Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 18.01.2007, Az.: 9 B 1/07
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 18.01.2007
- Aktenzeichen
- 9 B 1/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 61871
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2007:0118.9B1.07.0A
Fundstellen
- ZBR 2008, 283 (amtl. Leitsatz)
- ZfPR online 2008, 15 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
Der Anspruch auf Freistellung vom Dienst gemäß § 46 Abs. 6 BPersVG setzt einen Beschluss des Personalrats voraus, durch den ein oder mehrere bestimmte Mitglieder des Personalrates zu einer bestimmten Schulungs- oder Bildungsveranstaltung entsandt werden. Dem genügt ein Beschluss nicht, der nur das Thema der Schulungsveranstaltung, nicht aber Zeitpunkt, Ort, Dauer und Anbieter der Veranstaltung festlegt.
In der Personalvertretungssache
des Gesamtpersonalrat (GPR) beim Luftfahrt-Bundesamt (LBA), vertreten durch den Vorsitzenden,
gegen
Beteiligt:
Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch das Luftfahrt-Bundesamt , vertreten durch den Präsidenten,
Streitgegenstand: Freistellung vom Dienst für eine Teilnahme an einer
Schulungsveranstaltung
hier: Erlass einer einstweiligen Verfügung
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 9. Kammer - am 18. Januar 2007 durch den Vorsitzenden beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der antragstellende Gesamtpersonalrat begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, zwei seiner Mitglieder für eine Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung vom Dienst freizustellen.
In seiner Sitzung vom 6. Dezember 2006 beschloss der Antragsteller, "den Antrag auf eine Schulungsmaßnahme (TVöD) für die Kollegen B. und C. anzunehmen". Herr C. ist der Vorsitzende des Antragstellers. Dieser beantragte mit einem an die Dienststellenleitung gerichteten Schreiben vom 19. Dezember 2006 die Freistellung und Übernahme der Kosten für die Teilnahme der genannten Personalratsmitglieder an der Schulungsmaßnahme TVöD-Grundlagen: Einführung und Überblick vom 21. Januar bis 26. Januar 2007 im Verdi-Bildungs- und Begegnungszentrum Clara Sahlberg in Berlin. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2006 teilte der Beteiligte dem Antragsteller mit, die Entscheidung über die Freistellung solle wegen eines bei dem erkennenden Gericht anhängigen Verfahrens auf Feststellung der Nichtwählbarkeit von Mitgliedern des Antragstellers (9 A 3/06) zurückgestellt werden.
Am 15. Januar 2007 hat der Antragsteller bei der Fachkammer um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Er trägt vor: Die besondere Dringlichkeit für die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung ergebe sich daraus, dass mit dem Inkrafttreten des TVöD im beteiligten Luftfahrt-Bundesamt mehrere mitbestimmungspflichtige Vorgänge unmittelbar bevorstünden. Die Kenntnisse über den TVöD seien zwingend erforderlich, weil er - der Antragsteller - an mehreren mitbestimmungspflichtigen Vorgängen in Bezug auf Dienstvereinbarungen und in Bezug auf uneingeschränkte Mitbestimmung mitzuwirken habe. Es handele sich dabei um die "Dienstvereinbarung zur Regelung der gleitenden Arbeitszeit" und die "Dienstvereinbarung leistungsorientierte Bezahlung nach TVöD (TVLEIST)" sowie um weitere nicht im Einzelnen aufgeführte Vorgänge, die sich z. B. mit dem neuen Entgelt bei der Einstellung und Neueinstellung befassten. Die Vorgänge seien bereits angelaufen, so dass eine Schließung der vorhandenen Informationslücke schon deswegen notwendig sei, damit er ein adäquater Gesprächspartner der Behördenleitung sein könne.
Der Antragsteller beantragt,
dem Beteiligten aufzugeben, den Vorsitzenden des Antragstellers A. und das Mitglied des Antragstellers D. für die Teilnahme an der Schulungsmaßnahme der Gewerkschaft Verdi "TVöD-Grundlagen: Einführung und Überblick" vom 21.01. - 26.01.2007 (Lehrgang Nr. BE 0207012101) im Verdi-Bildungs- und Begegnungszentrum Clara Sahlberg in Berlin für die Zeit vom 21.01.2007 bis zum 26.01.2007 von ihrer Arbeitsleistung freizustellen.
