Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 06.11.2008, Az.: 4 A 2483/08
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 06.11.2008
- Aktenzeichen
- 4 A 2483/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 45441
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2008:1106.4A2483.08.0A
Verfahrensgang
In der Verwaltungsrechtssache
Streitgegenstand: Anfechtung einer Genehmigung für ein Tiergehege/ Halten gefährlicher Tiere -Nachbarklage
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 4. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Behrens, den Richter am Verwaltungsgericht Kleine-Tebbe, die Richterin am Verwaltungsgericht Schraeder sowie die ehrenamtlichen Richter Arend und Brennecke für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 12.09.2007 und der Widerspruchsbescheid vom 02.04.2008 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Aufhebung der Genehmigung zur Errichtung eines Tiergeheges für Geparde und einer Genehmigung nach der Gefahrtierverordnung.
Die Klägerin bewohnt ein Fachwerkgebäude, ein ehemaliges Häuslingshaus, südlich und nördlich des Haupthauses liegen die beiden ehemaligen Stall- und Scheunengebäude, ebenfalls aus Fachwerk mit backsteingefüllten Gefachen. Die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks ist mittlerweile aufgegeben, die Klägerin hält auf dem Grundstück in einem Gehege Damwild. Südlich an das Grundstück grenzt das der Ehefrau des Beigeladenen gehörende Grundstück Schamwege 6 (Flur 2, Flurstück 34/9 der Gemarkung Sieden) mit einem Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten massiven Wohnhaus und einem lang gezogenen großen ausschließlich aus Backstein errichteten Wirtschaftsgebäude.
Beide Grundstücke liegen am Südrand der Ansiedlung Schamwege im unbeplanten Bereich der Gemeinde Borstel. Im Flächennutzungsplan der Samtgemeinde Siedenburg wird das Gebiet der Ansiedlung als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt.
Die für die dargestellten Grundstücke vergebenen Hausnummern lauten von Ost (= rechts) nach West (= links) Schamwege 4 bis 13:
Mit Schreiben vom 05.04.2007 beantragte der als Detektiv tätige Beigeladene die Genehmigung eines Tiergeheges gem. § 45c NNatG für die Haltung und Zucht von Geparden auf seinem Grundstück nebst einer Genehmigung nach der Gefahrtierverordnung. Nach dem Antrag grenzt das Gehege an die Westseite des Wohnhauses u.a. vor dem dortigen Wohnzimmer. Nach den Planunterlagen führen von dort eine Tür und ein Fenster zum Gehege. Das Gehege bilden danach "Zaunelemente mit Maschengröße = 4 cm - Drahtstärke = 4 mm". Im Westen bildet der Grundstückszaun den Gehegeabschluss.
Obwohl die Samtgemeinde und Nachbarn, u.a. die Klägerin, Bedenken äußerten, erteilte der Beklagte mit Bescheid vom 12.09.2007 dem Beigeladenen die Genehmigung zum Betrieb eines Tiergeheges für die Haltung von 2 gleichgeschlechtlichen Geparden einschließlich eventueller Nachzuchten bis höchstens zum Alter von 6 Monaten. Zugleich erteilte der Beklagte dem Beigeladenen die Genehmigung zum nichtgewerbsmäßigen Züchten und Halten von Geparden nach der Gefahrtierverordnung.
Mit Schreiben vom 12.09.2007 übersandte der Beklagte der Klägerin den Bescheid vom 12.09.2007 an den Beigeladenen und belehrte die Klägerin darüber, dass gegen die Genehmigung innerhalb eines Monats Widerspruch erhoben werden könne.
Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 26.09.2007 Widerspruch gegen die "Genehmigung nach dem Niedersächsischen Naturschutzgesetz für die Haltung von Geparden" ein und begründete diesen damit, dass das Vorhaben des Beigeladenen in einem Bereich liege, der aufgrund Bebauungszusammenhangs die Qualität eines Ortsteils aufweise. Der Bereich sei daher bauplanungsrechtlich nach § 34 BauGB zu beurteilen und die Errichtung eines Gepardengeheges daran gemessen unzulässig. Selbst wenn das Vorhaben im Außenbereich liege, ergebe sich die Unzulässigkeit des Vorhabens daraus, dass es gegen das Rücksichtnahmegebot verstieße. Geparde seien als gefährliche Tiere einzustufen, ihre Haltung rufe eine unzumutbare psychische Belastung in der Nachbarschaft hervor.
Mit Bescheid vom 02.04.2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Das Vorhaben befinde sich im Außenbereich der Gemeinde Borstel und sei nach § 35 Abs. 2 BauGB planungsrechtlich zulässig. Das Gebot der Rücksichtnahme sei mangels Unzumutbarkeit nicht verletzt. Die geplante Anlage liege abgewandt von vorhandener Wohnbebauung und das nächste Wohngebäude stehe in mehr als 50 m Entfernung.
Die Klägerin hat am 08.05.2008 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren und - ausdrücklich mit Schriftsatz vom 23.06.2008, eingegangen bei Gericht am 25.06.2008 - auch darauf, dass dem Beigeladenen die Zuverlässigkeit fehle, einen Gepardbestand in dem geplanten Gehege zu kontrollieren. Nachdem die Klägerin mit der Klageschrift zunächst beantragt hat, "den Bescheid des Beklagten vom 12.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2008 aufzuheben und die Genehmigung zum Betrieb eines Tiergeheges auf dem Flurstück 34/9 der Flur 2 der Gemarkung Sieden dem Beigeladenen zu versagen", beantragt sie in der mündlichen Verhandlung,
den Bescheid des Beklagten vom 12.09.2007 und den Widerspruchsbescheid vom 02.04.2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
weil das Vorhaben aus den Gründen des Widerspruchsbescheides planungsrechtlich zulässig sei und sich die Klägerin gegen die Genehmigung nach der Gefahrtierverordnung erst nach Ablauf der Klagefrist wende.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag und unterstützt den Vortrag des Beklagten.
