Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 17.02.2020, Az.: 1 B 5514/19

Beteiligung; Bürgermeister; Genossenschaft; Hauptamt; Nebentätigkeit; Vorstandstätigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
17.02.2020
Aktenzeichen
1 B 5514/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71636
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Genügt eine kommunale Beteiligung an einem Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts (hier: Genossenschaft) nicht den gesetzlichen Anforderungen nach § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG, kann eine vormals als Nebentätigkeit wahrgenommene Vorstandsfunktion eines Bürgermeisters in dem Unternehmen nicht in rechtmäßiger Weise dessen Hauptamt zugeordnet werden.

Tenor:

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die kommunalaufsichtliche Verfügung des Antragsgegners vom 8. Oktober 2019 wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine kommunalaufsichtliche Beanstandung eines Ratsbeschlusses.

Der Rat des Antragstellers beschloss am 3. Juli 2019, die bis dahin als Nebentätigkeit wahrgenommene Vorstandsmitgliedschaft des Bürgermeisters des Antragstellers in einer eingetragenen Genossenschaft seinem Hauptamt zuzuordnen. Im Jahr 2015 fanden sich der Antragsteller, ein in seinem Gebiet ansässiges Chemieunternehmen, die Betreibergesellschaft einer Biogasanlage mit Blockheizkraftwerk sowie Bürgerinnen und Bürger zusammen, um als Fernwärmeprojekt die Genossenschaft "BürgerEnergie Steyerberg-Fernwärme" (BESt-F eG) zu gründen. Das ortsansässige Chemieunternehmen stellt hauptsächlich Dimethylterephthalat als Grundstoff für die europäische Polyesterindustrie her. Bei den Produktionsprozessen fällt ganzjährig Abwärme an, die zu den Genossenschaftsmitgliedern als Endverbrauchern transportiert werden soll, wobei die Biogasanlage und ein Pufferspeicher eine ausreichende Spitzen- und Reserveleistung gewährleisten sollen. Ausgegangen wurde von einem Investitionsvolumen von insgesamt 10 Mio. EUR (vgl. http://www.klimastark.de/fernwaerme-im-flecken/fernwaermenetz-steyerberg-best-f-eg.html). Beabsichtigt war zudem, jeden Fernwärme-Endverbraucher an ein Glasfaser-Breitbandnetz ("FTTB"="fiber to the building") anzuschließen, welches schnelles Internet liefert und der Steuerung des Fernwärmenetzes dient. Zweck und Gegenstand der Genossenschaft werden in § 2 der Satzung (Stand 19.06.2018) wie folgt umschrieben:

"Zweck der Genossenschaft ist die Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft der Mitglieder durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb.

Gegenstand des Unternehmens ist:

- Der Bau und die Unterhaltung von Anlagen zur Produktion und Verteilung sowieVerkauf von Wärmeenergie unter Einsatz emissionsarmer Technik mit dem Ziel, Kohlendioxidmengen zu mindern.

- Die Verteilung leitungsgebundener Daten und die Vermietung der entsprechenden geschaffenen Infrastruktur.

- Der Bau von Anlagen zur Verwertung von Stromüberschüssen zur Erzeugung von Wärme (power-to-heat) sowie die Vermarktung und Verwaltung.

- Unterstützung und Beratung in Fragen der allgemeinen Energie- und Informationsversorgung."

Der Antragsgegner verfolgt ein eigenes (kreisweites) Konzept einer NGA-Breitbandversorgung ("NGA"="next generation access") und schloss zu diesem Zweck mit den kreisangehörigen Gemeinden Kooperationsvereinbarungen, so auch mit dem Antragsteller. Auf dieser Basis schrieb der Antragsgegner für das gesamte Kreisgebiet die zu erbringenden Leistungen aus. Nachdem von der BESt-F eG zunächst beabsichtigt war, die Netzkapazitäten bei dem Gewinner einer vom Antragsgegner veranlassten Ausschreibung einzukaufen, nahm sie später davon Abstand, da ein bloßer FTTC-Ausbau (=fiber to the curb, Glasfaser bis zum Verteilerkasten) anstatt des FTTB-Ausbaus als unzureichend angesehen wurde. Die BESt-F eG nahm schließlich wegen des beabsichtigten Vollausbaus eines FTTB-Netzes Verhandlungen mit der Deutschen Telekom auf, die sich zu einem solchen Vollausbau im Gebiet des Antragstellers entschloss.