Der Beteiligte beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Bei den Herren B. und C. handele es sich um dienstüberlassene Beamte, die an Entscheidungen, die nach TVöD beschäftigte Mitarbeiter beträfen, nicht beteiligt seien. Der TVöD sei bereits am 1. Oktober 2005 in Kraft getreten und dementsprechend umgesetzt. An Schulungsveranstaltungen zur Einführung des TVöD hätten auch Mitglieder des Antragstellers teilgenommen. Bei dem Beteiligten sei eine Projektgruppe gebildet worden, die sich mit der näheren Ausgestaltung des Leistungsentgelts befasse. Für den Antragsteller sei Frau E. Mitglied in dieser Projektgruppe. Diese habe an zwei Schulungsveranstaltungen betr. das Leistungsentgelt nach dem TVöD teilgenommen. Ferner habe auch das Mitglied F. des Antragstellers an einer Schulungsveranstaltung "Umsetzung und Ausgestaltung des Leistungsentgelts nach TVöD" teilgenommen. Im Hinblick auf die Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit werde darauf hingewiesen, dass der Antragsteller diesen nicht mit der Begründung abgelehnt habe, er fühle sich nicht ausreichend geschult. Ein Anordnungsgrund liege nicht vor. Insbesondere mangele es an der Dringlichkeit. Ausweislich des Veranstaltungskataloges biete der Veranstalter im Jahr 2007 17 Veranstaltungen zum TVöD an. Es bestehe auch kein Anordnungsanspruch, weil der Antragsteller bereits über das nötige, durch Schulungsmaßnahmen vermittelte Wissen über die Mitglieder F. und E. sowie weiterer Mitglieder verfüge.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Die Fachkammer für Personalvertretungssachen entscheidet über den Antrag gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i. V. m. §§ 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 935 ff. ZPO wegen der Dringlichkeit der Sache ohne mündliche Verhandlung und im Interesse des verfassungsrechtlich gebotenen effektiven Rechtsschutzes durch den Vorsitzenden, da die Fachkammer mit ihren ehrenamtlichen Beisitzern (§ 84 Abs. 3 BPersVG) nicht rechtzeitig zusammentreten und über den Antrag entscheiden kann.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung liegen nicht vor. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren setzt gemäß den entsprechend anwendbaren Vorschriften der §§ 935, 940, 936, 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass eine vorläufige Regelung dringlich erscheint (Verfügungsgrund) und dass ein Obsiegen in einem Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Verfügungsanspruch).
Hier fehlt es bereits an einem Verfügungsanspruch, weil nach derzeitigem Erkenntnisstand der Antragsteller keinen Anspruch darauf hat, dass seine Mitglieder C. und B. für die Teilnahme an der Schulung "TVöD-Grundlagen: Einführung und Überblick" vom 21.01. - 26.01.2007 im Verdi-Bildungs- und Begegnungszentrum Clara Sahlberg in Berlin vom Dienst freigestellt werden. Gemäß § 46 Abs. 6 BPersVG sind Personalratsmitglieder für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen unter Fortzahlung der Bezüge vom Dienst freizustellen, soweit auf diesen Veranstaltungen Kenntnisse vermittelt werden, die für die Personalratstätigkeit erforderlich sind. Dieser Freistellungsanspruch setzt einen Beschluss des (Gesamt-)Personalrats voraus, durch den ein oder mehrere bestimmte Mitglieder zu einer bestimmten Schulungs- oder Bildungsveranstaltung entsandt werden. An einem entsprechend hinreichend bestimmten Beschluss des Antragstellers fehlt es. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B. v. 27. April 1979 - 6 P 45.78 -, BVerwGE 58, 54) liegt die Entscheidung, ob ein Mitglied und welches zu einer bestimmten Schulungs- oder Bildungsmaßnahme zu entsenden ist, in der Hand des Personalrats. Die Teilnahme des entsandten Mitglieds an der Veranstaltung beruht mithin nicht auf dessen eigener Entscheidung, sondern auf dem Entsendungsbeschluss des Personalrats. Dieser hat darüber durch Beschluss zu entscheiden, so wie er auch über den Vorschlag für Freistellung nach § 46 Abs. 3 BPersVG entscheidet. Der Personalrat hat u. a. vor seiner Beschlussfassung zu prüfen, ob die Veranstaltung die Gewähr für eine ordentliche und sachgerechte Schulung bietet und für den Schulungszweck von angemessener Dauer ist. Außerdem hat der Personalrat, ehe er seinen Entsendungsbeschluss fasst, wegen des Gebots der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel und dem daraus folgenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob etwa in geringerer Entfernung vergleichbare Schulungsveranstaltungen durchgeführt werden (vgl. Lorentzen-Etzel, BPersVG, § 46 Rn. 126). Aus alledem folgt, dass der Beschluss sich auf eine konkrete Schulungsveranstaltung beziehen und jeweils vor einer konkreten Schulungsveranstaltung gefasst werden muss (vgl. Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 10. Aufl., § 46 Rn. 40). Den danach zu stellenden Anforderungen genügt der von dem Antragsteller in seiner Sitzung am 6. Dezember 2006 gefasste Entsendungsbeschluss nicht. Denn dieser bezieht sich ohne jede weitere Konkretisierung lediglich "auf eine Schulungsmaßnahme (TVöD)". Durch den Antragsteller wurde somit lediglich die Thematik -TVöD - der Schulungsveranstaltung festgelegt. Hingegen verhält sich der gefasste Beschluss nicht zu Zeitpunkt, Ort, Dauer und Anbieter der Schulungsveranstaltung. Der Beschluss lässt z. B. offen, ob eine eintägige Schulungsveranstaltung am Ort der Dienststelle oder eine wöchentliche Schulungsveranstaltung mit auswärtiger Unterbringung gemeint ist. Ohne eine entsprechende Festlegung kann der Antragsteller aber die ihm obliegende Prüfung der Erforderlichkeit der Schulungsmaßnahme nicht vornehmen. Nach den dem Gericht vorgelegten Unterlagen wurde die Festlegung auf die hier streitige - vom 21.01. - 26.01.2007 im Verdi-Bildungs- und Begegnungszentrum Clara Sahlberg in Berlin stattfindende - Schulung erstmals in dem Schreiben des Vorsitzenden des Antragstellers vom 19. Dezember 2006 getroffen. Es kann demnach nicht festgestellt werden, dass - wie erforderlich - der Personalrat selbst die Entsendung seiner Mitglieder zu dieser bestimmten Schulungsmaßnahme beschlossen hat.
Einer Kostenentscheidung bedarf es in personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht, weil Gebühren und Auslagen nicht erhoben werden und eine Erstattung der Beteiligtenaufwendungen nicht vorgesehen ist.