Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 27.02.2018, Az.: 14 U 114/17
Umfang des gesetzlichen Forderungsübergangs auf den Sozialversicherungsträger; Übergang des Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer bei Schädigung durch einen Familienangehörigen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 27.02.2018
- Aktenzeichen
- 14 U 114/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 17387
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 13.06.2017 - AZ: 73 O 16/17
Rechtsgrundlagen
- SGB X § 116 Abs. 1
- SGB X § 116 Abs. 6
Amtlicher Leitsatz
Dem Übergang des Direktanspruch des Geschädigten gegen den KFZ-Haftpflichtversicherer des Schädigers auf den Sozialversicherungsträger steht auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 116 Abs. 1 SBG X das Familienprivileg des § 116 Abs. 6 SBG X entgegen.
Das gilt auch dann, wenn neben dem privilegierten Familienangehörigen ein weiterer nicht privilegierter Zweitschädiger (Halter) existiert.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. Juni 2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 73. Zivilkammer des Landgerichts Hannover geändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt als gesetzliche Krankenkasse von der Beklagten als Kfz-Haftpflichtversicherer der Halterin des Unfallfahrzeuges Erstattung von Leistungen, die sie aufgrund von Verletzungen für vier ihrer Mitglieder erbracht hat, die diese bei einem Verkehrsunfall vom 24. Mai 2015 erlitten haben. Darüber hinaus verlangt sie die Feststellung, dass die Beklagte bereits geleistete Beträge nicht zurück verlangen kann.
Fahrer des Unfallfahrzeuges war der Vater der vier Mitglieder der Klägerin M. C. Halterin des Transporters war die Firma D. GmbH, die das Fahrzeug bei der Beklagten versichert hatte.
Die Klägerin erbrachte für die Kinder des Herrn C. bislang Leistungen in Höhe von 23.379,25 €. Hiervon forderte sie von der Beklagten zunächst Erstattung von 20.715,03 €, die die Beklagte auch anwies. Weitere Zahlungen lehnte die Beklagte im Hinblick auf das zugunsten des Fahrers bestehende Familienprivileg ab und forderte die bereits erbrachten Leistungen von der Klägerin zurück.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen, der Anträge sowie der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das angefochtene Urteil (Bl. 37 ff. d. A.), mit dem der Klage stattgegeben wurde, Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die darauf verweist, das Urteil des Landgerichts lasse das richtige Verständnis zum Direktanspruch aus § 115 VVG gegen einen Kfz-Haftpflichtversicherer vermissen. Dieser sei naturgemäß nur gegeben, wenn auch ein Anspruch gegenüber dem Halter des Fahrzeugs zu bejahen sei. Insoweit bestehe strenge Akzessorietät. Nur wenn eine Haftung des Halters zu bejahen sei, greife im Verhältnis der Gesamtschuldner untereinander die Alleinhaftung des Kfz-Haftpflichtversicherers. Wenn aber aufgrund der Anwendung der Grundsätze über das gestörte Gesamtschuldverhältnis der Halter z. B. wegen der Privilegierung des Fahrers nicht hafte, hafte auch der Kfz-Haftpflichtversicherer nicht.
Die Beklagte beantragt,
wie erkannt.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin tritt der Rechtsauffassung der Beklagten entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil.
Das Landgericht habe zutreffend die Voraussetzungen für die Annahme eines gestörten Gesamtschuldverhältnisses verneint, da neben dem Fahrer des Fahrzeuges auch noch die Firma D. GmbH ohne Privilegierung hafte. Unabhängig davon hafte die Beklagte im Innenverhältnis der Gesamtschuldner ohnehin allein. Durch die StVG-Reform sei im Jahr 2002 zudem die Halterhaftung zugunsten der Fahrzeuginsassen ausgeweitet worden, denen nunmehr gleichberechtigte Ansprüche gegen Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherer zustünden.
