Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 02.01.2007, Az.: 1 B 345/06
Anspruch eines geduldeten Ausländers auf Erteilung einer weiteren Beschäftigungserlaubnis ; Vertretenmüssen von auf einer fehlenden Anhörung beruhenden Ausreisehindernissen; Bedingungen für die Gewährung eines Bleiberechts
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 02.01.2007
- Aktenzeichen
- 1 B 345/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 10474
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2007:0102.1B345.06.0A
Rechtsgrundlagen
- § 11 S. 1 BeschäftigungsverfahrensVO
- § 123 VwGO
Verfahrensgegenstand
Ausländerrecht
hier: Duldung und Gestattung der Erwerbstätigkeit
hier: Antrag nach § 123 VwGO
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 1. Kammer -
am 2. Januar 2007
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller erneut eine Beschäftigungserlaubnis zu erteilen, um ihm die Fortsetzung seiner Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, bleibt ohne Erfolg.
Gemäß § 123 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Hierzu sind nach § 123 VwGO i.V.m. §§ 935, 936, 920 ZPO die Dringlichkeit einer gerichtlichen Eilentscheidung (Anordnungsgrund) und das Bestehen des gefährdeten Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen.
Dem Antragsteller steht ein Anordnungsanspruch nicht zu Seite, da ihm eine Beschäftigungserlaubnis derzeit nicht erteilt werden kann. Gemäss § 11 Satz 1 der Beschäftigungsverfahrensverordnung vom 22.11.2004 (BGBl. I S. 2934) darf geduldeten Ausländern die Ausübung einer Beschäftigung nicht erlaubt werden, wenn bei diesen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. So liegt es im Fall des Antragstellers. Er ist als abgelehnter Asylbewerber seit 1994 ausreisepflichtig. Seine Ausreisepflicht konnte bisher nicht durchgesetzt werden, weil für ihn weder eine Rückübernahmeerklärung der vietnamesischen Behörden vorliegt, welche diese im Rahmen der Durchführung des deutsch-vietnamesischen Rückübernahmeabkommen ggf. abzugeben hätten, noch ein gültiger Reisepass. Beides könnte der Antragsteller nur erlangen, wenn er gemäß Art. 6 Abs. 1 des Rückübernahmeabkommens vom 21.07.1995 (BGBl. II S. 744) an einer persönlichen Anhörung durch Angehörige der vietnamesischen Botschaft teilnehmen würde. Hierzu hatte die Antragsgegnerin seit dem Jahr 2003 vier Anhörungen anberaumt, die jedoch nicht durchgeführt werden konnten, weil sich der Antragsteller trotz rechtzeitiger Ankündigung zu den behördlich organisierten Sammeltransporten nicht eingefunden hatte bzw. in seiner Unterkunft nicht anzutreffen war.
Die auf der fehlenden Anhörung beruhenden Ausreisehindernisse hat der Antragsteller zu vertreten. Soweit er behauptet, er habe lediglich von dem Termin am 11.10.2006 Kenntnis gehabt und diesen versäumt, weil er kein Klingelzeichen gehört habe, hält die Kammer seine Einlassung für unglaubhaft. Er war mit Schreiben vom 19.09.2006 aufgefordert worden, sich zum Zwecke der Botschaftsvorführung am 11.10.2006 um 5:00 Uhr morgens bereitzuhalten. Wenn ihn Behördenmitarbeiter an diesem Tag nicht angetroffen haben bzw. er auf das Betätigen der Klingel nicht reagiert hat, hat er dies selbst dann zu vertreten, wenn die Klingel nicht funktioniert haben sollte. Denn es handelte sich hierbei bereits um den vierten Versuch einer Botschaftsvorführung, der ihn zu besonderen Vorkehrungen hätte veranlassen müssen. Gegebenenfalls wäre es ihm zuzumuten gewesen, sich auch ohne ein Klingelzeichen abzuwarten, um fünf Uhr morgens vor dem Haus aufzuhalten. Zu vertreten hat der Antragsteller auch sein Ausbleiben bei den drei weiteren Anhörungsterminen. Die Behauptung, von ihnen keine Kenntnis gehabt zu haben, kann als widerlegt betrachtet werden; denn zum einen wurden sämtliche Terminsankündigungen mit Postzustellungsurkunden übersandt und ihm entweder persönlich übergeben oder eine Benachrichtigung über die Niederlegung in seinem Briefkasten hinterlassen. Zum anderen hatte der Antragsteller auch auf alle Vorladungen reagiert. So hatte er anlässlich der für den 02.09.2003 geplanten Vorführung am 01.09.2003 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt, aus der allerdings keine Gründe dafür ersichtlich waren, warum er an der Fahrt zur Botschaft nicht hätte teilnehmen können. Auf die ihm am 18.06.2004 persönlich übergebene Aufforderung, sich für eine Anhörung am 23.06.2004 bereitzuhalten, reagierte er erst am 22.06.2004 mit einem Eilantrag bei der Behörde und einen Tag später bei Gericht, ohne an der Anhörung teilzunehmen oder tragende Hinderungsgründe geltend zu machen. Obwohl ihn das Gericht durch Urteil vom 07.06.2005 (1 A 48/05) auf seine Äußerung in der mündlichen Verhandlung, auch künftigen Anhörungsterminen fernbleiben zu wollen, über seine diesbezüglichen Pflichten belehrte, nahm er an dem für den 27.07.2006 anberaumten Termin, der ihm mit Schreiben vom 27.06.2006 bekannt gegeben worden war, wiederum nicht teil. Statt dessen übersandte er der Antragsgegnerin am 20.07.2006 ein Schreiben, in dem er darum bat, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen.
Schließlich rechtfertigt auch die von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -Senatoren der Länder am 16./17.11.2006 vereinbarte Bleiberechtsregelung, die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis u.a. ein lebensunterhaltssicherndes sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis voraussetzt, keine andere Entscheidung. Denn zum einen fehlt es - wie bereits dargelegt - an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis und zum anderen wird der Antragsteller bei summarischer Prüfung - selbst wenn er über ein ausreichendes Erwerbseinkommen verfügen würde - die weiteren Voraussetzungen der Bleiberechtsregelung ohnehin nicht erfüllen, weil er seiner Passpflicht nicht genügt und zudem nach Ziffer 5.1.1. der Bleiberechtsregelung eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt wird, wenn der Ausländer durch sein Verhalten behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung hinausgezögert oder behindert hat. Das ist im Hinblick auf die wiederholte unentschuldigte und nach Überzeugung der Kammer vorsätzliche Nichtteilnahme des Antragstellers an den rechtzeitig angekündigten Anhörungsterminen selbst dann zu bejahen, wenn man entsprechend Ziffer 1 des ergänzenden Erlasses des Niedersächsischen Innenministeriums zur Anwendung der Bleiberechtsregelung vom 06.12.2006 [Az. 45.11.12230/1-8 (§ 23)] eine ausschließende Wirkung ausländerrechtlicher Verstöße nur dann bejaht, wenn der Ausländer seine Rückführung in gravierender Weise verhindert oder behindert hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG, wobei die Kammer den Auffangwert zugrunde gelegt und wegen der Vorläufigkeit des begehrten Rechtsschutzes die Hälfte des insoweit maßgeblichen Betrages in Ansatz gebracht hat.
Meyer
Schwarz