Der von der Kammer beauftragte Berichterstatter hat die Örtlichkeiten am 05.11.2008 in Augenschein genommen, auf das hierüber gefertigte Protokoll wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des beklagten.
Entscheidungsgründe
Die streitige Genehmigung vom 12.09.2007 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 02.04.2008 sind - auch in der in der Sitzung vom 06.11.2008 gefundenen Fassung - nicht rechtmäßig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Die sowohl gegen die Genehmigung zum Betrieb eines Tiergeheges als auch die Genehmigung zum nichtgewerbsmäßigen Züchten und Halten von Geparden nach der Gefahrtierverordnung in dem Bescheid vom 12.09.2007 gerichtete Anfechtungsklage ist zulässig.
Soweit sich die Klage gegen die Genehmigung zum Betrieb eines Tiergeheges richtet, hat die Klägerin die vor Erhebung der Anfechtungsklage von § 68 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 8a Abs. 3e Nds. AG VwGO vorgesehene Nachprüfung des Verwaltungsakts veranlasst und rechtzeitig nach Erlass des Widerspruchsbescheides innerhalb der Monatsfrist Klage erhoben.
Soweit sich die Klage gegen die Genehmigung zum nichtgewerbsmäßigen Züchten und Halten von Geparden nach der Gefahrtierverordnung richtet, fand zu Recht nach § 8a Abs. 1 Nds. AG VwGO keine Nachprüfung in einem Vorverfahren, statt, so dass die Klage unmittelbar gegen den Bescheid vom 12.09.2007 zu richten war. Die am 08.05.2008 oder jedenfalls spätestens am 25.06.2008 auch hiergegen erhobene Klage wahrt die Klagefrist. Zwar muss die Anfechtungsklage nach § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden, doch beginnt nach § 58 Abs. 1 VwGO diese Frist nur zu laufen, wenn der Beteiligte u.a. über den Rechtsbehelf belehrt worden ist. Der Beklagte und der Beigeladene können der Klägerin deshalb nicht vorhalten, dass ihr bereits im September 2007 der Bescheid vom 12.09.2007 bekannt gegeben worden und die Frist deshalb verstrichen sei, weil das Anschreiben des Beklagten vom 12.09.2007 an die Klägerin diese in unzutreffender Weise darüber belehrt, dass sie (auch) gegen die Genehmigung zum nichtgewerbsmäßigen Züchten und Halten von Geparden nach der Gefahrtierverordnung Widerspruch erheben könne. Ist die Rechtsmittelbelehrung unrichtig erteilt, ist nach § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Eröffnung des Verwaltungsakts zulässig. Die Klage der Klägerin richtete sich auch innerhalb der Frist gegen die Genehmigung zum nichtgewerbsmäßigen Züchten und Halten von Geparden nach der Gefahrtierverordnung. Der ursprüngliche Klageantrag, "den Bescheid des Beklagten vom 12.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2008 aufzuheben und die Genehmigung zum Betrieb eines Tiergeheges auf dem Flurstück 34/9 der Flur 2 der Gemarkung Sieden dem Beigeladenen zu versagen" eröffnet die Interpretation, dass nicht der Bescheid vom 12.09.2007 in seiner Gesamtheit, sondern nur in der Form, die er durch den Widerspruchsbescheid, also beschränkt auf die Genehmigung zum Betrieb eines Tiergeheges, angegriffen werde, weil ansonsten der zweite Halbsatz als entbehrlich angesehen werden könnte. Diese einschränkende Auslegung widerspricht jedoch der Maxime in § 88 VwGO, dass das Gericht zwar über das Klagebegehren nicht hinausgehen darf, aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden ist. Damit ist dem Gericht die Auslegung des Klageantrags nach dem Parteiwillen möglich und dieser richtet sich, wie dem Schriftsatz vom 23.06.2008 zu entnehmen ist, der die Zuverlässigkeit der Gepardenhaltung in Frage stellt, ohne Zweifel auch gegen die Genehmigung zum nichtgewerbsmäßigen Züchten und Halten von Geparden nach der Gefahrtierverordnung.
Die Klägerin kann sich auch als Nachbarin gegen die Genehmigungen wenden. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Klage eines Grundstückseigentümers gegen eine einem anderen (Nachbarn) erteilte Genehmigung nur dann zum Erfolg führen, wenn dieser Bescheid rechtswidrig ist und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt. Eine Genehmigung verletzt einen Nachbarn dann in seinen Rechten, wenn sie mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht vereinbar sind, die - zumindest auch - die Funktion haben, aus dem öffentlichen Recht erwachsende nachbarliche Rechte oder Belange zu schützen. Eine Verletzung derartiger Rechte kann die Kläger mit Erfolg geltend machen.
Die Klage ist auch begründet
Die dem Beigeladenen erteilte Tiergehegegenehmigung ist rechtswidrig. Nach § 45c Abs. 1 S. 1 NNatG bedürfen die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von Tiergehegen der Genehmigung der Naturschutzbehörde. Das Vorhaben betrifft ein Tiergehege, das nach § 45c Abs. 1 NNatG definiert ist als eine dauerhafte Einrichtung, in der Tiere wild lebender Arten außerhalb von Wohn- und Geschäftsgebäuden während eines Zeitraums von mindestens sieben Tagen im Jahr gehalten werden, und die kein Zoo und kein Jagdgehege sind. Nach § 45c Abs. 3, 1 Hs. NNatG gelten für die Tierhegegenehmigung § 45 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b, Nrn. 2 und 6 und § 45a NNatGgelten entsprechend. Nach § 45a Abs. 3 NNatG schließt die Tierhegegenehmigung eine Baugenehmigung ein. Und da nach § 45 Abs. 3 Nr. 6 NNatG die Genehmigung nur erteilt werden darf, wenn sichergestellt ist, dass andere öffentlich-rechtliche Vorschriften, insbesondere des Baurechts, des Tierschutzrechts und des Artenschutzrechts, nicht entgegenstehen, hat die Tierhegegenehmigung die Vorgaben (auch) des Bauplanungsrechts zu beachten.
