Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 18.01.2007, Az.: 5 B 332/06
Bargeld; Beschlagnahme; Delikt; deliktische Handlung; Ermittlungsverfahren; Freigabe; Gefahr; Gefahrenabwehr; Gefährdung; Geldschein; Polizei; polizeilicher Gewahrsam; Polizeirecht; präventiv; Rückgabe; Sicherstellung; Staatsanwaltschaft; Straftat; Strafverfolgungsbehörde; Tatverdacht; Verdacht; Verwahrung; öffentliche Sicherheit
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 18.01.2007
- Aktenzeichen
- 5 B 332/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 71799
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 26 SOG ND
- § 94 StPO
- § 111b StPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die präventativ-polizeiliche Sicherstellung eines Bargeldbetrages ist trotz Freigabe durch die Strafverfolgungsbehörde möglich. Voraussetzung ist aber, dass die Höhe des Betrages das zum Lebensunterhalt Erforderliche übersteigt und ein gewisser Zusammenhang zwischen dem sicherzustellenden Geld und den dem Betroffenen vorgeworfenen und in Zukunft zu befürchtenden Delikten besteht.
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage (5 A 331/06) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 06.11.2006 wird wiederherstellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 159,34 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine unter Sofortvollzug angeordnete Sicherstellung von Bargeld in Höhe von 637,35 Euro.
Am 14.09.2006 beobachtete der Hausdetektiv der Firma D. in Braunschweig, C.straße, wie der mit der Antragstellerin bekannte Herr E. Brillengestelle im Gesamtwert von ca. 5.500,00 Euro den Auslagen entnahm, sie zunächst unter einer mitgeführten Jacke versteckte und dann mithilfe der Antragstellerin, die ihm Sichtschutz bot, ohne den Kaufpreis zu entrichten aus dem Laden mitnahm. Herr F. bestieg dann zusammen mit der Antragstellerin den Pkw Audi A 8, den die Antragstellerin von ihrem Bruder entliehen hatte, um mit diesem zurück nach Hannover zu fahren. Nach eingeleiteter Fahndung wurde dieser Pkw von der Polizei Braunschweig angehalten und durchsucht. Herr F. und die Antragstellerin wurden vorläufig festgenommen. Die an diesem Tag bei der Firma D. entwendeten Brillengestelle wurden beschlagnahmt, sichergestellt und der Firma zurückgegeben. Bei der Durchsuchung des Fahrzeuges und der Personen wurden Armbanduhren und Kleidungsstücke (zum Teil neuwertig) aufgefunden und bei der Durchsuchung der Handtasche der Antragsstellerin der hier streitgegenständliche Bargeldbetrag in Höhe von 637,35 Euro.
Bei der richterlichen Vernehmung gab die Antragstellerin zur Herkunft dieses Geldbetrages an, dass sie 500,00 Euro von ihrem Geliebten für die Anschaffung eines neuen Sofas bekommen habe. Den Namen ihres Geliebten könne sich nicht nennen, da dieser verheiratet sei. Sie verfüge über ein monatliches Einkommen aus ALG II in Höhe von 410,00 Euro und habe Kreditschulden von ca. 10.000,00 Euro.
Mit Verfügung vom 27.09.2006 gab die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Ermittlungsverfahrens das sichergestellte bzw. beschlagnahmte Bargeld heraus, weil ein direkter Zusammenhang mit dem Gegenstand der Ermittlungen nicht zu erkennen war.
Am 27.09.2006 stellte die Polizei nach vorheriger mündlicher Anordnung des zuständigen Beamten der Stadt Braunschweig den streitgegenständlichen Bargeldbetrag nach § 26 NSOG sicher. Die Staatsanwaltschaft händigte das Bargeld aus und es wurde an die Stadt Braunschweig übergeben.
