Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.04.1995, Az.: 2 M 924/95
Quotenregelung; Eignungsprinzip; Auswahlkriterien; Ermessensspielraum
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.04.1995
- Aktenzeichen
- 2 M 924/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 14063
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1995:0405.2M924.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 11.01.1995 - 1 B 8469/94
Rechtsgrundlagen
- Art. 3 Abs. 2 GG
- Art. 3 Abs. 3 GG
- Art. 33 Abs. 2 GG
- § 8 Abs. 1 BG ND
- § 5 S. 2 GleichberG ND
- § 5 S. 1 GleichberG ND
- § 9 GleichberG ND
Fundstellen
- NdsRpfl 1995, 136
- NdsVBl 1995, 182
- ÖD 1995, 194
Amtlicher Leitsatz
Nach der gesetzlichen Verknüpfung mit dem Eignungsprinzip (§ 5 S 2 NGG (GleichberG ND)) kommt die Quotenregelung (§ 5 S 1 NGG (GleichberG ND)) erst zum Tragen, wenn bei den maßgebenden gesetzlichen Auswahlkriterien keine ins Gewicht fallenden Unterschiede festzustellen sind und deshalb das verbleibende Ermessen dem Träger der Personalhoheit einen Spielraum eröffnet.
Der 2. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat
am 5. April 1995
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - 1. Kammer Hannover - vom 11. Januar 1995, ergänzt durch Beschluß vom 23. Januar 1995, geändert.
Der Antragsgegnerin wird durch einstweilige Anordnung untersagt, den Beigeladenen vor Ablauf eines Monats nach Zustellung des Bescheides, mit dem über den Widerspruch der Antragstellerin gegen den ablehnenden Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 1994 entschieden wird, in das Amt des Rektors an der Grund- und Hauptschule ... in ... einzuführen und ihm den entsprechenden Dienstposten zu übertragen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist Lehrerin (Besoldungsgruppe A 12) an einer Hauptschule, der Beigeladene ist Rektor (Besoldungsgruppe A 13 m.Z.) einer Hauptschule. Beide haben sich um die ausgeschriebene Stelle einer Rektorin/eines Rektors einer Grund- und Hauptschule (Besoldungsgruppe A 14) beworben und wurden aus diesem Anlaß dienstlich beurteilt. Die Antragstellerin erhielt das Gesamturteil "gut"; sie sei für die Leitung einer Schule "gut geeignet". Das Gesamturteil des Beigeladenen lautete "gut und besser"; er sei zur Leitung einer Grund- und Hauptschule mit Orientierungsstufe "gut geeignet".
Die Antragsgegnerin hielt den Beigeladenen wegen seiner Erfahrungen in der Schulleitung für den geeignetsten Bewerber. Im Mitbestimmungsverfahren versagte aber die Einigungsstelle ihre Zustimmung zu dem Besetzungsvorschlag. Auf Weisung des Kultusministeriums sollte stattdessen die Antragstellerin mit Zustimmung der Personalvertretung die Stelle erhalten. Indessen erwirkte der Beigeladene hiergegen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes das gerichtliche Verbot, die Antragstellerin vor Bestandskraft des Bescheides über die Bewerbung des Beigeladenen zur Rektorin zu ernennen (VG Hannover, Beschl. v. 23.3.1994 - 2 B 1611/94 -). In einem weiteren Auswahlverfahren entschied sich die Antragsgegnerin für den Beigeladenen, erhielt hierfür zwar nicht die Zustimmung der Personalvertretungsgremien, konnte aber aufgrund einer endgültigen Entscheidung der Landesregierung vom 18. Oktober 1994 (§ 73 Abs. 1 Nds. PersVG) der Antragstellerin am 28. Oktober 1994 mitteilen, daß die Stellenbesetzung mit dem Beigeladenen beabsichtigt sei. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch der Antragstellerin ist noch nicht entschieden.
Den von ihr gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht mit Beschluß vom 11. Januar 1995 abgelehnt. Mit der hiergegen am 24. Januar 1995 eingelegten Beschwerde wird der Antrag auf ein Stellenbesetzungsverbot weiter verfolgt.
