Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 26.05.2004, Az.: 1 B 562/04

Gefahrenabwehrverfügung wegen Kriegsmunition auf eigenem Grundstück; Konkrete Gefahr durch Explosionsgefahr auf Grund von Munitionsresten; Störereigenschaft eines Eigentümers eines Grundstücks; Haftung der Bundesrepublik Deutschland für Munitionsreste der Wehrmacht

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
26.05.2004
Aktenzeichen
1 B 562/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 13403
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2004:0526.1B562.04.0A

Verfahrensgegenstand

Sperrung eines Grundstücks (Kriegsmunition)
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

Prozessgegner

Samtgemeinde Land Wursten
vertreten durch den Samtgemeindebürgermeister, Westerbüttel 13, 27632 Dorum.

Redaktioneller Leitsatz

Die Zustandshaftung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG knüpft ausschließlich an das Innehaben des Eigentums oder einer sonstigen Berechtigung an der Sache an; Haftungsgrund ist nicht die Beziehung des Ordnungspflichtigen zur Entstehung der Gefahr, sondern zu ihrem Herd.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 1. Kammer -
am 26. Mai 2004
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 31. März 2004 gegen die Gebote und Verbote bestimmter Handlungen in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. März 2004 wiederherzustellen, wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller wendet sich mit seinem Antrag gegen eine Verfügung der Antragsgegnerin, mit der ihm der Zutritt zu seinem Grundstück untersagt und gleichzeitig aufgegeben wird, Sicherungsmaßnahmen zu treffen.

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Der Antragsteller ist Eigentümer eines Grundstücks in der Gemarkung D., Flur 34, Flurstück 66, E. in F. Das Grundstück hat eine Größe von 57.352 qm und wurde vom Antragsteller im November 2000 für 60.000,-- DM von der Bundesrepublik Deutschland erworben. Auf dem Grundstück befand sich während des Zweiten Weltkrieges eine Haubitzenbatterie der Deutschen Wehrmacht. Die ehemalige Haubitzenstellung ist von einem Wassergraben umgeben. In dem Wassergraben und der näheren Umgebung befinden sich noch Munitionsreste aus der Kriegszeit. Dieser Umstand war dem Antragsteller zum Zeitpunkt des Kaufes bekannt. Die Verkäuferin hatte ihn vor dem Kauf in einem Merkblatt ausdrücklich auf die vorhandenen Munitionsreste hingewiesen. Aus § 4 Abs. 3 des notariellen Kaufvertrages ergibt sich, dass auf dem Gelände, besonders im Bereich des Grabens, in der Vergangenheit Kampfmittelräumungen durchgeführt wurden. Der Vertrag enthält außerdem einen Haftungsausschluss für auf dem Grundstück befindliches Kriegsgerät oder Sprengstoffe. In § 4 Abs. 4 wurde der Antragsteller auf den Beschluss des Rates der Gemeinde Wursten hingewiesen, auf dem Gelände keine Nutzung zuzulassen. Die Antragsgegnerin lehnte aus diesem Grund das eingereichte Nutzungskonzept des Antragstellers ab. Trotzdem begann dieser Anfang 2001 damit, das ehemalige militärische Wachgebäude zu Wohnzwecken herzurichten und eine Herde von Longhornbullen anzusiedeln. Die Nutzung des Wachgebäudes wurde ihm später bauaufsichtlich untersagt.

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In der Folgezeit stellte der Antragsteller fest, dass sich hauptsächlich im Wassergraben noch eine erhebliche Menge an Kriegsmunition befindet. Er fand mehrfach Granaten und Geschosse und meldete diese Funde der Antragsgegnerin. Diese ließ die Munition durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes Niedersachsen (KBD) entfernen. Der Antragsteller wurde dabei wiederholt auf die Sicherungspflichten und die Bestimmungen des Sprengstoffgesetzes hingewiesen. Mit bestandskräftiger Verfügung der Antragsgegnerin vom 10. Juli 2002 wurde dem Antragsteller dann unter anderem das weitere Suchen und Bergen von Munition untersagt. Ihm wurde ferner aufgegeben, den direkt gefährdeten Bereich durch Schilder mit der Aufschrift "Betreten verboten, Lebensgefahr" zu kennzeichnen.

