersprüchlich wäre, zunächst appellative Formen der Werbung zuzulassen, um anschließend die hierdurch geförderte Spielleidenschaft der Bevölkerung begrenzen zu wollen.

(c) Auch hinsichtlich der Erforderlichkeit des Verbots der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV) ergeben sich keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist nicht ersichtlich, welche alternativen Maßnahmen in Betracht kämen, um den spezifischen Gefährdungen des Glücksspiels bei der Nutzung dieses Mediums wirksam zu begegnen. Wie bereits angesprochen, können im Internet die Spielverträge bequem und rund um die Uhr von zuhause aus abgeschlossen werden. Die hiermit einhergehenden Effekte der Gewöhnung und Verharmlosung sind systemimmanent, weshalb sie auch nicht durch Beschränkungen oder Auflagen ausgeglichen werden können. Ebenfalls nicht anderweitig zu lösen sind die spezifischen Gefährdungen jugendlicher Spieler. Die Beschwerdeführerin trägt selbst vor, dass die Implementierung eines technikgestützten Authentifizierungs- und Identifizierungssystems zu aufwändig und damit unwirtschaftlich wäre. Gleichzeitig führt sie zwar aus, schon jetzt werde den Belangen des Jugendschutzes genügt, weil etwaige Gewinne nicht an Minderjährige ausgezahlt würden. Dieser Hinweis ist jedoch nicht in jeder Hinsicht überzeugend, weil dieses System nicht verhindern kann, dass sich Jugendliche mit falschen Angaben registrieren und anschließend den Auftrag zur Vermittlung von Lottospielverträgen erteilen.

(d)...

(e)...

(4) Der Eingriff in der Berufsfreiheit ist schließlich auch nicht übermäßig belastend und der Beschwerdeführerin nicht unzumutbar. Eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe führt zu dem Ergebnis, dass die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist (vgl. BVerfGE 113,167 [BVerfG 18.07.2005 - 2 BvF 2/01]<260> ) .

(a) Das in § 4 Abs. 1 und 2 GlüStV, § 13 Abs. 1 AGGlüStV Bin, § 3 Abs. 4 NGlüSpG verankerte Prinzip eines generellen Verbots mit Erlaubnisvorbehalt steht in einem angemessenen Verhältnis zu den grundrechtlich geschützten Belangen der Beschwerdeführerin. Die mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Gemeinwohlinteressen, vor allem die Verhinderung und Bekämpfung der Glücksspielsucht mit ihren bedenklichen wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Betroffenen, sind derart gewichtig, dass sie die mit einem Erlaubnisvorbehalt verbundenen Beschränkungen für Glücksspielveranstalter und -vermittler zu rechtfertigen vermögen. Dies gilt auch für die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 3 GlüStV, wonach auf die Erteilung der Erlaubnis kein Rechtsanspruch besteht.

(b) Die Angemessenheit des Regionalitätsprinzips in § 4 Abs. 1 Satz 1 und § 9 Abs. 4 Satz 1 GlüStV begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Zwar ist die strikte Länderbezogenheit der behördlichen Erlaubnis für die Vermittler öffentlicher Glücksspiele mit einem beträchtlichen organisatorischen Mehraufwand verbunden. Zum einen benötigen sie für die Ausübung ihres Gewerbes einer Erlaubnis all der Länder, in denen sie tätig werden wollen. Zum anderen dürfen sie innerhalb des Gebiets eines Landes nur solche Glücksspielprodukte vermitteln, die in dem jeweiligen Land zugelassen sind. Dies hat für die Beschwerdeführerin die bereits erwähnte praktische Konsequenz, dass sie den Aufenthaltsort eines Spielers feststellen muss, damit sie ihn anschließend an die "richtige" Landeslotteriegesellschaft vermitteln kann. Diese Belastungen sind jedoch hinzunehmen; denn es liegt in der Natur der. Sache, dass die zuständigen Behörden im Rahmen der landeseigenen Verwaltung grundsätzlich nur Erlaubnisse mit Wirkung für das Gebiet des jeweiligen Landes erteilen können.

(c)...

(d) Dies gilt auch für die Voraussetzungen der Erlaubniserteilung nach § 7 Abs. 1 AGGlüStV Bln und die in § 7 Abs. 5 bzw. § 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 8 AGGlüStV Bln geregelten Gründe für einen Erlaubniswiderruf. Hier ist wiederum nicht erkennbar, dass die Voraussetzungen der Erlaubniserteilung außer Verhältnis zu dem mit den angegriffenen Regelungen erreichbaren Rechtsgüterschutz stünden. Zwar mögen einzelne Regelungen von der Beschwerdeführerin oder ihren Mitbewerbern als lästig oder hinderlich empfunden werden. Wegen des hohen Rangs der betroffenen Gemeinwohlbelange sind sie im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedoch nicht zu beanstanden.

(e) Hiernach kann den in Niedersachsen geltenden vergleichbaren Anforderungen an die Erteilung einer Erlaubnis zur gewerblichen Spielvermittlung (§ 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 NGlüSpG) ebenfalls kein Missverhältnis zwischen den verfolgten Gemeinwohlzielen und den aus den Regelungen resultierenden Beeinträchtigungen für die Beschwerdeführerin entnommen werden.

(f) Die in § 5 Abs. 1 bis 4 GlüStV geregelten Werbeverbote, insbesondere das Verbot der Glücksspielwerbung im Internet, sind ebenso wenig unangemessen. Hierzu macht die Beschwerdeführerin zwar geltend, ihr werde auf diese Weise der Boden für jede effiziente werbliche Aktivität entzogen. Der Glücksspielstaatsvertrag sanktioniere exakt die Formen der Werbung, die für sie als gewerbliche Vermittlerin von Bedeutung seien, während die übrigen Arten der Werbung, wie sie von den Annahmestellen praktiziert würden, weiterhin zulässig blieben. Hierbei lässt die Beschwerdeführerin jedoch unberücksichtigt, dass sich das Verbot der Werbung in Fernsehen, im Internet oder per Telefon gemäß § 5 Abs. 3 GlüStV gerade darauf stützt, dass mit der Nutzung dieser Medien nach Einschätzung der Länder eine besonders starke Anreizwirkung verbunden ist. Eine solche Art der Werbung ist jedoch unvereinbar mit dem Ziel der Glücksspiel- und Wettsuchtbekämpfung. Das staatliche Glücksspielangebot soll lediglich der Kanalisierung des menschlichen Spieltriebs dienen, nicht jedoch einen förderungs- und ausbauwürdigen Wirtschaftszweig darstellen (vgl. BVerfGE 115, 276 [BVerfG 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01]<307> ) . Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen sind die Werbeverbote des § 5 GlüStV trotz der teilweise erheblichen mit ihnen verbundenen Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin nicht unangemessen.

(g) Nicht zu beanstanden sind die noch schwerwiegenderen Beschränkungen der unternehmerischen Tätigkeit der Beschwerdeführerin, zu denen das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV führt. Die Beschwerdeführerin legt in nachvollziehbarer Weise dar, dass sie in der Folge gezwungen sein wird, ihren Geschäftsbetrieb einzustellen, weil für sie zu der Vermittlung per Internet keine Vertriebsalternativen bestehen.