II.
Die rechtzeitig eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, steht ihrem Rechtsschutzbegehren nicht entgegen, daß sie selbst der von dem Beigeladenen erwirkten einstweiligen Anordnung vom 23. März 1994 nicht mit einer Beschwerde entgegengetreten war. Auch wenn sich das zunächst dahin ausgewirkt haben sollte, daß die Antragstellerin ihre Ernennung gegen den Widerspruch des Beigeladenen nicht erreichen konnte, hat sich doch die Ausgangslage gegenüber dem Ergebnis des früheren Rechtsschutzverfahrens durch die hier angegriffene, dem Beigeladenen günstige Auswahlentscheidung wesentlich verändert. Zudem ist jetzt die Rechtslage wegen geänderter Vorschriften neu zu beurteilen.
Zutreffend wendet sich die Antragstellerin gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluß, daß der Beigeladene nach den im Auswahlverfahren herangezogenen dienstlichen Beurteilungen schon wegen besserer Eignung zu bevorzugen sei. Vielmehr lassen die Beurteilungen eine im wesentlichen gleiche Eignung beider Bewerber erkennen.
Sofern nicht noch andere leistungs- oder eignungsbezogenen Gesichtspunkte für eine Auswahl des Beigeladenen angeführt werden, wäre deshalb die Situation des § 5 des Nds. Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) gegeben, d. h. das dem Dienstherrn bei gleicher Eignung verbleibende Auswahlermessen wäre unter maßgebender Berücksichtigung der Frauenförderung auszuüben. Zumindest müßte das Ermessen von der Antragsgegnerin als Inhaberin der Personalhoheit neu ausgeübt werden. Daraus ergibt sich ein sicherungsfähiger Anspruch der Antragstellerin. Im einzelnen ist hierzu auszuführen:
1.
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß der Beigeladene nach den im Auswahlverfahren herangezogenen dienstlichen Beurteilungen schon wegen besserer Eignung zu bevorzugen sei, wird darauf gestützt, er sei in einem höherwertigen Statusamt beurteilt worden als die Antragstellerin; es bestünden auch keine sachlichen Gründe, von dem Grundsatz des Vorrangs einer solchen Beurteilung abzuweichen.
Allerdings hat sich das Verwaltungsgericht - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - mit diesen Darlegungen nicht mit einer eigenständigen Auswahlerwägung an die Stelle des Dienstherrn gesetzt, dessen Äußerungen in der Tat keine eindeutige Auswahlbegründung erkennen ließen. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht den gesetzlichen Vorrang des Bestgeeigneten (Art. 33 Abs. 2 GG, § 8 Abs. 1 NBG) zur Geltung bringen wollen, was dem Gericht auch dann zusteht, wenn damit unklare, nicht nachvollziehbare, sogar widersprüchliche Auswahlerwägungen des Dienstherrn als im Ergebnis zutreffend bestätigt werden. Indessen hat das Verwaltungsgericht dabei den Stellenwert des Rangvorteils der Beurteilung des Beigeladenen zu hoch eingeschätzt.
Dabei kann hier offenbleiben, ob nicht schon in neueren Entscheidungen das Gewicht der Rangunterschiede von Beurteilungen gegenüber der früheren Rechtsprechung (Nds. OVG, Beschlüsse des 5. Senats vom 18.6.1993 - 5 M 1488/93 -, DVBl. 1993, S. 959 m.w.N.; vom 22.7.1993 - 5 M 2913/93 -; vom 25.7.1994 - 5 M 3357/94 -) stark relativiert worden ist (Beschl. v. 19.10.1994 - 5 M 5850/94 -). Jedenfalls fordert jetzt § 9 Abs. 1 NGG als gesetzliche Leitlinie für die an der Eignung orientierte Auswahl eine Sichtweise, mit der sich die Maßgeblichkeit statusbezogener Rangunterschiede nicht verträgt. Für die Auswahl soll es danach nur auf die Anforderungen der zu besetzenden Stelle ankommen. Die durch den bisherigen Status vermittelten Bewährungsmöglichkeiten und Erfahrungen mögen in die Prognose, wie die Anforderungen eines neuen Dienstpostens bewältigt werden, positiv einfließen, haben aber daneben nicht auch noch das Gewicht, die Beurteilungsnote aufzuwerten. D.h. es ergibt sich daraus nicht "automatisch" ein Vorsprung gegenüber Konkurrenten, denen trotz eines bisher niedrigeren Status eine ebenso günstige Prognose bezüglich der erwarteten Erfüllung der Anforderungen des angestrebten Dienstpostens gestellt worden ist.