Die in dieser genehmigte bauliche und von der Klägerin beanstandete Nutzung verstößt gegen § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO, da ein Gepardengehege nicht zu den gem. § 5 Abs. 2, Abs. 3 BauNVO in einem Dorfgebiet zulässigen baulichen Anlagen zählt. § 34 Abs. 2 BauGB ist gem. § 29 Satz 1 BauGB anwendbar, da es sich bei der Errichtung des Außengeheges um ein Vorhaben handelt, das die Errichtung von baulichen Anlagen zum Inhalt hat und einer bauaufsichtlichen Genehmigung bedarf. Dem Vorhaben kommt auch die erforderliche planungsrechtliche Relevanz zu. Diese ist zu bejahen, wenn ein Vorhaben die in § 1 Abs. 5 BauGB genannten Belange in einer Weise berühren kann, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen" ( BVerwG, Urteil vom 31.08.1973 - IV C 33.71 -, BVerwGE 44, 59 <62> ) . Hier sind die Belange des § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB berührt, nämlich die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse sowie die Sicherheit der Wohnbevölkerung.
Das Vorhaben des Beigeladenen liegt entgegen der Annahme des Beklagten und des Beigeladenen in einem Ortsteil i.S.d. § 34 BauGB, nämlich der Ansiedlung Schamwege unter Einschluss der Grundstücke der Beteiligten, und nicht im Außenbereich, so dass der bauplanungsrechtliche Maßstab nicht § 35 BauGB zu entnehmen ist.
Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
Ein Ortsteil in diesem Sinne ist ein Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt, die den Eindruck von Geschlossenheit vermittelt, und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (zu den Maßstäben im Folgenden grundlegend BVerwG, Urteil vom 06.11.1968 - IV C 31.66 -, BVerwGE 31, 22 [BVerwG 06.11.1968 - BVerwG IV C 31.66]; siehe ebenso OVG Lüneburg, Urteil vom 31.05.2007 - 1 LB 223/05 -, BauR 2007, 1848 [OVG Niedersachsen 31.05.2007 - 1 LB 223/05]-1851).
Entgegen der Auffassung des Beklagten besitzt die Ansiedlung Schamwege unter Einschluss der Grundstücke der Beteiligten das für einen Ortsteil erforderliche Gewicht. Angesichts der Verschiedenheit der Verhältnisse des Einzelfalls erlaubt es die Anforderung eines Bebauungskomplexes mit einem gewissen Gewicht nicht, sich hierfür auf eine genau bestimmte Mindestzahl von Bauten festzulegen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichte (Beschluss vom 19.04.1994 - 4 B 77/94 -, NVwZ-RR 1994, 555) besitzt jedoch die Ansammlung von nur vier Wohngebäuden regelmäßig nicht das für einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil i.S. von § 34 BauGB erforderliche Gewicht. Dieses schloss der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 11.12.1998 - 2 B 92.3565 -, JURIS) auch bei sechs landwirtschaftlichen Hofstellen und zwei allein stehenden Wohnhäusern aus, da selbst nach den Maßstäben dünner besiedelter Gebiete eine Siedlung der bezeichneten Größe kein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine weitere bauliche Fortentwicklung sei. Dasselbe Gericht erkannte selbst bei einer Ansiedlung mit elf Gebäuden das erforderliche Gewicht nicht, weil es in diesem Fall auf das Gewicht im Verhältnis zur bereits vorhandenen Bebauung abstellte und dabei zu dem Schluss kam, dass die Ansiedlung in einem offensichtlich quantitativen Missverhältnis zu der Größe und dem Erscheinungsbild der sonst im Stadtgebiet vorhandenen Siedlungsschwerpunkte stand (Urteil vom 13.07.1982 - 1 B 81 A.2189 -, BayVBl 1983, 628). Ebenso fehlt das nötige Gewicht, wenn die Bebauung nach der Art der Bauten und Anlagen in qualitativer Hinsicht mit den Siedlungsschwerpunkten der Gemeinde nicht vergleichbar ist.
Bei der somit maßgebenden umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der - hier nur maßgebliche - Kern der Ansiedlung Schamwege (d.h. die Grundstücke mit den Hausnummern Schamwege 4 bis 13) einen Bebauungskomplex von einigem Gewicht darstellt und den Eindruck von Geschlossenheit vermittelt. Schamwege gehört zur Gemeinde Borstel, die wiederum aus Bockhop, Borstel, Campen und Sieden besteht. Zu dem Ortsteil Sieden zählt auch Schamwege. Nach der Kartenlage und dem Ergebnis der Beweisaufnahme besteht Schamwege aus 9 aus landwirtschaftlichen Gründen errichteten Gebäudekomplexen (Schamwege 5 bis 13) und einem Wohngrundstück am Ostrand (Schamwege 4). Die landwirtschaftlichen Gebäudekomplexe besitzen jeweils ein großes massives Wohnhaus und meist mehrere Wirtschaftsgebäude (besonders Schamwege 9, 10, 13), die im Volumen die Wohnhausgröße erreichen bzw. übersteigen (besonders Schamwege 5, 6, 9, 10, 11, 13). So kommen insgesamt ca. 30 Gebäude zusammen. Die Wohnhäuser besitzen wenigstens 1 1/2 Geschosse. Die Ansiedlung besitzt so einiges Gewicht und vermittelt auch den Charakter der Geschlossenheit, da die Gebäude dicht aneinander gerückt sind und der größte Abstand untereinander (zwischen den Wohnhäusern Schamwege 7 und 8) knapp 100 m beträgt.