Die Beteiligung des Antragstellers an der BESt-F eG wurde dem Antragsgegner am 25. April 2016 angezeigt. Dabei wurde mitgeteilt, dass ein angemessener kommunaler Einfluss dadurch gegeben sei, dass zum einen der Bürgermeister des Antragstellers Aufsichtsratsvorsitzender der BESt-F eG sei und zum anderen dieses Amt in einem Vertrag über einen Kredit des Antragstellers an die BESt-F eG über einen Betrag von 2,5 Mio. EUR abgesichert werden solle. Aufgrund eines Beschlusses der Mitgliederversammlung der BESt-F eG vom 19. Juni 2018 wechselte der Bürgermeister in den zweiköpfigen Vorstand; Vorstandsvorsitzender ist ein Ratsmitglied des Antragstellers. Der Antragsgegner hatte Zweifel an der beabsichtigten Kreditvergabe und an der Vereinbarkeit des Bürgermeisteramtes und der Vorstandsmitgliedschaft, die zunächst in ein Unterrichtungsverlangen vom 19. Dezember 2018 und schließlich nach vorheriger Anhörung in eine kommunalaufsichtliche Verfügung vom 7. Juni 2019 mündeten. Mit dieser wurde gegenüber dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung angeordnet, dem Bürgermeister die Ausübung der Nebentätigkeit als Vorstandsmitglied der BESt-F eG zu untersagen (Nr. 1 der Verfügung), ihm die Nutzung gemeindlicher Ressourcen für die Vorstandstätigkeit zu untersagen (Nr. 2 der Verfügung) sowie bei Aufrechterhaltung der Beteiligung an der BESt-F eG die gesetzlichen Voraussetzungen des § 137 Abs. 1 NKomVG zu erfüllen (Nr. 3 der Verfügung). Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 24. Juni 2019 die bei der beschließenden Kammer unter dem Aktenzeichen 1 A 2978/19 anhängige Anfechtungsklage.

In seiner Sitzung vom 3. Juli 2019 beschloss der Rat des Antragstellers einstimmig, dass die Tätigkeit des Bürgermeisters als Vorstand der BESt-F eG von erheblicher Bedeutung für die Gemeinde sei und daher seinem Hauptamt zugeordnet werde. Daraufhin änderte Antragsteller seinen Klageantrag im Verfahren 1 A 2978/19 auf eine Feststellung der Erledigung der Klage gegen die Nrn. 1 und 2 der angegriffenen Verfügung vom 7. Juni 2019 ab. Am 20. August 2019 fasste der Rat des Antragstellers einen Beschluss über einen Kreditvertrag, mit welchem der Antragsteller der BESt-F eG einen Kredit in Höhe von 2,5 Mio. EUR einräumt. In dem Kreditvertrag wird dem Antragssteller u. a. zugesichert, drei kooptierte und stimmberechtigte Mitglieder in den Aufsichtsrat der BESt-F eG zu entsenden.

Nach vorheriger Anhörung beanstandete der Antragsgegner mit Bescheid vom 8. Oktober 2019 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung den Ratsbeschluss vom 3. Juli 2019. Die Zuordnung der Vorstandstätigkeit zum Hauptamt des Bürgermeisters verstoße gegen geltendes Recht, weil es sich bei der BESt-F eG nicht um ein kommunales Unternehmen oder eines mit kommunaler Mehrheitsbeteiligung handele und die Voraussetzungen des § 137 Abs. 1 Nrn. 6 und 8 NKomVG für eine Beteiligung als solche nicht eingehalten würden. Ein angemessener Einfluss im Überwachungsorgan der BESt-F eG werde weder durch den Beschluss der Entsendung von drei Ratsmitgliedern in den Aufsichtsrat noch durch eine Vereinbarung in einem Kreditvertrag hinreichend gesichert. Gegen den Bescheid vom 8. Oktober 2019 hat der Antragsteller am 22. Oktober 2019 Klage erhoben (1 A 5025/19) und am 22. November 2019 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

II.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 8. Oktober 2019 hat keinen Erfolg.

