Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 08.02.2018, Az.: 6 W 19/18
Höhe des Stundensatzes für die Tätigkeit des Nachlasspflegers; Anforderungen an die Begründung der Festsetzung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 08.02.2018
- Aktenzeichen
- 6 W 19/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 15351
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 29.01.2018 - AZ: 59 VI 4340/17
Rechtsgrundlagen
- BGB § 1836 Abs. 1 S. 2
- BGB § 1915 Abs. 1
- BGB § 1960
- FamFG § 38 Abs. 3 S. 1
- FamFG § 47
- FamFG § 69 Abs. 1 S. 2
Fundstellen
- EE 2018, 163
- ErbR 2018, 284
- FamRZ 2018, 963
- ZEV 2018, 423
Amtlicher Leitsatz
Formelhafte "Begründungen" bei Festsetzung der Nachlasspflegervergütung, die ungeprüft die Angaben im Festsetzungsantrag übernehmen, genügen nicht den Anforderungen des § 38 Abs. 3 Satz 1 FamFG.
In einem Fall ungenügender Begründung kann eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG erfolgen.
Ein Stundensatz in Höhe von 75 € für einen Nachlasspfleger, der nicht Rechtsanwalt ist, kann allenfalls ganz ausnahmsweise in Betracht kommen.
Tenor:
Der angefochtene Beschluss und der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 29. Januar 2018 werden aufgehoben.
Dem Amtsgericht wird aufgegeben, über einen Vergütungsantrag des Beteiligten zu 2 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Dem Amtsgericht wird weiter aufgegeben, die Nachlasspflegschaft aufzuheben.
Gründe
Die Beschwerde, mit der die Beteiligte zu 1 sich gegen die vom Amtsgericht festgesetzte Vergütung für die Tätigkeit des Beteiligten zu 2 als Nachlasspfleger wendet, ist in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang begründet.
I.
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1, der Alleinerbin, bedarf der Auslegung. Die Beschwerde richtet sich in erster Linie, wie insbesondere das Schreiben der Beteiligten zu 1 vom 27. Dezember 2017 an das Nachlassgericht zeigt, gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. Januar 2018. Die Beteiligte zu 1 wehrt sich ersichtlich aber auch gegen die Bestellung des Nachlasspflegers gemäß Beschluss vom 29. August 2017 mit der Begründung, diese sei von Anfang an nicht erforderlich gewesen. Allerdings scheidet eine rückwirkende Aufhebung der Nachlasspflegschaft gemäß § 47 FamFG ohnehin aus. Nach dieser Vorschrift ist eine wirksam gewordene gerichtliche Entscheidung, durch die jemand die Befugnis erhält, als Vertreter für einen anderen rechtsgeschäftlich tätig zu werden, wie hier der Beteiligte zu 2 gemäß § 1960 BGB, zwar aufzuheben, wenn sich erweist, dass die Voraussetzungen der Bestellung nicht oder nicht mehr vorliegen. Die Aufhebung erfolgt aber nicht rückwirkend, sondern nur mit Wirkung ex nunc (vgl. OLG Jena, 6 W 541/12, Beschluss vom 22. Mai 2013, zit. nach juris; Bahrenfuss-Rüntz, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 47 Rn. 7; s. a. OLG Frankfurt, 20 W 417/92, Beschluss vom 1. Dezember 1992, zit. nach juris). Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 legt der Senat daher dahin aus, dass sie sich, entsprechend dem zutage getretenen Willen der Beteiligten zu 1, gegen die Vergütungsfestsetzung richtet.
2. Die Vergütungsfestsetzung durch das Amtsgericht kann keinen Bestand haben.
Nach § 1915 Abs. 1 Satz 2, § 1836 Abs. 1 BGB richtet sich die Höhe der Vergütung des Berufspflegers eines Nachlasses, der - wie vorliegend - werthaltig und nicht mittellos ist, nach den für die zu führenden Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte.
Das Amtsgericht hat es versäumt, im angefochtenen Beschluss zu den vorgenannten Kriterien Feststellungen zu treffen. Der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 29. Januar 2018 enthält keine Begründung.
Weder der Vergütungsantrag noch der die Vergütung festsetzende Beschluss verhalten sich zu den Voraussetzungen des § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Qualifikation des Beteiligten zu 2 ist für den Senat (und vermutlich auch für die Beteiligte zu 1) nicht erkennbar. Diese Prüfung wird nicht bereits dadurch gegenstandslos, dass der Beteiligte zu 2 die Nachlasspflegschaft berufsmäßig führt. Auch über die Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte verhalten sich weder der Antrag noch der die Vergütung festsetzende Beschluss.
Die Festsetzung einer Stundenvergütung von 75 € gemäß dem Antrag des Beteiligten zu 2 für die Zeit vom 30. August 2017 bis zum 20. November 2017 ist ohne Begründung geblieben. Ob überhaupt ein solcher Stundensatz ausnahmsweise in Betracht kommt, lässt der Senat offen. Vorliegend ist jedenfalls die Nachlasspflegschaft nicht als schwierig, sondern eher als einfach einzuschätzen, so dass eine Vergütung von 75 € pro Stunde von vornherein ausscheidet.
Der Antrag begegnet auch weiteren Bedenken. So wird ein zeitlicher Aufwand von 3 Stunden und 40 Minuten für die "1. vorläufige Schlussrechnung" und für "Nachlassbearbeitung" angesetzt. Das Erstellen der Schlussrechnung aber ist eine eigene Angelegenheit des Nachlasspflegers und nicht vergütungsfähig. Was es mit "Nachlassbearbeitung" auf sich haben soll, bleibt gänzlich unklar.