Damit hat § 9 Abs. 1 NGG für auswahlbezogene Beurteilungen einen verbindlichen Maßstab aufgestellt, bei dem der Eignungsbegriff von statischen Vorstellungen gelöst und, seinem sprachlichen Sinn entsprechend, zielgerichtet interpretiert wird (vgl. § 1 Abs. 2 BLV; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, Rdnr. 136). Wenn dies zugleich dem Anliegen der Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern dient, indem Einflüssen einer vom Gesetzgeber angenommenen Fehlentwicklung in den bisherigen Beförderungsstrukturen entgegengewirkt wird, so hängt doch dadurch die Anwendbarkeit des § 9 Abs. 1 NGG nicht von der Gültigkeit der Quotenregelung des § 5 NGG ab.
Auch der Gesichtspunkt, daß die Antragstellerin als Inhaberin eines Amtes der Besoldungsgruppe A 12 nach dem Grundsatz des § 14 Abs. 2 Satz 2 NBG die angestrebte Schulleiterstelle der Besoldungsgruppe A 14 nicht unmittelbar durch Beförderung erreichen könnte, begründet nicht ohne weiteres einen rangmäßigen Vorsprung des Beigeladenen, der für die Auswahlentscheidung den Ausschlag geben müßte. Die Funktion der Schulleiterin auch einer größeren Schule setzt nicht unbedingt die sofortige Übertragung eines Amts der Besoldungsgruppe voraus, die in der Besoldungsordnung hierfür vorgesehen ist. Auch eine Lehrerin, die zunächst nur zur Hauptlehrerin (Besoldungsgruppe A 13) befördert werden könnte, könnte mit der Funktion der Leitung einer größeren Schule betraut werden. Der Anspruch auf gleichen Zugang zu dieser Stelle (Art. 33 Abs. 2 GG) wird deshalb nicht durch das Verbot der Sprungbeförderung ausgeschlossen.
2.
Nach den vorliegenden dienstlichen Beurteilungen werden die Antragstellerin und der Beigeladene als "gut geeignet" für die angestrebte Stelle angesehen, ohne daß es hier auf die Formulierungen ankommt, die einen aussagekräftigen Unterschied nicht erkennen lassen ("für die Leitung einer Schule" bzw. "zur Leitung einer Grund- und Hauptschule mit Orientierungsstufe"). Beide Beurteilungen berücksichtigen entsprechend dem geltenden Runderlaß (Nds. MBl 1982, S. 499) insbesondere die Besichtigung in Unterrichtsleistungen und Funktionen und entwickeln auf dieser Grundlage jeweils eine Prognose für die Wahrnehmung des angestrebten Dienstpostens. Trotz der Argumentationsunterschiede tritt eine wesentliche Eignungsdifferenz auch bei Heranziehung individueller Einzelheiten nicht hervor.
3.