In jedem Fall könne die Beklagte aber die bereits gezahlten 20.715,03 € nicht zurückverlangen, denn sie habe in Kenntnis ihrer Nichtschuld geleistet. Zumindest sei die Beklagte nach Treu und Glauben an der Rückforderung gehindert.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu (vergl. nachfolgend 1.). Sie kann auch nicht die Feststellung verlangen, der Beklagten stehe ihrerseits kein Rückerstattungsanspruch in Höhe der bereits geleisteten 20.715,03 € zu (vergl. nachfolgend 2.).
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Klägerin kein auf sie übergegangener Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG i. V. m. § 116 Abs. 1 SBG X zu.
a) Zunächst gehen die Parteien zutreffend davon aus, dass die Klägerin den Fahrzeugführer, den Vater ihrer vier Mitglieder, aufgrund des Familienprivilegs nach § 116 Abs. 6 SGB X nicht in Anspruch nehmen kann.
Hingegen wäre grundsätzlich gegenüber der Halterin des Unfallfahrzeuges, der Firma D. GmbH, ein Anspruch gegeben, weil auf diese das Familienprivileg des § 116 Abs. 6 SGB X keine Anwendung findet. In diesem Verhältnis ist jedoch zu beachten, dass im Innenverhältnis zwischen Fahrzeugführer und -halter der Fahrer allein haftet. Der Fahrzeughalter hat nämlich ausschließlich aufgrund seiner in § 7 Abs. 1 StVG normierten Gefährdungshaftung für die Unfallfolgen einzustehen, der Fahrzeugführer im vorliegenden Fall hingegen aus Verschulden (§ 18 Abs. 1 StVG und § 823 Abs. 1 BGB). In derartigen Fällen geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Geschädigte den außerhalb des Sozialversicherungsverhältnisses stehenden Zweitschädiger insoweit nicht in Anspruch nehmen kann, als der für den Unfall Verantwortliche ohne seine Haftungsfreistellung im Verhältnis zum Zweitschädiger allein für den Schaden aufkommen müsste (vergl. BGH VersR 1973, 836 [BGH 12.06.1973 - VI ZR 163/71]).
Dies folgt aus der Rechtsprechung zu den Grundsätzen über ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis. Ein solches ist nämlich zu bejahen, wenn neben dem haftungsprivilegierten (Erst)Schädiger (= der Vater der vier Kinder) ein weiterer, nicht haftungsprivilegierter (Zweit)Schädiger (= die Halterin) für den Schaden verantwortlich ist. Um dem sog. Erstschädiger die Vorteile seines Haftungsprivilegs zu erhalten und zu verhindern, dass er vom nicht privilegierten Zweitschädiger im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs doch in Anspruch genommen wird, ist die Haftung des Zweitschädigers auf den Anteil begrenzt, der im Verhältnis zum Erstschädiger auf ihn entfiele, wenn der Ausgleich nach § 426 BGB nicht durch das Haftungsprivileg verhindert würde (vergl. nur BGH NJW 1996, 2023 [BGH 16.04.1996 - VI ZR 79/95] - juris Rn. 11 -).
Das führt im vorliegenden Fall dazu, dass auch die Halterin des vom Vater der vier geschädigten Kinder geführten Transporters der Klägerin nicht haftet, denn aufgrund der Regelung des § 840 BGB hat im Innenverhältnis zwischen ihr und dem Vater der Mitglieder der Klägerin dieser allein den Schaden zu tragen. Aufgrund der Akzessorietät des Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer des Halters entfällt dieser mithin ebenfalls, denn Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Versicherers ist das Bestehen eines Anspruchs gegenüber Fahrer oder Halter des versicherten Fahrzeuges.
b) Etwas anderes ergibt sich nach Auffassung des Senats nicht aus dem Umstand, dass die Gesamtschuldner in einem Fall wie dem vorliegenden unabhängig von Vorstehendem nicht anteilig haften, sondern die Beklagte aufgrund der Regelung in § 116 Abs. 1 SGB X im Innenverhältnis zu den anderen Gesamtschuldnern für alle Unfallschäden allein einzustehen hat, und zwar unabhängig von einem etwaigen Verschulden. Deshalb besteht tatsächlich im Ergebnis nicht die Gefahr, dass der Vater der Geschädigten über den Gesamtschuldnerausgleich doch in Anspruch genommen wird.
