Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 25.10.2016, Az.: 10 A 2652/16

Ausforschungsbeweis; Beweisantrag; Beweismaß; Gefährlicher Hund; Gefährlichkeit; Gefährlichkeitsfeststellung; Hundehaltung; Kreuzverhör

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
25.10.2016
Aktenzeichen
10 A 2652/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43487
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein Gefahrenverdacht im Sinne von § 7 Abs. 1 NHundG kann dadurch begründet werden, dass mehrere Antragsteller in sich widerspruchsfrei und plausibel und anhand ärztlich dokumentierter Verletzungen nachgewiesene Beißvorfälle anzeigen.
2. Der hinreichender Gefahrenverdacht wird nicht dadurch ausgeräumt, dass der Hundehalter die Beteiligung seines Hundes an den Vorfällen bestreitet und eine Verwechslung ähnlicher Hunde geltend macht. Es kann im Einzelfall ein Restverdacht verbleiben, der die Gefährlichkeitsfeststellung trägt.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten getroffene Feststellung der Gefährlichkeit des von ihm gehaltenen Belgischen Schäferhundmischlingsrüden „Keo“.

Die Beklagte erhielt erstmals im Februar 2015 Kenntnis von einem Zwischenfall mit Beteiligung des Hundes des Klägers. Dabei soll der Hund am 22. Januar 2015 in der Feldmark bei Otze den Hund „Skip“ der Eheleute C. und D. gebissen haben. Auf Anhörung äußerte sich der Kläger, dass sein Hund an diesem Tag an keinem Beißvorfall beteiligt gewesen sei. Die Klägerin sah angesichts der geringfügigen Verletzungen bei dem beteiligten Hund von einer Gefährlichkeitsfeststellung ab, erhob jedoch bei dem Kläger Kosten in Höhe von 60,68 Euro für die Durchführung der Gefährlichkeitsprüfung. Gegen diesen Festsetzungsbescheid wandte sich der Kläger mit einer Klage – 10 A 4157/15 – und dem Vorbringen, er sei zum Zeitpunkt des Vorfalls mit dem Hund ortsabwesend gewesen. Die Beklagte hob den Festsetzungsbescheid daraufhin auf.

Im Januar 2016 erhielt die Beklagte erneut Kenntnis von einem Beißvorfall mit Beteiligung des Hundes des Klägers. Dabei soll der Hund am 22. Dezember 2015 erneut den Hund „Skip“ der Eheleute C. und D. gebissen haben. Diese schilderten, dass sie ihren Hund wegen des vorherigen Beißvorfalls angeleint hätten und an dem Hund des Klägers hätten vorbeigehen wollen. Der Hund sei von einer 60-65 Jahre alten Frau an einer langen Schleppleine geführt worden. Als die Hunde auf gleicher Höhe gewesen seien, habe sie „Keo“ wegen seines wilden und aggressiven Verhaltens nicht mehr halten können. Sie habe sich noch auf den Hund geworfen und versucht, ihn festzuhalten. Der Hund habe sich jedoch unter ihr herausgewunden und „Skip“ gebissen. Ihr Hund wurde am 22. Dezember 2015 wegen einer Bissverletzung tierärztlich versorgt.

Am 19. Februar 2016 zeigte eine weitere Hundehalterin, Frau E., bei der Polizeiinspektion A-Stadt mehrere Sachverhalte an. An jenem Tag habe der Kläger seinen Hund frei laufen lassen, dieser sei auf den Sohn der Frau E. zugelaufen und habe ihn angeknurrt. Der Kläger habe seinen Hund nicht angeleint, sondern ihrem Sohn nur gesagt, dass er weitergehen solle. Am 31. März 2015 sei sie mit ihrem Hund unterwegs gewesen, als ihr der Kläger auf dem Rennrad und mit seinem Hund entgegengekommen sei. Er habe angehalten, den Hund auf die Seite der Frau E. genommen und sei dann absichtlich so dicht an ihr vorbei gefahren, dass der Hund ihr in die Beine habe laufen müssen, um nicht selbst in das Fahrrad zu geraten. Diesen Vorfall habe sie ergebnislos bei der Polizei angezeigt.

