Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 20.11.2008, Az.: 2 A 7737/05

Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 für Verheiratete nach Eingehung einer Lebenspartnerschaft; Erstreckung des Alimentationsprinzips auf die Ehegatten und die Kinder eines Beamten

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
20.11.2008
Aktenzeichen
2 A 7737/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 28616
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2008:1120.2A7737.05.0A

Verfahrensgegenstand

Familienzuschlag Stufe 1

Redaktioneller Leitsatz

Der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende Beamte hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Familienzuschlags für Verheiratete im Sinne der §§ 39 Abs. 1 S. 1, 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG in Verbindung mit § 50 Abs. 1 S. 1 BeamtVG.

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 2. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2008
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Hüper,
den Richter am Verwaltungsgericht Goos,
den Richter Dr. Schmidt sowie
die ehrenamtlichen Richterinnen B.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 2.737,28 EUR.

Tatbestand

1

Der am C. geborene Kläger ist eine Lebenspartnerschaft eingegangen und begehrt die Zahlung des Familienzuschlags für Verheiratete.

2

Er steht seit dem D. in einem Beamtenverhältnis zu der Beklagten. Mit Ablauf des Monats April 1997 wurde er als Posthauptschaffner (Besoldungsgruppe A 4 BBesG) in den Ruhestand versetzt. Am 2.10.2001 trug das Standesamt Hannover für ihn und seinen Lebenspartner eine Lebenspartnerschaft ein.

3

Am 5.10.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung eines Familienzuschlags entsprechend den Regelungen für verheiratete Beamte. Mit Schreiben vom 7.10.2004 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) lehnte die Deutsche Post AG Personalservice die Gewährung eines Familienzuschlages an den Kläger ab, da es dafür keine gesetzliche Grundlage gebe. Der dagegen von dem Kläger am 9.12.2004 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4.11.2005 zurückgewiesen.

4

Mit seiner am 14.11.2005 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, er sei als in eingetragener Lebenspartnerschaft stehender Beamter bei der Gewährung des Familienzuschlages wie ein verheirateter Beamter zu behandeln. Die Stufen des Familienzuschlages orientierten sich an den Familienständen. Er sei aber nicht mehr ledig. Durch den neuen Familienstand der Lebenspartnerschaft sei eine Regelungslücke im Besoldungs- und Versorgungsrecht entstanden. Diese sei vom damaligen Gesetzgeber bei Einführung des Familienzuschlages nicht beabsichtigt gewesen und müsse durch Übertragung der für verheiratete Beamte geltenden Regelungen auf Beamte in einer Lebenspartnerschaft geschlossen werden. Eine Lebenspartnerschaft stelle in gleicher Weise wie eine Ehe eine auf Dauer angelegte Verantwortungsgemeinschaft dar, die nur mit einer ledigen Person durch Erklärung gegenüber einer Behörde auf Lebenszeit eingegangen und nur durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben werden könne. Die familienrechtlichen Pflichten der Partner einer Lebensgemeinschaft seien mit denen von Ehegatten vergleichbar, insbesondere träfe sie eine wechselseitige Unterhaltspflicht. Der Familienzuschlag solle als soziale Komponente der Besoldung aber gerade besondere Unterhaltslasten ausgleichen, die mit einem bestimmten Familienstand typischerweise verbunden seien. Die Nichtgewährung des Familienzuschlages verstoße gegen die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000, welche eine Diskriminierung einer Person wegen ihrer sexuellen Ausrichtung verbiete.