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Der Antragsteller verlangte daraufhin, die Antragsgegnerin solle das Grundstück von den Munitionsresten räumen. Die Spreng- und Explosivstoffe stellten eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Durch die im Boden lagernde Munition und deren Abbauprodukte drohe eine Vergiftung des Grundwassers.

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Die Antragsgegnerin verneinte eine solche Gefahr. In ihrem Auftrag stellte das Limnologische Institut Dr. Nowak in einem Gutachten fest, dass sich in Wasser-, Sediment- und Bodenproben keine kampfmittelspezifischen Rückstände nachweisen ließen. Um diese Bewertung zu widerlegen, beauftragte der Antragsteller den Sachverständigen für

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Rüstungsaltlasten Jochen G. mit einer weiteren Begutachtung. Dieser kam zu dem Ergebnis, die ehemalige Haubitzenbatterie stelle ein nicht zu unterschätzendes Gefährdungspotenzial dar. Von den Munitionsresten gehe bei unsachgemäßer Handhabung Explosionsgefahr aus. Die stark korrodierten Munitionsteile gefährdeten durch austretende Inhaltsstoffe akut das Grundwasser.

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Am 21. Juli 2003 erhob der Antragsteller Klage gegen die Antragsgegnerin mit dem Antrag, diese zu verurteilen, sein Grundstück von Kriegsmunition jeglicher Art zu räumen. Er gehe dabei von mindestens 1.500 Sprenggranaten aus. Das Verfahren ist vor der Kammer anhängig (1 A 1220/03).

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Im November 2003 stellte die Antragsgegnerin anhand von Presseveröffentlichungen und eigenen Wahrnehmungen auf dem Gelände fest, dass Munitionsteile und -reste freigelegt und beseitigt worden sein mussten. Daraufhin ersuchte die Antragsgegnerin den KBD mit der Erstellung einer neuen Gefährdungsabschätzung. Der KBD fand oberflächlich zahlreiche Granaten, Munitionsteile und ein 2 kg schweres Stück TNT. Der Sprengstoff lag völlig frei auf dem Gras und konnte nach den Feststellungen des KBD erst kurz vorher dorthin gebracht worden sein. Der KBD teilte unter dem 26. Februar 2004 mit, von der auf dem Gelände lagernden Munition gehe eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit aus.

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Mit Bescheid vom 15. März 2004 erließ die Antragsgegnerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und unter Androhung von Zwangsmitteln folgende Bestimmungen:

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  • der Antragsteller und von ihm befugte Personen dürfen das gesamte Grundstück nicht mehr betreten,
  • der vorhandene Tierbestand muss bis spätestens 29. März 2004 von dem Grundstück entfernt werden,
  • das Grundstück muss bis spätestens 29. März 2004 so abgesperrt werden, z.B. mit einem 2,50 m hohen Bauzaun, dass es von Unbefugten nicht betreten werden kann, und ist durch Schilder mit der Aufschrift "Betreten verboten, Lebensgefahr" zu kennzeichnen.

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Von dem Grundstück gehe eine konkrete Gefahr i.S.d. § 2 Nr. 1 Buchst. a Nds. SOG aus, und der Antragsteller sei gemäß § 7 Abs. 2 Nds. SOG als Eigentümer für den Zustand des Grundstücks verantwortlich. Angesichts der Sachlage bestehe die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten könnte. Auf dem Grundstück nach wie vor seien Kampfmittel vorhanden. Die Kampfmittel könnten auf Grund ihres schlechten Zustandes in bestimmten und in der Regel nicht vorhersehbaren Fällen auch ohne äußere Einwirkung mit verheerenden Folgen für die Umgebung zur Detonation gelangen. Gealterte Sprengstoffe reagierten wesentlich sensibler und empfindlicher auf Belastungen aller Art. Bereits die Berührung durch einen Menschen oder ein Tier könnte eine Explosion auslösen. Der Antragsteller habe diese Gefahr durch wiederholtes Ausgraben von Munitionsteilen selbst gesteigert. Er habe dadurch sich und Dritte erheblich gefährdet. Das gefundene TNT habe völlig frei auf der Erdoberfläche gelegen und müsse erst vor kurzem dorthin verbracht worden sein. Es bestehe der Verdacht, dass der Antragsteller die Munitionsteile freilege, um diese "öffentlichkeitswirksam" präsentieren zu können. Um zu verhindern, dass Unbefugte das Grundstück betreten, sei das gesamte Gelände, z.B. durch einen Bauzaun, abzusperren. Es bestehe die reale Möglichkeit, dass Kampfmittel von Straftätern entwendet und zu kriminellen Handlungen verwendet werden könnten. Das gefundene Stück TNT habe sich in einem sehr guten Zustand befunden und sei auch heute noch als Sprengstoff nutzbar. Weiterhin bestehe ebenso die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche in Kontakt mit den Munitionsteilen kommen könnten.