Mit schriftlicher Verfügung vom 06.11.2006 ordnete die Antragsgegnerin die Sicherstellung und öffentliche Verwahrung des am 14.09.2006 von der Polizei beschlagnahmten Bargelds an. Gleichzeitig wurde ein Verfügungsverbot ausgesprochen und die sofortige Vollziehung der Maßnahme angeordnet. Als Rechtsgrundlage für die Sicherstellung und Verwahrung führte die Antragsgegnerin § 26 Nr. 1 und Nr. 2 NSOG an, die Maßnahme sei notwendig zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr und um den Eigentümer vor dem Verlust zu schützen. Aus den Umständen des Auffindens des Bargelds und dem Vortrag der Antragstellerin ergäbe sich Überwiegendes für die Annahme, dass der fragliche Betrag unrechtmäßig erworben worden sei. Angesichts des angegebenen monatlichen Nettoeinkommens von 410,00 Euro und den angegebenen Schulden erscheine das Einkommen der Antragstellerin zu gering, um hiervon einen Betrag in der mitgeführten Höhe anzusparen. Der Vortrag, sie habe das Geld von einem Geliebten für die Anschaffung eines neuen Sofas bekommen, sei nicht belegt worden. Im Übrigen hätten polizeiliche Ermittlungen ergeben, dass die Antragstellerin auch wegen einer Diebstahlstat in Göttingen polizeilich in Erscheinung getreten sei, die Ermittlungen liefen noch. Außerdem gebe es erhebliche Verdachtsindizien dafür, dass die Antragstellerin bereits am 26.09.2005 an einem vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahl bei der Firma D. in Hannover mit einer Schadenshöhe von ca. 10.000,00 Euro beteiligt gewesen sei. Die auf einem der Polizei vorliegenden Video zu sehende dortige Täterin weise eine erhebliche Ähnlichkeit mit der Antragstellerin auf. Deshalb sei davon auszugehen, dass das Geld unrechtmäßig erworben sei und die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt, zumindest teilweise, aus kriminellen Handlungen bestreite. Es müsse dringend befürchtet werden, dass das bei der Antragstellerin sichergestellte Bargeld zumindest teilweise zur Begehung weiterer Straftaten in Braunschweig und in anderen Städten benutzt werde. Für die Begehung solcher Straftaten fielen u.a. Auto- und Benzinkosten an, die vermutlich mit diesem Geld finanziert werden sollten. Aus den Umständen des Auffindens des Bargeldes und weil die Antragstellerin angesichts ihres geschilderten Nettoeinkommens und ihrer Verschuldung einen solchen Betrag nicht habe ansparen können, ergebe sich eine Beweislastumkehr im Hinblick auf § 1006 BGB. Außerdem bestehe eine gegenwärtige Gefahr, dass durch Aushändigung des sichergestellten Bargeldes an die Antragstellerin eine Rückgabe an den vermutlichen rechtmäßigen Eigentümern unmöglich gemacht werde.
Zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung führte die Antragsgegnerin aus, dass aus polizeilicher Sicht und Erfahrung eine Vielzahl von Anhaltspunkten dafür vorläge, dass das Bargeld unrechtmäßig erworben worden sei. Es lägen daher besondere Gründe vor, die dafür sprächen, die Sicherstellung unmittelbar und nicht erst nach Eintritt der Bestandskraft der Verfügung zu vollziehen. Die im Falle einer erhobenen Klage eintretende aufschiebende Wirkung würde den Zweck der Sicherstellung vereiteln. Es bestehe ferner die Besorgnis, dass ein behördlicher Zugriff auf das sichergestellte Bargeld im Falle einer Herausgabe an die Antragstellerin nicht gewährleistet sein würde. Die sofortige Vollziehung sei auch erforderlich, um die tatsächlichen Eigentümer des Bargelds vor dessen Verlust zu bewahren.
Am 06.12.2006 hat die Antragstellerin gegen diesen Bescheid Klage erhoben (5 A 331/06) und gleichzeitig um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung führt sie an, sie stehe noch keineswegs als Mittäterin des Diebstahls am 14.09.2006 fest. Die Staatsanwaltschaft habe gegen sie und Herrn F. gemeinschaftlich Anklage erhoben. Die Hauptverhandlung sei für den 29.01.2007 terminiert. Die Antragsgegnerin habe die behauptete deliktische Herkunft des Geldes lediglich mit Vermutungen, nicht aber mit gesicherten Erkenntnissen begründet. Die Diebstahlstat in Göttingen, die der Antragstellerin zur Last gelegt werde, sei bereits am 21.12.2005 verübt worden, sodass vor diesem Hintergrund die Behauptung, die Antragstellerin versuche dauerhaft, ihren Lebensunterhalt mit der Begehung von Straftaten aufzubessern, haltlos sei. Es sei beim Amtsgericht Göttingen das