Die Eingriffsintensität des § 4 Abs. 4 GlüStV bringt es mit sich, dass von der Angemessenheit der Regelung nur ausgegangen werden kann, wenn dem mit ihrer Hilfe erreichten Rechtsgüterschutz ein entsprechend hoher Stellenwert beizulegen ist. Diese Voraussetzung ist vorliegend allerdings erfüllt. Wie bereits im Zusammenhang mit der Prüfung der Geeignetheit ausgeführt, können die Besonderheiten des Glücksspiels per Internet, namentlich dessen Bequemlichkeit und Abstraktheit, problematisches Spielverhalten in entscheidender Weise begünstigen. Deshalb dient eine Begrenzung solcher Möglichkeiten unmittelbar der Spielsuchtprävention und somit einem Gemeinwohlbelang von hohem Rang.

(h) ...

(i) ...

3. Für eine Verletzung der übrigen von der Beschwerdeführerin in Bezug genommenen Verfassungsrechte ist nichts ersichtlich."

33

Die erkennende Kammer schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen an und nimmt auf sie zur weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe Bezug (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Das Vorbringen der Klägerin im Klageverfahren gibt lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:

34

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Entscheidung des Gesetzgebers, die Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet gänzlich zu untersagen und damit die Internetvermittlung anders als die Vermittlung über terrestrische Annahmestellen zu behandeln, auch in Ansehung der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Berufsfreiheit der Klägerin nicht zu beanstanden. Zur suchtauslösenden und -fördernden Wirkung der Vermittlung von Glücksspielen generell ist insbesondere auf die Arbeit von Hayer/Bachmann/Meyer, Pathologisches Spielverhalten bei Glücksspielen im Internet (Wiener Zeitschrift für Suchtforschung 2005, 29) hinzuweisen, in der es u.a. heißt:

"Zur Bestimmung des Spielanreizes und damit des Gefährdungspotenzials von Online-Glücksspielen lassen sich im Wesentlichen die nachfolgend aufgelisteten zehn Kriterien heranziehen, die einen Erstkontakt mit Online- Glücksspielen wahrscheinlicher machen bzw. die Aufrechterhaltung einer (exzessiven) Online-Spielteilnahme begünstigen (Griffiths 2003; King 1999; King/Barak 1999; Meyer 2001; Productivity Commission 1999; Smeaton/ Griffiths 2004). Hierbei ist zu beachten, dass sich die angeführten Veranstaltungsmerkmale vorrangig auf kasinotypische Spiele mit hoher Spielabfolge beziehen, in Abhängigkeit des jeweiligen Spielformats prinzipiell aber auch auf andere Online-Glücksspiele übertragen werden können (wie z.B. auf die so genannten "Live-Wetten" oder Lotterien, die wie "Quicky" im [Drei-] Minutentakt stattfinden).

Verfügbarkeit und Griffnähe: Glücksspiele im Internet sind bequem, kostengünstig, in vertrauter Umgebung und ohne Kleidervorschriften von zu Hause oder dem Arbeitsplatz (vgl. Griffiths 2002) aus jederzeit erreichbar. Zudem gewährt das Internet die Möglichkeit des Spielens bei verschiedenen Anbietern durch einfaches Mausklicken. Eine Knappheit des Spielangebots besteht nicht, da weder der "Lieblingsautomat" noch das bevorzugte Spielformat von Mitspielern blockiert werden. Generell ist auch eine Spielteilnahme unter Drogeneinfluss oder als nichtspielberechtigter Minderjähriger realisierbar.

Ereignisfrequenz: Ein typisches Merkmal von Glücksspielen im Internet - vor allen von den kasinotypischen Spielformen - ist die hohe Anzahl an Spielen pro Zeitintervall. So werden zukünftige Erfolge nach vorangegangenen Verlusten über die rasche Spielabfolge unmittelbar wieder in Aussicht gestellt und dadurch die Zeitspanne des Verlusterlebens erheblich verkürzt. Es entsteht ein hoher Aktivationsgrad, der vom Spielteilnehmer im Sinn eines "Kicks" oder Rauschzustands wahrgenommen und als positiv bewertet wird.

Interaktivität: Die Teilnahme an Online-Glücksspielen kann das Gefühl verstärken, das Spielgeschehen zu kontrollieren. Während einerseits Möglichkeiten der Einflussnahme durchaus vorhanden sind (z.B. bestimmt der Spieler und nicht der Croupier oder Dealer das Spieltempo bis zu einem gewissen Grad), fördert andererseits die (interaktive Einbindung der Spielteilnehmer Phänomene der Kontrollillusion (vgl. Langer 1975). Die Überschätzung des tatsächlichen Einflusses auf den Spielausgang geht mit der Überzeugung einher, "das System besiegen" zu können, was unter Umständen einen vermehrten Zeit- und Geldaufwand für das Glücksspiel zur Folge hat.

Bargeldloser Zahlungsverkehr Voraussetzung für eine Spielteilnahme sind finanzielle Transaktionen, die über die Kreditkarte oder alternative bargeldlose Zahlungsmittel (Überweisungen, Lastschriften, EPayment) vonstatten gehen. Die dadurch bedingte Verschleierung des Geldwerts kann zu einem gesteigerten Risikoverhalten verleiten, die Gefahr des Kontrollverlusts erhöhen und als Konsequenz zu einer Verschuldung führen, da der Spieler schnell den Überblick über den Gesamteinsatz verliert.

Anonymität: Eine Spielteilnahme im Internet verläuft ohne den persönlichen Kontakt zu Mitspielern oder Angestellten. Soziale Hemmungen sind unter Wahrung der Anonymität leichter zu überwinden, was insbesondere für denjenigen Personenkreis von Bedeutung ist, der den Besuch von Spielstätten offline bisher nicht gewagt hat. Demzufolge befriedigt die Nutzung des Internets spezifische Bedürfnisse und lässt die Möglichkeit zu, die verschiedenen Facetten des Glücksspiels in einer sicheren Umgebung zu erkunden. (In)Formelle Sanktionen etwa bei zu langsamen Spielweisen (z.B. beim Black Jack) oder aufgrund von unangemessenen Gefühlsäußerungen sowie die Angst vor Stigmatisierungen müssen nicht befürchtet werden. Ebenso erleichtern Geldeinsätze, die in der Privatsphäre stattfinden, die Verheimlichung des Spielverhaltens. Schließlich kann die soziale Kontrolle durch außenstehende Personen nach Beobachtungen exzessiven Spielverhaltens oder persönlichen Gesprächen nicht greifen.

Realitätsflucht: In Verbindung mit einer hohen Ereignisfrequenz und der Anonymität der Spielteilnahme verkörpert das Online-Gambling ein geeignetes Mittel zur Ablenkung von Alltagssorgen, Konflikten und Stress. In besonderem Maß kann eine Spielbeteiligung im Internet der Veränderung emotionaler Zustände dienen, was in extremer Form gleichzusetzen ist mit dem Abtauchen in einen bewusstseinsveränderten Zustand. Damit repräsentieren Glücksspiele im Internet ein Vehikel, um subjektive Empfindungen in eine gewünschte Richtung zu modifizieren und eine alternative Wirklichkeit hervorzurufen, die sich symptomatisch primär in dem Verlust des Zeitgefühls äußert.