Die so umrissene Ansiedlung Schamwege ist auch Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur. Letztere erfordert nicht, dass es sich um eine nach Art und Zweckbestimmung einheitliche Bebauung handeln müsste. Auch eine unterschiedliche, sogar eine in ihrer Art und Zweckbestimmung gegensätzliche Bebauung kann einen Ortsteil bilden. Hier ist die Bebauung insoweit einheitlich, als in Schamwege fast nur landwirtschaftliche Gebäude vorzufinden sind. Ebenso wenig kommt es auf die Entstehungsweise der vorhandenen Bebauung an. Erforderlich ist auch nicht, dass die Bebauung einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entspricht, eine bestimmte städtebauliche Ordnung verkörpert oder als eine städtebauliche Einheit in Erscheinung tritt. Der Ortsteil braucht sich ferner nicht als ein Schwerpunkt der baulichen Entwicklung eines Gemeinwesens darzustellen. Das ist für das Vorliegen eines Ortsteils lediglich ausreichend, nicht dagegen notwendig. Auch wenn es an alledem fehlt, kann ein - nach der Zahl seiner Bauten nicht ungewichtiger - Bebauungszusammenhang Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur sein. Diese Anforderung schließt nämlich nur das ein, was in Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB) den inneren Grund für die Rechtsfolge des § 34 BauGB entspricht, nämlich die nach der Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung der Bebauung innerhalb des gegebenen Bereichs. Die Siedlung Schamwege ist insofern planvoll entstanden, als ihre landwirtschaftlichen Gebäude insoweit aufeinander bezogen sind, als dass sie aneinander heranrücken. Die Siedlungsstruktur entspricht insofern in verkleinerten Maßstab derjenigen der Nachbarsiedlungen Campen und Sieden. Gegen eine unerwünschte Splittersiedlung spricht auch die Entstehungsgeschichte des Ortsteils (zu diesem heranziehbaren Moment OVG Lüneburg, Urteil vom 31.05.2007, a.a.O.). Die Ursprünge von Schamwege liegen wenigstens in der frühen Neuzeit, denn der Ort war 1582 Gegenstand der Streitigkeiten der Ämter Siedenburg und Nienburg um ihre Abgrenzung und Zuständigkeit in den Dörfern Sieden, Schamwege, Campen, Brockhoff und Päpsen. Schamwege ist auf einem Kartenblatt der Kurhannoverschen Landesaufnahme (Blatt 49 "Nienburg") von 1771 (vgl. http://historische-karten.on-geo.de) dargestellt. Als selbständige Ortschaft existierte Schamwege bis zu dem Hannoverschen Landgemeindegesetz vom 28.04.1859, mit dem die Gemeinde "Sieden-Schamwege" entstand (zu allem vgl. http://www.borstel-online.de/k-spiel10.html). In der heutigen Ansiedlung verkörpern die existenten Baukörper nach den Erbauungsdaten an den Haupthäusern den Zustand aus der Mitte des 19. Jahrhunderts (Schamwege 9 bis 12) und dem Anfang des 19. Jahrhunderts (Schamwege 6 und 13). Eine städtebaulich sinnvolle Fortentwicklung der ursprünglichen Siedlungsform in Schamwege ist zwanglos mit der Errichtung landwirtschaftlicher Gebäude möglich, so dass es an der organischen Siedlungsstruktur nicht deshalb fehlt, weil siedlungsstrukturelle Besonderheiten diese ausschließen (vgl. hierzu OVG Lüneburg, Urteil vom 31.05.2007, a.a.O.). Angesichts der historisch organisch gewachsenen Struktur von Schamwege kann das Gericht der Siedlung die organische Struktur nicht deshalb absprechen, weil Infrastruktureinrichtungen im Wesentlichen fehlen. Das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 19.04.1994, a.a.O.) stellte auf fehlende Infrastruktur bei einer Ansammlung von nur 4 Wohngebäuden ab und verneinte deshalb die organische Siedlungsstruktur. Die Häuser in Schamwege sind an die Kanalisation von Borstel angeschlossen, weitere der Gemeinschaft dienende Einrichtungen fehlen - abgesehen von einem privat angelegten Bolzplatz - völlig. Die Kammer kann jedoch von einer "Bauernschaft", die (fast) nur aus landwirtschaftlichen Gebäuden besteht, wenig gemeinsame Struktureinrichtungen verlangen, da das alltägliche (auch Gemeinschafts-)Leben in den großen Hofgebäuden praktisch gelebt werden kann.
Gegen die Annahme eines Ortsteils spricht auch nicht, dass die Fläche von Schamwege im Flächennutzungsplan als Fläche für die Landwirtschaft bezeichnet ist. Die Darstellung besitzt allenfalls eine Indizwirkung für tatsächliche, die Kraft öffentlicher Belange abschwächende Umstände (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.1985 - 4 C 29.81 -, NuR 1986, 73; Beschluss vom 04.07.1990 - 4 B 103.90 -, NuR 1991, 426). Insoweit mag für die Beurteilung der Frage, ob ein Innen- oder Außenbereich vorliegt, dem Flächennutzungsplan Indizwirkung in dem Sinne zukommen, dass die Darstellung von Flächen für die Landwirtschaft Anlass gibt, die nach den Umständen des Einzelfalls getroffene Beurteilung zu überprüfen. Für die Richtigkeit der Beurteilung selbst folgt daraus aber nichts (vgl. zu vorstehendem VGH Mannheim, Urteil vom 14.11.2006 - 5 S 330/06 -, VBlBW 2007, 305-308).