5

Der Kläger beantragt,

den Widerspruchsbescheid der Deutschen Post AG - Personalservice - vom 4.11.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm mit Wirkung vom Oktober 2001 den Familienzuschlag der Stufe 1 zu gewähren.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Die Besoldung und Versorgung der Beamten unterliege einem strengen Gesetzesvorbehalt. Für den vom Kläger begehrten Familienzuschlag fehle es aber an einer gesetzlichen Grundlage. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG werde ein Familienzuschlag der Stufe 1 aber nur verheirateten Beamten gewährt. Ein in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft lebender Beamter sei aber nicht verheiratet. Die Bestimmungen über die Gewährung eines Familienzuschlages für verheiratete Beamte könnten auch nicht entsprechend auf Beamte in einer Lebenspartnerschaft angewendet werden. Dafür fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Zwar habe der Bundestag am 11.11.2000 die Gesetzesvorlage eines Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetzes beschlossen, das unter anderem ergänzende beamtenrechtliche Regelungen sowie die Berücksichtigung der Lebenspartnerschaften bei Sozialleistungen vorsah, diese Gesetzesvorlage sei am 1.12.2000 aber vom Bundesrat abgelehnt worden, und das Vermittlungsverfahren sei nicht abgeschlossen worden. Im Übrigen könne die Lebenspartnerschaft auch nicht der Ehe gleichgestellt werden. Es handele sich um zwei unterschiedliche familienrechtliche Institute, wobei die Ehe zwischen Mann und Frau im Unterschied zur gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft grundsätzlich zur Reproduktion der Bevölkerung geeignet sei. Die Begrenzung der Gewährung des Familienzuschlages auf verheiratete Beamte verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es bestehe ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, zudem stelle der besondere Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung beider Institute dar. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG sei nicht erkennbar. Die Regelungen über den Familienzuschlag knüpften nicht an das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung an, sondern lediglich an den jeweiligen Familienstand. Dabei verfolge der Familienzuschlag der Stufe 1 in erster Linie einen familienbezogenen, keinen partnerbezogenen Zweck, was sich daran zeige, dass er auch verwitweten Beamten gewährt werde.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung eines Familienzuschlags nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG i.V.m. § 50 Abs. 1 S. 1 BeamtVG zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus der direkten noch aus der analogen Anwendung dieser Bestimmungen.

10

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Familienzuschlags der Stufe 1 in direkter Anwendung der §§ 39 Abs. 1 S. 1; 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG i.V.m. § 50 Abs. 1 S. 1 BeamtVG. Denn er lebt in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und ist gerade nicht verheiratet.

11

Ihm gebührt auch kein Anspruch auf Gewährung eines Familienzuschlags der Stufe 1 in entsprechender Anwendung der §§ 39 Abs. 1 S. 1; 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG i.V.m. § 50 Abs. 1 S. 1 BeamtVG. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur analogen Anwendung der Regelung des Ortszuschlags nach § 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 1 BAT von verheirateten auf in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende Angestellte im öffentlichen Dienst (Urteil vom 29.4.2004, Az. 6 AZR 101/03) ist auf die Beamtenbesoldung nicht zu übertragen. Schon das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Besoldung der Beamten nach § 2 BBesG sowie ihrer Versorgung gemäß § 3 BeamtVG dürfte die analoge Anwendung der Vorschriften über den Familienzuschlag ausschließen. Zumindest fehlt es für eine analoge Anwendung dieser für verheiratete Beamte geltenden Bestimmungen auf Beamte in einer Lebenspartnerschaft an der dafür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.

12

Zwar treffen das Bundesbesoldungsgesetz sowie das Beamtenversorgungsgesetz keine speziellen Regelungen für die Gewährung eines Familienzuschlags an Beamte, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, weshalb man von einer Regelungslücke ausgehen kann. Diese Regelungslücke ist aber nicht planwidrig, sondern entspricht dem Willen des Bundesgesetzgebers. Nach dem ursprünglichen Entwurf des Lebenspartnerschaftsgesetzes (BT-Drucks. 14/3751, S. 10) sollten die Bestimmungen des Bundesbesoldungsgesetzes, die sich auf das Bestehen einer Ehe beziehen, auf das Bestehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sinngemäß angewendet werden (Art. 3 § 10 des Entwurfs). Diese Vorschrift wurde auf Grund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses aus dem LPartG herausgelöst und als Art. 2 § 6 in den Entwurf des Gesetzes zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze (Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz - LPartGErgG, BT-Drucks. 14/4545) eingefügt. Der Bundesrat verweigerte diesem Gesetz aber die erforderliche Zustimmung (757. Sitzung am 1.12.2000, siehe BT-Drucks. 14/4875). Die unterbliebene Erstreckung des Familienzuschlags auf solche Beamte entspricht daher gerade dem Willen des Gesetzgebers und stellt keine planwidrige Lücke dar.

13

Der Ausschluss der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Beamten aus dem Kreis der nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG; § 50 Abs. 1 BeamtVG Anspruchsberechtigten verletzt kein höheres Recht. Er verstößt weder gegen Bestimmungen des Grundgesetzes noch gegen Europarecht.

14

Die Vorenthaltung des Familienzuschlages verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG. Da die sexuelle Orientierung dort nicht als ein unzulässiges Differenzierungskriterium aufgeführt wird, kann dahingestellt bleiben, ob § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG; § 50 Abs. 1 BeamtVG mittelbar an die sexuelle Orientierung des Beamten anknüpfen.

