Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 12.06.2020, Az.: 3 W 88/20
Genehmigung einer gefahrenabwehrrechtlichen Datenerhebung; Verdeckter Einsatz technischer Mittel im Eingangsbereich einer Moschee; Eindeutige Individualisierung einer Zielperson
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 12.06.2020
- Aktenzeichen
- 3 W 88/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 27516
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2020:0612.3W88.20.00
Rechtsgrundlage
Fundstelle
- NVwZ-RR 2020, 1130-1132
Amtlicher Leitsatz
- 1.
- 2.
Die Zielperson der Maßnahmen gemäß der §§ 34, 35 NPOG muss eindeutig individualisiert sein. Dabei ist es nicht unbedingt erforderlich, dass die Personalien der betroffenen Personen bekannt sind; eine solche Individualisierung muss aber darüber hinausgehen, dass alle Personen überwacht werden sollen, die einen bestimmten Ort aufsuchen.
- 3.
§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NPOG erfordert das Vorliegen einer konkreten Gefahr. Ein Gefahrverdacht - bei dem die Sicherheitsbehörden das Vorliegen einer Gefahr lediglich für möglich halten - reicht nicht aus.
- 4.
Die nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 NPOG vorzunehmende Prognose, dass eine Person eine der dort benannten Straftaten begeht, ist auf der Grundlage von Tatsachen zu treffen. Vermutungen oder allgemeine Erfahrungssätze reichen in beiden Fällen nicht aus.
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts ... vom 23. April 2020 - .../20 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Genehmigung einer gefahrenabwehrrechtlichen Datenerhebung durch verdeckten Einsatz technischer Mittel im Eingangsbereich der betroffenen Moschee.
1. Mit Schreiben vom 28. Februar und 18. März 2020 beantragte die Antragstellerin die Anordnung einer Datenerhebung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2, 3 und 4 NPOG. Zielobjekt sei die betroffene Moschee für einen Zeitraum von drei Monaten.
Vor mehreren Jahren hätten in der Moschee Anwerbeversuche der salafistischen Szene stattgefunden. Seinerzeit habe ein im Antrag namentlich genannter "Hassprediger" dort Treffen geleitet; zwei namentlich genannte "IS-Rückkehrer", die zwischenzeitlich wegen §§ 129a, 129b StGB verurteilt seien, seien vor ihrer Ausreise in das syrische und irakische "IS-Kampfgebiet" dort durch den "Hassprediger" radikalisiert worden. Zur damaligen Szene hätten noch weitere namentlich genannte Personen gehört. Der "Hassprediger" sei vor mehreren Jahren ebenfalls zum "IS" ausgereist, habe sich mutmaßlich an Kampfhandlungen beteiligt und befinde sich nach aktuellen Erkenntnissen in einem Gefangenenlager in Syrien. Auch eine dritte namentlich genannte Person habe bestätigt, dass die betroffene Moschee seinerzeit eine zentrale Rolle als Treffpunkt salafistischer Gruppen gespielt habe. Aufgrund polizeilicher Maßnahmen hätten sich die Betroffenen aus dem Umfeld der Moschee zurückgezogen und seien teilweise vom neuen Imam der Moschee verbannt worden.
Aktuell seien keine Ausreisetendenzen in das "IS-Kampfgebiet" festzustellen; es bestehe aber die Gefahr, dass "IS-Rückkehrer" sich neu organisierten. So befänden sich einige Rückkehrerinnen aus dem "IS-Kampfgebiet" im Einzugsgebiet der Moschee, namentlich die Ehefrau des damaligen "Hasspredigers". Der Verfassungsschutzbehörde lägen Erkenntnisse vor, dass Personen aus der örtlichen Salafistenszene die betroffene Moschee vermehrt aufsuchten; dabei handele sich um eine Gruppe junger Staatsangehöriger eines Staates außerhalb des "IS-Kampfgebietes", die sich vom Rest der Gemeinde abschotteten. Zwei - in der Anlage zum Antrag namentlich genannte - Mitglieder dieser Gruppe hätten Ausreiseabsichten in diesen Herkunftsstaat, die der Weiterreise in ein jihadistisches Krisengebiet dienen könnten.