Liegt mit der Ansiedlung Schamwege ein Ortsteil vor, partizipieren auch die Grundstücke der Klägerin und des Beigeladenen an dem baulichen Zusammenhang, so dass sie nach § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB Teil des im Zusammenhang bebauten Ortsteils sind. Der erforderliche Bebauungszusammenhang reicht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl.z.B. Urteil vom 06.11.1968 - IV C 2.66 -, BVerwGE 31, 20, 21 [BVerwG 06.11.1968 - IV C 2.66] ), (nur) so weit, wie die aufeinander folgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit (Zusammengehörigkeit) vermittelt ( BVerwG, Urteil vom 15.05.1997 - 4 C 23.94 -, NVwZ 1998, 58 [BVerwG 15.05.1997 - 4 C 23/95]). Der Bebauungszusammenhang erfordert eine tatsächlich aufeinander folgende, zusammenhängende Bebauung; auf deren Qualität kommt es (grundsätzlich) nicht an. Mögliche Bestandteile eines derartigen Bebauungszusammenhangs sind erstens bebaute Grundstücks, zweitens unbebaute, aber bebauungsfähige Grundstücke (Baulücken im engeren Sinne) sowie drittens freie Flächen, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit (etwa stehendes oder fließendes Gewässer) oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung (zu letzteren sind Sportplätze und Erholungsflächen zu zählen) einer Bebauung entzogen sind ( BVerwG, Urteil vom 01.12.1972 - IV C 6.71 -, BVerwGE 41, 227 [BVerwG 01.12.1972 - BVerwG IV C 6.71] ). Die Bebauung von Schamwege orientiert sich an zwei wohl namenlosen parallel in Ost-West-Richtung führenden Straßen (im Ortsübersichtsplan des Verwaltungsvorgangs teilweise als "Schamweger Straße" und "GVS 8.5" bezeichnet), die im Osten miteinander durch eine namenlose Nord-Süd-Straße (lt. Ortsübersichtsplan wohl "Schamweger Straße") verbunden sind. Die Bebauung liegt an den beiden Hauptstraßen auf einer Weise so angeordnet, dass die beiden Bauzüge im Osten ineinander greifen (Schamwege 7 und 8). Dort beträgt der durch den weitläufigen Baumbewuchs der Hofflächen ohnehin optisch geminderte Abstand der Haupthäuser ca. 100 m. Der zwischen den Häusern verlaufende Entwässerungsgraben entfaltet in der Natur keine trennende Wirkung. Es ist gut 1 m breit und führte bei der Ortsbesichtigung kein Wasser.
In dem Ortsteil Schamwege beurteilt nach § 34 Abs. 2, 1. Hs. BauGB die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der BauNVO in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre, denn die Eigenart der näheren Umgebung, die für die Beurteilung der zulässigen Art der baulichen Nutzung gemäß § 34 Abs. 2 BauGB maßgeblich ist, entspricht einem Dorfgebiet im Sinne von § 5 BauNVO. Wie die Ortsbesichtigung durch das Verwaltungsgericht ergeben hat und worüber auch zwischen den Beteiligten Einigkeit besteht, weist die Umgebung des Grundstücks der Beteiligten mit aus landwirtschaftlichen Gehöften entwickelten Wohnhäusern und noch betriebenen landwirtschaftlichen Höfen (Schamwege 9 und 5) nebst zahlreichen Scheunen- und Stallgebäuden einen typisch dörflichen Charakter auf.
Nach der ganz einhelligen Rechtsprechung ist die Einrichtung von Raubtiergehegen in (auch) dem Wohnen dienenden Baugebieten unzulässig. Sie ist weder in einem allgemeinen Wohngebiet noch in einem Mischgebiet nach § 4 Abs. 3 Nr. 6, § 6 Abs. 3 und 14 Abs. 1 BauNVO genehmigungsfähig (vgl. VG Schleswig, Beschluss vom 08.06.1982 - 2 D 31/82 - NuR 1984, 208-208: Gehege für Pumas und Leoparden -; OVG Koblenz, Urteil vom 10.11.1983 - 8 A 77/83 -, AS RP-SL 18, 305-311, bestätigt von BVerwG, Beschluss vom 05.03.1984 - 4 B 20/84 -, NVwZ 1984, 647 [BVerwG 05.03.1984 - BVerwG 4 B 20.84]-648: Pumazwinger in Wohnbebauung; VG Berlin, Beschluss vom 27-06-1983 - 13 A 152/83 -, NJW 1984, 140 [VG Berlin 27.06.1983 - 13 A 152/83]: Tigerzwinger im Wohngebiet). Gleiches gilt zur Überzeugung des Gerichts für ein Dorfgebiet (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 07.07.1993 - 8 A 12405/92 -, BauR 1994, 340 [OVG Rheinland-Pfalz 07.07.1993 - 8 A 12405/92]-343, bestätigt von BVerwG, Beschluss vom 15.10.1993 - 4 B 165/93 -, DVBl. 1994, 292: Ozelotgehege in einem Dorfgebiet), weil ein Raubtiergehege nicht zu den in einem Dorfgebiet zulässigen baulichen Anlagen zählt. Das Gehege ist weder in Dorfgebieten nach § 5 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig, noch kann es nach § 5 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zugelassen werden. Es gehört insbesondere nicht zu den Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe oder landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen (siehe § 5 Abs. 2 Nrn. 1, 2 BauNVO; vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 07.07.1993, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 15.10.1993, a.a.O.).
