Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.01.2014, Az.: 16 K 316/12
Bemessungsgrundlage der Entnahme von Strom und Wärme bei einem Blockheizkraftwerk
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 09.01.2014
- Aktenzeichen
- 16 K 316/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 26533
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2014:0109.16K316.12.0A
Rechtsgrundlage
- § 10 Abs. 4 UStG
Fundstellen
- DStR 2016, 10
- DStRE 2016, 683
- DStRE 2016, 279-280
- MwStR 2015, 43
Verfahrensgegenstand
Umsatzsteuer 2005 2009
Amtlicher Leitsatz
Zur Bemessungsgrundlage der Entnahme von Strom und Wärme bei einem Blockheizkraftwerk
Tatbestand
Der Kläger installierte in 2004 in seinem Einfamilienhaus ein Blockheizkraftwerk (BHKW). Den erzeugten Strom veräußert er an die Stadtwerke X GmbH, mit der erzeugten Wärme beheizt er seinen privaten Wohnraum. Eine Möglichkeit Fernwärme zu beziehen, bestand für ihn mangels Anschlusses an ein Fernwärmenetz nicht. In seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre beantragte der Kläger die Aufteilung der Kosten für Zwecke der Ermittlung der unentgeltlichen Wertabgabe für die Wärme nach dem Verhältnis des Werts der erzeugten Energie zu bemessen. Der Beklagte, das Finanzamt (FA), ermittelte die Kosten nach dem Verhältnis der erzeugten Energie, wobei es gemäß den Angaben des Herstellers des BHKW davon ausging, dass dieses in einer Betriebsstunde 12 kW Strom und 26 kW Wärme erzeuge. Der nicht auf den unternehmerischen Bereich entfallende Anteil betrüge danach 68,4 %. Aufgrund Wärmeverlusts sei dieser Anteil zu Gunsten des Klägers auf 65 % zu mindern. Für 2005 berücksichtigte es dementsprechend bei Zugrundelegung einer Summe der Kosten von 40.287,06 € eine unentgeltliche Wertabgabe von 26.186,59 €, für 2006 bei Zugrundelegung einer Summe der Kosten von 30.459,95 € eine unentgeltlichen Wertabgabe von 19.798,97 €, für 2007 bei Zugrundelegung einer Summe der Kosten von 28.932,32 € eine unentgeltliche Wertabgabe von 18.806,01 € und für 2008 bei Zugrundelegung einer Summe der Kosten von 17.400,67 € eine unentgeltliche Wertabgabe von 11.310,44 €. Für 2009 hat das FA in Abweichung von der Vorgehensweise in den Vorjahren von den geltend gemachten Vorsteuern i.H.v. 3.069,76 € einen Betrag von 35 % i.H.v. 1.074,42 € als unternehmerisch veranlasst angesehen. Am 19. September 2009, 26. März 2012 und 12. April 2012 erließ das FA entsprechende Bescheide. Die Einsprüche des Klägers hiergegen wies es mit Einspruchsbescheid vom 24. September 2012 als unbegründet zurück.
Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, die Wertigkeit von Strom und Wärme sei unterschiedlich zu berücksichtigten. Er will den betrieblichen Anteil seiner Kosten nach der Wertigkeit der erzeugten Energie und nicht nach der Anzahl der anfallenden kW/h berechnet sehen. So ergäbe sich unter Berücksichtigung von Wärmeverlusten ein Prozentsatz für die Stromerzeugung von 76,59 %. Auch hätten die Stadtwerke ein alternatives Angebot zur Versorgung mit Wärme gemacht, dergestalt nämlich dass in seinem Keller eine Heizungsanlage installiert werde, welche im Eigentum der Stadtwerke bleibe. Diese verkauften an ihn dann kein Gas, sondern Wärme, wobei der Preis pro kW/h 0.0479 € netto zuzüglich einer monatlichen Grundgebühr von 63,68 € betrage. Bei einem in den Vorjahren ermittelten Verbrauch von 30.600 kW/h Wärme für Heizzwecke ergebe sich ein Jahrespreis von 1.465,74 € zuzüglich der Grundgebühr von 764,16 € von insgesamt 2.229,90 € netto. Dieser Betrag sei der Umsatzsteuer zugrunde zu legen, wenn die Kostenaufteilung nach der Wertigkeit der Energie nicht zum Zuge komme. Zwar stamme das Angebot der Stadtwerke aus dem Jahr 2011, doch sei hinlänglich bekannt, dass die Preise für Energie in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen seien.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuer im Jahre 2005 bis 2009 entsprechend den abgegebenen Umsatzsteuererklärungen festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das vom Kläger eingeholte Angebot für Wärmelieferungen stamme aus 2011 und könne nicht als vergleichbarer Einkaufspreis für Wärme in den Streitjahren zugrunde gelegt werden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Das FA hat als Bemessungsgrundlage der Entnahme von Strom und Wärme für den Eigenbedarf des Klägers zu Recht die für die Stromerzeugung mit dem BHKW angefallenen sog. Selbstkosten angesetzt.