Dieser Umstand rechtfertigt jedoch keine Durchbrechung des Akzessorietätsprinzips zugunsten der Klägerin als Sozialversicherungsträger.
Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sich die Rechtsprechung mit vergleichbaren Fallgestaltungen bereits mehrfach auseinandergesetzt und hat in Bezug auf Sozialversicherungsträger an der strengen Akzessorietät festgehalten.
Der BGH unterscheidet in allen vorliegenden Entscheidungen zwischen Sozial-hilfeträgern (SHT) und Sozialversicherungsträgern (SVT) als Anspruchsteller (so auch bereits in BGH VersR 1979, 93).
(1) Zum SVT hat der BGH in zahlreichen Entscheidungen ausgeführt:
"Es ist an der Rechtsprechung festzuhalten, wonach in Anlehnung an § 67 Abs. 2 VVG der Sozialversicherungsträger weder gegen einen mit dem Verletzten in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen noch auch gegen dessen Kraftfahrzeugversicherung ein Rückgriffsrecht hat."
oder
"§ 116 Abs. 6 SGB X steht dem Übergang des Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers aus § 3 Nr. 1 PflVG aus den SVT entgegen".
(VersR 1964, 391 [BGH 11.02.1964 - VI ZR 271/62]; 1979, 267; offengelassen VersR 1996, 1258 [BGH 09.07.1996 - VI ZR 5/95]; eindeutig Urteil vom 28.11.2000 - Az. VI ZR 352/99 - juris -)
Das folgt - so der BGH - aus der Rechtsnatur des gegen den Haftpflichtversicherer gerichteten Direktanspruchs des Geschädigten. Er diene der Sicherung der Forderung des Geschädigten und sei deshalb in seinem Bestand und seinen Wirkungen grundsätzlich von dem Haftpflichtanspruch abhängig; es sei ein akzessorisches Recht. Tragend sei dabei der Gedanke, dass der Direktanspruch als akzessorisches Recht der Sicherung der Forderung des Verletzten diene und insoweit in seinem Bestand von dem Haftpflichtanspruch abhängig sei; gehe der Haftpflichtanspruch auf einen neuen Gläubiger über, so gehe entsprechend § 401 BGB auch der ihn sichernde Direktanspruch über. Gehe der Haftpflichtanspruch nicht über, so gehe auch der Direktanspruch nicht über (BGHZ 133, 192 - 200 - juris Rn. 10).
(2) Hiervon hat der BGH nur eine Ausnahme zugelassen (nämlich beim Übergang von Ansprüchen auf den Sozialhilfeträger wegen des Subsidiaritätsgrundsatzes des Sozialhilferechts, BGH, VersR 1996, 1258 [BGH 09.07.1996 - VI ZR 5/95]). Eine weitere "Aufweichung" des Angehörigenprivilegs hat der BGH in der o.g. Entscheidung (VersR 2001, 215 [BGH 28.11.2000 - VI ZR 352/99]) ausdrücklich verneint (dort ausdrücklich in Bezug auf einen SVT, zu denen die Klägerin gehört).
Er hat hierzu weiter ausgeführt:
"Nach nochmaliger Überprüfung verbleibt der Senat bei seiner Auffassung, daß der Übergang des Direktanspruchs des Geschädigten auf den Sozialversicherungsträger an der Übergangsschranke des § 116 Abs. 6 SGB X scheitert."