Daneben kann der Senat nicht erkennen, warum für den Zeitraum bis 20. November 2017 die Voraussetzungen einer Nachlasspflegschaft vorgelegen haben sollen. Bereits am 1. September 2017, unmittelbar nach der Bestellung des Beteiligten zu 2 als Nachlasspfleger, erhielt das Amtsgericht die Mitteilung des Pflegeheimes, dass die Erblasserin eine Schwester gehabt habe; Name und Adresse werden dort genannt. Dem Beteiligten zu 2 ist ausweislich einer handschriftlichen Verfügung vom 5. September 2017 eine Durchschrift dieses Schreibens übersandt worden. Am 18. September 2017 erhielt das Amtsgericht das Protokoll des Amtsgerichts H. vom 11. September 2017, das unter anderem die Äußerung der Beteiligten zu 1 enthält, dass sie die Erbschaft angenommen habe. Wann der Beteiligte zu 2 davon Kenntnis erhalten hat, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Sein Vergütungsantrag enthält allerdings den Hinweis auf ein Schreiben vom 27. Oktober 2017, das er an die Beteiligte zu 1 verfasst hat.
Das Amtsgericht hat seine Fürsorgepflichten gegenüber der Beteiligten zu 1 verletzt. Ist bei Bestellung eines Nachlasspflegers der Erbe noch unbekannt, kann er sich am Verfahren nicht beteiligen und ist in besonderer Weise darauf angewiesen, dass das Gericht seine Interessen wahrt. Die besondere vermögensrechtliche Fürsorgepflicht des Nachlassgerichts gegenüber dem Erben endet nicht mit der Bestellung eines Nachlasspflegers (s. a. BGH, 1 StR 466/87, Urteil vom 25. Februar 1988, zit. nach juris). Sie konkretisiert sich in einzelnen Vorschriften wie § 1837 Abs. 2 Satz 1 BGB, geht darüber aber hinaus und beinhaltet auch die Pflicht, zum Schutz des Erben nicht ungeprüft die Vergütungsvorstellungen des Nachlasspflegers zu übernehmen.
Nur am Rande sei erwähnt, dass der Eindruck entsteht, das Amtsgericht vertrete die Auffassung, es sei bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1960 BGB immer eine Nachlasspflegschaft anzuordnen. Vielmehr aber zeigt die Vorschrift in ihrem Abs. 2, dass diese Möglichkeit nur eine ist und daneben das Gericht auch weitere Handlungsmöglichkeiten hat, die nicht von vornherein als nachrangig angesehen werden können.
3. Der Senat hat den angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG).
Vorliegend hat das Ausgangsgericht zwar unter dem 10. Januar 2018 der Form nach eine Entscheidung getroffen. Diese aber ist ohne erkennbare Prüfung des Vergütungsantrags (s. a. Zimmermann, Nachlasspflegschaft, 4. Aufl., Rn. 725, 789) ergangen und enthält nur eine weitgehend formelhafte und zu den wesentlichen Grundlagen der Festsetzung keine Begründung, was umso erstaunlicher ist, als bereits vor der erfolgten Festsetzung, nämlich mit Schreiben der Beteiligten zu 1 vom 27. Dezember 2017, Bedenken gegen die beantragte Festsetzung erhoben worden waren, auf die aber nicht eingegangen worden ist; soweit es in dem angefochtenen Beschluss vom 10. Januar 2018 heißt, Einwendungen seien nicht erhoben worden, ist dies schlicht unzutreffend.
§ 38 Abs. 3 Satz 1 FamFG ist nicht entsprochen, ein Fall einer ausnahmsweisen Entbehrlichkeit einer Begründung nach § 38 Abs. 4 FamFG liegt nicht vor. Von dieser einfachgesetzlichen Verpflichtung abgesehen sind angreifbare gerichtliche Entscheidungen auch von Verfassungs wegen immer zu begründen (Art. 20 Abs. 3 GG), wobei formelhafte Begründungen unzulässig sind (vgl. BVerfG, 1 BvR 2015/02, Beschluss vom 21. November 2002; OLG Hamm, 23 W 527/90, Beschluss vom 8. Oktober 1990, je zit. nach juris). Eine ausreichende Begründung enthält auch der Nichtabhilfebeschluss nicht.
Zu den Voraussetzungen einer Aufhebung und Zurückverweisung wird im Übrigen auf den Senatsbeschluss vom 29. November 2017 in 6 W 190/17 verwiesen (zur Veröffentlichung bestimmt).
Das Amtsgericht hat den Sachverhalt aufzuklären und damit die Voraussetzungen für eine neue Entscheidung herbeizuführen. In diesem Rahmen wird es dem Beteiligten zu 2 Gelegenheit zu geben haben, seinen Vergütungsantrag zu korrigieren und zu ergänzen.
II.
Der Senat hat dem Amtsgericht weiter aufgegeben, die Nachlasspflegschaft aufzuheben. Unterstellt, die Voraussetzungen für eine Nachlasspflegschaft hätten anfangs vorgelegen, ist dies entsprechend den obigen Ausführungen, soweit für den Senat anhand der vorgelegten Akten erkennbar, jedenfalls seit längerer Zeit nicht mehr der Fall.