Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 30.06.2020, Az.: 11 U 64/20

Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist; Elektronisches Empfangsbekenntnis; Überprüfung der Berufungsbegründungsfrist durch den sachbearbeitenden Rechtsanwalt

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
30.06.2020
Aktenzeichen
11 U 64/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 34749
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2020:0630.11U64.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 15.01.2020 - AZ: 5 O 427/19 *196*

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Wenn der Berufungskläger sich nicht auf das zu seinen Gunsten hinsichtlich der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist streitende elektronische Empfangsbekenntnis betreffend die Zustellung des angefochtenen Urteils beruft, sondern einräumt, dass sich das dort eingetragenen Datum lediglich auf die Zustellung eines gleichzeitig übersandten Sitzungsprotokolls bezieht, kann das elektronische Empfangsbekenntnis nicht zum Beweis der Einhaltung dieser Frist herangezogen werden.

  2. 2.

    Auch wenn die Mitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten die Berufungsbegründungsfrist falsch in der elektronischen Akte, dem Kanzleikalender und den Fristenkalender eingetragen hat, ist der sachbearbeitende Rechtsanwalt, dem die Akte vor Einlegung der Berufung und bei Ablauf der Vorfrist für die Berufungsbegründung vorgelegt wird, verpflichtet, den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zu prüfen.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 15.01.2020 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf eine Wertstufe bis 22.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufs.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 20.833,45 EUR (Summe sämtlicher Zins- und Tilgungsleistungen inkl. evtl. geleisteter Anzahlung an den Autohändler) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen nach Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke V. Typ: T. Highline, FIN: ...... nebst Schlüsseln und Fahrzeugpapieren.

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziff. 2 genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 EUR freizustellen;

sowie

die Hilfswiderklage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise im Wege der Widerklage

1. festzustellen, dass die Klagepartei verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für jedweden Umgang mit dem Fahrzeug

Marke: V.

Modell/Typ: T.

Fahrzeug-Identifizierungsnummer: ......

zu leisten, der zur Prüfung von Beschaffenheit, Eigenschaft und Funktionsweise des Fahrzeugs nicht notwendig war;

2. festzustellen, dass die Klagepartei verpflichtet ist, an die Beklagte einen Sollzins von 3,44% p. a. auf den Betrag von 10.833,45 EUR für den Zeitraum zwischen Auszahlung des Darlehens und Rückgabe des im Klagantrag zu 1 bezeichneten Fahrzeug zu zahlen.

Das Landgericht Braunschweig hat die Klage mit Urteil vom 15.01.2020 (Bl. 73 ff. d. A.) abgewiesen. Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts und der Begründung wird auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.

Das Urteil ist der Klägervertreterin am 30.01.2020 zugestellt worden.

Gegen das Urteil hat der Kläger am Montag, dem 02.03.2020, Berufung eingelegt.

Mit Schriftsatz vom 31.03.2020, eingegangen beim Oberlandesgericht unter demselben Datum, hat der Kläger eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21.04.2020 beantragt.