Zur Begründung verweist er zunächst auf die Erwägungen im genannten Senatsurteil vom 5. Dezember 1978. Weiter heißt es:
"Zum anderen und vor allem sieht sich der Senat angesichts der klaren Normaussage des § 116 Abs. 6 SGB X sowie der Ausgestaltung des Direktanspruchs als akzessorisches Recht nicht legitimiert, für die hier in Rede stehende besondere Fallgestaltung den Vorschlägen zu einer "teleologischen Reduktion" zu folgen, die im Ergebnis auf eine Durchbrechung des Akzessorietätsgrundsatzes hinausläuft. Eine Änderung dieser Rechtslage wäre Sache des Gesetzgebers (vgl. auch LG Trier, NJW-RR 1999, 392 ff. [LG Trier 19.03.1998 - 6 O 203/97][LG Trier 19.03.1998 - 6 O 203/97]; Schiemann, aaO.). Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß der Senat für den Übergang des Direktanspruchs auf den Sozialhilfeträger die Übergangssperre aus § 116 Abs. 6 SGB X nicht hat eingreifen lassen. Diese Entscheidung erschien, wie ausgeführt, geboten, um einen sonst auftretenden Normenkonflikt zwischen dem in § 2 BSHG verankerten Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe und dem Angehörigenprivileg des § 116 Abs. 6 SGB X zu verhindern."
In gleicher Weise hat auch z. B. das OLG Saarbrücken entschieden. Wenn weder Fahrer noch Halter wegen eines Haftungsprivilegs für einen der beiden den Geschädigten gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet seien, bestehe auch keine Haftung des Haftpflichtversicherers (RuS 2002, 67 - juris Rn. 40 -).
Der Senat teilt die dagegen erhobenen Bedenken nicht. Zwar ist es richtig, dass die in § 116 VVG normierte Alleinhaftung des Haftpflichtversicherers im Innenverhältnis der Gesamtschuldner eine anderweitige Bestimmung i. S. d. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt. Das betrifft aber nur das Innenverhältnis zwischen Versicherer, Versicherungsnehmer und Versichertem, hat aber zunächst überhaupt nichts mit dem Außenverhältnis zu tun. Insoweit haftet der Haftpflichtversicherer nur, wenn sein Versicherungsnehmer haftet.
Zutreffend verweist der Bundesgerichtshof darauf, ggf. sei der Gesetzgeber dazu aufgerufen, insoweit eine Änderung herbeizuführen. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Frage abweichend zu beurteilen, mithin auch zugunsten des SVT eine Durchbrechung der strengen Akzessorietät anzunehmen. Weder der Direktanspruch nach § 115 VVG noch die Regelung des § 116 VVG über die interne alleinige Haftung des Versicherers verfolgen den Zweck, einem Geschädigten einen Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer unabhängig z. B. von der Quote oder anderen Haftungseinschränkungen zu verschaffen. Es gibt keinen Grund, das bei einer Haftungsprivilegierung nach § 116 Abs. 6 SGB X anders zu bewerten.
(3) Etwas anderes vermag der Senat schließlich auch nicht der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung des BGH vom 17.10.2017 - Az. VI ZR 423/17 - zu entnehmen.
Der Entscheidung lag nämlich eine vom vorliegenden Fall in entscheidungserheblicher Weise abweichende Konstellation zugrunde: Die dortige Klägerin war Beifahrerin auf einem von ihrem Ehemann geführten Motorrad, das bei der Beklagten versichert war. Beteiligt war zudem als Streithelferin die Haftpflichtversicherung eines PKW, die unstreitig dem Grunde nach vollständig für die Unfallfolgen haftete. Die Klägerin wurde schwer verletzt und dauerhaft erwerbsunfähig. Aus diesem Grund erhielt sie von der zuständigen Rentenversicherung eine Rente wegen Erwerbsminderung. Mit ihrer Klage verlangte sie Verdienstausfall.