Die in den Gesamtnoten ("gut geeignet") zusammengefaßten prognostischen Aussagen der dienstlichen Beurteilungen sind, wie in der Rechtsprechung anerkannt ist, regelmäßig von erheblicher Aussagekraft für den Eignungsvergleich, der einer Stellenbesetzung nach Art. 33 Abs. 2 GG, § 8 NBG vorausgehen muß; daran hat auch § 5 NGG nichts geändert, wie dessen ausdrückliche Bezugnahme auf Art. 33 Abs. 2 GG bestätigt. Wenn danach in erster Linie Eignung, Befähigung und Leistung maßgebend sind, ist der Dienstherr allerdings nicht darauf beschränkt, sich nur an den dienstlichen Beurteilungen auszurichten. Die dienstliche Beurteilung ist ein Hilfsmittel der Auswahl, das besonders dazu dient, auf einheitliche Beurteilungsmaßstäbe hinzuwirken. Es ist aber, insbesondere bei Beförderungsstellen mit einem besonderen, durch konkrete Gegebenheiten bestimmten Anforderungsprofil, in manchen Fällen sachgerecht und geboten, für die funktionsorientierte Auswahl auf weitere Gesichtspunkte abzustellen, um unter Bewerbern mit gleich guter Beurteilungsprognose den für die konkrete Aufgabe besser geeigneten herauszufinden. Der Dienstherr kann mit anderen Worten eignungsbezogene Auswahlgesichtspunkte berücksichtigen, die sich nicht in der Gesamtnote einer dienstlichen Beurteilung ausdrücken, aber dennoch einen für die zu besetzende Stelle wesentlichen Unterschied zwischen den Bewerbern begründen können. Dies ist in der Rechtsprechung auch schon vor dem Inkrafttreten des § 9 NGG immer wieder anerkannt worden und steht nicht in Widerspruch zu der Motivation der Neuregelung, solche Hilfskriterien auszuschließen, die sich bisher überwiegend zu Ungunsten von Frauen ausgewirkt haben (Nds. Landtag, Drucks. 12/5613, S. 25).
Somit kann ein Leistungsvorsprung in Betracht kommen, der sich aus dem Text einer dienstlichen Beurteilung ergibt, ohne sich für eine nach den Beurteilungsrichtlinien zugelassene Notendifferenzierung ausgewirkt zu haben; so könnte es sich hier bei der Kennzeichnung der Leistung des Beigeladenen als "gut und besser" verhalten (vgl. Beschl. d. Senats v. 22.10.1992 - 2 M 4686/92 -). Bei der Würdigung muß allerdings berücksichtigt werden, ob diese Tendenz nicht schon für die prognostische Aussage ("zur Leitung einer Schule geeignet") mit ausschlaggebend war. Ähnlich können in oder außerhalb der Beurteilung festgestellte Vorzüge bei einzelnen Eigenschaften im Sinne eines Eignungsvorsprungs gewertet werden, allerdings nur mit dem Vorbehalt, daß solche Vorzüge zuweilen hervorgehoben werden, um negative Feststellungen bezüglich anderer Eigenschaften zu kompensieren, die für das Gesamturteil sonst abträglich hätten sein können. Ähnlich liegt es auch bei der Berücksichtigung eines höheren Dienstalters, das als Hinweis auf eine größere Diensterfahrung bei einer Stellenbesetzung den Ausschlag geben kann (vgl. Beschl. d. Senats v. 10.11.1992 - 2 M 4567/92 -), dessen Gewicht allerdings geringer zu veranschlagen ist, wenn es schon in die Eignungsbeurteilung eingeflossen ist und bei dieser nicht zu einem Notenvorsprung gegenüber Mitbewerbern mit geringerer Dienstzeit geführt hat. Nach § 9 Abs. 1 NGG entfällt das Dienstalter als auswahlbegründendes Kriterium jedenfalls dann, wenn es zu den stellenbezogenen Anforderungen keinen Bezug hat.
Inwieweit bei gleicher Eignungsprognose der dienstlichen Beurteilungen ergänzende eignungsrelevante Kriterien für die Auswahl ausschlaggebend sein können, hat der Dienstherr im Rahmen einer besonderen Abwägung zu entscheiden. Sie ist bisher meistens dem "Ermessen" zugeordnet worden; sie wird aber vor dem Hintergrund des § 9 NGG eher als Handhabung einer Beurteilungsermächtigung zur Gewichtung der vielfältigen, durch die Anforderungen der Stelle bestimmten Kriterien verstanden werden müssen.