Die Klägerseite ist mit Verfügung vom 02.04.2019 (Bl. 103 d. A.) darauf hingewiesen worden, dass nach dem eigenen Vortrag der Klägerseite eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht in Betracht kommen dürfte, weil ausweislich der Berufungsschrift das Urteil am 30.01.2020 zugestellt worden sei. Die Berufungsbegründungsfrist habe damit mit Ablauf des 30.03.2020 und damit vor Eingang des Fristverlängerungsantrags geendet. Die Berufung wäre danach gem. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Der Kläger hat am 21.04.2020 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellt und geltend gemacht, dass das angefochtene Urteil vom 30.01.2020 der Klägervertreterin zugestellt worden sei. Für die Postbearbeitung einschließlich der Fristeneintragung sei an diesem Tag die erfahrene, bis dahin stets sorgfältig arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte K., eine geschulte und zuverlässige Angestellte, zuständig gewesen. Diese habe versehentlich die Berufungsbegründungsfrist in dieser Angelegenheit falsch notiert. Die Kanzlei sei so organisiert, dass sämtliche Eingangspost am Tag des Eingangs dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt oder seinem Vertreter vorgelegt werde. Jedes Urteil werde dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorgelegt, so dass dieser umgehend eine Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung durchführen könne, falls das Urteil nicht wie erhofft ausgefallen sei. Zur Absicherung jeder Berufungsfrist werde vom Sekretariat bereits die Berufungsfrist als auch die Berufungsbegründungsfrist vermerkt. Dies erfolge samt der Eintragung einer Vorfrist von einer Woche. Der sachbearbeitende Rechtsanwalt markiere die jeweiligen Fristen als erledigt, sobald er entscheide, dass in diesem Fall keine Berufung eingelegt werden solle. Dies tue er auch, wenn er die Berufung bereits eingelegt habe. Eine Berufungsfrist werde nicht gelöscht, so dass immer sichergestellt sei, dass nur ein Rechtsanwalt darüber entscheide und keine Frist versäumt werde. Anhand dessen könne immer nachvollzogen werden, wer die Frist eingetragen habe und wann sie von wem als erledigt gekennzeichnet worden sei. All dies erfolge mit Hilfe der Kanzleisoftware A. in der elektronischen Akte. Ergänzend werde einmal die Woche ein Fristenkalender von der Sekretariatsleitung Frau G. ausgedruckt. Dieser Papierkalender diene der doppelten Absicherung, sollte je das System der elektronischen Akte versagen. Der Papierkalender sei ein Ausdruck aller Fristen eines Rechtsanwalts für die kommende Woche, der ebenfalls durch das System A. erstellt werde und im Sekretariat ausliege. Mit dem Notieren der Fristen würden ausschließlich ausgelernte Rechtsanwaltsfachangestellte der Kanzlei beauftragt. Diese berechneten selbständig die Frist und trügen sie im Kalender der Kanzleisoftware ein. Durch die Eintragung der Frist in die jeweilige Akte würde automatisch selbiger Tag auch in den Kanzleikalender und somit in den Fristenkalender eingetragen. Bereits bei Vorlage des Urteils erkenne der sachbearbeitende Rechtsanwalt, dass in selbiger Akte die Berufungsfrist eingetragen worden sei. Anhand des Bearbeitungsvermerks rechts neben dem Titel der Datei sehe man die errechnete Berufungsfrist neben der Bezeichnung des Urteils. Die Berufungsbegründungsfrist werde zeitgleich mit der Berufungsfrist von der jeweiligen ausgelernten Rechtsanwaltsfachangestellten notiert, die an diesem Tag mit der Gerichtspostbearbeitung beauftragt worden sei. Entsprechend dieser allgemeinen Übung sei im vorliegenden Fall die Rechtsanwaltsfachangestellte Frau K. angewiesen worden, die Gerichtspost zu bearbeiten. Sie habe, wie immer, jedes Urteil vorlegen und zur Absicherung der Frist die Berufungsfrist samt einer einwöchigen Vorfrist und der Berufungsbegründungsfrist eintragen sollen, nachdem sie beide Fristen selbständig errechnet habe. Frau K. sei eine ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte und seit November 2018 in der Kanzlei beschäftigt. Frau G. sei 45 Jahre alt und arbeite als ausgelernte Rechtsanwaltsfachangestellte seit dem Ende ihrer Ausbildung im Januar 2001 bereits seit vielen Jahren in diesem Beruf. Bei als zuverlässig erprobten Mitarbeiterinnen gingen die Anwälte der Kanzlei stets davon aus, dass die generellen und individuellen Anweisungen sorgfältig befolgt werden würden und kontrollierten dies nur stichprobenartig oder aus besonderem Anlass. Am Ende der Probezeit von Frau K. sei man zu dem Entschluss gekommen, die anfänglich intensive Überwachung der Tätigkeit zu beenden, weil Frau K. zuvor nie in ihrer Sorgfalt und Zuverlässigkeit nachgelassen habe und dies nicht zu erwarten gewesen sei. Der sachbearbeitende Rechtsanwalt habe bei Vorlage nicht geprüft, ob die Berufungsfrist richtig notiert worden sei. Er habe erkennen können, dass eine Berufungsfrist eingetragen worden sei, nachdem er die Erfolgsaussichten geprüft habe und sich entschlossen habe, die Berufung zu erheben. Daher habe er die Berufungsfrist nicht als erledigt gekennzeichnet. In der Bemerkungsspalte sei die richtige Frist für die Berufung eingetragen gewesen. Er sei davon ausgegangen, dass ihn die Vorfrist eine Woche vor Berufungsfristende daran erinnern solle, die Berufung rechtzeitig einzulegen. Die Berufungsfrist sei nicht richtig eingetragen worden. Statt des 30.03.2020 habe die sonst immer zuverlässig arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte die Frist für den 31.03.2020 eingetragen. Sie müsse in der Auswahl des Tages um eine Zeile verrutscht sein. Diesen Hergang bezeuge auch ihre eidesstattliche Versicherung, die als Anlage beigefügt sei. Zu einem gleichartigen Fehler von Frau K. sei es nie gekommen.