Es sei davon auszugehen, dass sich eine Gruppe noch nicht bekannter Salafisten oder gleichsam radikalisierter Personen in der betroffenen Moschee träfen, und dass dort Absprachen und Vorbereitungshandlungen im Zusammenhang mit Straftaten von erheblicher Bedeutung stattfänden, insbesondere, dass Personen zu Ausreisen im Sinne des § 89a StGB angestiftet würden, und dass für die Bildung terroristischer Vereinigungen im Sinne der §§ 129a, 129b StGB geworben werde. Ziel der Datenerhebung sei die Identifizierung gewaltbereiter Salafisten beziehungsweise potentieller Terroristen und jihadistischer Netzwerke. Das Bestehen der genannten Gruppe solle verifiziert und deren Mitglieder sollten identifiziert werden; dazu seinen Bildaufzeichnungen unter Einsatz verdeckter Mittel unerlässlich.
Dem Antrag ist die Kopie eines Behördenzeugnisses des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 9. Juli 2019 beigefügt. Dem Verfassungsschutz lägen Informationen darüber vor, dass sich eine Gruppe junger Staatsangehöriger des oben genannten Staates in letzter Zeit vermehrt in der betroffenen Moschee getroffen hätten; zwei namentlich genannte Personen sollten Teil dieser Gruppe sein; eine der beiden Personen nutze ein genauer bezeichnetes Kraftfahrzeug, das zur Ausreise in den genannten Staat genutzt werden könne. Aktuelle Ausreiseabsichten dieser Gruppe könnten der Weiterreise in ein jihadistisches Krisengebiet dienen. Andere Reisemöglichkeiten (zum Beispiel per Flugzeug) könnten nicht ausgeschlossen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schreiben vom 28. Februar 2020 nebst Anlage (Bl. 2-8 d.A.) und vom 18. März 2020 (Bl. 10 f. d.A.) Bezug genommen.
2. Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 23. April 2020 zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 34 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 NPOG lägen nicht vor; es sei nicht dargelegt, dass von einer Person eine Gefahr im Sinne einer der genannten Fälle ausgehe. Der Einsatz technischer Mittel nach §§ 34, 35 NPOG erfolge personenbezogen; für eine objektbezogene Datenerhebung böten §§ 34, 35 NPOG keine Grundlage. Die Antragstellerin habe aber keine Personen benannt, die die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Nr. 1-4 NPOG erfüllten. Lediglich zwei Personen würden namentlich benannt, bezüglich derer vermutet werde, dass sie in ein jihadistisches Krisengebiet ausreisen wollen könnten. Konkrete Tatsachen, aus denen sich Anhaltpunkte für einen Plan ergäben, in ein jihadistisches Kampfgebiet zu reisen, würden ebenso wenig genannt, wie Tatsachen, aus denen sich die Radikalisierung der beiden Personen oder die Gefahr, dass sie innerhalb eines überschaubaren Zeitraums terroristische Straftaten begehen werden, ergäbe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den genannten Beschluss (Bl. 14 f. d.A.) Bezug genommen.