Das von der Antragstellerin eingeleitete Widerspruchsverfahren gibt Gelegenheit, erneut festzustellen, ob und welche besonderen Anforderungen an die Schulleitung zu stellen sind und hierauf bezogen die Bewerbereignung konkret zu würdigen. Nicht ausreichend wäre es, mit dem Verwaltungsgericht das hier den Akten entnommene Anforderungsprofil wiederzugeben und daraus ein einzelnes Merkmal anzuführen, das der Beigeladene im Unterschied zur Antragstellerin offenbar erfüllt (Erfahrungen in Schulleitungsaufgaben), wenn Entsprechendes für die Antragstellerin aufgrund einer Prognose möglich erscheint, sei es aufgrund anderer Erfahrungen oder- besonderer persönlicher Qualitäten. Es wird voraussichtlich der nochmaligen Einbeziehung schulfachlichen Sachverstands bedürfen. Eine unveränderte Übernahme der Auswahlbegründung vom 12. März 1993 verbietet sich schon deswegen, weil darin die grundlegende Eignungsprognose zugunsten der Antragstellerin vernachlässigt und auch sonst deren dienstliche Beurteilung ungenau interpretiert worden war, z. B. indem die sprunghaften Diskussionsbeiträge bei der von der Antragstellerin geleiteten Konferenz für sie negativ gewichtet wurden, ohne positiv zu würdigen, daß die Antragstellerin trotz der für sie durch das Diskussionsverhalten anderer erschwerten Leitung die Konferenz mit Erfolg zum Abschluß brachte. Insgesamt ergeben die in den dienstlichen Beurteilungen enthaltenen Fakten über die Besichtigungen, aber auch über die weiteren Erkenntnisse der Schulaufsichtsbeamten zur Dienstausübung der Bewerber, umfangreiches Material, das in eine Abwägung einzubringen ist. Anhaltspunkte dafür, daß es inzwischen neue, berücksichtigungsbedürftige Erkenntnisse über die Bewerber gibt, sind nicht ersichtlich, so daß es nicht als rechtsfehlerhaft erschiene, wenn die Widerspruchsbehörde sich in Anbetracht des ungewöhnlichen Verfahrensverlaufs hier entscheidend auf die relativ weit zurückliegenden Beurteilungen beschränkte.
Weiter als bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist gegen eine Widerspruchsentscheidung, die den genannten Anforderungen Rechnung trägt, braucht der einstweilige Rechtsschutz für die Antragstellerin nicht ausgedehnt zu werden.
4.
Sollte nach diesen Kriterien ein ausschlaggebender Eignungsunterschied zwischen Bewerbern unterschiedlichen Geschlechts nicht festgestellt werden können, müßte die Antragstellerin nach§ 5 Satz 1 NGG vorrangig berücksichtigt werden, weil unter den Rektorinnen und Rektoren der Besoldungsgruppe A 14 Frauen landesweit in der Minderheit sind.
Nach der gesetzlichen Verknüpfung mit dem Eignungsprinzip (§ 5 Satz 2 NGG) kommt die Quotenregelung (§ 5 Satz 1 NGG) erst zum Tragen, wenn bei den maßgebenden gesetzlichen Auswahlkriterien keine ins Gewicht fallenden Unterschiede festzustellen sind und deshalb das verbleibende Ermessen dem Träger der Personalhoheit einen Spielraum eröffnet, falls dieser nicht durch die gebotene Rücksichtnahme auf vorrangige sozialstaatliche Forderungen (z. B. Schwerbehindertenschutz, vgl. Begründung zum Fraktionsentwurf des NGG, Landtagsdrucksache Nr. 12/5613, S. 23; zu einer eventuellen "Härteklausel" Bericht zu Protokoll der 105. Plenarsitzung der 12. Wahlperiode, S. 9904) eingeengt wird. So verstanden, bezieht sich die Quotenregelung nur auf die Lenkung des personalrechtlichen, nicht mehr an meßbaren Eignungsdifferenzen