Die Vorinstanzen und der BGH hatten es also - anders als hier - mit der Frage zu tun, ob der Geschädigten selbst Ansprüche gegen die Haftpflichtversicherung ihres - privilegierten - Ehemannes und den Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherung zustanden. Im Zusammenhang mit dieser Frage hat das OLG Köln ausgeführt (VersR 2017, 969 ff. [OLG Köln 01.09.2016 - 15 U 179/15]), die verletzte Ehefrau verliere durch Leistungen des Rentenversicherungsträgers nicht ihre Ansprüche gegen den Haftpflichtversicherer ihres Ehemannes. Das gelte auch für den Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer. Die Ehefrau bleibe auch insoweit Inhaberin dieses Anspruchs. Es hat also einen Anspruchsübergang auf den Rentenversicherer gerade verneint.
Das OLG hat weiter ausgeführt, nach Leistungen des Rentenversicherungsträgers seien Ansprüche der Ehefrau (= Geschädigten) auch nicht nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses ausgeschlossen (- juris - Rn. 48 f.), denn weder der Ehemann selbst noch dessen Versicherung seien gegenüber der dortigen Klägerin haftungsprivilegiert, da § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X nur gegenüber dem SVT gelte.
Das trifft uneingeschränkt zu, ändert aber für die hier zu entscheidende Fallgestaltung nichts an der bisherigen Rechtsprechung zu Ansprüchen des SVT.
Dieser Wertung des OLG hat sich der BGH in seiner Entscheidung vom 17.10.2017 weitgehend angeschlossen. Auch er hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach ein Verlust der Aktivlegitimation des unmittelbar Geschädigten durch Übergang auf einen Sozialversicherungsträger gemäß § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X aufgrund des Familienprivilegs des § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ausgeschlossen sei (- juris - Rn. 11). Das gelte auch für den Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer (- juris - Rn. 15).
Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet das also zunächst nach wie vor, dass etwaige Ansprüche der Kinder gegen ihren Vater gerade nicht auf die Klägerin übergegangen sind.
Der BGH verweist sodann jedoch darauf, dass in einem Fall, in dem neben dem angehörigen Schädiger für den kongruenten Schaden ein weiterer Fremdschädiger vorhanden sei, verschiedene Schuldverhältnisse entstünden, auf die die Regelungen der §§ 422 Abs. 1 Satz 1, 426, 430 BGB entsprechend anwendbar seien (- juris - Rn. 23, 27 f.). In der konkreten Fallgestaltung (= geschädigte Ehefrau gegen Haftpflichtversicherung des eigenen Ehemannes und Haftpflichtversicherung des Unfallgegners) hätte die Durchsetzung des Anspruchs auf Ersatz des kongruenten Verdienstausfallschadens durch die Klägerin gegenüber dem angehörigen Schädiger (Ehemann) zur Folge, dass die Klägerin diesen Schaden - zunächst - doppelt ersetzt erhalte und zugleich den Regressanspruch des SVT gegen den letztlich vollumfänglich verantwortlichen Fremdschädiger zum Erlöschen bringe (- juris - Rn. 24). Damit gehe die durch den doppelten Ersatz des Verdienstausfallschadens entstehende Bereicherung der Klägerin unmittelbar zu Lasten des SVT und der Versichertengemeinschaft. Das erfordere einen Ausgleich zwischen den Gläubigern analog § 430 BGB dahin, dass die unmittelbar Geschädigte (Klägerin) diese Bereicherung an den SVT herauszugeben habe. Deshalb könne in dieser besonderen Fallgestaltung im Ergebnis die dortige Klägerin (= Ehefrau des Schädigers) Ansprüche nicht durchsetzen (Verstoß gegen Treu und Glauben, unzulässige Rechtsausübung), weil sie diese wegen kongruenter Leistungen des SVT wieder an diesen herausgeben müsse (- juris - Rn. 43).
Diese Überlegungen sind indes nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar.