Die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegebene Begründung genügt in formeller Hinsicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Erforderlich ist insoweit eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, den angefochtenen Verwaltungsakt zunächst nicht befolgen zu müssen (vgl. etwa Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 85 m. w. N.). Ob die angeführten, den Einzelfall betreffenden Gründe die Anordnung des Sofortvollzuges auch inhaltlich tragen, ist demgegenüber keine Frage der formellen Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern eine solche der materiellen Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung (vgl. etwa Nds. OVG, Beschl. v. 09.07.2013 - 13 ME 105/13 -, n. v.; Beschl. v. 19.05.2010 - 11 ME 133/10 -, juris Rn. 10). An die Begründung der Anordnung sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O.). Diesen Anforderungen genügt die gegebene Begründung. Der Antragsgegner hat darauf abgestellt, dass bei einem Vollzug des gefassten Beschlusses bei Eintritt der aufschiebenden Wirkung der Anschein der Rechtmäßigkeit der Zuweisung der Vorstandstätigkeit zum Hauptamt erweckt würde und dies wegen der potentiellen bzw. bestehenden Interessenkonflikte nicht hingenommen werden könne. Damit hat die Antragsgegnerin konkret und fallbezogen sowie keineswegs "bloß formelhaft" dargetan, was sie zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen hat. Davon abgesehen könnte die beantragte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ohnehin nicht schon wegen einer unzureichenden Begründung erfolgen, sondern lediglich eine Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung (vgl. etwa Nds. OVG, Beschl. v. 19.05.2010 - 11 ME 133/10 -, juris Rn. 12).

In materieller Hinsicht kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Falle der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO wiederherstellen, wenn die im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse oder ein überwiegendes Interesse eines Dritten an der Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes hinter das Interesse des Adressaten an einem Aufschub des Vollzugs desselben zurücktritt. Im Rahmen der Interessenabwägung haben die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs einen bedeutenden Stellenwert. Ergibt sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich Erfolg haben wird, überwiegt regelmäßig das Interesse des Adressaten des Verwaltungsaktes, von dessen Vollziehung vorerst verschont zu bleiben. Erweist sich der Rechtsbehelf hingegen bei summarischer Überprüfung als offensichtlich erfolglos, weil sich der angegriffene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig darstellt, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts jedenfalls dann, wenn das von der Behörde geltend gemachte besondere Vollziehungsinteresse bzw. eine Dringlichkeit tatsächlich besteht (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 10.09.2014 - 8 ME 87/14 -, juris Rn. 4 m. w. N.; Bader/Funke-Kaiser/Stuhl-fauth/von Albedyll: VwGO, 7. Aufl. § 80 Rn. 96 m. w. N.).

Nach diesen Maßstäben überwiegt hier das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung, weil sich die auf § 170 Abs. 1 und § 173 Abs. 1 Satz 1 NKomVG gestützte Beanstandung des Ratsbeschlusses vom 3. Juli 2019 aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen wird und für die Beanstandung zudem auch ein besonderes Vollziehungsinteresse streitet. Im Einzelnen:

Die Beanstandung weist keine formellen Fehler auf. Nach § 173 Abs. 1 Satz 1 NKomVG kann die Kommunalaufsichtsbehörde Beschlüsse und andere Maßnahmen einer Kommune sowie Bürgerentscheide beanstanden, wenn sie das Gesetz verletzen. Der Antragsgegner ist nach § 171 Abs. 1 NKomVG die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde im Sinne der genannten Rechtsgrundlage; es ist hingegen nicht – wie der Antragsteller meint – nach § 171 Abs. 4 Satz 1 NKomVG das Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport an die Stelle des Antragsgegners getreten. Nach § 171 Abs. 4 Satz 1 NKomVG tritt die oberste Kommunalaufsichtsbehörde an die Stelle eines Landkreises, wenn dieser in einer von ihm als Kommunalaufsichtsbehörde zu entscheidenden Angelegenheit auch noch in anderer Weise beteiligt ist, wobei die oberste Kommunalaufsichtsbehörde auch darüber entscheidet, ob die Voraussetzung für ihre Zuständigkeit gegeben ist. Es kann dahinstehen, ob mit einer – hier mit Erlass vom 6. Mai 2019 vorliegenden und die Zuständigkeit des Antragsgegners bejahenden – Zuständigkeitsentscheidung der obersten Kommunalaufsichtsbehörde eine Bindungswirkung dergestalt einhergeht, dass auch in einem gerichtlichen Verfahren gegen eine kommunalaufsichtliche Maßnahme eine Überprüfung der Zuständigkeit versperrt sein kann (so wegen angenommener Verwaltungsaktsqualität der Entscheidung: OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 01.03.2011 - 15 B 127/11 -, juris Rn. 15; a. A. KVR-NKomVG, Stand: November 2019, § 171 Rn. 6). Eine "Beteiligung" i. S. d. § 171 Abs. 4 Satz 1 NKomVG setzt nämlich einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil für den Träger der Kommunalaufsichtsbehörde voraus (Nds. OVG, Beschl. v. 19.08.2014 - 10 ME 90/13 -, juris Rn. 8), der hier nicht angenommen werden kann. Soweit der Antragsteller darauf abhebt, dass der Antragsgegner finanzielle Nachteile befürchte, wenn die BESt-F eG im Rahmen der Fernwärmeversorgung für die Bürger kostenfrei auch ein Glasfasernetz verlege, geht es um allenfalls mittelbare Folgewirkungen für den gedachten Fall, dass das Einschreiten des Antragsgegners das Vorhaben der BESt-F eG zur Implementierung eines FTTB-Netzes insgesamt vereiteln würde. Der Antragsteller unterstellt dabei offensichtlich, dass es dem Antragsgegner eigentlich nicht um die Herstellung kommunalverfassungsrechtlich ordnungsgemäßer Zustände im Verhältnis des Antragstellers und dessen Bürgermeister zur BESt-F eG geht, sondern schlichtweg darum, die Aktivitäten der BESt-F eG als solche zu erschweren und möglichst zu verhindern. Davon vermag die Kammer nicht auszugehen, da der Antragsgegner in erkennbarer Weise lediglich die Einhaltung der kommunalverfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Beteiligung an Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts und eine rechtsfehlerfreie Aufgabenwahrnehmung durch den Bürgermeister sichergestellt wissen will.