Das Vorhaben des Beigeladenen kann planungsrechtlich auch nicht gemäß § 14 Abs. 1 BauNVO zugelassen werden, wonach untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen - auch solche für die Kleintierhaltung - zulässig sind, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke dienen. Geparde gehören nicht zu den Kleintieren im Sinne dieser Bestimmung. Der Begriff des Kleintiers ist so auszulegen, dass er dem städtebaulichen Zweck der Vorschrift gerecht wird. Gemeint sind in § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nur solche Kleintiere, deren Haltung in den Baugebieten der BauNVO üblich und ungefährlich ist und, soweit es um ein Gebiet geht, das auch durch das Element des Wohnens gekennzeichnet ist, den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung nicht sprengt. Hierzu gehören solche (Raub-)Tiere nicht, von denen dem Menschen Gefahren für Leib oder Leben drohen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.10.1993, a.a.O.; Beschluss vom 05.03.1984, a.a.O.). Gemeint in § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind nur solche Kleintiere, deren Haltung in den Baugebieten typischerweise üblich und ungefährlich ist. Für ein Dorfgebiet ist es vollkommenen untypisch, dass ein Gepard als eine vorwiegend in Afrika beheimatete Wildkatze gehalten wird. Von dem Gehege geht so aufgrund der abstrakten Gefährlichkeit der Geparde eine für die Nachbarn nicht mehr zumutbare psychische Belastung aus. Auch in einem Dorfgebiet ist die räumliche Nähe einer Gepardenhaltung geeignet, ein dauerndes Gefühl der Unsicherheit und Bedrohung auszulösen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst trotz - unterstellt - sicherer und zuverlässiger Tierhaltung aufgrund unglücklicher Umstände und menschlicher Unzulänglichkeiten ein Gepard entweichen und mit Dritten zusammentreffen kann. Dorfbewohner müssen zwar mit den typischerweise in einem Dorf auftretenden Belästigungen rechnen, wozu auch von Haustieren oder landwirtschaftliche Nutztieren ausgehende Gefährdungen zählen können. Die auf der Gefährdung durch Wildkatzen beruhende psychische Belastung überschreitet aber eindeutig das Maß dessen, was nach dem Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme der Bewohner eines Dorfgebietes hinzunehmen hat (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 07.07.1993, a.a.O.; VG Lüneburg, Urteil vom 21.02.2007 - 2 A 63/06 : Gepardengehege in Wohngebiet; VG Kassel, Urteil vom 06.10.2005 - 2 E 1138/04 : Gepardengehege).
Steht damit die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Gepardengeheges fest, kommt es auf die Frage, inwieweit das Gehege gegenüber der Klägerin auch noch das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt (vgl. OVG Saarland, Urteil vom 14.05.1986 - 2 R 349/83 -, BRS 46, Nr. 183: Wolfsgehege in einem zoologischen Garten), gar nicht an.
Die Klägerin kann die Einhaltung des Gebietscharakters ihrer Umgebung einfordern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. insbesondere das Urteil vom 16.09.1993 - BVerwG 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 [BVerwG 16.09.1993 - 4 C 28/91] ) hat die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan grundsätzlich nachbarschützende Funktion zugunsten der Planbetroffenen. Das bedeutet, dass sich ein Nachbar im Plangebiet selbst dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden kann, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll nämlich jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können. Der sich aus § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit den Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung ergebende Nachbarschutz besteht dann, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem dieser Baugebiete entspricht (BVerwG, Urteil vom 16.09.1993, a.a.O.).
Das Baugebiet, in dem die Grundstücke der Beteiligten liegen, entspricht einem Dorfgebiet und umfasst den bereits umschriebenen Kern der Ansiedlung Schamwege. Nachbarschutz reicht dabei (nur) so weit, wie die nähere Umgebung im Sinne von § 34 BauGB reicht. Zu dem danach maßgeblichen Bereich hat das Bundesverwaltungsgericht, dem das Gericht folgt, entschieden, berücksichtigt werden müsse die Umgebung eines beabsichtigten Vorhabens einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken könne, und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst ( BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - BVerwG 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369 [BVerwG 26.05.1978 - 4 C 9.77]<380> ) . Das Vorhaben des Beigeladenen wirkt sich wenigstens bis auf das Grundstück der Klägerin aus, denn die psychischen Beeinträchtigungen einer Raubtierhaltung können jedenfalls dort noch wahrgenommen werden. Der bodenrechtliche Charakter des Baugrundstücks wird durch die übrigen (teils: ehemals) landwirtschaftlichen Bauten der umschriebenen Ansiedlung Schamwege geprägt. Nachbarn können sich gegen Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO jedenfalls insoweit wehren, als sich die Nebenanlagen - wie hier - auf die Bewahrung des Gebietscharakters auswirken können, beispielsweise durch eine sich aus der Relation zur vorhandenen baulichen Umgebung differierende Nutzung durch Raubtierhaltung. Die Vorschrift gewährt ihnen ein auf die Art der baulichen Nutzung bezogenes Abwehrrecht; wenn die Anlage zu einer Veränderung des Gebietscharakters führt, besteht ein von individuellen Störungen unabhängiger nachbarlicher Abwehranspruch jedenfalls dann, wenn die tatsächliche Nutzung es - wie hier - gestattet, den für die Anwendung des § 34 BauGB maßgeblichen Bereich eindeutig einem einzigen bestimmten Baugebiet im Sinne der §§ 2 ff. BauNVO zuzuordnen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.12.2004 - 1 ME 256/04 -, BauR 2005, 975 [OVG Niedersachsen 06.12.2004 - 1 ME 256/04]-983).