Der BGH hat in seinen Überlegungen ganz entscheidend auf den Gesichtspunkt abgestellt, dass die Geschädigte sich aufgrund des Unfallgeschehens nicht durch die Möglichkeit doppelter Inanspruchnahme zweier Schädiger bereichern dürfe.
Diese Gefahr besteht indes hier nicht. Ebenso wenig muss die Klägerin eine doppelte Inanspruchnahme besorgen.
Damit verbleibt es aber bei der eingangs dargestellten Folge, dass aufgrund der Haftungsprivilegierung des Ehemannes gegenüber der Klägerin im Ergebnis im Hinblick auf das gestörte Gesamtschuldverhältnis zwischen den potentiellen Schuldnern auch die Beklagte nicht haftet.
(4) Schließlich ergibt sich eine andere Wertung auch nicht aufgrund der Änderung der Vorschrift des § 8 a StVG im Jahr 2002 durch das zweite Gesetz zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002. Durch diese Gesetzesänderung wurden unentgeltlich und nicht geschäftsmäßig beförderte Insassen eines Fahrzeuges in den Schutzbereich des § 7 StVG einbezogen.
Allerdings stellte sich damit nicht die Frage neu, ob der Direktanspruch eines durch ein Unfallgeschehen Geschädigten gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung auf einen SVT übergehen konnte, wenn hinsichtlich eines anderen Gesamtschuldners auf Schädigerseite eine Haftungsprivilegierung griff. Es wurde lediglich der Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert. Schon aus diesem Grund vermag der Senat keinen Anlass zu erkennen, von der bisherigen Rechtsprechung hierzu abzuweichen und zu einer Durchbrechung des Akzessorietätsprinzips zu gelangen. Das würde zu einer Verkehrung des Akzessorietätsprinzips in sein Gegenteil führen, denn in diesem Fall würde nicht die Haftung des Kfz-Haftpflichtversicherers der Haftung des Versicherten folgen, sondern andersherum.
Dementsprechend haben sowohl der Bundesgerichtshof als auch verschiedene Oberlandesgerichte nach der Gesetzesänderung im Jahr 2002 an ihrer bisherigen Rechtsprechung festgehalten (BGH a. a. O.; OLG Celle, Schaden-Praxis 2010, 82; OLG Koblenz, VersR 2014, 770 [OLG Koblenz 17.01.2013 - 5 U 983/12]; OLG Brandenburg, RUS 2017, 555).
2. Nach vorstehenden Ausführungen hat die Beklagte die Forderungen der Klägerin im Ergebnis zu Unrecht befriedigt und kann das Geld grundsätzlich gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB zurückfordern.
Das gilt nach § 814 BGB nur dann nicht, wenn die Beklagte seinerzeit wusste, dass sie zur Leistung nicht verpflichtet war. Dafür ist positive Kenntnis von der Nichtschuld erforderlich (OLG Karlsruhe, ZfSch 1989, 169; OLG Hamm, Urteil vom 26.07.2016, 9 U 150/15 - juris -), wobei eine sog. Parallelwertung in der Laiensphäre ausreicht. Andererseits reicht grob fahrlässige Unkenntnis vom Nichtbestehen der Schuld nicht aus. Abzustellen ist bei juristischen Personen auf denjenigen Mitarbeiter, der die Zahlung veranlasst (OLG Brandenburg, NZV 2014, 38).
Es ist nicht bekannt, ab wann dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten der Umstand bekannt war, dass der allein verantwortliche Fahrer des Unfallfahrzeuges der Vater der vier geschädigten Kinder war. Ob der für die Regulierung zuständige Mitarbeiter hieraus vor Bewirkung der Zahlungen den Schluss gezogen hat, dass die Beklagte aufgrund der Haftungsprivilegierung nach § 116 Abs. 6 SGB X und über die Grundsätze des gestörten Gesamtschuldverhältnisses nicht zu Leistungen verpflichtet war, ist nicht bekannt und wird von der Klägerin auch nicht vorgetragen.