15

Der Ausschluss des Familienzuschlages verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar werden durch § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG; § 50 Abs. 1 BeamtVG verheiratete und in Lebenspartnerschaft stehende Beamte hinsichtlich des Familienzuschlags ungleich behandelt, indes verbietet Art. 3 Abs. 1 GG nur solche Ungleichbehandlungen, für die kein sachlicher Grund besteht. Gerade im Besoldungs- und Versorgungsrecht kommt dem Gesetzgeber aber ein weitgehender Gestaltungsspielraum zu. Die mit Art. 3 Abs. 1 GG im selben Rang befindliche Regelung des Art. 6 Abs. 1 GG, wonach die Ehe unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht, gestattet die besoldungs- und versorgungsrechtliche Bevorzugung verheirateter Beamter. Eingetragene Lebenspartnerschaften genießen diesen besonderen Schutz nicht.

16

Die Nichtgewährung des Familienzuschlags für Beamte in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft verstößt auch nicht gegen das aus Art. 33 Abs. 5 GG herzuleitende Alimentationsprinzip. Dieses erstreckt sich als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums nur auf die Ehegatten und die Kinder des Beamten, nicht aber auf den Partner einer anderen mit dem Beamten geführten Lebensgemeinschaft (vgl. Urteil des BVerwG vom 26.1.2006, Az. 2 C 43.06).

17

Schließlich verstößt die Vorenthaltung des Familienzuschlages für Beamte in Lebenspartnerschaft durch § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG; § 50 Abs. 1 S. 1 BeamtVG nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung gemäß der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 in der Auslegung, die dieses Verbot durch den EuGH erfahren hat. Diese Richtlinie ist nach Ablauf ihrer in Art. 18 bis zum 2.12.2003 bestimmten Umsetzungsfrist unmittelbar anwendbar.

18

Zwar hat der EuGH in seinem Urteil vom 1.4.2008 in dem Vorabentscheidungsverfahren C-267/06 Tadao Maruko ./. Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen festgestellt, dass die 22. Begründungserwägung der Richtlinie, wonach diese die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt lasse, die Anwendbarkeit der Richtlinie nicht einschränken könne. Deshalb stehe Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 dieser Richtlinie einer Regelung entgegen, wonach der überlebende Partner einer Lebenspartnerschaft keine Hinterbliebenenversorgung entsprechend einem Ehegatten erhalte, obwohl die Lebenspartnerschaft nach nationalem Recht Personen gleichen Geschlechts in eine Lage versetze, die in Bezug auf die Hinterbliebenenversorgung mit der Situation von Ehegatten vergleichbar sei. Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass grundsätzlich auch besoldungs- und versorgungsrechtliche Bestimmungen des Beamtenrechts, die an den Familienstand anknüpfen, an der Richtlinie gemessen werden können.

19

Der EuGH hat allerdings ferner entschieden, dass es Sache der mitgliedstaatlichen Gerichte sei zu prüfen, ob die Situation des Lebenspartners mit der derjenigen eines Ehegatten vergleichbar ist. Diese Frage ist für das deutsche Recht zu verneinen. Zwar sind eingetragene Lebenspartner gemäß § 5 LPartG in gleicher Weise wie Ehegatten nach § 1360 BGB einander zum Unterhalt verpflichtet, es besteht aber keine umfassende rechtliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten. Die deutsche Rechtsordnung hat auch nach Erlass des Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetzes vom 15.12.2004 (BGBl. I S. 3396) das Recht der eingetragenen Lebenspartner vielmehr nur in einzelnen Punkten der Ehe angenähert, es besteht aber keine allgemeine Verweisungsnorm aus dem Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaften auf das Eherecht. Darauf weist auch das BVerfG in seinem Beschluss vom 6.5.2008, Az. 2 BvR 1830/06, Rn. 13, hin.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 ZPO.

21

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht folgt dem nicht-amtlichen Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8.7.2004 und betrachtet im Einklang mit dessen Nr. 10.4 das Verfahren um die Gewährung des Familienzuschlags als Streit um den beamtenrechtlichen Teilstatus. Daher ist der zweifache Jahresbetrag (gerechnet mit 26 Monaten) des begehrten Familienzuschlags maßgebend. Danach ergibt sich ein Streitwert von 105,28 EUR / Monat x 26 Monate = 2.737,28 EUR.

22

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

Goos
Dr. Hüper
Dr. Schmidt