Abbau von Hemmschwellen: Verschiedene Faktoren tragen zu dem Abbau von Hemmschwellen und Berührungsängsten bei. Hierzu zählen die Anonymität, der Wegfall langer Anfahrtswege oder anderer Hindernisse (z.B. Sprachbarrieren oder Verunsicherungen, die durch die Gegenwart anderer Spieler ausgelöst werden), der Verzicht auf Ausweiskontrollen oder Kleiderordnungen und der Aufenthalt in einer bekannten Umgebung. Ebenfalls von Bedeutung ist die Vertrautheit mit dem Spielformat, die über die Nutzung eines Testbetriebs ohne Geldeinsatz und zumeist ohne vorherige Anmeldung problemlos hergestellt werden kann. Derartige Simulationsspiele erleichtern den Erstkontakt mit Online-Glücksspielen, verkörpern einen kundenfreundlichen Einstieg und verwischen die Grenze zwischen Spielen ohne finanzielle Konsequenzen und tatsächlichen Glücksspielen.

Vielfalt der Angebotspalette: Die Angebotspalette im Internet umfasst ein breites Spektrum an Spielformen und Einsatzmöglichkeiten. Moderne Softwarepakete beinhalten diverse Spieltische und Spielgeräte und darüber hinaus zusätzliche Optionen wie etwa Einzel- oder Mehrspielermodi, Chat-Rooms, in denen Kontakt zu Mitspielern oder Angestellten aufgenommen werden kann oder ein detailliertes Informationsmaterial zum Spielsortiment. Des Weiteren beschränken sich viele Glücksspielanbieter inzwischen nicht mehr nur auf ein Marktsegment (z.B. "nur" Sportwetten), sondern verschränken ihr Angebot mit weiteren Glücksspielen (z.B. mit Spielen aus dem Kasinobereich, bei denen eine Entscheidung über Gewinn und Verlust sekundenschnell passiert). Einige Glücksspielanbieter werben sogar damit, dass ihre Kunden sich bis zum Ausgang eines Sportereignisses die Zeit mit kasinotypischen Glücksspielen vertreiben können.

Vermarktung: Die Vermarktung von Glücksspielen im Internet wird insbesondere durch marktschreierische Selbstdarstellungen der privaten Betreiber (wie z.B. "höchste Auszahlungsquote", "die meisten Spielteilnehmer" oder "ältestes Kasino der Welt") auf den eigenen Homepages vorangetrieben. Nicht selten versprechen die Betreiber zudem Begrüßungsgeschenke, Bonusspielkapital oder andere spezielle Angebote zu Sonderkonditionen. Gleichfalls kommt es zur Nutzung von E-Mail-Verteilern sowie Exit-Pop-Up-Fenstern (die sich immer dann öffnen, wenn ein Internetuser die Website eines Glücksspielanbieters verlassen will), um die Spielteilnehmer an das eigene Produkt zu binden. Eine weitere beliebte Art der Produktvermarktung besteht in dem Hinterlegen von "Meta-Tags". Meta-Tags sind gezielt ausgesuchte Schlüsselbegriffe, die als Schlagwörter im HTML-Code von Websites auftauchen und bei der Benutzung von Internet-Suchmaschinen erkannt werden.

Kundenfreundliche Angebote: Anbieter von Online- Glücksspielen sind wegen niedriger Betriebskosten und geringen Investitionserfordernissen in der Lage, günstigere Auszahlungsquoten (z.B. an Spielautomaten) und benutzerfreundlichere Spielformen (z.B. das Roulette ohne Null) als Offline-Anbieter zu gewähren. Grundsätzlich steht der vorherrschende Konkurrenzkampf um Marktanteile zwischen den Anbietern im Zeichen einer stetigen Verbesserung der Produktattraktivität. Hierunter fallen die Erweiterung der jeweiligen Angebotssortimente, die kontinuierliche Einführung von weiteren nachfragesteigernden Komponenten und Funktionen sowie die Erschließung alternativer Vertriebswege, wie etwa das Angebot einer Spielteilnahme über Mobiltelefone oder interaktives Fernsehen (iTV).

Ausgehend von diesen theoretischen Überlegungen und unter Heranziehung von Erfahrungen mit anderen Glücksspielformen lässt sich plausibel begründen, warum das Gefährdungspotenzial von Glücksspielen im Internet - zumindest für einen Teil der Spielteilnehmer - als hoch einzustufen ist."

35

Auf die von der Klägerin vermittelten Produkte treffen zwar nicht alle, aber doch zahlreiche der vorstehend aufgeführten Kriterien zur Bestimmung des Gefährdungspotenzials von Online-Glücksspielen zu (Verfügbarkeit und Griffnähe, Bargeldloser Zahlungsverkehr, Anonymität, Realitätsflucht, Abbau von Hemmschwellen, Vielfalt der Angebotspalette, Vermarktung, kundenfreundliche Angebote), so dass sich das Verbot der Internetvermittlung trotz des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die Berufsfreiheit der Klägerin nicht als unzumutbar erweist (vgl. auch die Mitteilung der Bundesregierung zum Vertragsverletzungsverfahren vom 20. Mai 2008 - ZfWG 2008, 173 [179 ff.], RdNrn. 50-80). Da die aufgezeigten Gefahren bei einer Vermittlung von Lottoprodukten über die herkömmlichen (terrestrischen) Annahmestellen überwiegend nicht vorliegen (vgl. hierzu auch die Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache C-42/07 - Liga Portuguesa, Rdnr. 268-275, 303), verstößt die unterschiedliche Behandlung dieser beiden Vermittlungsmöglichkeiten nicht gegen das aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgende Verbot, Ungleiches gleich zu behandeln.

36

2. Die von der Klägerin beanstandeten Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages und des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes verstoßen auch nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht.

37

Dabei geht die Kammer davon aus, dass der Anwendungsbereich des EG-Vertrages eröffnet ist, weil eine grenzüberschreitende Dienstleistung vorliegt. Grenzüberschreitend sind die Leistungen nicht nur, wenn wenigstens einer der Leistungsanbieter in einem anderen Staat als dem niedergelassen ist, in dem die Leistung angeboten wird, sondern bereits dann, wenn ein Leistungserbringer potentiellen Leistungsempfängern, die in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig sind, Leistungen telefonisch anbietet ( EuGH, Urteil vom 10. Mai 1995 - C 384/93 (Alpine Investments)). In der rechtlichen Bewertung ist kein Unterschied zu erkennen zwischen dem telefonischen Anbieten von Leistungen und dem Anbieten von Leistungen an Leistungsempfänger in einem anderen Mitgliedsstaat über das Internet ohne Ortswechsel (vgl. VG Berlin, Urteil vom 22. September 2008 - 35 A 15.08 -, juris, dort Rdnr. 171; Haltern, in: Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, Rdnr. 6 zu EGV).

38

Die von der Klägerin beanstandeten Vorschriften sind nicht deshalb unanwendbar, weil sie nicht ordnungsgemäß notifiziert worden sind. Allerdings geht die Kammer davon aus, dass die beanstandeten Regelungen nach der Richtlinie 98/34/EG notifizierungspflichtig waren (vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 14. Oktober 2008 in der Rechtssache C-42/07 - Liga Portuguesa -, RdNrn. 150 ff., ZfWG 2008, 323). Wie der Beklagte in seiner Klageerwiderung dargelegt hat und von der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogen wird, ist der Glücksspielstaatsvertrag tatsächlich auch notifiziert worden. Einer zusätzlichen Notifizierung bedurften weder Art. 1 des Niedersächsischen Gesetzes zur Neuordnung des Glücksspielrechts vom 17. Dezember 2007 (Nds. GVBl.S. 756), durch den der Niedersächsische Landtag dem Glücksspielstaatsvertrag zugestimmt und damit für Niedersachsen in Kraft gesetzt hat, noch die von der Klägerin im Klageantrag benannten Vorschriften des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes. Denn weder das Zustimmungsgesetz noch die den Inhalt des Staatsvertrages wiederholenden Vorschriften des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes stellen Änderungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Unterabsatz 3 Richtlinie 98/34/EG dar, die den Anwendungsbereich ändern bzw. Spezifikationen oder Vorschriften hinzufügen oder verschärfen und damit eine erneute Notifizierungspflicht ausgelöst hätten.