Am 23. Dezember 2015 habe der Kläger seinen Hund auf den ihren gehetzt. Sie sei mit dem Hund und ihrem Pferd unterwegs gewesen, als sie einen Radfahrer hinter sich wahrgenommen habe. Sie habe mit dem Pferd und dem Hund den Weg verlassen, um Platz zu machen. Der Kläger habe angehalten, seinen Hund abgeleint und gesagt „Pack sie Dir!“. Im nächsten Augenblick sei sein Hund auf ihren losgeschossen und habe ihn in eine Rangelei verwickelt und dabei verletzt. Die Wunde habe sie selbst versorgt, weil sie aufgrund der Feiertage keinen Tierarzt mehr habe aufsuchen können und der Kläger sowieso keine Tierarztrechnungen begleiche. Der Kläger sei mit dem Fahrrad neben sie gefahren und habe ihr ganz laut „Buh!“ ins Gesicht gebrüllt, wobei sie seinen Atem und seinen Speichel im Gesicht gespürt habe, und sei mit den Worten „Wart‘s nur ab!“ sofort weitergefahren.

Am 10. Februar 2016 hörte die Beklagte den Kläger zu dem Vorfall am 22. Dezember 2015 an; der Kläger hat sich darauf nicht geäußert.

Am 22. Februar 2016 teilte eine weitere Hundehalterin, Frau F., der Beklagten mit, dass ihr Hund „Sam“ am 21. Januar 2016 vom Hund des Klägers so schwer gebissen worden sei, dass er unter Vollnarkose tierärztlich behandelt werden musste. Der Hund des Klägers sei von einer älteren Dame geführt worden. Er habe „Sam“ sofort angeknurrt, ihn mit den Vorderläufen umklammert und in Schulter, Ohr und Gesicht gebissen. Die ältere Dame habe den Hund nicht abrufen können.

Am 23. März 2016 teilte die Hundehalterin Frau G. der Beklagten mit, dass der Hund des Klägers ihren Hund am 16. Juli 2014 und am 18. Mai 2015 gebissen habe. Ihr Grundstück grenze an das Grundstück des Klägers. Am 16. Juli 2014 habe sein Hund ihren Hund durch den Zaun zwischen den Grundstücken gebissen, am 18. Mai 2015 durch den Zaun ihres Grundstücks zur Straße. Der Kläger führe den Hund im Wohngebiet und im Feld ohne Leine. Die Bisswunden beider Vorfälle sind ärztlich versorgt und durch tierärztliche Bescheinigung dokumentiert worden.

Ohne weitere Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2016 die Gefährlichkeit von „Keo“ fest und wies den Kläger darauf hin, dass er für die weitere Haltung seines Hundes einer Erlaubnis bedürfe und der Hund ab sofort außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke nur mit einem tierschutzgerechten Maulkorb sowie angeleint geführt werden dürfe. Aufgrund der angezeigten Vorfälle sei davon auszugehen, dass der Hunde über eine gesteigerte Aggressivität und Angriffslust verfüge, die den Verdacht rechtfertigten, dass von ihm eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehe. Mit einem weiteren Bescheid setzte die Beklagte gegen den Kläger Kosten in Höhe von 99,86 Euro fest.

Gegen die Verfügung vom 5. April 2016 und den Kostenfestsetzungsbescheid vom gleichen Tag und hat der Kläger am 5. Mai 2016 Klage erhoben und gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er hält die Feststellung der Gefährlichkeit für rechtswidrig. Er sei einmal zu Unrecht beschuldigt worden; entsprechend habe die Beklagte den Bescheid damals aufgehoben. Der bei den Vorfällen am 16. Juli 2014 und am 18. Mai 2015 beteiligte andere Hund sei seinerseits ein aggressives Tier und habe den Hund des Klägers einmal gebissen. Seine – des Klägers – Mutter habe häufiger einen fremden Schäferhundmischling in Obhut, der mit dem Hund des Klägers verwechselt worden sein könnte. Eine Beteiligung des Hundes des Klägers an einem Beißvorfall könne daher nur mit hinreichender Sicherheit angenommen werden, wenn der Geschädigte den Hund zweifelsfrei beschreiben könne. Die Erfahrungen mit Zeugen aus Gegenüberstellungen im Strafprozess zeigten, dass Zeugen häufig irrten.

Hinsichtlich des Vorfalls am 23. Dezember 2015 sei ein Biss seines Hundes nicht durch ärztliche Atteste belegt. Die Anzeigeerstatterin habe den Kläger bereits mehrfach zu Unrecht belangt.

Den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz lehnte das Gericht mit Beschluss vom 23. Juni 2016 ab – 10 B 2654/16 –, die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers blieb vor dem Oberverwaltungsgericht erfolglos (Beschluss vom 5.9.2016 – 11 ME 141/16 –).