orientierten Ermessens durch ein auf die Förderung der Gleichberechtigung abzielendes, im Verhältnis zum Sozialstaatsgebot nachrangiges Kriterium. Die Bevorzugung von Frauen in Bereichen, in denen sie bisher unterrepräsentiert sind, soll dabei nicht zu einer Benachteiligung von Männern "wegen ihres Geschlechts" (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, zur Bedeutung dieser Formulierung Sachs, NVwZ 1991, S. 437 ff, 439 m.w.N.) führen, sondern einer Kompensation (vgl. BVerfGE 74, 163 ff., 180 [BVerfG 28.01.1987 - 1 BvR 455/82]) der Folgen einer faktischen Beeinträchtigung der Chancengleichheit der Frauen dienen, die nach der Bewertung des Gesetzgebers u. a. in der zahlenmäßig geringen Repräsentation in den Beförderungsstellen des öffentlichen Dienstes Ausdruck findet (Landtagsdrucksache 12/5613, S. 15 ff. mit Hinweisen - S. 17 - zu der herangezogenen Rechtsprechung insbesondere des BVerfG). Auch wenn diese Sachlage weitgehend nicht auf gezielte Diskriminierung von Frauen, sondern auf deren durch Herkommen, familiäre Einflüsse und soziale Verhaltensmuster geprägtes Berufswahlverhalten zurückzuführen ist (dazu Sachs aaO, S. 442; BAG, Beschl. v. 22.06.1993, PersRt 94, 89 ff., 92 m.w.N.), kann es ein Anliegen der Gesetzgebung sein, die dadurch bedingten Rechts- und Chancenungleichheiten als Fehlentwicklung zu bewerten und durch eine Förderung des Aufstiegsstrebens von Frauen abzubauen. Die Personalhoheit kann diesem Ziel nutzbar gemacht werden, zumal weil damit das jetzt ausdrücklich in das GG aufgenommene Gebot, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung staatlich zu fördern (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG), im Bereich desöffentlichen Dienstes verwirklicht wird (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Nds. Verf). Das gilt jedenfalls, solange damit nicht höherwertige Ziele verletzt werden oder ebenso verbindliche Grundsätze zu einer Einengung des Ermessensspielraums führen. In dem Bündel von Maßnahmen, die nach dem NGG einer Förderung der Gleichberechtigung im niedersächsischen öffentlichen Dienst dienen, nimmt die Quotenregelung des § 5 NGG insofern eine Sonderstellung ein, als sie Bewerbern männlichen Geschlechts, die sich nicht durch einen Eignungsvorsprung auszeichnen, auch in Verwaltungsbereichen, in denen die Mehrheit der Beamten im Eingangsamt Männer sind, prozentual geringere Beförderungschancen zuweist als den hier typischerweise auch unter gleichgeeigneten Bewerbern unterrepräsentierten Frauen. Dies wird kritisiert, weil die Gleichstellung nicht in Gestalt eines "Gruppenrechts" geregelt werden könne (Ladeur, ZBR 1992, 39 ff., 40 ff., 45 ff.; VG Hannover, Beschl. v. 24.11.1994 - 13 B 8092/94 -). Demgegenüber ist allerdings zu berücksichtigen, daß durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG (n.F.) "bestehende Nachteile" im Bereich der Gleichberechtigung der Geschlechter festgestellt oder doch vorausgesetzt werden (H.-J. Vogel in Festschrift für Benda, S. 413), auf deren Beseitigung hingewirkt werden soll, was nicht ohne ein Abstellen auf die Geschlechtszugehörigkeit als Gruppenmerkmal möglich sein dürfte.
Eine mit der Geschlechtszugehörigkeit zusammenhängende Chancenminderung muß von den Betroffenen, hier dem Beigeladenen, nicht schon deshalb in Kauf genommen werden, weil kein Anspruch auf Beförderung besteht (§ 14 Abs. 4 NBG).