39

Die von der Klägerin beanstandeten Vorschriften stellen auch eine Beschränkung der gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit (Art. 43 ff.; Art. 49 ff. EGV) dar (vgl. EuGH, Urteil vom 24. März 1994 - C 275/92 (Schindler); VG Berlin, Urteil vom 22. September 2008 - 35 A 15.08 -, juris, dort Rdnr. 170; Haltern, in: Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, Rdnr. 9 zu EGV).

40

Der Europäische Gerichtshof hat jedoch anerkannt, dass solche Beschränkungen aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein können. Als legitime Ziele hat er zum einen den Verbraucherschutz bzw. die Betrugsvorbeugung und zum anderen die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu erhöhten Ausgaben, d.h. die Bekämpfung der Spielsucht, gesehen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Oktober 1999 - C-67/98 - (Zenatti); Urteil vom 6. November 2003 - C 243/01 - (Gambelli)). Allerdings müssten die beschränkenden Regelungen die Gelegenheiten zum Spiel wirklich vermindern und die Tätigkeiten in diesem Bereich kohärent und systematisch beschränkt werden (EuGH, Urteil vom Urteil vom 6. November 2003 (Gambelli), Rdnr. 67). Diese Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 6. März 2007 - C-338/04 - (Placanica) bekräftigt und gleichzeitig bestätigt, dass zur Bekämpfung der Spielsucht und zum Schutz der Verbraucher vor unlauteren Glücksspielangeboten eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit gerechtfertigt sein kann. Der Europäische Gerichtshof führt in diesem Zusammenhang aus, dass aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen, die die Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre jeweiligen kulturellen und sozialen Überlieferungen auf dem Gebiet des Glücksspielmarktes verfolgen dürfen, auch ein unterschiedliches Schutzniveau in den Mitgliedstaaten bestehen kann (EuGH, Urteil vom 6. November 2003, a.a.O.; Rdnr. 63; Urteil vom 6. März 2007, a.a.O., Rdnr. 47).

41

Das Bundesverfassungsgericht hat unter Einbeziehung dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits in seinem Urteil vom 28. März 2006 (a.a.O., Rdnr. 144) klargestellt, dass die Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts im Hinblick auf die Errichtung eines Staatsmonopols bei der Vermittlung von Sportwetten parallel zu den vom Europäischen Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben verlaufen. Zwischen den Anforderungen, die das Gemeinschaftsrecht an ein auf dem Glücksspielsektor eingerichtetes Staatsmonopol stellt, und den Vorgaben des Verfassungsrechts bestehen somit im Ergebnis keine Unterschiede (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 15. Mai 2007 -1 B 447/06 - NordÖR 2007, 317 [OVG Bremen 15.05.2007 - 1 B 447/06]; VG Oldenburg, Beschluss vom 2. April 2008 - 12 B 256/08 -). Vor diesem Hintergrund ist die Kammer der Auffassung, dass die derzeitige Ausgestaltung des auf die Vermittlung von Glücksspielen bezogenen Glücksspielrechts in Niedersachsen mit Einhaltung der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Maßstäbe zugleich den Anforderungen entspricht, die das europäische Recht an die hiermit verbundene Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit der privaten Vermittler stellt.

42

Eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit kann auch nicht unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. November 2003 (C-42/02 - "Lindman") damit begründet werden, vor Erlass beschränkender Maßnahmen eines Mitgliedstaates müsse eine Untersuchung der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit durchgeführt werden. Zwar sind die von der Veranstaltung und Vermittlung von Lotterien im Internet ausgehenden Suchtgefahren wissenschaftlich bisher nur unzureichend erforscht. Dies führt aber nicht dazu, dass derzeit keine Maßnahmen zur Bekämpfung der Spie- und Wettsucht ergriffen werden können. Die vom Europäischen Gerichtshof geforderte Berücksichtigung wissenschaftlicher Untersuchungen kann nicht so verstanden werden, dass der Gesetzgeber bei Fehlen ausreichender statistischer Erhebungen über den Einfluss des Wettangebots auf die Verbreitung der Wettsucht legislative Schritte ganz unterlassen muss. Vielmehr muss bei Fehlen wissenschaftlich breit angelegter Untersuchungen eine nach dem Stand der Forschung plausible Gefahrenprognose genügen. Dass eine solche Gefahrenprognose in Bezug auf die von der Klägerin beabsichtigten Tätigkeiten gerechtfertigt ist, ergibt sich sowohl aus den der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2008 (1 BvR 928/08 -, a.a.O.) zugrunde liegenden Feststellungen als auch aus der oben zitierten Studie von Hayer/Bachmann/Meyer, Pathologisches Spielverhalten bei Glücksspielen im Internet (Wiener Zeitschrift für Suchtforschung 2005, 29).

43

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (ebenso die EU-Kommission in ihrer Stellungnahme an den Europäischen Gerichtshof vom 10. Dezember 2007 in den verbundenen Rechtssachen C-316/07 - Stoss u.a. -, Rdnr. 44, ZfWG 2008, 94) das Fehlen hinreichender wissenschaftlicher Gutachten zur Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Regelung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht deren Rechtswidrigkeit zur Folge hat. So führt das Gericht in seinem Beschluss vom 8. Juli 2008 (11 MC 71/08) aus:

"Zureichende Gutachten für den Zeitraum nach dem Urteil des BVerfG vom März 2006 liegen nicht vor. Die Anhörung von Suchtexperten zur Vorbereitung des neuen Glücksspielstaatsvertrages kann ein wissenschaftlich fundiertes Gutachten nicht ersetzen. Gleichwohl führt dieses Defizit im jetzigen Zeitpunkt noch nicht zur Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung. Teilweise werden die Entscheidungen des EuGH zwar dahin interpretiert, dass bereits vor Erlass der gesetzlichen Maßnahme (GlüStV und NGlüSpG) entsprechende Gutachten vorliegen müssen. Selbst die Europäische Kommission vertritt aber nicht diese Auffassung. In ihrer Stellungnahme vom 10. Dezember 2007 zu den Vorlagebeschlüssen der Verwaltungsgerichte Gießen und Stuttgart (die u.a. die Frage von fehlenden vorherigen Gutachten mit zum Gegenstand ihrer Vorlage gemacht haben) führt sie vielmehr aus (Rdnr. 44):

"... muss der nationale Gesetzgeber also nicht stets vor Schaffung ... einer einschränkenden Norm diese auf Übereinstimmung mit den Grundfreiheiten prüfen. Der bloße Mangel einer solchen Vorabprüfung führt nicht automatisch dazu, dass eine solche einschränkende Norm nicht gerechtfertigt werden könnte ... da Rechtsysteme dynamisch sind, kann nicht ausschlaggebend sein, inwieweit eine solche Untersuchung der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit zeitlich stets vor dem Erlass der in Frage stehenden nationalen Vorschrift stattgefunden hat."