Die Beanstandung wird sich im Hauptsacheverfahren auch in materieller Hinsicht aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen. Der zum Tagesordnungspunkt 5 gefasste Ratsbeschluss vom 3. Juli 2019 verletzt das Gesetz i. S. d. § 173 Abs. 1 Satz 1 NKomVG, weil die Vorstandstätigkeit des Bürgermeisters in der BESt-F eG nicht seinem Hauptamt zugeordnet werden durfte. Aus dienstrechtlicher Sicht nimmt grundsätzlich der Dienstherr – hier also der Antragsteller durch dessen Rat als oberste Dienstbehörde des Hauptverwaltungsbeamten (§ 107 Abs. 5 Satz 1 NKomVG) – die Zuordnung einer Aufgabe zu einem Hauptamt oder ihre Ausgestaltung als Nebenamt oder Nebentätigkeit kraft seiner Organisationsgewalt vor; zudem kann innerhalb der durch das Kommunalverfassungsrecht gezogenen Grenzen ein gewählter Hauptverwaltungsbeamter selbst entscheiden, welche konkreten Aufgaben mit kommunalem Bezug er in seiner Amtszeit übernimmt und damit zum Teil seines Hauptamtes macht, wodurch er seinen Pflichtenkreis konkretisiert (BVerwG, Urt. v. 31.03.2011 - 2 C 12/09 -, juris Rn. 18). Für die Frage einer Gesetzesverletzung ist nach Auffassung der Kammer indessen nicht nur der dienstrechtliche Zuordnungsakt isoliert in den Blick zu nehmen, sondern auch die zugeordnete Sachaufgabe als solche: Stellt sich die Wahrnehmung der Sachaufgabe als rechtswidrig dar, "infiziert" dies auch die Zuordnung der Sachaufgabe zum Hauptamt des Hauptverwaltungsbeamten; eine rechtswidrige Aufgabenwahrnehmung kann mithin nicht rechtmäßig dem Hauptamt zugeordnet werden.