3. Gegen diesen am 27. April 2020 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 26. Mai 2020 - eingegangen am selben Tage - Beschwerde eingelegt und diese wie folgt begründet:
Es lägen - nach den Vorgängen vor mehreren Jahren - erneut Hinweise auf Treffen von Personen mit salafistischer Einstellung vor, die vom Verfassungsschutz erhoben worden und nicht in ihrer Gesamtheit übermittlungsfähig seien. Es solle mittels der Datenerhebung ermittelt werden, ob es eine Personengruppe gibt, die sich von den sonstigen Moscheebesuchern absondert; eine solche Absonderung sei ein Indiz für die Bildung eines extremistischen Netzwerks. Es sollten Personen identifiziert werden, um im Verlauf der Ermittlungen weitere Maßnahmen gegen (dann) namentlich bekannte Personen umsetzen zu können. Es solle der Zugangsbereich überwacht werden, um gegebenenfalls Auffälligkeiten einzelner Moschee-Besucher (zum Beispiel langer Bart, Schnurrbart, knöchellange Hose, Kaftan etc.) festzustellen, die diese von anderen Moschee-Besuchern abgrenzen. Die Zielpersonen sprächen auch eine andere Sprache als die übrigen Moschee-Besucher. Die Maßnahme richte sich damit gegen konkrete Personen im Sinne des § 6 NPOG. § 35 NPOG erfordere nicht zwingend, dass diese mit Namen und Anschrift genannt würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 26. Mai 2020 (Bl. 19-23 d.A.) Bezug genommen.
4. Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 26. Mai 2020 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die Beschwerde ist statthaft, §§ 35 Abs. 2 Satz 5, 34 Abs. 2 Satz 8, 19 Abs. 4 Satz 2 NPOG. Sie ist auch ansonsten zulässig, insbesondere ist das Oberlandesgericht das zuständige Beschwerdegericht, § 19 Abs. 4 Satz 3 NPOG, und die Beschwerde ist innerhalb der Monatsfrist des § 19 Abs. 4 Satz 1 NPOG i.V.m. § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt worden.
2. Die Beschwerde hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat die Voraussetzungen zur Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel gemäß § 35 NPOG in der betroffenen Moschee nicht dargetan. § 35 NPOG kann lediglich als Ermächtigungsgrundlage einer personenbezogenen Datenerhebung dienen, nicht aber einer ausschließlich ortsgebundenen Datenerhebung (a). Es kann dahinstehen, ob sich der Antrag auf ausreichend individualisierte konkrete Personen in diesem Sinne bezieht (b), denn bezüglich der in der Antrags- und Beschwerdeschrift genannten Personen ist nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 NPOG vorlägen (c). Im Übrigen überschreitet der beantragte Datenerhebungszeitraum das nach der Ermächtigungsgrundlage Mögliche (d).
a) Die Ermächtigungsgrundlagen der §§ 34, 35 NPOG sind personen- und nicht ortsbezogen. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1-3 NPOG kann die Polizei außerhalb von Wohnungen Daten einer Person mit den dort genannten Mitteln erheben, wenn die unter § 34 Abs. 1 Satz 1 NPOG genannten Voraussetzungen vorliegen - namentlich wenn es zur Abwehr der Gefahr oder zur Verhütung der Straftat unerlässlich ist, personenbezogene Daten über die in § 34 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1-4 NPOG genannten Personen zu erheben. Dabei ist jeweils (mindestens) eine konkrete Person Anknüpfungspunkt der Maßnahme; sie ist Adressat der Datenerhebung und in ihr müssen die Tatbestandsvoraussetzungen der Eingriffsnorm vorliegen. Dies wird insbesondere anhand des Wortlauts des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NPOG deutlich: Danach kann die Polizei - unter näher geregelten Voraussetzungen - "eine Person mittels Bildübertragungen beobachten und Bildaufzeichnungen von dieser Person anfertigen" (Hervorhebungen hinzugefügt). Im Antrag der Polizei auf Anordnung der Maßnahme durch das Amtsgericht ist gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 NPOG dementsprechend auch anzugeben: "die betroffene Person, soweit möglich mit Name und Anschrift." Insoweit zielen die nach §§ 34, 35 NPOG möglichen Maßnahmen auf die Beobachtung von konkret individualisierten Personen ab. Sie ermöglichen es der Polizei insbesondere, "potentielle Täter längerfristig zu beobachten" (Wellhausen, in: BeckOK PolR Nds, 15. Ed., Stand 1. Januar 2020, § 34 NPOG, Rn. 29).