Danach können gesetzliche Regelungen auch durch zeitlich später erstellte Gutachten untermauert werden. Es dürfte daher ausreichend sein, dass in § 27 GlüStV eine Verpflichtung zur begleitenden Evaluierung der Auswirkungen des Staatsvertrages durch die Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder unter Mitwirkung des Fachbeirates vorgeschrieben ist."

44

Die Kammer teilt auch nicht die Bedenken, die die Kommission der Europäischen Gemeinschaften im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland und im Rahmen des Notifizierungsverfahrens des Entwurfs des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen gegen die Vereinbarkeit der nationalen Regelungen mit dem Gemeinschaftsrecht vorgebracht hat.

45

Die Kommission hat im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2003/4350 mit Aufforderungsschreiben vom 10. April 2006 und mit ergänzendem Schreiben vom 21. März 2007 die Auffassung vertreten, die deutschen Behörden betrieben keine konsistente und systematische Politik zur Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht. Hierzu ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 2. Mai 2007, a.a.O.) festzustellen, dass diese Bewertungen der Kommission die in Niedersachsen in der Übergangszeit erfolgte tatsächliche Entwicklung nicht hinreichend berücksichtigen. Die Kommission hat in ihren Stellungnahmen im Wesentlichen die Entwicklung auf dem Glücksspielsektor in Deutschland im Zeitraum von 1999 bis etwa Februar 2006 in Bezug genommen. Auf diesen Zeitraum, der von einer expansiven Tätigkeit auf dem Sportwettensektor geprägt war, ist jedoch nach den nunmehr erfolgten tatsächlichen und rechtlichen Entwicklungen nicht mehr abzustellen (vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil vom 12. März 2008 - 4 K 207/08 -, a.a.O.).

46

Soweit die Kommission in einer Stellungnahme zu dem notifizierten Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages in Deutschland vom 14. Mai 2007 die Auffassung vertritt, einzelne Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages, insbesondere das Verbot von Sportwetten im Internet, seien nicht mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, teilt die Kammer aus den Gründen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2008 und den oben dargelegten Erwägungen diese Einschätzung nicht.

47

Die Kammer vermag sich der von der Europäischen Kommission im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2003/4350 mit Aufforderungsschreiben vom 10. April 2006 und mit ergänzendem Schreiben vom 21. März 2007 Schreiben und in dem neuerlich betriebenen Vertragsverletzungsverfahren (2007/4866) sowie in Teilen der Rechtsprechung (vgl. VG Arnsberg, Beschluss vom 5. März 2008 - 1 L 12/08 -, a.a.O.; VG Braunschweig, Beschluss vom 10. April 2008 - 10 B 4/08 -, a.a.O.) vertretenen Auffassung, zur Herstellung eines gemeinschaftskonformen Zustands müsse das gesamte Glücksspielangebot eines Mitgliedstaats den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs entsprechend systematisch auf das Ziel der Vermeidung der Spiel- und Wettsucht ausgerichtet sein, nicht anzuschließen (so auch VGH München, Urteil vom 18. Dezember 2008 - 10 BV 07 558 -, Rdnr. 108 ff., juris, sowie Beschluss vom 13. Oktober 2008 - 10 CS 08.1869 -, Rdnr. 29, juris; VGH Mannheim, Beschlüsse vom 17. März 2008 - 6 S 3069/07 -, a.a.O. und vom 16. Oktober 2008 - 6 S 1288/08 -, Rdnr. 17, juris; VG Koblenz, Urteil vom 26. März 2008 - 5 K 1512/07.KO -; VG Karlsruhe, Urteil vom 12. März 2008 - 4 K 207/08 -, a.a.O.; VG Stuttgart, Urteil vom 1. Februar 2008 - 10 K 2990/04 -, a.a.O.; vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 14. Oktober 2008 in der Rechtssache C-42/07 - Liga Portuguesa -, Rdnr. 305 f. -, ZfWG 2008, 323).

48

Eine derartige Anforderung wird in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Glücksspielrecht nicht gestellt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 22. Februar 2008 - 13 B 1215/07 - a.a.O.; VG Karlsruhe, Urteil vom 12. März 2008 - 4 K 207/2008 - a.a.O.; VG Stuttgart, Urteil vom 1. Februar 2008 - 10 K 2990/04 -, a.a.O.). Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lassen sich vielmehr wirklich eindeutige Aussagen dahingehend, ob die dargelegten Grundsätze zur Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit auf den gesamten Glücksspielbereich eines Mitgliedstaates ausgedehnt werden müssten oder ob eine systematische Begrenzung bezogen auf den einzelnen Glücksspielsektor ausreicht, nicht entnehmen. Der Europäische Gerichtshof führt zum einen aus, die Einhaltung der Vorgaben sei gesondert für jede mit den nationalen Rechtsvorschriften auferlegte Beschränkung zu prüfen (Urteil vom 6. März 2007 (Placanica), a.a.O., Rdnr. 49) und Beschränkungen der Anzahl der Wirtschaftsteilnehmer müssten die Tätigkeiten "in diesem Bereich" kohärent und systematisch begrenzen (ebd., Rdnr. 53). Zum anderen stellt der Europäische Gerichtshof auf die "Tätigkeiten im Glücksspielsektor" ab (ebd., Rdnr. 42). Angesichts fehlender eindeutiger Vorgaben durch den Europäischen Gerichtshof ist umstritten, ob es für eine Vereinbarkeit der Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit mit dem Gemeinschaftsrecht darauf ankommt, ob der jeweilige Mitgliedstaat in allen Sektoren des Glücksspielmarkts das Ziel einer Begrenzung der Wetttätigkeit systematisch verfolgt, oder ob es ausreicht, wenn nur auf dem einzelnen Glücksspielsektor, hier dem Sportwettenmarkt, kohärente und systematische Regelungen zur Begrenzung der Wetttätigkeit vorliegen (vgl. die Rechtsprechungsübersicht im Beschluss des OVG Münster vom 22. Februar 2008, a.a.O.). Bemerkenswert ist allerdings, dass die Europäische Kommission in ihrer Stellungnahme an den Europäischen Gerichtshof vom 10. Dezember 2007 in den verbundenen Rechtssachen C-316/07 - Stoss u.a. - (ZfWG 2008, 94, Rdnr. 34) die Auffassung vertritt, der jüngsten Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs sei die Notwendigkeit einer sektoralen Betrachtungsweise im Glücksspielsektor zu entnehmen.

49

Nach Auffassung der Kammer bedarf es keiner Entscheidung, ob der Bundesgesetzgeber die in seine Gesetzeskompetenz fallenden Glücksspielbereiche, nämlich das in den §§ 33c ff. der Gewerbeordnung (GewO) und der Spielverordnung (SpielV) vom 27. Januar 2006 (BGBl. I S. 280) geregelte gewerbliche Spielrecht, insbesondere das Automatenspiel, und das Wetten bei öffentlichen Leistungsprüfungen von Pferden nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz vom 8. April 1922 (zuletzt geändert am 31. Oktober 2006, BGBl. I, S. 2407) derart geregelt hat, dass sie in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeit beitragen. Unabhängig von der Frage, ob es ausreichend ist, wenn der Gesetzgeber die Forderungen des Europäischen Gerichtshofs nur bezogen auf einzelne Glücksspielsektoren erfüllt, kann nach Ansicht der Kammer jedenfalls das mögliche Fehlen einer systematischen, auf Begrenzung der Wettsucht ausgerichteten Regelung in solchen Bereichen, auf die sich die Gesetzgebungskompetenz des niedersächsischen Landesgesetzgebers nicht bezieht, den hier in Rede stehenden Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nicht entgegengehalten werden (vgl. auch VGH Mannheim, Beschluss vom 17. März 2008 - 6 S 3069/07 -, a.a.O.).