Sie hat lediglich das Schreiben der Beklagten vom 7. Juli 2016 (Anlage K 6) vorgelegt, in dem sich die Beklagte erstmals auf den Haftungsausschluss wegen des Familienprivilegs beruft, weil die Prüfung ergeben habe, dass im versicherten Fahrzeug die Kinder des Fahrers saßen. Die von der Beklagten beglichenen Abrechnungen der Klägerin (Anlagen K 1 - 4) stammen jedoch schon aus November 2015.
Erst auf die weitere Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 23.05.2016 (Anlage K 5) erhob die Beklagte den Einwand des Haftungsausschlusses. Das spricht dafür, dass sie zum Zeitpunkt der Zahlung der insges. 20.715,03 € noch keine positive Kenntnis von ihrer Nichtschuld hatte.
Allerdings kann unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls aus dem Verhalten des Leistenden der Schluss des Zahlungsempfängers gerechtfertigt sein, der Leistende wolle die Zahlung unabhängig vom Bestehen der Schuld gegen sich gelten lassen. Erforderlich ist hierfür eine erkennbare Absicht des Leistenden, seine Leistung auch für den Fall der Nichtschuld bewirken zu wollen, wobei maßgeblich ist, wie das Verhalten des Leistenden objektiv aufzufassen ist (OLG Hamm a. a. O. - juris Rn. 35 -). Zweifel gehen dabei zu Lasten des Empfängers (RGZ 154, 388, 397 - juris -).
Im vorliegenden Fall liegt keine ausdrückliche vor den Zahlungen abgegebene Erklärung der Beklagten vor, die Aufschluss über ihren Kenntnisstand geben könnte. Die bloße Zahlung der von der Klägerin angeforderten Beträge stellt allein kein Verhalten dar, aus dem der Zahlungsempfänger schließen konnte/durfte, die Beklagte wolle unabhängig vom Bestehen einer tatsächlichen Zahlungsverpflichtung leisten. Das ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus der centgenauen Bezahlung. Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass jeder, der eine Rechnung ohne Kürzung zahlt ohne Kenntnis von seiner Nichtschuld zu haben, anschließend den gezahlten Betrag nicht zurückfordern könnte.
Anders als in der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des OLG Hamm (ZfSch 2017, 14) ist gerade nicht bekannt, inwieweit der Mitarbeiter der Beklagten bei Bewirken der Zahlungen genaue Informationen zu dem streitbefangenen Verkehrsunfall hatte, insbesondere von dem Umstand, dass es sich bei dem verantwortlichen Fahrer um den Vater der verletzten Mitglieder der Klägerin handelte. Auf das Vorliegen entsprechender detaillierter Informationen stellt jedoch das OLG Hamm in seiner vorgenannten Entscheidung maßgeblich ab.
Nach alledem erweist sich die Berufung der Beklagten in vollem Umfang als erfolgreich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 543 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen. Es liegt weder eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung vor noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist zu bejahen, wenn eine für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Rechtsfrage bisher höchstrichterlich nicht geklärt, klärungsbedürftig und klärungsfähig ist und wenn sie das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, weil sie sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann. Die im vorliegenden Fall streitentscheidende Frage ist indes bereits durch den Bundesgerichtshof entschieden. Er hat sich - bezogen auf Sozialversicherungsträger - für die Beibehaltung der strengen Akzessorietät des Direktanspruchs entschieden (zuletzt Urteil vom 17.10.2017 - Az. VI ZR 423/16) und bereits mehrfach eine teleologische Reduktion des § 116 Abs. 6 SGB X abgelehnt. Aufgrund der Gesetzesänderung des § 8 a StVG im Jahr 2002 hat sich insoweit keine abweichende Gesetzeslage ergeben. Der Auffassung der Klägerin sind bislang ausschließlich Amts- und Landgerichte gefolgt. Weitergehende Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.