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Mit seinem Widerspruch vom 31. März 2004 lehnte der Antragsteller im Wesentlichen seine Verantwortlichkeit für den Zustand des Grundstücks ab. Die Gefahr könne nur durch vollständige Entfernung der Kriegsmunition beseitigt werden. Zuständig und verpflichtet hierzu sei nach den Bestimmungen des Nds. SOG einzig und allein die Antragsgegnerin als Gefahrenabwehrbehörde.

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Mit Antrag vom selben Tag hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er bezieht sich auf die Begründung seines Widerspruchs. Die von der Antragsgegnerin angemahnte Dringlichkeit der Gefahrenbeseitigung sei kaum gegeben. Der Zustand des Grundstücks sei seit Kriegsende bekannt. Sie habe daher genügend Zeit und Gelegenheit zum Einschreiten gehabt. Der Tierbestand rufe auch keine zusätzlichen Gefahren hervor. Die Tiere befänden sich seit etwa zwei Jahren ohne Zwischenfall auf dem Gelände. Ein Zaun um das Grundstück sei bereits vorhanden, auch wenn es sich nicht um einen 2,50 m hohen Bauzaun handele. Auch die geforderten Warnschilder seien bereits vorhanden.

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Die Antragsgegnerin tritt dem Begehren entgegen und bezieht sich auf die Begründung des angefochtenen Bescheides. Der Antragsteller habe sich nicht an die Verfügung vom 10. Juli 2002 gehalten und weiterhin Munitionsteile freigelegt. Aus diesem Grund sei gegen ihn und von ihm befugte Personen ein Betretungsverbot auszusprechen gewesen. Der Antragsteller habe durch dieses Verhalten eine erhebliche Gefahrenquelle geschaffen und dadurch die bestehende Situation auf dem Grundstück nachhaltig verändert.

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II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

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Gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbaren vollstreckungsrechtlichen Anordnungen in dem Bescheid vom 15. März 2004 hat der Antragsteller keinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gestellt. Sein prozessuales Begehren beschränkt sich auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels gegen die Ge- und Verbote in der angefochtenen Verfügung.

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Insoweit hat die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Verfügung in formell ordnungsgemäßer Weise angeordnet (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Die Erwägungen, mit denen sie von dieser verfahrensrechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sind in dem Bescheid vom 15. März 2004 ausreichend schriftlich dargelegt worden (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

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In der Sache besteht keine Veranlassung, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die Ge- und Verbote der Verfügung wiederherzustellen. Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung, sofern nicht die Behörde im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten die sofortige Vollziehung besonders anordnet. Diese Anordnung darf erlassen werden, wenn ein Abwarten bis zur Bestandskraft des Bescheides das öffentliche Interesse so schwer wiegend beeinträchtigen würde, dass die privaten Interessen des Betroffenen demgegenüber zurücktreten müssen.

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Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung ist in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig anzunehmen, wenn eine über die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts hinausgehende konkrete Lebens- und Gesundheitsgefahr für Menschen besteht. Eine Gefahrenlage in diesem Sinne ist begründet, wenn die möglichen Folgen auf Grund einer Abwägung der besonderen Umstände zu Lasten der Allgemeinheit und damit im öffentlichen Interesse nicht hingenommen werden können. Nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Rechtsbehelf des Antragstellers beim gegenwärtigen Erkenntnisstand keine Aussicht auf Erfolg. Der Antragsteller hat nach den getroffenen Feststellungen in der Vergangenheit immer wieder Munition und Kampfmittel freigelegt und auf dem Grundstück bewegt, obwohl ihm durch Verfügung vom 10. Juli 2002 das Suchen und Bergen von Munition bestandskräftig untersagt worden ist.