50

Im Bereich des gewerblichen Spiels in Spielhallen und der Pferdewetten sind die Länder an einer Regelung durch die abschließende Normierung des Bundes in der Gewerbeordnung und der Spielverordnung sowie im Rennwett- und Lotteriegesetz gehindert. Die in der Föderalismusreform übertragene Zuständigkeit für die Spielhallen umfasst nur die Spielhallenerlaubnis in § 33i GewO, nicht dagegen das gewerbliche Spielrecht gemäß §§ 33c ff. GewO (vgl. Erläuterungen zum Staatsvertrag, LT-Drs. 15/4090, S. 63). Eine möglicherweise nicht hinreichende Regelung dieser Sektoren des Glücksspiels kann dem durch den niedersächsischen Gesetzgeber im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz für Glücksspiele eingerichteten staatlichen Monopol aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen nicht entgegengehalten werden. Aus den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs folgt nicht, dass aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht zwingend eine einheitliche Regelung des gesamten Glücksspielwesens erfolgen muss (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 9. März 2007 - 1 Bs 387/06 -; VGH München, Beschluss vom 2. Oktober 2007 - 24 Cs 07.1986 -, juris; OVG Koblenz, Beschluss vom 2. Mai 2007 - 6 B 10118/07 -, juris). Vielmehr steht dem Gesetzgeber auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Dies spricht gegen eine Verpflichtung des Gesetzgebers, sämtliche Glücksspielsektoren einem einheitlichen Regelungswerk zu unterwerfen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 22, Februar 2008 - 13 B 1215/07 -, a.a.O.; OVG Hamburg, Urteil vom 25. März 2008 - 4 Bs 5/08 -, a.a.O.). Wenn der Europäische Gerichtshof in seinen Urteilen vom 6. März 2007 (Placanica, a.a.O.) und 6. November 2003 (Gambelli, a.a.O.) eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit unter den dort genannten Umständen zulässt, muss dies unter Geltung des föderalen Systems der Bundesrepublik auch für Bereiche gelten, die sich ausschließlich in der Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers, hier des Landes Niedersachsen, befinden. Da die Länder auf die Gesetzgebung des Bundes, und damit insbesondere die diesem obliegende Regelung des gewerblichen Spiels, nur begrenzt Einfluss haben (vgl. Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag, LT-Drs. 15/4090, S. 63), könnten gemeinschaftsrechtlich anerkannte und aus Gründen der Suchtprävention gebotene Maßnahmen zur Bekämpfung der Spielsucht nicht umgesetzt werden, sofern eine vollständige Harmonisierung zwischen Bund und Ländern nicht erreicht würde (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 22. Februar 2008 - 13 B 1215/07 -, a.a.O.; VG Koblenz, Urteil vom 26. März 2008 - 5 K 1512/07.KO -, a.a.O.). Eine Gesamtbetrachtung unterschiedlicher Sektoren des Glücksspiels kann daher auch nach gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben allenfalls auf den Regelungsbereich des jeweiligen Gesetzgebers bezogen werden.

51

Nach diesen Maßstäben begegnet es keinen durchgreifenden Zweifeln, dass der niedersächsische Landesgesetzgeber den ihm verbliebenen Regelungsbereich der Glücksspiele einschließlich der Lotterien und Wetten sowie der Spielbanken durch die seit Jahresbeginn geltende Rechtslage in ausreichender Weise am Ziel der Begrenzung des Glücksspiels und der Eindämmung der Spielsucht ausgerichtet hat (a.A.: VG Braunschweig, Beschluss vom 10. April 2008 - 5 B 4/08 -, a.a.O.).

52

Dem steht nicht entgegen, dass für Spielbanken gemäß § 2 Satz 2 GlüStV nur die §§ 1, 3 bis 8, 20 und 23 des Glücksspielstaatsvertrags zur Anwendung kommen und diese somit einem staatlichen Monopol nicht unterliegen. Die für eine wirksame Suchtbekämpfung maßgeblichen Vorschriften sind auch auf Spielbanken anwendbar, insbesondere die Bestimmungen über das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung im Internet (§ 4 Abs. 4), Werbung (§ 5), Sozialkonzepte (§ 6), Aufklärung (§ 7) und Spielersperren (§§ 8 und 20). Nähere Bestimmungen über die Spielbankenaufsicht und den Spielerschutz enthält das Niedersächsische Spielbankengesetz, das mit Änderung vom 17. Dezember 2007 (Nds. GVBl.S. 756) den Bestimmungen des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes angepasst wurde.

53

Eine fehlende Kohärenz der landesrechtlichen Regelungen kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass nach dem inzwischen rechtskräftigen Urteil der Kammer vom 20. August 2007 (10 A 1224/07 -, juris; Nichtzulassungsbeschluss des OVG Lüneburg vom 31. März 2008 - 11 LA 458/07 -, NdsRpfl 2008, 229) die Spielbanken Niedersachsen GmbH seit 2004 dem Grunde nach eine Genehmigung zum Veranstalten von Casino-Spielen im Internet besitzt. Denn wie sich aus der Mitteilung der Bundesregierung zum Vertragsverletzungsverfahren vom 20. Mai 2008 ergibt (ZfWG 2008,173 [186], Rdnr. 106), verhandelt das Land Niedersachsen gegenwärtig mit der Spielbanken Niedersachsen GmbH über den freiwilligen Verzicht auf diese Genehmigung. Sollten diese Verhandlungen nicht zu einer Einigung führen, will das zuständige Niedersächsische Finanzministerium die Genehmigung zur Veranstaltung von Glücksspielen im Internet widerrufen.

54

Aber selbst dann, wenn man - anders als nach Auffassung der Kammer geboten - unter Kohärenzgesichtspunkten das gesamte Glücksspielwesen - unter Einbeziehung der bundesrechtlich geregelten Sektoren - in den Blick nimmt, ist ein Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht nicht feststellbar. Dabei ist davon auszugehen, dass das vom Europäischen Gerichtshof formulierte Kohärenzgebot inhaltlich nicht als weit reichende Forderung nach einer systematisch klar strukturierten und logisch bis ins Detail widerspruchsfreien Gesetzgebung verstanden werden kann, die jeden Wertungswiderspruch zwischen einzelnen Regelungsbereichen verbietet. Wie das Oberverwaltungsgericht Münster in seinem Beschluss vom 22. Februar 2008 (13 B 1215/07 -, ZfWG 2008,127) zu Recht dargelegt hat, kann eine Verletzung des Kohärenzgebots nur bei einem "krassen Missverhältnis" der verfolgten Ziele oder der erlassenen Regelungen festgestellt werden. Da in sämtlichen Regelungsbereichen das Ziel der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht verfolgt wird, ist für ein solches krasses Missverhältnis der vom Staat in den Bereichen Spielbanken, Spielhallen, Sportwetten einschließlich Pferdewetten und sonstige Glücksspiele verfolgten Politik nichts ersichtlich (VGH München, Urteil vom 18. Dezember 2008 - 10 BV 07 558 -, juris).