Der Kläger beantragt,

die Verfügung der Beklagten und den Kostenfestsetzungsbescheid vom 5. Mai 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Verfügung. Der Hund des Klägers sei durch mehrere Beißvorfälle aufgefallen und zeige dadurch eine gesteigerte Aggressivität im Sinne des § 7 Abs. 1 NHundG. Der Einwand des Klägers, die Vorfälle seien nicht hinreichend aufgeklärt worden, greife nicht durch.

Das Gericht hat dem Kläger mit Verfügung vom 5. Oktober 2016 gem. § 87 b Abs. 1 VwGO unter Hinweis auf Absatz 3 dieser Vorschrift aufgegeben, bis zum 18. Oktober 2016 - Eingang bei Gericht - alle Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt und dazu Beweismittel zu bezeichnen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vier Beweisanträge gestellt, die sich auf die Vernehmung nicht anwesender Zeugen richteten und abgelehnt worden sind.

Wegen des weiteren Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem die Kammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 23. Juni 2016 zur Entscheidung übertragen hat.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

I. Rechtsgrundlage für den angegriffenen Bescheid zur Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes des Klägers ist § 7 Abs. 1 NHundG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift hat die Fachbehörde, d. h. hier nach § 17 Abs. 1 NHundG die Beklagte, einen Hinweis darauf, dass ein Hund eine gesteigerte Aggressivität aufweist, insbesondere Menschen oder Tiere gebissen oder sonst eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust oder Schärfe gezeigt hat, zu prüfen. Solche Hinweise hat die Beklagte aus mehreren der gegen den Kläger bei der Beklagten erhobenen Anzeigen erhalten.

1. Ergibt die von der Behörde daraufhin einzuleitende Prüfung Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigen, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, stellt sie die Gefährlichkeit des Hundes fest (§ 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG). Der Einwand des Klägers, die Gefährlichkeitsfeststellung liege im (fehlerhaft ausgeübten) Ermessen der Beklagten, ist schon in rechtlicher Hinsicht unzutreffend. Der Begriff des Gefahrenverdachts im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Auslegung nicht im Ermessen der Behörde steht, sondern der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.

2. Die Voraussetzungen für eine Gefährlichkeitsfeststellung liegen vor.

a. Es ist in der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. Beschlüsse vom 31.8.2012 – 11 ME 221/12 -; vom 18.1.2012 – 11 ME 423/11 –, jeweils www.dbovg.niedersachsen.de, m. w. N.) geklärt, dass schon bei einem bloßen Verdacht der Gefährlichkeit der betreffende Hund wie ein tatsächlich gefährlicher Hund zu behandeln ist (Nds. OVG, Beschluss vom 12.5.2005 – a. a. O. –). Wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat, hatte der Nds. Gesetzgeber mit der (Vorgänger-)Regelung in § 3 Abs 2 NHundG (v. 12.12.2002 i. d. F. vom 30.10.2003, Nds. GVBl. 2003, 2; 2003, 367) auf die (u. a. durch Medienberichte über Beißvorfälle beeinflusste) geänderte Wahrnehmung der durch Hunde gegebenen Gefahren in der Bevölkerung reagiert und schon mit dem NHundG a. F. eine Rechtsgrundlage für Grundrechtseingriffe geschaffen, mit denen nicht erst einer auf Tatsachen begründeten Gefahr, sondern bereits einer möglichen Gefahr (Gefahrenverdacht oder Besorgnispotential) begegnet werden sollte. Ziel des § 3 NHundG a. F. war also eine Vorsorge gegen möglicherweise erst drohende Schäden; die Gefahrenabwehr wird im Bereich der Hundehaltung mithin vorverlagert in Handlungsbereiche, die strafrechtlich noch nicht beachtlich sind und für sich betrachtet auch noch keine schwerwiegenden Rechtsgutsverletzungen darstellen müssen.