Nach Hinweis der Vorsitzenden mit Verfügung vom 06.05.2020 (Bl. 125 d. A.), dass im elektronischen Empfangsbekenntnis als Datum für die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils der 31.01.2020 vermerkt sei, hat die Klägerseite mit Schriftsatz vom 22.06.2020 mitgeteilt, dass das Urteil, die Streitwertbeschwerde und das Sitzungsprotokoll gemeinsam übermittelt worden seien. Das Urteil sei zum 30.01.2020 in der Akte vermerkt. Gleiches gelte für die Streitwertbeschwerde. Das zusammen mit den vorgenannten Dokumenten übersandte Sitzungsprotokoll habe jedoch erst zum 31.01.2020 abgerufen werden können. Anscheinend liege insoweit auch ein Übertragungsfehler vor.

Der Kläger beantragt,

ihm wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren;

das am 15.01.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Braunschweig - 5 O 427/19 *196* zu ändern und wie folgt neu zu fassen:

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 20.833,45 EUR (Summe sämtlicher Zins- und Tilgungsleistungen inkl. evtl. geleisteter Anzahlung an den Autohändler) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen nach Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke V., Typ: T. Highline, FIN: ..... nebst Schlüsseln und Fahrzeugpapieren.

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziff. 2 genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag der Klagepartei auf Wiedereinsetzung zurückzuweisen;

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Vorsitzende hat mit Verfügung vom 24.06.2020 (Bl. 133 ff. d. A.) den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen.

II.

1. Die Berufung des Klägers war gem. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger die Berufungsbegründungsfrist versäumt hat.

Gem. § 522 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Das erstinstanzliche Urteil ist der Klägervertreterin nach ihrem eigenen Vorbringen am 30.01.2020 zugestellt worden.

Zwar ist in dem elektronischen Empfangsbekenntnis unter den übermittelten Dokumenten (Kurzmitteilung mit Hinweisen vom 30.01.2020, Protokoll vom 18.12.2019, Urteil vom 15.01.2020 und Streitwertbeschluss vom 15.01.2010) als Empfangsdatum der 31.01.2020 vermerkt. Es ist jedoch dennoch davon auszugehen, dass das Urteil der Klägerseite tatsächlich am 30.01.2020 zugestellt worden ist.

Für die Entscheidung der Frage, ob ein Rechtsmittel rechtzeitig eingelegt und begründet worden ist, gelten die allgemeinen Regeln der Tatsachenfeststellung (vgl. BGH, Beschluss vom 10.01.2006 - VI ZB 61/05 -, juris). Den Rechtsmittelführer trifft die Darlegungs- und Beweislast, ob die Berufungsbegründungsfrist eingehalten worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22.11.2017 - VII ZB 67/15 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 22.11.2011 - VII ZB 35/11 - NJW-RR 2012, 509, 510 [BGH 22.12.2011 - VII ZB 35/11] zur Beweislast), worüber das Gericht ggf. im Wege des Freibeweises zu befinden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 22.11.2011, a. a. O.). Nach allgemeiner Ansicht ist die Zustellung wirksam erfolgt, wenn der Zustellungsempfänger das zuzustellende Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt anzusehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.03.2001 - 2 BvR 2211/97 - NJW 2001, 1563). Für den Zeitpunkt der Zustellung selbst ist nicht von Bedeutung, wann das Empfangsbekenntnis ausgestellt worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.03.2001, a. a. O.). Das datierte und unterschriebene Empfangsbekenntnis erbringt aber als öffentliche Urkunde (§ 418 ZPO) Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch dafür, dass der darin genannte Zustellungszeitpunkt der Wirklichkeit entspricht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.03.2001, a. a. O.).

Hier hat sich die Klägerseite nicht auf das von Herrn Rechtsanwalt B. ausgefüllte elektronische Empfangsbekenntnis berufen, sondern selbst mehrfach - in der Berufungsschrift und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist - erklärt, dass der Klägervertreterin das Urteil bereits am 30.01.2020 zugestellt worden ist. Sie hat ferner erläutert, dass in der Kanzlei der Klägervertreterin sämtliche Eingangspost am Tag ihres Eingangs dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt oder seinem Vertreter vorgelegt werde, so dass dieser umgehend eine Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung durchführen könne. Das Urteil, der Streitwertbeschluss und das Sitzungsprotokoll seien gemeinsam übermittelt und zum 30.01.2020 in der Akte vermerkt worden. Das zusammen mit diesen Dokumenten übermittelte Sitzungsprotokoll habe jedoch erst am 31.01.2020 abgerufen werden können.