Die Kammer kann es angesichts der aufgezeigten Mängel der Tierhegegenehmigung offen lassen, ob die Klägerin auch wegen der von einer Gepardenhaltung auf dem Grundstück des Beigeladenen ihr drohenden Gefahren der Beklagte die Tierhegegenehmigung beanstanden kann. Dies könnte deshalb in Betracht kommen, weil nach § 45c Abs. 3, 1. Hs. NNatG u.a. § 45 Abs. 3 Nr. 6 NNatG entsprechend gilt, der besagt, dass andere öffentlich-rechtliche Vorschriften der Genehmigung nicht entgegenstehen dürfen und zu diesen Vorschriften auch diejenigen der Gefahrenabwehr zählen könnten (vgl. Blum/Agena/Franke, NNatG, § 45, Rdn. 42 unter Verweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes, wonach sichergestellt sein müsse, dass "vom Zoo keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht"). Gegen diese Auffassung könnte sprechen, dass jedenfalls diejenigen von der Verordnung über das Halten gefährlicher Tiere vom 05.07.2000 (Nds. GVBl. 2000, 149) - GefTVO - geregelten Sachverhalte, zu denen die Gefahrenabwehr zählt, wegen deren Spezialität nicht von der Tierhegegenehmigung zu regeln sind.
Die Klägerin kann auch beanspruchen, dass die dem Beigeladenen erteilte Genehmigung zum nichtgewerbsmäßigen Züchten und Halten von Geparden nach der GefTVO nicht rechtmäßig ist und ihren Nachbarschutz missachtet. Nach § 2 S. 1 GefTVO bedarf die nicht gewerbliche Haltung eines in der Anlage aufgeführten Tieres der Genehmigung. Nach Nr. 5 der Anlage zu § 2 Satz 1 GefTVO zählt hierzu der Gepard (Acinonyx jubatus). Nach § 2 S. 2 GefTVO ist die Genehmigung zu erteilen, wenn durch die Tierhaltung im Einzelfall die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet wird.
Die Gepardenhaltung in der dem Beigeladenen genehmigten Form gefährdet die öffentliche Sicherheit, weil sie keine sicheren Vorkehrungen dagegen trifft, dass die im Gehege gehaltenen Tiere dieses nicht verlassen können.
Welche Anforderungen an die artspezifische und verhaltensgerechte Haltung von Geparden im Einzelnen zu stellen sind, ist weder im Tierschutzgesetz oder in einer zur Konkretisierung des § 2 TierSchG erlassenen Rechtsverordnung (§ 2a Abs. 1 TierSchG) noch dem landesrechtlichen Polizeirecht ausdrücklich geregelt. Solange näher konkretisierende Regelungen fehlen, ergeben sich die Haltungsanforderungen indessen weiterhin einerseits unmittelbar aus dem Tierschutzgesetz. Die sehr allgemein gehaltenen und durch unbestimmte Rechtsbegriffe gekennzeichneten Haltungsgrundsätze des § 2 TierSchG lassen sich durch Auslegung ermitteln- namentlich unter Berücksichtigung des in § 1 Satz 1 TierSchG niedergelegten Zwecks des Tierschutzgesetzes, "aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen". Andererseits folgen die Haltungsanforderungen aus der polizeilichen Generalklausel in § 11 Nds. SOG, wonach die Verwaltungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen können, um eine Gefahr abzuwehren. Im Einzelnen sind die Anforderungen an die Haltung mit Hilfe des einschlägigen tiermedizinischen und verhaltenswissenschaftlichen Schrifttums und sachverständigen Äußerungen hinreichend konkret zu bestimmen und im Einzelfall zu anwenden (vgl. BVerfG, Urteil vom 06.07.1999 - 2 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1, 32 [BVerfG 06.07.1999 - 2 BvF 3/90], 36f. ). Zu den sachverständigen Äußerungen gehört - von den Beteiligten nicht in Frage gestellt - das Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft vom 10.06.1996 (vgl. http://www.bmelv.de/cln_044/nn_753138/SharedDocs/downloads/07-SchutzderTiere/GutachtenLeitlinien/HaltungSaeugetiere,templateId=raw,property= publicationFile.pdf/ HaltungSaeugetiere.pdf) - künftig: Gutachten -, das im Auftrag des Ministeriums von Sachverständigen erarbeitet wurde (vgl. den Tierschutzbericht 2005 in: BT-Drs. 15/5405, S. 58), um die "biologisch relevanten Mindestanforderungen für Säugetiere nach dem heutigen Wissens- und Erfahrungsstand" darzustellen und so die Anforderungen aus § 2 Tierschutzgesetz zu konkretisieren (Gutachten S. 7). Solche eine Norm ausfüllenden gutachterlichen Stellungnahmen sind schon mehrfach Maßstab für gerichtliche Entscheidungen gewesen (vgl. die Leitlinien des Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft für eine tierschutzgerechte Haltung von Wild in Gehegen vom 27.05.1995: VG Münster, Urteil vom 01.07.2008 - 1 K 2207/07 -, zit. nach JURIS; vgl. das vom Bundesministerium beauftragte Gutachten für Haltung von Nerzen: VG Aachen, Beschluss vom 22.05.2003 - 6 L 92/03 -, zit. nach JURIS, vgl. die Richtlinie des Ministers für Natur, Umwelt und Landesentwicklung des Landes Schleswig-Holstein für die Genehmigung von Tiergehegen zur dauerhaften Haltung von Seehunden und Kegelrobben: OVG Schleswig, Urteil vom 28.06.1994 - 4 L 152/92 -, NuR 1995, 480 [OVG Schleswig-Holstein 28.06.1994 - 4 L 152/92]). Diese Stellungnahmen regeln wie das hier einschlägige Gutachten die Anforderungen an den Tierschutz. Die davon erfasste Regelung, dass eine Raubtierhaltung ein Gehege erfordert, gilt jedoch auch für die von der Klägerin reklamierte Sicherheit vor Raubtierausbrüchen, die (auch) zu dem Schutzauftrag der polizeilichen Generalklausel zählt. Die für die Gehegegestaltung geltenden Mindestanforderungen sehen für Großkatzen (Gutachten S. 41 in Nr. 3.2) als Gehegebegrenzung "glatte Wände oder Gitter mit Überhang oder Elektrosicherung, ...für Gepard 2 m hoch mit Überhang" vor.