Eine derzeit rechtswidrige Aufgabenwahrnehmung bei der Beteiligung des Antragsgegners an der BESt-F eG liegt jedenfalls hinsichtlich der Anforderung des § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG vor, wonach die Kommune einen angemessenen Einfluss, insbesondere im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Überwachungsorgan, erhalten und dieser durch Gesellschaftsvertrag, durch Satzung oder in anderer Weise gesichert werden muss. Eine "Beteiligung" i. S. d. Vorschrift ist gegeben; sie scheitert nicht etwa daran, dass der Antragsteller lediglich einfaches Mitglied einer Genossenschaft ist, die sich wirtschaftlich betätigt. Die §§ 136 ff. NKomVG regeln gerade auch Beteiligungen, bei denen die Kommune nicht über die Mehrheit der Anteile verfügt. Dies ergibt sich etwa im Rückschluss aus § 137 Abs. 1 Nr. 7 NKomVG, der ein Letztentscheidungsrecht der Kommune (nur) bei mehrheitlicher Beteiligung fordert. Zudem ist eine eingetragene Genossenschaft eine zwar eher unübliche, aber doch in Betracht kommende private Rechtsform für die Beteiligung einer Kommune (vgl. dazu KVR-NKomVG, Stand: November 2019, § 137 Rn. 16 m. w. N.; Thiele, NKomVG, 2. Aufl., § 137 Rn. 5). Ein angemessener Einfluss ist derzeit nicht hinreichend gesichert. Die Angemessenheit des Einflusses durch Sitze im Überwachungsorgan bestimmt sich im Grundsatz am Umfang der Beteiligung der Kommune (Thiele, NKomVG, 2. Aufl., § 137 Rn. 9), wobei allerdings auch bei Minderheitsbeteiligungen aufgrund des Erfordernisses der demokratischen Legitimation des unternehmerischen Handelns der Kommune bei grundlegenden Entscheidungen eine entscheidende Einflussnahme gewährleistet sein muss (so KVR-NKomVG, Stand: November 2019, § 137 Rn. 10 f., 33 zugleich unter Hinweis auf abweichende Auffassungen). Ein entscheidender Einfluss ist hier nicht durch "Gesellschaftsvertrag, durch Satzung oder in anderer Weise gesichert". Dass in einem Kreditvertrag zwischen dem Antragsteller und der BESt-F eG die Entsendung von drei stimmberechtigten Mitgliedern in den Aufsichtsrat zugestanden wird, reicht dafür nicht aus. Offenbleiben kann, ob überhaupt die vorgesehene Anzahl von drei Aufsichtsratsmitgliedern als ausreichend anzusehen ist, was zweifelhaft ist, weil der Aufsichtsrat der BESt-F eG sieben Mitglieder hat (https://www.best-steyerberg.de/team/). Selbst wenn die Anzahl ausreichen solllte, genügt jedenfalls die bloße Verankerung des Entsenderechts in einem Kreditvertrag den gesetzlichen Vorgaben nicht. Wenn das Gesetz neben dem Gesellschaftsvertrag und der Satzung auch eine Sicherung in "anderer Weise" zulässt, muss diese nach Auffassung der Kammer den explizit genannten Sicherungsformen gleichrangig sein, was regelmäßig eine Verankerung in den "Gründungsstatuten" erfordert (Thiele, NKomVG, 2. Aufl., § 137 Rn. 9 nennt insoweit etwa einen "Konsortialvertrag"). Ein Kreditvertrag erfüllt diese Anforderungen erkennbar nicht; eine Satzungsregelung über ein Entsenderecht des Antragstellers bezüglich des Kontrollgremiums existiert schlichtweg nicht.

Ob – wie der Antragsgegner meint – weitere Gesetzesverletzungen aus einer Nichterfüllung der Anforderungen des § 137 Abs. 1 Nr. 8 NKomVG oder einem Interessenkonflikt (§ 73 Abs. 1 NBG) resultieren, kann in Anbetracht des Befundes zu § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG offenbleiben.

Die Kammer geht auch von einem besonderen Vollziehungsinteresse aus. Sie teilt die Auffassung des Antragsgegners, dass der durch den gefassten Beschluss bewirkte Anschein einer Rechtmäßigkeit der Zuweisung der Vorstandstätigkeit zum Hauptamt des Bürgermeisters für die Dauer eines Klageverfahrens nicht hingenommen werden kann. Die Absicherung des angemessenen Einflusses betrifft hier schon die insoweit unzureichenden "Gründungsstatuten", nämlich die Satzung der Genossenschaft. Der verlässlich sicherzustellende angemessene Einfluss basiert auf dem letztlich verfassungsrechtlich verankerten Erfordernis demokratischer Legitimation gemeindlicher Aktivitäten. Ein besonderes Vollziehungsinteresse entfällt deshalb nicht schon, weil derzeit auf Basis eines Kreditvertrages drei Mitglieder des Aufsichtsrats der BESt-F eG auch Mitglieder des Rates des Antragstellers sind. Auch kann die mangelnde Absicherung des Einflusses mittels eines den gesetzlichen Anforderungen nach § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG entsprechenden Kontrollgremiums nicht etwa vorübergehend dadurch ersetzt werden, dass der Bürgermeister des Antragstellers Vorstandsmitglied bei der BESt-F eG ist. Wie dargestellt, wird diese Aufgabenwahrnehmung im Hauptamt gerade aufgrund der Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 137 Abs. 1 NKomVG rechtwidrig; sie kann daher nicht ihrerseits – auch nicht vorübergehend – die fortlaufenden Rechtsverstöße bei der Beteiligung als solcher ausgleichen. Zudem ist der Vorstand der BESt-F eG der genossenschaftlichen Zielsetzung verpflichtet (§ 14 der Satzung der BESt-F eG), die keineswegs stets mit den Interessen der Kommune identisch sein muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 22.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (NordÖR 2014, 11).