Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 20.11.2008, Az.: 2 A 2293/08
Gewährung eines Familienzuschlags für Verheiratete bei Bestehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft; Verletzung von höherem Recht durch Ausschluss der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Beamten aus dem Kreis der nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) Anspruchsberechtigten; Übertragbarkeit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur analogen Anwendung der Regelung des Ortszuschlags nach § 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 1 Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) von Verheirateten auf in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende Angestellte im öffentlichen Dienst auf die Beamtenbesoldung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 20.11.2008
- Aktenzeichen
- 2 A 2293/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 28866
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2008:1120.2A2293.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 39 Abs. 1 S. 1 BBesG
- § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG
Verfahrensgegenstand
Familienzuschlag Stufe 1
Redaktioneller Leitsatz
Ein Beamter hat keinen Anspruch auf die Gewährung eines Familienzuschlags für Verheiratete in direkter oder entsprechender Anwendung der §§ 39 Abs. 1 S. 1, 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG, wenn er in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt.
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 2. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2008
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Hüper,
den Richter am Verwaltungsgericht Goos,
den Richter Dr. Schmidt sowie
die ehrenamtlichen Richterinnen B.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 2.737,28 EUR.
Tatbestand
Die Klägerin steht als Steueramtsinspektorin im Dienst des Landes Niedersachsen. Sie begehrt die Gewährung eines Familienzuschlages für Verheiratete.
Die Klägerin ging am 22.11.2001 die Lebenspartnerschaft mit C. ein. Wegen dieser eingetragenen Lebenspartnerschaft beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 25.05.2004 beim Beklagten die Gewährung des Familienzuschlages der Stufe 1. Der Beklagte wertete diesen Antrag als besoldungsrechtlichen Widerspruch, den er mit Bescheid vom 03.01.2005 zurückwies. Zur Begründung heißt es darin, die Besoldung der Beamtin sei gesetzlich geregelt und im Besoldungsrecht sei eine Lebenspartnerschaft der Ehe nicht gleichgestellt.
Die Klägerin hat am 24.01.2005 Klage erhoben. Mit Einverständnis der Beteiligten ist das Verfahren zunächst bis zum Abschluss eines beim BVerwG geführten Musterverfahrens ausgesetzt worden. Die Klägerin hat das Verfahren mit Schriftsatz vom 23.04.2008 wieder aufgenommen. Sie beruft sich jetzt auf das Urteil des EUGH vom 01.04.2008 (- C 267/06 - Maruko). Sie trägt vor, zwar habe das BVerfG entschieden, dass die Versagung des Verheiratetenzuschlages bei eingetragener Lebenspartnerschaft verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Das Gericht habe dabei aber nicht berücksichtigt, dass eine nach der Europäischen Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verbotene Diskriminierung vorliegen könne. Inzwischen sei durch die Rechtsprechung des EUGH geklärt, dass die Weigerung, Lebenspartnern Hinterbliebenenversorgung zu gewähren, eine unmittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung darstelle und damit gegen die Europäische Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens zur Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verstoße. Im Lichte dieser Rechtsprechung liege auch eine besoldungsrechtliche Ungleichbehandlung zu ihren Lasten vor.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Widerspruchsbescheides vom 03.01.2005 zu verpflichten, ihr mit Wirkung vom 22.01.2001 den Familienzuschlag der Stufe 1 zu gewähren und den rückständigen Betrag mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2005 zu verzinsen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und verteidigt den angegriffenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und dem beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Gewährung eines Familienzuschlags nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus der direkten noch aus der analogen Anwendung dieser Bestimmungen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Familienzuschlags der Stufe 1 in direkter Anwendung der §§ 39 Abs. 1 S. 1; 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG. Denn sie lebt in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und ist gerade nicht verheiratet.
Ihr gebührt auch kein Anspruch auf Gewährung eines Familienzuschlags der Stufe 1 in entsprechender Anwendung der §§ 39 Abs. 1 S. 1; 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur analogen Anwendung der Regelung des Ortszuschlags nach § 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 1 BAT von verheirateten auf in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende Angestellte im öffentlichen Dienst (Urteil vom 29.4.2004, Az. 6 AZR 101/03) ist auf die Beamtenbesoldung nicht zu übertragen. Schon das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Besoldung der Beamten nach § 2 BBesG sowie ihrer Versorgung gemäß § 3 BeamtVG dürfte die analoge Anwendung der Vorschriften über den Familienzuschlag ausschließen. Zumindest fehlt es für eine analoge Anwendung dieser für verheiratete Beamte geltenden Bestimmungen auf Beamte in einer Lebenspartnerschaft an der dafür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.
Zwar treffen das Bundesbesoldungsgesetz sowie das Beamtenversorgungsgesetz keine speziellen Regelungen für die Gewährung eines Familienzuschlags an Beamte, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, weshalb man von einer Regelungslücke ausgehen kann. Diese Regelungslücke ist aber nicht planwidrig, sondern entspricht dem Willen des Bundesgesetzgebers. Nach dem ursprünglichen Entwurf des Lebenspartnerschaftsgesetzes (BT-Drucks. 14/3751, S. 10) sollten die Bestimmungen des Bundesbesoldungsgesetzes, die sich auf das Bestehen einer Ehe beziehen, auf das Bestehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sinngemäß angewendet werden (Art. 3 § 10 des Entwurfs). Diese Vorschrift wurde auf Grund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses aus dem LPartG herausgelöst und als Art. 2 § 6 in den Entwurf des Gesetzes zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze (Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz - LPartGErgG, BT-Drucks. 14/4545) eingefügt. Der Bundesrat verweigerte diesem Gesetz aber die erforderliche Zustimmung (757. Sitzung am 1.12.2000, siehe BT-Drucks. 14/4875). Die unterbliebene Erstreckung des Familienzuschlags auf solche Beamte entspricht daher gerade dem Willen des Gesetzgebers und stellt keine planwidrige Lücke dar.