Denn Art. 33 Abs. 2 GG eröffnet bei fehlenden Eignungsunterschieden allen Bewerberinnen und Bewerbern den "gleichen" Zugang zu öffentlichen Ämtern, und § 8 Abs. 1 Satz 2 NBG verbietet - übereinstimmend mit dem Rahmenrecht des Bundes - eine Benachteiligung von Bewerbern wegen ihres Geschlechts. Indessen ist für die Anwendbarkeit dieses Verbots die Zielrichtung maßgebend (vgl. BVerfGE 74, 163 ff., 180 [BVerfG 28.01.1987 - 1 BvR 455/82], kritisch dazu Sachs aaO). Wesentlich ist deshalb, daß die Quotenregelung nicht bezweckt, jemandem Nachteile zuzufügen, sondern vorhandene Benachteiligungen auszugleichen (Landtagsdrucks, aaO), was in der Realität nur durch ein vorübergehendes Zurückstehen eines Teils (nämlich der sich nicht durch einen Eignungsvorsprung auszeichnenden) aus der bisher durch die faktischen Verhältnisse begünstigten Gruppe erreichbar ist. Ob diese Auswirkung aufgrund einer reduzierenden Auslegung des Art. 3 Abs. 3 GG ("Konkordanz" mit Art. 3 Abs. 2 GG) gerechtfertigt werden kann (dagegen Sachs aaO, S. 440, dafür BAG aaO, S. 94 ff. m.w.N.), bildet den Kern der Meinungsverschiedenheiten, die auch durch die Verfassungsergänzungen (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Nds. Verf.) nicht gegenstandslos geworden sind. Für eine Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen spricht, daß das politische Ziel, um der Realisierung des Gleichberechtigungsgrundsatzes willen auf vorhandene Strukturen einzuwirken, bei Ausübung der Personalhoheit die Angehörigen des bisher dominierenden Geschlechts nicht in wesentlich stärkerem Maße beeinträchtigt, als eine faktische Fortsetzung der bisherigen Personalpolitik dem unterrepräsentierten Geschlecht die Aufstiegschancen weiterhin erschweren würde. Es mag weiterhin zu Bedenken Anlaß geben, daß § 5 Satz 1 NGG durch die Bezeichnung von Prozentanteilen das Ziel der Regelung recht pauschal und rigoros formuliert. In der Realität dürfte es aber zunächst und zumeist darum gehen, daß sich die Berücksichtigung der Unterrepräsentation des weiblichen Geschlechts gegenüber Hilfskriterien wie der Anciennität durchsetzen kann, die sich sonst nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit mehr zugunsten des überrepräsentierten Geschlechts auswirken würden. Insoweit erscheint das den Personalverwaltungen mit § 5 Satz 1 NGG zugewiesene Programm in der gegenwärtigen Situation als ein akzeptabler Weg, um das Anliegen des Art. 3 Abs. 2 GG unter möglichst geringen, als geschlechtsbezogene Nachteil empfundenen Belastungen zu fördern.
5.
Selbst wenn die angedeuteten, von gewichtigen Stimmen (vgl. außer den Genannten noch die kritischen Äußerungen zu Parallelregelungen in Nordrhein-Westfalen, Nachweise im erwähnten Beschluß des BAG sowie VG Arnsberg, Beschl. v. 18.1.1995 - 2 K 4275/92 -, und in Schleswig-Holstein, Beschl. d. Schl.-H. OVG v. 01.02.1995 - 3 M 1/95 -) erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Quotenregelung des § 5 NGG sich durchsetzen sollten, bliebe es dem Dienstherrn im Rahmen der Personalhoheit im Einzelfall möglich, sich bei einer Auswahl zwischen einem Bewerber und einer gleichgeeigneten Bewerberin für die letztere zu entscheiden, auch wenn diese dienst jünger ist, z. B. aufgrund der Erwägung, daß eine annähernde geschlechtliche Parität auf der Ebene der in der Schulleitung eingesetzten Personen erfahrungsgemäß die Zusammenarbeit fördert. Auch bei Unanwendbarkeit des § 5 NGG ist deshalb die Aussicht für die Antragstellerin, mit ihrem Rechtsbehelf bei einem sich ergebenden Eignungsgleichstand einen sachlichen Erfolg zu erzielen, nicht vernachlässigbar gering.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gründe, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, liegen bei dem Verfahrensergebnis nicht vor (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Sommer
Dehnbostel