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Bei Vorliegen einer Gefahr können die Verwaltungsbehörden gem. § 11 Nds. SOG die notwendigen Maßnahmen treffen, um diese Gefahr abzuwehren. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Von dem Grundstück geht eine konkrete Gefahr i.S.d. § 2 Nr. 1Buchst. a Nds. SOG aus. Es liegt eine Sachlage vor, bei der die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird. Der KBD hat in seiner Gefährdungsabschätzung vom 26. Februar 2004 festgestellt, dass auf dem Grundstück weiterhin große Mengen an Munition und Munitionsteilen vorhanden sind. Diese befinden sich hauptsächlich im Wassergraben und oberflächlich in der näheren Umgebung. Die Kampfmittel befinden sich in einem schlechten Zustand, sind teilweise stark korrodiert und daher unkalkulierbar. Der KBD verweist insoweit auf wissenschaftliche Untersuchungen, wonach gealterte Sprengstoffe wesentlich sensibler und empfindlicher auf Belastungen aller Art reagieren. Die in den Zündsystemen einlaborierten Initialsprengstoffe haben im Laufe der Zeit mit ihren Umhüllungen chemisch reagiert und neue Verbindungen gebildet, die schon bei geringster Belastung zur detonativen Umsetzung gelangen können. Eine unsachgemäße Berührung oder der Tritt eines Tieres oder einer Person kann demnach bereits eine Explosion hervorrufen. Die Antragsgegnerin konnte daher ein Betretungsverbot und das umgehende Entfernen des auf dem Grundstück befindlichen Viehs anordnen. Denn die Gefahr wird durch die Tatsache erhöht, dass das Grundstück vorwiegend zur Tierhaltung genutzt und daher auch von Personen betreten wird. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Tiere oder Personen, seien es der Antragsteller oder Dritte, mit Munitionsresten in Berührung kommen und dadurch eine Kampfmittelexplosion ausgelöst wird.

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Die Antragsgegnerin hat das ihr gem. § 5 Abs. 1 Nds. SOG eingeräumte Ermessen insoweit rechtsfehlerfrei ausgeübt. Die Maßnahmen sind nicht nur zur Abwehr der festgestellten Gefahren geeignet und erforderlich, sondern auch angemessen. Die Kammer setzt hierbei voraus, dass die Antragsgegnerin übermäßige Auswirkungen des unbedingten Betretungsverbots zu Lasten des Antragstellers vermeiden wird, indem sie ihm in begründeten Fällen ausnahmsweise gestattet, das Grundstück aufzusuchen. Auch die Anordnung, das Grundstück zu umzäunen und mit Warnschildern zu versehen, ist notwendig, damit Dritte am Betreten der Flächen gehindert werden. Weder der bisher vorhandene, zu niedrige Zaun noch die im engeren Bereich der Haubitzenstellung angebrachten Schilder können diesen Zweck erfüllen. Der veranschlagte Kostenaufwand für diese Sicherungsvorkehrungen in Höhe von 15.000,00 EUR erweist sich vor dem Hintergrund des vereinbarten Kaufpreises für das Grundstück, dessen geringe Höhe von 60.000,00 DM offenbar durch die beim Erwerb vorausgesetzten Aufwendungen im Hinblick auf die vorhandenen Altlasten beeinflusst worden ist, als nicht unverhältnismäßig.

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Der Antragsteller ist als Zustands- und Handlungsstörer ordnungspflichtig. Geht die Gefahr von einer Sache aus, sind die notwendigen Maßnahmen nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG gegen den Eigentümer zu richten. Nach dieser Vorschrift ist der Eigentümer einer Sache für deren ordnungsgemäßen Zustand verantwortlich (sog. Zustandshaftung). Verursacht eine Person die Gefahr, so sind die Maßnahmen gegen sie zu richten (§ 6 Abs.1 Nds. SOG). Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Antragsteller ist als Eigentümer des Grundstücks für dessen ordnungsgemäßen Zustand verantwortlich. Die Gefahrenquelle hat ihren Sitz in dem Grundstück als solchem. Nach dem oben Ausgeführten besteht die konkrete Gefahr, dass Munitionsteile durch Berührung oder Erschütterung erhebliche Schäden für Leben und Gesundheit des Antragstellers oder dritter Personen bewirken könnten. Gleichzeitig hat der Antragsteller offensichtlich immer wieder Munition verbotswidrig aufgesucht und freigelegt. Der KBD hat am 25. Februar 2004 ein 2 kg schweres Stück TNT gefunden, welches nachweislich erst kurze Zeit am Fundort gelegen hat. Der Antragsteller hat somit durch eigene Handlungen die Gefahr für sich und andere wesentlich erhöht.