Wird eine Maßnahme dagegen dahingehend ausgerichtet, dass Objekte oder Orte beobachtet werden sollen - zum Beispiel, weil sie Schauplatz wiederholter Straftaten sind - scheiden die §§ 34, 35 NPOG als Ermächtigungsgrundlage aus. Dies geht bereits deutlich aus der Ausführungsbestimmung zur Vorgängernorm des § 34 NPOG - zu § 34 NGefAG hervor (so auch Wellhausen, in: BeckOK PolR Nds, 15. Ed., Stand 1. Januar 2020, § 34 NPOG, Rn. 2). Ziffer 34.0 AB NGefAG (Ausführungsbestimmungen zum Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz vom 16. Juli 1998, Nds. MBl. S. 1078) lautet: "Die Beobachtung eines Objekts als solches ist keine Observation i. S. dieser Vorschrift." Auch § 35 NPOG vergleichbare Vorschriften wie § 45 BKAG (Wellhausen, a.a.O., Rn. 14) regeln, "unter welchen Voraussetzungen und bei welchen Personen die Datenerhebung mithilfe besonderer Mittel zulässig ist" (Schenke, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2018, § 45, Rn. 2 BKAG [Hervorhebung hinzugefügt]; vgl. auch Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 13, Rn. 124: "Störer, Notstandspflichtige und andere Personen" [Hervorhebung im Original]).
Dabei ist es zwar nicht unbedingt erforderlich, dass die Personalien der betroffenen Personen von Anfang an bekannt sind; aus § 35 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 NPOG geht hervor, dass eine Individualisierung der betroffen Person auch ohne ihren Namen und ihre Anschrift möglich sein kann, denn diese Angaben sollen - "soweit möglich" - im Antrag gemacht werden; die Personen müssen aber in irgendeiner Weise eindeutig individualisiert sein, um eine Anknüpfung an eine oder mehrere konkrete Personen zu ermöglichen. Eine solche Individualisierung muss jedenfalls darüber hinausgehen, dass alle Personen überwacht werden sollen, die einen bestimmten Ort aufsuchen, denn dann wird gerade nicht an individuelle Personen angeknüpft, sondern an den Ort; dies ist von §§ 34, 35 NPOG nicht gedeckt.
b) Es kann dahinstehen, ob sich der Antrag auf ausreichend individualisierte konkrete Personen im oben (Abschnitt a) dargestellten Sinne bezieht, denn bezüglich der in der Antrags- und Beschwerdeschrift genannten Personen ist nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 NPOG vorlägen (siehe unten, Abschnitt c). Es bestehen allerdings erhebliche Zweifel an einer ausreichenden Individualisierung von Zielpersonen.
aa) Dies zeigt sich zum einen daran, dass im Antrag ein "Zielobjekt" genannt wird, und nicht Zielpersonen (Antragsschrift S. 1, Bl. 2 d.A.). Im Rahmen der Gefahrprognose führt die Antragstellerin aus, es sei davon auszugehen, "dass in den Räumen der ... Moschee Absprachen und/oder Vorbereitungshandlungen im Zusammenhang mit Straftaten von erheblicher Bedeutung stattfinden und Personen radikalisiert werden könnten" (Antragsschrift S. 6, Bel. 7 d.A.). Dies vor dem Hintergrund, dass vor mehreren Jahren schon einmal Anwerbeversuche der salafistischen Szene in der Moschee stattgefunden hätten (Antragsschrift S. 2, Bl. 3 d.A.). Der Antrag stellt also gerade darauf ab, dass ein Schauplatz vergangener Straftaten überwacht werden soll; das ist von der Eingriffsermächtigung nicht gedeckt (siehe oben, Abschnitt a).