Strafverfahren anhängig und die Hauptverhandlung zur Zeit unterbrochen. Die Ermittlungen seien abgeschlossen. Die Antragstellerin sei im Übrigen auch nicht vorbestraft. Auch die Tatsache, dass in dem von der Antragstellerin geführten Kraftfahrzeug sog. Diebesschürzen aufgefunden worden seien, sei kein Beweis dafür, dass die Antragstellerin auf Dauer mit Herrn F. zusammengewirkt habe. Auch der Haftrichter habe eine Mittäterschaft bei dem Delikt am 14.09.2006 nicht festgestellt. Die Staatsanwältin habe im Vermerk vom 26.09.2006 festgestellt, dass eine deliktische Herkunft des Bargelds nicht festgestellt werden könne. Es greife auch hier der verfassungsrechtliche Grundsatz der Unschuldsvermutung. Es sei zudem durchaus im Bereich des Möglichen, dass die Antragstellerin als Empfängerin öffentlicher Leistungen auch zur Mitte des Monats über ausreichendes Bargeld verfüge. Abzüglich des von dem Geliebten erhaltenen Geldgeschenkes in Höhe von 500,00 Euro handele es sich nämlich lediglich um 137,35 Euro. Die Verschuldung der Antragstellerin stehe dem nicht entgegen, da die Leistungen der öffentlichen Hand pfändungsfrei seien. Den Namen ihres Geliebten könne die Antragstellerin nicht nennen, da dieser verheiratet sei. Da auch hinsichtlich der anderen in dem von der Antragstellerin geführten Kraftfahrzeug aufgefundenen Gegenstände keineswegs nachgewiesen sei, dass es sich um Gegenstände von einem solchen Wert handele, den die Antragstellerin angesichts ihrer Einkommensverhältnisse nicht aufbringen könne, sei auch aus diesem Zusammenhang die deliktische Herkunft des Geldes nicht zu begründen. Die ermittelnde Polizei habe nicht festgestellt, ob es sich bei den sichergestellten Gegenständen tatsächlich um Markenfabrikate oder um Plagiate handele. Hinsichtlich des Diebstahls bei der Firma D. am 26.09.2005 bestehe lediglich ein Anfangsverdacht. Herr F. habe gegenüber dem Haftrichter nämlich ausgesagt, dass er die Klägerin erst vor zwei bis drei Monaten, also nach dem Delikt, kennen gelernt habe. Auch soweit der Antragstellerin vorgeworfen werde, dass sie ein aus einem Diebstahl stammendes Notebook einem Verwandten im ehemaligen Jugoslawien geschenkt habe, ergäbe sich daraus nicht, dass auch das fragliche Geld aus deliktischen Handlungen stamme. Im Übrigen sei diese Anschuldigung der jetzigen Ehefrau des geschiedenen Ehemannes der Antragstellerin in den Rahmen einer familiengerichtlichen Auseinandersetzung um das gemeinsame Kind zu stellen.
Auch die Höhe des sichergestellten Bargeldsbetrag trage die Vermutung, dass es sich um deliktisch erlangte Barmittel handele, die zur Begehung weiterer Straftaten eingesetzt werden sollten, nicht.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 06.11.2006 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie wiederholt und vertieft die Gründe des angefochtenen Bescheides.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
Der nach § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig und begründet. Zwar hat die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Sicherstellungsverfügung in formell ordnungsgemäßer Weise angeordnet (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) und in ausreichender Weise schriftlich begründet, warum das besondere Interesse an dem Sofortvollzug als gegeben erachtet wird (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Der Hinweis darauf, dass die mit der Klageerhebung verbundene aufschiebende Wirkung den Zweck der Sicherstellung vereiteln und eine Herausgabe des Geldes an die Antragstellerin bis zum Eintritt der Bestandskraft einen behördlichen Zugriff auf das sichergestellte Geld nicht gewährleisten würde, genügt dem gesetzlich vorgeschriebenen Begründungserfordernis.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage, der - wie hier gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO - keine aufschiebende Wirkung zukommt, anordnen, wenn das private Interesse des Antragstellers, von der belastenden Maßnahme zunächst verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Klage, mit der die vollziehbare Entscheidung angefochten wird, voraussichtlich Aussicht auf Erfolg hat. So liegt es hier. Der angegriffene Bescheid vom 06.11.2006 ist nach der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durchzuführenden summarischen Überprüfung voraussichtlich rechtswidrig.