Der Ausschluss der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Beamten aus dem Kreis der nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG Anspruchsberechtigten verletzt kein höheres Recht.# Er verstößt weder gegen Bestimmungen des Grundgesetzes noch gegen Europarecht.
Die Vorenthaltung des Familienzuschlages verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG. Da die sexuelle Orientierung dort nicht als ein unzulässiges Differenzierungskriterium aufgeführt wird, kann dahingestellt bleiben, ob § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG mittelbar an die sexuelle Orientierung des Beamten anknüpft.
Der Ausschluss des Familienzuschlages verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar werden durch § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG verheiratete und in Lebenspartnerschaft stehende Beamte hinsichtlich des Familienzuschlags ungleich behandelt, indes verbietet Art. 3 Abs. 1 GG nur solche Ungleichbehandlungen, für die kein sachlicher Grund besteht. Gerade im Besoldungs- und Versorgungsrecht kommt dem Gesetzgeber aber ein weitgehender Gestaltungsspielraum zu. Die mit Art. 3 Abs. 1 GG im selben Rang befindliche Regelung des Art. 6 Abs. 1 GG, wonach die Ehe unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht, gestattet die besoldungs- und versorgungsrechtliche Bevorzugung verheirateter Beamter. Eingetragene Lebenspartnerschaften genießen diesen besonderen Schutz nicht.
Die Nichtgewährung des Familienzuschlags für Beamte in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft verstößt auch nicht gegen das aus Art. 33 Abs. 5 GG herzuleitende Alimentationsprinzip. Dieses erstreckt sich als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums nur auf die Ehegatten und die Kinder des Beamten, nicht aber auf den Partner einer anderen mit dem Beamten geführten Lebensgemeinschaft (vgl. Urteil des BVerwG vom 26.1.2006, Az. 2 C 43.06).
Schließlich verstößt die Vorenthaltung des Familienzuschlages für Beamte in Lebenspartnerschaft durch § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung gemäß der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 in der Auslegung, die dieses Verbot durch den EuGH erfahren hat. Diese Richtlinie ist nach Ablauf ihrer in Art. 18 bis zum 2.12.2003 bestimmten Umsetzungsfrist unmittelbar anwendbar.
Zwar hat der EuGH in seinem Urteil vom 1.4.2008 in dem Vorabentscheidungsverfahren C-267/06 Tadao Maruko ./. Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen festgestellt, dass die 22. Begründungserwägung der Richtlinie, wonach diese die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt lasse, die Anwendbarkeit der Richtlinie nicht einschränken könne. Deshalb stehe Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 dieser Richtlinie einer Regelung entgegen, wonach der überlebende Partner einer Lebenspartnerschaft keine Hinterbliebenenversorgung entsprechend einem Ehegatten erhalte, obwohl die Lebenspartnerschaft nach nationalem Recht Personen gleichen Geschlechts in eine Lage versetze, die in Bezug auf die Hinterbliebenenversorgung mit der Situation von Ehegatten vergleichbar sei. Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass grundsätzlich auch besoldungs- und versorgungsrechtliche Bestimmungen des Beamtenrechts, die an den Familienstand anknüpfen, an der Richtlinie gemessen werden können.
Der EuGH hat allerdings ferner entschieden, dass es Sache der mitgliedstaatlichen Gerichte sei zu prüfen, ob die Situation des Lebenspartners mit der derjenigen eines Ehegatten vergleichbar ist. Diese Frage ist für das deutsche Recht zu verneinen. Zwar sind eingetragene Lebenspartner gemäß § 5 LPartG in gleicher Weise wie Ehegatten nach § 1360 BGB einander zum Unterhalt verpflichtet, es besteht aber keine umfassende rechtliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten. Die deutsche Rechtsordnung hat auch nach Erlass des Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetzes vom 15.12.2004 (BGBl. I S. 3396) das Recht der eingetragenen Lebenspartner vielmehr nur in einzelnen Punkten der Ehe angenähert, es besteht aber keine allgemeine Verweisungsnorm aus dem Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaften auf das Eherecht. Darauf weist auch das BVerfG in seinem Beschluss vom 6.5.2008, Az. 2 BvR 1830/06, Rn. 13, hin.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht folgt dem nicht-amtlichen Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8.7.2004 und betrachtet im Einklang mit dessen Nr. 10.4 das Verfahren um die Gewährung des Familienzuschlags als Streit um den beamtenrechtlichen Teilstatus. Daher ist der zweifache Jahresbetrag (gerechnet mit 26 Monaten) des begehrten Familienzuschlags maßgebend. Danach ergibt sich ein Streitwert von 105,28 EUR / Monat x 26 Monate = 2.737,28 EUR.
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
Goos
Dr. Hüper