bb) Die vier in der Beschwerdeschrift namentlich genannten Personen (S. 2 f., B. 20 f. d.A.) stellen keine Personen dar, an die die beabsichtigte Datenerhebung angeknüpft werden könnte: Sie hätten in der Vergangenheit Zugang zur Moschee gehabt, der ihnen vom aktuellen Imam aber nicht mehr gewährt werde. Sie werden in der Beschwerdeschrift (S. 5, Bl. 23 d.A.) zur Begründung der Gefahrprognose genannt, die Maßnahme soll aber nicht gegen diese Personen gerichtet werden - die nicht mehr in der Moschee verkehren; sie soll sich auf den Ort beziehen, an dem sich diese Personen in der Vergangenheit aufgehalten haben.
cc) Der Antrag bezieht sich auch dort nicht auf ausreichend individualisierte konkrete Personen, wo er auf eine mutmaßliche Gruppe junger ausländischer Staatsangehöriger abstellt. Die Existenz einer solchen Gruppe soll durch die Datenerhebung erst verifiziert werden: Mit den Maßnahmen "soll ermittelt werden, ob es eine Personengruppe gibt, welche sich von den normalen Besuchern der gläubigen Muslime in der ... Moschee absondert" (S. 3 der Beschwerdeschrift, Bl. 21 d.A.). Auch dort, wo in der Beschwerdeschrift (S. 5, Bl. 23 d.A.) einmal "Zielpersonen" genannt werden, sind damit nicht konkrete Personen gemeint, sondern solche, die mit Hilfe der Datenerhebung erst noch anhand äußerer Merkmale (zum Beispiel langer Bart, Schnurrbart, knöchellange Hose, Kaftan etc.) und ihrer Sprache als Zielperson bestimmt werden sollen. Es soll mithin ein Ort überwacht werden, um überhaupt erst herauszufinden, ob dort Personen verkehren, die sodann als Zielpersonen in Frage kommen könnten. Diese Ermittlungen knüpfen damit gerade nicht an konkrete Personen - bezüglich derer eine Gefahrprognose möglich wäre - an, sondern lediglich an den Verdacht, dass sich irgendwelche lediglich abstrakt beschriebenen Personen in der Moschee treffen könnten. Der Antrag knüpft auch insoweit nur an den Ort an. Eine solche Überwachung eines Ortes ist nach dem oben Ausgeführten von den §§ 34, 35 NPOG aber nicht gedeckt.
dd) Lediglich die beiden Personen, die Ausreiseabsichten hätten, die einer Weiterreise in ein jihadistisches Krisengebiet dienen könnten, und die in der Anlage zur Antragsschrift (Bl. 8 d.A.) namentlich genannt werden, sind ausreichend individualisiert. Aufgrund der Ortsbezogenheit des Antrags (siehe oben, Abschnitt a) ist aber zweifelhaft, ob die Datenerhebung überhaupt an diese Personen als Zielpersonen anknüpfen soll. Dies kann jedoch dahinstehen, denn bezüglich dieser beiden Personen fehlt es an der Darlegung der weiteren Voraussetzungen der Datenerhebung (siehe unten, Abschnitt c).
c) Bezüglich der in der Anlage zum Antrag genannten Personen (und auch der weiteren Mitglieder der mutmaßlichen Gruppe junger ausländischer Staatsangehöriger, wenn man sie entgegen der obigen Ausführungen als ausreichend individualisiert ansehen wollte) ist nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine Datenerhebung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NPOG vorlägen.