Soweit die Antragsgegnerin sich als Rechtsgrundlage für die Verfügung auf § 26 Nr. 2 NSOG stützt, die Sicherstellung also für notwendig hält, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen, sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegend nicht erfüllt. Da es sich weder bei dem Delikt am 14.09.2006 noch bei dem Delikt vom 26.09.2005 um den Diebstahl oder eine anderweitige unrechtmäßige Erlangung von Geld gehandelt hat, und der Kammer nicht bekannt ist, ob es sich bei dem Delikt in Göttingen um den Diebstahl von Geld gehandelt hat, sprechen nicht ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der bei der Antragstellerin am 14.09.2006 in ihrer Handtasche aufgefundene Geldbetrag direkt aus einer deliktischen Handlung stammt und der Geldbetrag sichergestellt werden muss, um die Rückgabe (der Geldscheine) an den oder die Eigentümer sicherzustellen.
Auch auf der Rechtsgrundlage des § 26 Nr. 1 NSOG begegnet die Sicherstellungsverfügung durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach dieser Vorschrift kann eine Sache sichergestellt werden, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren.
Zwar steht der Rechtmäßigkeit der Sicherstellungsverfügung nicht von vornherein entgegen, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig in dem aktuellen Ermittlungsverfahren die Freigabe der zunächst für die Zwecke der Durchführung eines Strafverfahrens nach §§ 94 ff., 111b StPO beschlagnahmten Geldscheine verfügt hat. Die Erkenntnis, dass das beschlagnahmte Geld für die Zwecke der Durchführung eines Strafverfahrens nicht mehr benötigt wird, erstreckt sich nicht auf außerhalb eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens erfolgende Präventivmaßnahmen der Polizei aus Gründen der Gefahrenabwehr. Bei präventiv-polizeilicher Betrachtung kann sogar trotz Einstellung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens allein aufgrund verbliebender Verdachtsmomente ein Bedürfnis für die Aufrechterhaltung von polizeilichem Gewahrsam an beschlagnahmtem Geld bestehen (vgl. dazu: VG Aachen, Beschl. vom 10.02.2005 - 6 L 825/04 - m.w.N., juris). Dem entspricht auch der Vermerk der Staatsanwaltschaft, die ausdrücklich auf § 26 SOG Bezug genommen hat. Außerdem bestehen gegenüber der Antragstellerin weitere, aus dem Delikt in Göttingen und dem vollendeten Diebstahl bei D. am 26.09.2005 resultierende Anhaltspunkte für deliktisches Handeln. Die Freigabe des Geldes durch die Staatsanwaltschaft Braunschweig erfolgte auch nicht mangels hinreichenden Tatverdachts, denn die Anklage ist erhoben worden, sondern nur deshalb, weil die Geldscheine als Beweismittel in diesem Strafverfahren nicht mehr benötigt wurden und die Tat am 14.09.2006 nicht ohne Weiteres in Zusammenhang mit dem bei der Antragstellerin aufgefundenen Geldbetrag in Verbindung gebracht werden konnten. Dies allein spricht nicht gegen einen weiterhin bestehenden Verdacht, dass das Geld deliktischer Herkunft sein könnte.
Jedoch ergeben sich aus dem übrigen Gesamtzusammenhang keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dieser konkrete, am 14.09.2006 bei der Antragstellerin aufgefundene Betrag tatsächlich deliktischer Herkunft ist. Bei der am 14.09.2006 vom Hausdetektiv der Firma D. beobachteten Tat wurden Brillengestelle entwendet, kein Geldbetrag. Ein direkter Zusammenhang mit dem Delikt in Göttingen und dem Delikt im Jahre 2005 bei der Firma D. kann im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht festgestellt werden. Auch bei dem Delikt im September 2005 bei D. in Hannover wurden Brillengestelle entwendet, kein Bargeld. Da aber nach den bisherigen Einlassungen nicht feststeht, dass die Antragstellerin eine auf Dauer angelegte Zusammenarbeit mit Herrn F. betreibt, kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der bei der Antragstellerin aufgefundene Barbetrag etwa ein Anteil an dem durch Hehlerei erlangten Verkaufspreis ist.