Wie für die Einleitung der Gefährlichkeitsprüfung reicht es auch für die Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes aus, dass der betroffene Hund ein anderes (Haus-) Tier, insbesondere einen anderen Hund, nicht nur ganz geringfügig verletzt hat. Hierfür genügt grundsätzlich jede Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des anderen Tieres, unabhängig von deren Schwere; außer Betracht bleiben nur ganz geringfügige Verletzungen wie etwa einzelne ausgerissene Haare oder sehr kleine oberflächliche Kratzer (Nds. OVG, Beschlüsse vom 3.9.2008 – 11 LA 3/08 –; vom 13.12.2006 – 11 ME 350/06 –, m. w. N.).

b. Nach diesem Maßstab wird ein Gefahrenverdacht im Sinne des § 7 Abs. 1 NHundG hinsichtlich des Hundes des Klägers bereits durch die bei den Akten befindlichen Anzeigen mehrerer Hundehalter begründet. Denn diese Anzeigen beschreiben in sich stimmig, untereinander widerspruchsfrei und – teilweise – durch ärztlich behandelte und dokumentierte Verletzungen nachgewiesen mehrere Vorfälle, bei denen der Hund des Klägers andere Hunde mehr als nur ganz unwesentlich verletzt hat. Die Zeugen haben den Kläger oder seine Mutter entweder erkannt oder wiedererkennbar beschrieben und auch den jeweils geführten Hund entweder erkannt oder hinreichend beschrieben.

Der Einwand des Klägers, die Anzeigen der geschädigten Zeugen dürften der Gefahrenverdachtsprüfung nur dann zugrunde gelegt werden, wenn diese den Hund etwa anhand der Fellzeichnung so detailliert beschrieben, dass eine Verwechslung mit einem rassegleichen oder -ähnlichen Tier ausgeschlossen sei, greift dagegen nicht durch.

Es liefe der vorstehend beschriebenen gesetzgeberischen Intention zuwider, einen Gefahrenverdacht zwar schon anhand einzelner Tatsachen anzunehmen, bei deren Prüfung aber das Maß an Gewissheit vorauszusetzen, das im Rahmen einer strafrechtlichen Verurteilung anzulegen ist. Es bedarf daher keines Vollbeweises im Wege der von dem Kläger geforderten „umfassenden Beweisaufnahme“ über den Hergang eines oder mehrerer Beißvorfälle oder einer eingehenden Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit von Anzeigeerstattern oder der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen im Wege eines Kreuzverhörs, wenn Bissverletzungen tierärztlich dokumentiert sind, der verdächtige Hund und/oder dessen Halter dem Geschädigten bekannt ist oder die Identität polizeilich oder ordnungsbehördlich ermittelt wird und der vorgeworfene Sachverhalt grundsätzlich plausibel ist. Ebenso wenig wird der Gefahrenverdacht durch die bloß hypothetische Möglichkeit ausgeräumt, dass der Geschädigte den Hund mit einem anderen Tier desselben Halters oder eines Dritten verwechselt hat oder die Anzeige wider besseres Wissen oder gar böswillig gegen den falschen Hundehalter erhoben hat. Es genügt vielmehr, wenn der Geschädigte den Halter des Hundes aus der Nachbarschaft kennt und ihn identifiziert. Dies gilt erst recht, wenn – wie hier – mehrere Vorfälle bekannt und voneinander unabhängig zur Anzeige gebracht worden sind.

Selbst wenn bei einigen Vorfällen tatsächlich ein anderer Hund beteiligt gewesen wäre, genügte dies nicht, um den Gefahrenverdacht restlos auszuräumen. Es bleibt angesichts der Aussagen der Zeugen vielmehr ein Restverdacht der Gefährlichkeit. Dieser Verdacht folgt aus den glaubhaften Darstellungen der Zeugen, die den Hund nach eigenen Angaben als den Hund des Klägers identifiziert haben. Diesen Angaben misst das Gericht entgegen der Auffassung des Klägers eine besondere Aussagekraft bei. Denn ein Fremder hat bei dem Erstkontakt zu einem Hund regelmäßig keine Kenntnis von dessen Namen und auch keine Gelegenheit, diesen zu recherchieren. Er ist darauf angewiesen, den Namen dadurch wahrzunehmen, dass der Hundehalter den Hund bei seinem Namen ruft. Hat ein Fremder einmal negative Erfahrungen mit einem Hund gemacht, wird er künftig auf diesen Hund achten und es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass er ihn nicht nur anhand seines Aussehens, sondern auch anhand seines Verhaltens wiedererkennt.