Die hier beabsichtigte verdeckte Datenerhebung nach § 35 Abs. 1 NPOG ist unter den in § 34 Abs. 1 Satz 1 NPOG genannten Voraussetzungen zulässig - namentlich, wenn es zur Abwehr der Gefahr oder zur Verhütung der Straftat unerlässlich ist, personenbezogene Daten zu erheben über (Nr. 1) eine in § 6 NPOG ("Verhaltensstörer") oder § 7 NPOG ("Zustandsstörer") genannte Person zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, oder unter den weiteren Voraussetzungen des § 8 NPOG ("nicht verantwortliche Person") über eine dort genannte Person, oder über (Nr. 2) eine Person, bei der Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat von erheblicher Bedeutung oder eine terroristische Straftat begehen wird, oder über (Nr. 3) eine Person, deren individuelles Verhalten die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums eine terroristische Straftat begehen wird, oder über (Nr. 4) eine Kontakt- oder Begleitperson einer der in Nummer 2 oder 3 genannten Personen. Anknüpfungspunkt der vier Anwendungsfälle ist jeweils (mindestens) eine konkrete Person; sie ist Adressat der Datenerhebung und in ihr müssen die Tatbestandsvoraussetzungen eines der Fälle der Eingriffsnorm vorliegen.
aa) Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NPOG sind nicht dargelegt; auf diese stützt sich die Antragstellerin auch nicht ausdrücklich. Es ist nicht dargelegt, dass es sich bei den beiden namentlich genannten Personen oder den weiteren Mitgliedern der mutmaßlichen Gruppe um "Verhaltensstörer" im Sinne des § 6 NPOG handelt, also um Personen, die eine Gefahr im Sinne des § 2 Nr. 1 NPOG verursachen. Erforderlich ist danach eine konkrete Gefahr, das heißt eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Es ist nicht dargelegt, dass eine solche Sachlage bestünde, insbesondere, dass eine solche Gefahr von den beiden namentlich genannten Personen ausginge. Auf Basis nicht offengelegter Quellen trägt die Antragstellerin lediglich vor, dass die beiden Personen "Ausreiseabsichten" in ihren Herkunftsstaat hätten, die einer Weiterreise in ein jihadistisches Krisengebiet dienen könnten. Gleichzeitig trägt die Antragstellerin aber vor, aktuell seien im Umfeld der Moschee keine Ausreisetendenzen in das "IS-Kampfgebiet" festzustellen. Es ist also völlig offen, ob die mutmaßlich geplante Reise der beiden Personen in ihren Herkunftsstaat außerhalb des "IS-Kampfgebietes" einer Weiterreise in das Kampfgebiet dienen soll. Diesbezüglich besteht allenfalls ein Gefahrenverdacht - da die Antragstellerin auf Basis nicht offengelegter Umstände das Vorliegen einer Gefahr zwar für möglich, aber nicht für sicher hält (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 6 C 46/16 -, BVerwGE 160, 169-193, juris, Rn. 16 m.w.N.) -, nicht aber eine Gefahr (vgl. Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Auflage 2020, § 8, Rn. 61 m.w.N.). Bezüglich der weiteren Mitglieder der mutmaßlichen Gruppe gilt dies erst recht, da bezüglich dieser Personen keinerlei Ausreiseabsichten bekannt sind.
Mangels konkreter Gefahr kommen auch die beiden anderen Fälle des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NPOG nicht in Betracht, denn auch ein Vorgehen gegen eine Person im Sinne des § 7 NPOG setzt eine konkrete Gefahr im oben genannten Sinne voraus. Ein Vorgehen gegen eine Person im Sinne des § 8 NPOG setzt sogar eine gegenwärtige Gefahr, mithin eine Gefahr, bei der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses zumindest unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht, § 2 Nr. 2 NPOG. Es ist aber schon nicht dargelegt, dass die mutmaßliche Ausreise - sofern sie überhaupt eine Gefahr darstellte, siehe oben - auch nur in absehbarer Zeit im Sinne des § 2 Nr. 1 NPOG bevorstünde. Im Vergleich dazu verlangt § 2 Nr. 2 NPG eine noch geringere zeitliche Entfernung zwischen Maßnahmenzeitpunkt und schädigendem Ereignis (Ullrich, in: BeckOK PolR Nds, 15. Ed., Stand 1. Januar 2020, § 2 NPOG, Rn. 75 m.w.N.); dass nachvollziehbare, bestimmte Tatsachen vorliegen, die die Annahme begründen, dass der Schaden sofort oder in allernächster Zeit und zudem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten wird (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 31. August 2018 - 1 W 114/17 -, NVwZ 2018, S. 1742 [BGH 12.07.2018 - V ZB 98/16] [Rn. 7] m.w.N.), ist aber nicht dargelegt.