Auch aus den finanziellen Verhältnissen der Antragstellerin ergibt sich nicht ohne Weiteres, dass sie nicht in der Lage ist, einen Betrag von 637,35 Euro auf rechtmäßige Weise erlangt zu haben. Das Vorbringen, sie habe 500,00 Euro von ihrem verheirateten Geliebten bekommen, dessen Namen sie nicht nennen wolle, lässt sich nicht ohne Weiteres entkräften. Im Übrigen ist der Betrag keineswegs so hoch, dass sich bereits aus seiner Höhe in Relation zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragstellerin der Verdacht ergibt, dass es sich um deliktisch erlangtes Geld handelt (anders als in dem von der Kammer entschiedenen Fall 5 B 284/06, Entscheidung vom 19.10.2006, und in dem vom VG Aachen, aaO. entschiedenen Fall). Auch aus der Art und Weise der der Antragstellerin vorgeworfenen Delikte ergibt sich - anders als in den benannten Fällen - nicht ohne Weiteres, dass für eine weitere Begehung solcher Delikte ein erheblicher Bargeldbetrag notwendig ist. In dem von der Kammer entschiedenen Fall (aaO.) handelte es sich um eine Gruppe von Personen, die nicht aus Braunschweig stammte und der vorgeworfen wurde, zur Durchführung sog. Enkelbetrügereien durch Deutschland zu reisen. Für diese Art der Deliktsausführung fielen Hotelkosten etc. an, für die das aufgefundene, mit hoher Wahrscheinlichkeit zuvor betrügerisch erlangte Bargeld Verwendung finden konnte. Auch in dem vom VG Aachen (aaO.) entschiedenen Fall des Verdachts auf Zigarettenschmuggel leuchtet ohne Weiteres ein, dass für eine weitere Ausführung von Delikten dieser Art größere Geldbeträge zum Ankauf der Zigaretten notwendig waren. Anders liegt der vorliegende Fall, in dem die Antragstellerin in Hannover wohnt, ihr ein Delikt in Hannover, eins in Göttingen und ein weiteres in Braunschweig vorgeworfen werden. Diese Orte sind vom Wohnsitz der Antragstellerin ohne Weiteres zu erreichen, am 14.09.2006 verfügte die Antragstellerin auch über das Kraftfahrzeug ihres Bruders.
Die Sicherstellung sämtlicher bei „auf frischer Tat betroffenen“ Tätern aufgefundener Bargeldbeträge mit der Begründung, dass der Verdacht bestehe, dass mit diesem unrechtmäßig erlangten Geld der Lebensunterhalt bestritten werde und damit die Möglichkeit der Begehung weiterer strafbarer Handlungen geschaffen werde, müsste im Endergebnis dazu führen, dass Beschuldigten, auch wenn sie wieder auf freien Fuß gesetzt werden, ohne Beachtung von Pfändungsfreigrenzen etc. sämtliche Mittel zum Lebensunterhalt, die sie bei sich führen, abgenommen würden. Aus dieser Argumentation ergibt sich, dass es sich im Falle der Sicherstellung von Bargeldbeträgen, die bei der Begehung einer Tat aufgefunden werden, zum einen um größere Summen handeln muss, als sie üblicherweise zum Lebensunterhalt notwendig sind, und zum anderen der Zusammenhang zwischen dem Besitz der größeren Bargeldsumme und den Delikten, die dem Antragsteller in der Vergangenheit vorgeworfen wurden und deren erneute Begehung zu befürchten sein soll, enger sein muss, als im vorliegenden Fall.
Nach alledem ist der angefochtene Bescheid nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes angebrachten summarischen Prüfung aller Voraussicht nach rechtswidrig.
Auch die unabhängig von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmende Interessenabwägung fällt zulasten der Antragsgegnerin aus. Abzustellen ist insoweit auf die Höhe des Schadens, der einzutreten droht im Verhältnis zu den Interessen der Antragstellerin.
Nach dem oben Gesagten ist es angesichts der Art und Weise der der Antragstellerin vorgeworfenen Delikte nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Geld zur Begehung weiterer Straftaten, die eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellen, eingesetzt wird. Die Möglichkeit, dass das Geld, wenn es von der Antragstellerin verbraucht worden ist, nicht mehr zur Befriedigung möglicher Ansprüche etwaiger gutgläubiger Käufer von gestohlenen Brillengestellen zur Verfügung steht, erscheint in der Konstellation des vorliegenden Falles nicht groß. Demgegenüber überwiegt das Interesse der Antragstellerin, die nach eigenem - bisher nicht widerlegten - Vorbringen über geringe Mittel zum Bestreiten des Lebensunterhalts verfügt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfeststellung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG, wobei wegen der Vorläufigkeit des begehrten Rechtsschutzes hier nur der Zinsvorteil berücksichtigt wird, den die Antragstellerin bei einer stattgebenden Entscheidung bereits im Eilverfahren erlangen kann. Da Zinshöhe und Laufzeit sich schwer exakt bemessen lassen, ist in Anlehnung an Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NVwZ 2004, 1327) pauschal ein Viertel des maßgeblichen Betrages in Ansatz gebracht worden (anders VG Aachen, aaO.).