Diese Annahmen werden durch die Aussagen der Zeuginnen gestützt. So hat die Zeugin S. zu dem Vorfall am 22. Januar 2015 erklärt, sie habe die Identität der Hundehalterin erst herausfinden müssen, diese habe bei dem Vorfall aber gesagt, dass „Keo“ nicht gern an der Leine laufe. Den Vorfall am 22. Dezember 2015 schildert Frau S. so, dass sie Hund und Hundeführerin als die gleichen beschreibt, dabei aber klarstellt, dass sie sich über den Namen der Hundeführerin geirrt habe. Die Zeugin E. hat in ihrem Anhörungsbogen den Namen des Hundes mit einem Fragezeichen versehen. Das deutet nach dem Verständnis des Gerichts nicht etwa darauf hin, dass sie die Identität des Hundes anzweifelte, sondern darauf, dass sie den Namen phonetisch wiedergegeben hat. Auch dies spricht dafür, dass der Hund in der von ihr beschriebenen Situation mit diesem Namen angerufen worden ist. Hätten die Zeugen den Namen anders vernommen, hätten sie dies in ihren Anhörungsbögen angegeben, weil sie ein eigenes Interesse an der Identifizierung des Hundes hatten.

c. Vor diesem Hintergrund musste das Gericht den Beweisanträgen des Klägers nicht nachgehen. Sie waren schon abzulehnen, weil sie unerheblich waren, denn die unter Beweis gestellten Tatsachen räumen den Gefahrenverdacht nicht restlos aus. Das folgt zum einen aus den vorstehend beschriebenen Erwägungen, zum anderen aus dem Umstand, dass die Beweisanträge sämtlich nicht den Vorfall am 22. Januar 2015 betreffen, der zur Überzeugung des Gerichts allein schon die Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes des Klägers trägt. Hierzu hatte das Gericht bereits im Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz ausgeführt, dass der Einwand des Klägers, die Anschuldigungen seien erwiesenermaßen falsch, unzutreffend ist.

Das Gericht kann diesen Vorfall seiner Prüfung auch dann zugrunde legen, wenn die Beklagte selbst zunächst davon ausging, dass der Vorfall für eine Gefährlichkeitsfeststellung nicht ausreicht. Denn sie hat keine der Bestandskraft fähige Feststellung ausgesprochen, dass der Hund nicht gefährlich ist, sondern lediglich erklärt, sie werde die Gefährlichkeit des Hundes nicht unterstellen, also das Verfahren ohne Entscheidung eingestellt.

Die Beweisanträge zu 1. und 2. sind im Übrigen unerheblich, weil der behauptete Hergang bei Unterstellung seiner Richtigkeit kein eindeutig artgerechtes Abwehrverhalten dargestellt hätte und den Gefahrenverdacht nicht ausgeräumt hätte. Das Gericht hatte hierzu bereits im Eilbeschluss ausgeführt, dass sich der Hund des Klägers eines Angriffsverhaltens eines anderen Hundes ohne weiteres hätte entziehen können, indem er sich von dem Zaun ferngehalten hätte. Darüber hinaus stellt „aggressives Pöbeln“ eines Hundes – durch einen Zaun – schon kein Angriffsverhalten dar, das einen Biss – durch den Zaun – als artgerechtes Abwehrverhalten rechtfertigen könnte.

Sodann war der Kläger mit den Beweisanträgen auszuschließen, weil keine Beweismittel herbeigeschafft waren – auch nicht die Mutter des Klägers, auf deren Erscheinen er Einfluss hätte ausüben können – und hierdurch eine Verzögerung des Rechtsstreits eingetreten wäre. Zur Vermeidung solcher Verzögerungen hatte das Gericht dem Kläger eine Ausschlussfrist gem. § 87 b VwGO gesetzt. Das Gericht hat die Zeugen auch nicht von Amts wegen laden müssen, weil der Kläger erst mit den Beweisanträgen in der mündlichen Verhandlung konkrete Tatsachen in das Wissen der Zeugen gestellt hat. Bis dahin hatte er, was das Gericht bereits in dem Beschluss im Verfahren über vorläufigen Rechtsschutz bemerkt hatte, schriftsätzlich lediglich allgemeine oder unerhebliche Behauptungen (dass etwa der geschädigte Hund „Y.“ seinerseits aggressiv sei und alles attackiere, was sich in irgendwie gearteter Form bewege und früher einmal auf das Grundstück des Klägers vorgedrungen sei) und hypothetische Möglichkeiten (insbesondere dass die Mutter des Klägers mit einem anderen, ähnlich aussehenden Hund hätte unterwegs gewesen sein können) vorgetragen, die eine Beweiserhebung nicht erfordert haben.