55

Angesichts des weiten Beurteilungsspielraums des Gesetzgebers ist davon auszugehen, dass auch im Hinblick auf die Möglichkeit der Wettbetätigung bei Pferderennen und das gewerbliche Spiel Regelungen zur Begrenzung des Spiels und zur Eindämmung der Spielsucht getroffen wurden, die den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts genügen (wie hier: VG Oldenburg, Beschluss vom 2. April 2008 - 2 B 489/08 -; Beschluss vom 1. April 2008 - 12 B 256/08 -; OVG Hamburg, Urteil vom 25. März 2008 - 4 Bs 5/08 -, a.a.O.; OVG Münster, Beschluss vom 22. Februar 2008 - 13 B 1215/07 -; VGH Mannheim, Beschluss vom 17. März 2008 - 6 S 3069/07 -, a.a.O.; VG Koblenz, Urteil vom 26. März 2008 - 5 K 1512/07.KO -; VG Potsdam, Beschluss vom 2. April 2008 - 3 L 687/07 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 12. März 2008 - 4 K 207/08 -; VG Stuttgart, Urteil vom 1. Februar 2008 - 10 K 2990/04 -, a.a.O.; vgl. auch die Darstellung in der Mitteilung der Bundesregierung zum Vertragsverletzungsverfahren vom 20. Mai 2008, ZfWG 2008, 173 [184 f.], Rdnr. 97 ff.). Im Hinblick auf die insbesondere das Glücksspiel in Spielhallen betreffenden Regelungen des Bundes ist ein ausreichendes Mindestmaß an Spielerschutz festzustellen. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat insoweit mit Beschluss vom 22. Februar 2008 - 13 B 1215/07, a.a.O. - Folgendes ausgeführt:

"Nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Überprüfung kann der Senat nicht feststellen, dass das bundesrechtlich geregelte gewerbliche Spiel diesen Voraussetzungen offensichtlich nicht genügt. Das in der Spielverordnung (Fassung der Bekanntmachung vom 27. Januar 2006 (BGBl. I S. 280) geregelte gewerbliche Spielrecht wird ebenso wie die vom GlüStV erfassten Glücksspiele von den Aspekten des Spielerschutzes dominiert. Beispielhaft benannt werden können insoweit Einsatz-, Verlust- und Gewinnbeschränkungen nach § 13 SpielV, das Verbot der Gewährung von Rabatten/Zugaben für Vielspieler oder das Jackpot-Verbot nach § 9 SpielV. Nach § 10 SpielV ist Kindern und Jugendlichen der Zugang zu öffentlichen Spielhallen oder ähnlichen dem Spielbetrieb dienenden Räumen grundsätzlich nicht gestattet. Manipulationen etwa im Sinne einer Bevorzugung besonders "lukrativer Kunden" oder einer öffentlichkeitswirksamen Ausschüttung wird vorgebeugt, indem die Bauart eines Geldspielgerätes nach § 13 SpielV nur unter besonderen Anforderungen durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt zugelassen werden darf.

Vgl. BT-Drucksache 16/5687, S. 1 zur Gewährleistung des Spielerschutzes bei Geldspielgeräten.

Die zum 1. Januar 2006 erfolgte Änderung der Spielverordnung lässt nicht zwangsläufig auf eine dem Ziel der Bekämpfung der Spielsucht entgegenstehende Lockerung des Glücksspiels schließen.

Vgl. kritisch das ergänzende Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom 21. März 2007 (Anm. 38), abgedruckt als Anlage 2c zu LT-Drucksache 14/4892.

Zwar wurde die Zahl der in einer Gaststätte zugelassenen Geld- und Warenspielgeräte von zwei auf drei und die in Spielhallen zulässige Zahl durch die Neufassung von 10 auf 12 Geräte erhöht; zudem wurde die Mindestquadratmeterzahl von 15 auf 12 qm reduziert. Darüber hinaus erfolgte eine Reduzierung der Mindestspieldauer von 12 auf 5 Sekunden bei gleichzeitiger Erhöhung der Verlustgrenze von 60 auf 80 Euro pro Stunde. Allerdings wurden mit der Änderung der SpielV zugleich auch wichtige Forderungen der Länder zum Schutz der Spieler durchgesetzt. So wurde das Verbot der unter Spielerschutzaspekten besonders problematischen Fun Games in § 6a SpielV aufgenommen,

vgl. zur Entwicklung der Fun Games, BR-Drucksache 655/05, S. 9,17,

ferner in § 9 Abs. 2 SpielV das Verbot von Jackpotsystemen und sonstigen Gewinnschancen und Vergünstigungen. Mit § 6 Abs. 4 SpielV wurde überdies erstmals eine Verpflichtung zur Anbringung von Warnhinweisen und Hinweisen auf Beratungsmöglichkeiten bei pathologischem Spielverhalten vorgeschrieben. Weiterhin wurde die Verpflichtung begründet, einschlägiges Informationsmaterial über Risiken bei übermäßigem Spielen sichtbar auszulegen. Mit diesen Maßnahmen beabsichtigte der Gesetzgeber, die Maßnahmen zur Vorbeugung zum Schutz gefährdeter oder bereits erkrankter Spieler zu verstärken. Ferner sollte mit der Herabsetzung der Mindestlaufzeit der Spielgeräte von 12 auf 5 Sekunden dem Spielerschutz Rechnung getragen werden. Die kurze Spielzeit verhindere, so der Gesetzgeber, das von Spielsuchtgefährdeten oft praktizierte Bespielen von mehreren Geräten.

Vgl. BR-Drucksache 655/05, S. 10; vgl. aber kritisch Meyer, Stellungnahme zu dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit für die Novellierung der Spielverordnung, S. 4, wonach die Spielfrequenz ein zentrales strukturelles Merkmal ist, das für ein hohes Sucht- und Gefahrenpotenzial von Glücksspielen verantwortlich ist.

Die drastische Herabsetzung der Mindestspieldauer von 12 auf 5 Sekunden hat letztlich auch keine entsprechende Erhöhung der Verlustmöglichkeiten zur Folge, da die Verluste pro Stunde durch § 13 Abs. 3 SpielV auf 80 Euro begrenzt werden.

Vgl. BR-Drucksache 655/05, S. 24.

Die Bundesregierung verweist ferner auf den ihrer Ansicht nach entscheidenden Unterschied zwischen der bundes- und landesrechtlichen Ausgestaltung des Spielrechts, der darin besteht, dass angesichts der geringeren Verlustmöglichkeiten im "kleinen Spiel" für dieses ein gewerberechtliches System gelte, das auch keinen spezifischen Spielabgaben unterworfen sei.

Vgl. BT-Drucksache 16/6551, S. 5.; BR-Drucksache 655/05, S. 10, 25.

Dass die vom Bundesgesetzgeber getroffenen Maßnahmen unter Berücksichtigung des weiten gesetzgeberischen Spielraums offensichtlich ungeeignet oder unzureichend sind, um dem in diesem Sektor erforderlichen Spielerschutz hinreichend Rechnung zu tragen, lässt sich im vorliegenden Verfahren nicht feststellen.