bb) Auch die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NPOG sind nicht dargelegt. Es ist nicht dargelegt, dass es sich bei den beiden namentlich genannten Personen um solche handelt, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat von erheblicher Bedeutung oder eine terroristische Straftat begehen werden. Es ist erforderlich, dass Tatsachen die Annahme des Bevorstehens einer solchen Straftat rechtfertigen; Vermutungen oder allgemeine Erfahrungssätze reichen nicht aus (Wellhausen, in: BeckOK PolR Nds, 15. Ed., Stand 1. Januar 2020, § 34 NPOG, Rn. 27 f. m.w.N.).
Solche Tatsachen sind hier nicht dargelegt: Zwar dürfte eine Reise in das "IS-Kampfgebiet" zur Beteiligung an den dortigen Kampfhandlungen auf Seiten des "IS" sowie das Werben für eine solche Reise eine Straftat im oben genannten Sinne darstellen, § 2 Nr. 14 lit. a NPOG i.V.m. §§ 129a, 129b, 12 Abs. 1 StGB sowie § 2 Nr. 14 lit. b NPOG i.V.m. § 89a StGB. Es ist aber gerade nicht dargelegt, dass die beiden Personen eine solche Reise überhaupt - und innerhalb eines übersehbaren Zeitraums - beabsichtigen. Allein aus etwaigen Absichten, in ihren Herkunftsstaat außerhalb des "IS-Kampfgebiets" zu reisen, geht die Absicht einer solchen Weiterreise nicht hervor. Die Vermutung, dass diese Reise der Weiterreise in das "IS-Kampfgebiet" dienen könnte, reicht nicht aus; es sind gerade keine Tatsachen dargelegt, die die Annahme rechtfertigen, dass eine solche Weiterreise von den beiden Personen auch nur erwogen würde oder gar konkret geplant wäre. Dies gilt umso mehr bezüglich der weiteren Mitglieder der mutmaßlichen Gruppe, bezüglich derer keinerlei Ausreiseabsichten dargelegt sind.
cc) Auch die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 NPOG sind nicht dargelegt. Es ist nicht dargelegt, dass die beiden namentlich genannten Personen individuelles Verhalten an den Tag legen, das die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums eine terroristische Straftat im Sinne des § 2 Nr. 15 NPOG begehen werden. Insoweit gilt das oben (Abschnitt bb) Ausgeführte entsprechend.
dd) Auch die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 NPOG liegen nicht vor, da dieser Fall an eine der in Nummer 2 oder 3 genannten Personen anknüpfen, die nicht gegeben ist (siehe oben, Abschnitte bb und cc).
d) Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine Anordnung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 5, § 34 Abs. 2 Satz 5 NPOG auf höchstens einen Monat zu befristen ist, so dass eine Anordnung für einen Zeitraum von drei Monaten - wie sie im Antrag vom 28. Februar 2020 beantragt worden ist - von vornherein nicht in Betracht kommt.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Antragstellerin ist als Landesbehörde von der Zahlung von Gerichtskosten befreit, § 19 Abs. 4 Satz 5 NPOG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG; außergerichtliche Kosten sind nicht angefallen.
Der Festsetzung des Geschäftswertes bedarf es im Hinblick auf den vorstehenden Absatz nicht.
Die Rechtsbeschwerde ist gegen diese Entscheidung nicht statthaft, § 19 Abs. 4 Satz 4 NPOG (Waechter, in: BeckOK PolR Nds, 15. Ed., Stand 1. Januar 2020, § 19 NPOG, Rn. 66).