Welcher Hund an den Vorfällen, auf die sich die Beweisanträge richteten, tatsächlich beteiligt gewesen sein soll, hat der Kläger nach wie vor nicht dargelegt, so dass seine Beweisanträge zu 3. und 4. auf Vernehmung seiner Mutter im Kern immer noch auf Ausforschungsbeweisanträge hinauslaufen. Dies gilt erst recht angesichts des Umstandes, dass bei dem Vorfall am 23. Dezember 2015 der Kläger den Hund nach Angaben der Zeugin selbst geführt hat und dann wohl auch ohne Vernehmung seiner Mutter den Namen des von ihm geführten Hundes nennen können müsste. Soweit der Kläger für die Behauptung, er oder seine Mutter habe in Wahrheit einen anderen, zum Verwechseln ähnlichen Hund geführt, die Vernehmung der Zeuginnen E. und S. begehrt, richten sich die Beweisanträge auf unergiebige Beweismittel, denn die Zeuginnen haben gerade angegeben, den Hund des Klägers erkannt zu haben. Über die behaupteten Tatsachen, über die erklärtermaßen im Irrtum gewesen wären, oder ihren Irrtum selbst werden sie aus eigenem Erleben keine Angaben machen können. Insoweit läuft der Beweisantrag auf ein Kreuzverhör zur Erschütterung der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeuginnen hinaus, das im deutschen Prozessrecht keine Stütze findet.

Soweit sich die Beweisanträge zu 1. und 2. auf die Frage richten, ob es sich bei den Vorfällen am 16. Juli 2014 und vom 18. Mai 2015 um artgerechtes Abwehrverhalten des Hundes des Klägers handelte, sind die Beweisanträge zudem abzulehnen, weil sie sich nicht auf Tatsachen richten, sondern eine rechtliche Würdigung, die nicht in das Wissen der Zeugen gestellt werden kann. Ein in dem Beweisantrag zu 1. enthaltener Tatsachenkern, dass „der Hund der Anzeigeerstatterin durch den Zaun aggressiv gegen „Keo“ gepöbelt hat“ stellt der Kläger ausdrücklich nicht in das Wissen der Zeugin I., von der er in der Begründung seines Beweisantrags behauptet, sie sei erst nach dem Vorfall hinzugekommen.

II. Auch der Kostenfestsetzungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Da der Kläger als Halter des betroffenen Hundes Anlass zu der Gefährlichkeitsfeststellung gegeben hat, muss er gemäß § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes in der Fassung vom 25.04.2007 (Nds. GVBl. S. 172), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 31.10.2013 (Nds. GVBl. S. 254) – NVwKostG – die Kosten des Verfahrens tragen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 5 Satz 2 NVwKostG – i. V. m. § 1 Nr. 2 der Gebührenordnung für die Verwaltung im Bereich des Verbraucherschutzes und des Veterinärwesens vom 29.11.2014 (Nds. GVBl. 2014, 318) – GOVV – sind für Amtshandlungen und Leistungen der Verwaltung aufgrund von weiteren Vorschriften über das Halten von Tieren Kosten (Gebühren und Auslagen) nach den §§ 2 bis 6 und dem Kostentarif (Anlage) zu erheben. Soweit die Gebührenordnung die Tätigkeit der Behörden nach dem NHundG regelt, sieht u. a. Ziffer XVII.4 der Anlage zu § 1 GOVV für die „Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes nach § 7 Abs. 1 Satz 2“ eine Gebühr von 35 bis 500 EUR vor. Die festgesetzte Gebühr hält sich in diesem Rahmen.

Soweit lediglich die Gebühr für die Feststellung der Gefährlichkeit erhoben wird, begegnet die Heranziehung auch keinen Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit der Gebührenordnung. Die Kammer hatte zwar mit (rechtskräftigem) Urteil vom 25. Mai 2016 ausgeführt (10 A 361/16, juris Rn. 19 ff.) die Unklarheit der Gebührenordnung gerügt, soweit das Nebeneinander von Gefährlichkeitsprüfung und Gefährlichkeitsfeststellung betroffen ist. Diese Rechtsprechung betrifft jedoch die Konstellation, dass die Gefährlichkeit nur geprüft, jedoch nicht festgestellt wird. Sie beansprucht dagegen keine Geltung für die hier betroffene Situation, in der die Gefährlichkeitsfeststellung erfolgt und (nur) dafür Gebühren erhoben werden.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Gründe, gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4, § 124 a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Weder hat der Rechtsstreit über den konkreten Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung, noch weicht das Gericht von der Rechtsprechung der dort genannten Obergerichte ab.