Dabei ist wegen der fehlenden Monopolstruktur und des Fehlens eines damit verbundenen grundrechtlichen bzw. gemeinschaftsrechtlichen Eingriffs nicht erforderlich, dass die in der SpielV getroffenen Anforderungen an den Spielerschutz den strengen Anforderungen des Glücksspielstaatsvertrages in jeder Hinsicht entsprechen. Im Hinblick auf das den Geldspielautomaten zukommende erhebliche Suchtpotenzial dürfte aber gleichwohl eine intensive Beobachtung der Entwicklung erforderlich sein.

Vgl. BR-Drucksache 655/05, S. 11, wonach vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit binnen vier Jahren nach Inkrafttreten der neuen Bestimmungen der SpielV ein Bericht vorzulegen ist, der sich insbesondere zur Problematik des pathologischen Glücksspiels verhalten soll.

Den Kohärenzanforderungen genügt bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung auch das Rennwett- und Lotteriegesetz vom 8. April 1922 (RGBl. I S. 335), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407), zumal auch dieses Regelungen zur Eingrenzung von Suchtgefahren enthält. So sieht es etwa im Rahmen der Erteilung der erforderlichen Erlaubnis in § 2 Abs. 2 Beschränkungen und Auflagen zu den Örtlichkeiten der Wettannahme und zu den Personen, die Wetten annehmen oder vermitteln dürfen, vor.

An einer Kohärenz fehlt es ferner nicht deswegen, weil Lotterien, anders als die gewerblichen Spiele mit hohem Suchtpotenzial, in den Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages einbezogen wurden. Der Gesetzgeber hat Lotterien dem staatlichen Monopol unterstellt, weil er davon ausgeht, dass diesen, je nach Ausgestaltung eine erhebliche Auswirkung auf den Spieltrieb zukommen kann.

Vgl. Erwiderung der Bundesregierung vom 12. Juni 2006 auf das Aufforderungsschreiben der EU -Kommission vom 10. April 2006, Anlage 2b der LT-Drucksache 14/4849.

Dies ist nicht zu beanstanden, zumal auch der EuGH

vgl. Urteil vom 24. März 1994, Rs. C-275/92, Schindler, Slg. 1994, S I-01039,

dargelegt hat, dass Lotterien angesichts der Höhe der Beträge, die durch sie eingenommen werden können, und der Höhe der Gewinne, die sie den Spielern bieten können, vor allem wenn sie in größerem Rahmen veranstaltet werden, die Gefahr von Betrug und anderen Straftaten erhöhen. Außerdem verleiteten sie zu Ausgaben, die schädliche persönliche und soziale Folgen haben könnten. Letztlich hat der Gesetzgeber einem möglichen geringeren Gefährdungspotenzial einzelner Lotterieveranstaltungen dadurch Rechnung getragen, dass er im Dritten Abschnitt des Glückspielstaatsvertrages besondere Regelungen für Lotterien mit geringerem Gefährdungspotenzial aufgenommen hat.

Unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ist daher auch insoweit nicht zu beanstanden, dass die Bundesregierung gegenwärtig (noch) keine Notwendigkeit sieht, die Regelungen für das gewerbliche Automatenspiel in der Spielverordnung sowie die entsprechenden Regelungen für Pferdewetten in Anpassung an die Beschränkungen des Glücksspielstaatsvertrages zu ändern.

Vgl. BT-Drucksache 16/5166, S. 21,16/5687, S. 6."

56

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an. Ergänzend ist anzumerken, dass die Länder bei der Novelle der Spielverordnung (i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Januar 2006, BGBl. I, S. 280) wesentliche Forderungen zum Schutz der Spieler und der Allgemeinheit durchgesetzt haben, so das Verbot der unter Spielerschutzaspekten besonders problematischen Fun Games, das Verbot von Jackpotsystemen und sonstigen Gewinnchancen und Vergünstigungen (vgl. Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag, LT-Drs. 15/4090, S. 63). Insoweit kann nicht festgestellt werden, dass bundesrechtliche Regelungen den Spielerschutz in unzulässiger Weise außer Betracht ließen.

57

Im Bereich der Pferdewetten ist die Nichteinbeziehung in das staatliche Wettmonopol gerechtfertigt, weil nicht ersichtlich ist, dass dieser überschaubare Bereich (nur 0,5 bis 1 % des Gesamtumsatzes der Glücksspielanbieter entfallen auf Pferdewetten) besondere Gefahren mit sich bringt und deshalb besonders regelungsbedürftig wäre. Angesichts der geringeren Anbieter- und Teilnehmerzahlen ist es im Hinblick auf Rennwetten ausreichend, die privaten Veranstalter einer staatlichen Kontrolle zu unterwerfen. Pferdesportwetten werden zudem seit Jahrzehnten von privaten Veranstaltern angeboten, ohne dass es zu einer mit dem Bereich der Sportwetten vergleichbaren Dynamik gekommen wäre.

58

Der von der Klägerin angenommene Verstoß der von ihr benannten Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages und des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes gegen wettbewerbsrechtliche Regelungen des EG-Vertrages (Art. 81 ff. EG) scheidet bereits im Ansatz aus. Auf - wie hier - der Vermeidung von Anreizen für überhöhte Ausgaben für das Spielen dienende ordnungsrechtliche Einschränkungen wirtschaftlicher Betätigungsmöglichkeiten sind die im Interesse des Verbraucherschutzes erlassenen wettbewerbsrechtlichen Regelungen des EG-Vertrages nicht anwendbar. Wegen der auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hervorgehobenen nachteiligen Auswirkungen des Glücksspiels auf die Gesundheit und die Sozialordnung wird der in Art. 81 ff. EG bezweckte Verbraucherschutz nicht durch eine Öffnung der Märkte, sondern durch deren Reglementierung bewirkt (vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 14. Oktober 2008 in der Rechtssache C-42/07 - Liga Portuguesa -, Rdnr. 245 ff. -, ZfWG 2008, 323). Hinzu kommt, dass die von der Klägerin beklagte Einschränkung der Vertriebswege und die Regionalisierung der Märkte nicht auf einem wirtschaftlichen Verhalten der Lotteriegesellschaften, sondern auf einer legislativen-Entscheidung des jeweiligen Landesgesetzgebers beruhen. Rein hoheitliches Handeln unterliegt jedoch nicht dem Anwendungsbereich des Art. 82 EG. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das hoheitliche Handeln - wie vorliegend - ordnungspolitisch und nicht wettbewerbsrechtlich motiviert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 - KVR 31/06 -, NJW RR 2007, 267 RdNrn. 55 ff.; VGH München, Urteil vom 18. Dezember 2008 - 10 BV 07 558 -, juris Rdnr. 123).

59

Die Kosten des Verfahrens sind insgesamt der Klägerin aufzuerlegen. Dies folgt, soweit der Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, aus § 161 Abs. 2 VwGO. Die auf die Feststellung gerichtete Klage, dass die Klägerin nicht die Beschränkungen des § 25 Abs. 6 GlüStV zu beachten hat, wäre bei streitiger Entscheidung aus den vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 14. Oktober 2008 genannten Gründen abzuweisen gewesen, so dass es der Billigkeit entspricht, insoweit die Klägerin mit den Kosten zu belasten. Im Übrigen hat die Klägerin als Unterlegene die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.

60

Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da die Rechtssache jedenfalls im Hinblick auf die Frage, ob das Verbot der Vermittlung von Lottoprodukten im Internet gegen höherrangiges Recht verstößt, grundsätzliche Bedeutung hat.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 560 900,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 1 GKG.

Reccius
Kärst
Matthias