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Die ordnungsrechtliche Haftung des Antragstellers ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches neben dem Antragsteller für die Gefahr einzustehen hat. Aus den Entscheidungen des Nds. Oberverwaltungsgerichtes vom 21. April 2004 folgt für diesen Fall nichts anderes. Kommen mehrere Störer für die Verursachung einer Gefahr in Betracht, hat die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen die richtige Störerauswahl zu treffen. Sie muss sich dabei von dem Primat einer effektiven Störungsbeseitigung leiten lassen. Der Antragsteller ist auf Grund seiner räumlichen Nähe zu dem Störungsherd am ehesten in der Lage, die angeordneten Maßnahmen umzusetzen. Die Maßnahmen sind auch erforderlich und verhältnismäßig. Zwar hängt die Störereigenschaft nicht vom Verschulden ab, maßgeblich ist insoweit die unmittelbare Verursachung, doch muss im vorliegenden Fall auch berücksichtigt werden, dass der Antragsteller das Grundstück in voller Kenntnis der Altlasten zu einem sehr günstigen Preis erworben hat. Trotz der Vorbelastung des Grundstücks züchtet er dort Rinder und hat das Wachgebäude zu Wohnzwecken hergerichtet. Das Gefährdungspotenzial hat sich dadurch beträchtlich vergrößert. Es kommt für die ordnungsrechtliche Zustandshaftung auch nicht entscheidend darauf an, ob der polizeiwidrige Zustand der Sache durch den Eigentümer selbst oder durch Dritte herbeigeführt worden ist. Ausschlaggebend ist allein die objektive Tatsache der Störung. Die Zustandshaftung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG knüpft ausschließlich an das Innehaben des Eigentums oder einer sonstigen Berechtigung an der Sache an. Haftungsgrund ist nicht die Beziehung des Ordnungspflichtigen zur Entstehung der Gefahr, sondern zu ihrem Herd.

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Allerdings hat die Antragsgegnerin zur Störerauswahl zwischen dem Antragsteller und der Bundesrepublik Deutschland als seiner Rechtsvorgängerin keinerlei Ermessenserwägungen angestellt. Dieser Mangel kann aber noch im Widerspruchsverfahren geheilt werden. Die nachzuholenden Erwägungen in diesem Punkt werden aus den dargestellten Gründen voraussichtlich zu Lasten des Antragstellers ausgehen. Die Zustandshaftung des Antragstellers wird dann auch nicht aus Gründen der Billigkeit einzuschränken sein, weil der Gefahrenzustand des Grundstücks in die Risikosphäre der Allgemeinheit fallen und der Antragsteller selbst sich in einer "Opferposition" befinden würde. Nach ganz überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung sind Ausnahmen von der Zustandshaftung allenfalls bei wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit in Betracht zu ziehen. Derartige Umstände liegen hier ersichtlich nicht vor und sind auch von dem Antragsteller nicht geltend gemacht worden. Es gilt auch nichts anderes deshalb, weil nach ständiger Verwaltungspraxis der Störer aus Billigkeitsgesichtspunkten von den Kosten der Kampfmittelbeseitigung selbst freigestellt wird. Diese den Sonderheiten der Beseitigung von Rüstungsaltlasten im Vergleich zu sonstigen Altlasten Rechnung tragende Praxis nötigt vorliegend aber nicht dazu, auch die hier allein durch die Beschaffenheit des Grundstücks veranlassten zusätzlichen Kosten für Begleitmaßnahmen, wie Sicherung durch einen Zaun, Entfernen der Viehherde, in die Freistellung aus Billigkeit mit einzubeziehen.

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Die Verfügung der Antragsgegnerin ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.

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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG und orientiert sich angesichts der Vorwegnahme einer Streitentscheidung in der Hauptsache an den veranschlagten gesamten Kosten der Ersatzvornahme.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

Schmidt, Präsident des Verwaltungsgerichts
Lassalle, Richter am Verwaltungsgericht
Klinge, Richter am Verwaltungsgericht