Die Kammer lässt es offen, ob die Genehmigung zum nichtgewerbsmäßigen Züchten und Halten von Geparden nach der GefTVO vom 12.09.2007 bereits deshalb nichtig ist, weil sie widersprüchlich die Gehegebegrenzung regelt, indem in den Auflagen der Tierhegegenehmigung unter 4d "glatte Wände oder Gitter mit Überhang oder Elektrosicherung" dem Beigeladenen auferlegt, in den Bauzeichnungen jedoch "Zaunelemente mit Maschengröße = 4 cm - Drahtstärke = 4 mm" genehmigt und damit den von dem Beigeladenen auch tatsächlich errichten Maschendrahtzaun zulässt. Hierin liegt ein Widerspruch, denn Bestandteile eines "Gitters" sind "gleichlaufende und miteinander verbundene, meist eiserne Stäbe, die oft kunstvoll geschmiedet sind und als Zaun oder als Schutz, Schmuck vor Fenstern dienen" (vgl. Das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache der Berlinisch-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, http://www.dwds.de/?kompakt=1&qu=Gitter). Dagegen fordert ein "Zaun" keine Stäbe, denn er ist eine "meist aus Latten oder Gittern bestehende Vorrichtung, mit der ein Stück Land, ein Grundstück umgrenzt wird" (vgl. Das digitale Wörterbuch ..., http://www.dwds.de/?kompakt=1&sh=1&qu=Zaun). Zwar hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass eine Maschendrahtumzäunung der Baugenehmigung genüge, doch entspricht eine solche Gehegebegrenzung nicht den Vorgaben des Gutachtens. Allein deshalb ist nicht gewährleistet, dass in dem genehmigten Gehege gehaltene Geparde ausbruchsicher verwahrt sind.
Weil die Verfügung schon an dem genannten Mangel leidet, kann die Kammer es offenlassen, ob die Ausbruchsicherheit es nicht auch erfordert (vgl. GUV-R 116/BGR 116 Regeln für Sicherheit und Gesundheitsschutz: Haltung von Wildtieren, Ausgabe Januar 2005, Nr. 3.6.1), mindestens zwei aneinander liegende Gehege z.B. bei Arbeiten an der Schleuse "freizuschiebern" und, falls ja, ob die genehmigte Gehegegestaltung dies ermöglicht.
Auf die Rechtswidrigkeit der dem Beigeladenen erteilten Genehmigung zum nichtgewerbsmäßigen Züchten und Halten von Geparden nach der GefTVO kann sich die Klägerin als Nachbarin auch berufen. Zum Schutzgut der durch die GefTVO geschützten öffentlichen Sicherheit gehören grundsätzlich auch die subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen. Ebenso wie der Einzelne einen - eventuell auf ermessensfehlerfreie Entschließung der Behörde beschränkten - Anspruch auf Einschreiten gegen rechtswidrige Handlungen Dritter oder rechtswidriger Zustände hat, wenn dadurch seine öffentlich-rechtlich geschützten Interessen beeinflusst werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.8.1960 - I C 42.59 -, BVerwGE 11, 95; Beschluss vom 21.11.1967 - I B 91.67 -, DVBl. 1968, 154; Urteil vom 22.1.1971 - VII C 48.69 -, BVerwGE 37, 112; Beschluss vom 21.7.1997 - 3 B 129.97 -, Buchholz 442 151 § 45 StVO Nr. 36), kann der Nachbar bei erteilter Genehmigung einfordern, dass seine öffentlich-rechtlich geschützten Interessen gewahrt werden. Für die Zuerkennung eines derartigen Anspruches ist es entscheidend, dass die Rechtsvorschrift, die durch die Handlung Dritter oder durch einen Zustand verletzt wird, nicht nur dem öffentlichen Interesse dient, sondern daneben, wenn auch nur in geringem Umfange, die Belange Einzelner schützen will. Dass die Vorschrift, auf deren Schutz als Dritter sich ein Dritter beruft, (auch) seinen eigenen Interessen dient, ist dann zu bejahen, wenn die Vorschrift zusätzlich zu dem von ihr angestrebten objektiv-rechtlichen Interessenausgleich zwischen Allgemein- und Einzelinteressen zugunsten eines hinreichend bestimmten Personenkreises eine besondere Rechtsposition einräumt. Zwar können die Anforderungen an die Bestimmtheit des jeweiligen Personenkreises auf den einzelnen Rechtsgebieten unterschiedlich sein, doch ist jeweils der Inhalt und Zweck der in Betracht kommenden Rechtsvorschrift entscheidend (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.1.1971, a.a.O.S. 113). Wie auch Vorschriften zur Haltung gefährlicher Hunde drittschützenden Charakter besitzen (Urteil des erkennenden Gerichts vom 25.02.2002 - 10 A 978/01 -, V.n.b. - zu einer Verpflichtungsklage gegen eine Ordnungsbehörde, einem Hundehalter den Leinen- und Maulkorbzwang für einen Hund aufzuerlegen), muss dies auch für die Haltung anderer gefährlicher Tiere gelten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 ZPO.