Wenn sich die darlegungs- und beweispflichtige Partei jedoch nicht auf das zu ihren Gunsten streitenden elektronische Empfangsbekenntnis beruft, sondern selbst einräumt, dass sich das Datum in dem von ihrem Prozessbevollmächtigten ausgefüllten elektronischen Empfangsbekenntnis allein auf die Zustellung des gleichzeitig übersandten Sitzungsprotokolls bezieht, fehlt es bereits an der Darlegung, dass die Berufungsbegründungsfrist eingehalten worden ist, so dass das elektronische Empfangsbekenntnis nicht zum Beweis dieser Behauptung herangezogen werden kann.

Das erstinstanzliche Urteil ist der Klägerseite somit am 30.01.2020 zugestellt worden, so dass die Berufungsbegründungsfrist am 30.03.2020 abgelaufen ist.

Innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ist weder eine Berufungsbegründung noch ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beim Gericht eingegangen. Der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist datiert vom 31.03.2020 und ist auch unter diesem Datum beim Oberlandesgericht eingereicht worden.

Eine Verlängerung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels kommt aber nicht mehr in Betracht, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Verlängerungsantrags die Frist zur Rechtsmittelbegründung bereits abgelaufen war (vgl. BGH, Beschluss vom 05.02.2014 - IV ZB 34/13 -, juris Rn. 5).

Der Kläger hat somit die Berufungsbegründungsfrist versäumt, so dass seine Berufung als unzulässig zu verwerfen war.

2. Dem Kläger war auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.

a.) Der Antrag auf Wiedersetzung des Klägers in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist gem. §§ 234 ff. ZPO zulässig. Insbesondere ist die Wiedereinsetzungsfrist von 2 Wochen gem. § 234 ZPO eingehalten worden.

b.) Er ist jedoch nicht begründet.

Gem. § 233 Satz 1 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden gehindert ist, eine Notfrist oder die Frist zur Berufungsbegründung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO einzuhalten.

Der Kläger hat die Berufungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Die Fristversäumung beruht auf einem Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten, welches sich der Kläger gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten (vgl. BGH, Beschluss vom 19.02.2020 - XII ZB 458/19 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 09.07.2014 - XII ZB 709/13, juris Rn. 12). Überlässt der Prozessvertreter die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 09.07.2014, a. a. O.). Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in alle geführten Fristenkalender eingetragen worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 19.02.2020, a. a. O.; Beschluss vom 09.07.2014, a. a. O.). Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die Handakte des Rechtsanwalts in herkömmlicher Form als Papierakte oder aber als elektronische Akte geführt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 09.07.2014, a. a. O.). Entscheidet er sich für die Führung einer elektronischen Akte, muss die elektronische Handakte jedoch ihrem Inhalt nach der herkömmlichen entsprechen und insbesondere zu Rechtsmittelfristen und deren Notierung ebenso wie diese verlässlich Auskunft geben können. Wie die elektronische Fristenkalenderführung gegenüber dem herkömmlichen Fristenkalender darf auch die elektronische Handakte grundsätzlich keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als ihr analoges Pendant (vgl. BGH, Beschluss vom 09.07.2014, a. a. O.). Darüber hinaus hat ein Rechtsanwalt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung vorgelegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 19.02.2020, a. a. O., Rn. 13; Beschluss vom 09.07.2014, a. a. O.).

Hier ist zwar die Berufungsbegründungsfrist von der Mitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten falsch in der elektronischen Akte, dem Kanzleikalender und dem Fristenkalender eingetragen worden. Dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt ist jedoch die Akte im Rahmen der Einlegung der Berufung vorgelegt worden, so dass er bei dieser Gelegenheit auch die eingetragene Berufungsbegründungsfrist auf ihre Richtigkeit hätte überprüfen können und müssen. Zudem ist dem Vorbringen der Klägerseite zu entnehmen, dass neben der Berufungsbegründungsfrist gleichzeitig eine Vorfrist von einer Woche notiert worden ist, so dass bei Vorlage der Akte an den bearbeitenden Rechtsanwalt auch zu diesem Zeitpunkt die Berufungsbegründungsfrist einer Überprüfung hätte unterzogen werden müssen. Eine solche Kontrolle ist jedoch nicht erfolgt, so dass die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Klägers beruht, das dieser sich zurechnen lassen muss.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kommt daher nicht in Betracht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren war gem. §§ 47, 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO auf eine Wertstufe bis 22.000,- EUR festzusetzen.