1. Die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, wird nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt, sofern --wie hier-- der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG).
a) Eine Entnahme liegt nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG auch dann vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand für eigene nichtunternehmerische Zwecke entnimmt und somit keinem Abnehmer --wie von § 3 Abs. 1 UStG vorausgesetzt-- Verfügungsmacht verschafft wird (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 2008 XI R 60/07, BFHE 221, 512, BStBl II 2008, 721 [BFH 14.05.2008 - XI R 60/07]).
Vorliegend ist der Kläger dadurch, dass er den in seinem BHKW erzeugten Strom gegen Vergütung an ein Stromversorgungsunternehmen geliefert hat, als Unternehmer i.S. von § 2 Abs. 1 UStG tätig geworden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 163 [BFH 18.12.2008 - V R 80/07], [BFH 18.12.2008 - V R 80/07] BStBl II 2011, 292 [BFH 18.12.2008 - V R 80/07], [BFH 18.12.2008 - V R 80/07] unter II.2.). Er konnte das BHKW vollständig seinem Unternehmen zuordnen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 225, 163 [BFH 18.12.2008 - V R 80/07], [BFH 18.12.2008 - V R 80/07] BStBl II 2011, 292 [BFH 18.12.2008 - V R 80/07], [BFH 18.12.2008 - V R 80/07] unter II.3.; vom 19. Juli 2011 XI R 21/10, BFHE 235, 14, BStBl II 2012, 434 [BFH 19.07.2011 - XI R 21/10], [BFH 19.07.2011 - XI R 21/10] unter II.2.a cc), auch wenn er von Anbeginn eine private Wärmenutzung beabsichtigte.
b). Bei der Bemessung des Umsatzes der Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1b UStG ist von den Selbstkosten des Klägers auszugehen.
aa) Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1b UStG --also auch bei Entnahmen von Gegenständen aus dem Unternehmen für eigene nichtunternehmerische Zwecke des Unternehmers-- nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes, bemessen. Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG ("mangels eines Einkaufspreises") sind die Selbstkosten nur dann anzusetzen, wenn ein Einkaufspreis für den (entnommenen) Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand nicht zu ermitteln ist. Maßgebend ist gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG mithin primär der Einkaufspreis; die Selbstkosten sind nur subsidiär anzusetzen. Es ist hierbei ausreichend, dass ein Einkaufspreis "für einen gleichwertigen" Gegenstand ermittelt werden kann; schon dann kann auf die Selbstkosten nicht zurückgegriffen werden (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 XI R 3/10, BFH/NV 2013, 108).
Hinsichtlich der vom Kläger zur Beheizung des Hauses genutzten Wärme fehlt es vorliegend jedoch an "vergleichbaren Gegenständen", für die Einkaufspreise ermittelbar wären, die gilt sowohl für die Bezug von Fernwärme als auch für das dem Kläger von den Stadtwerken X von ihm so bezeichneten Alternativvorschlag.
bb) Mangels Fernwärmeversorgung auf dem Grundstück des Klägers hatte dieser keine Möglichkeit Fernwärme einzukaufen. Die Bemessung der unentgeltlichen Wertabgabe anhand von Preisen für Fernwärme, kommt aber nur in Betracht, wenn ein Anschluss an ein entsprechendes Fernwärmenetz besteht (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 XI R 3/10, BFH/NV 2013, 108 [BFH 24.05.2012 - III R 68/11]). Denn von einem Fernwärmeversorger produzierte und angebotene Fernwärme kann nur dann als "gleichartiger Gegenstand" im Sinne von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG angesehen werden, wenn sie für den jeweiligen Verbraucher (hier dem Kläger) zum Zeitpunkt des Umsatzes grundsätzlich ebenso erreichbar und einsetzbar ist wie die selbst erzeugte Wärme. Nur dann kann der Kläger im Zeitpunkt des Bedarfs die selbst erzeugte Wärme durch eine gleichartige, einzukaufende ersetzen und den Einkaufspreis ermitteln, den er einem fremden Anbieter für den Gegenstand "Wärme" zu diesem Zeitpunkt hätte bezahlen müssen.
cc) Auch das vom Kläger im Jahre 2012 eingeholte Angebot der Stadtwerke X, wonach im Keller des Klägers eine Heizungsanlage errichtet und an den Kläger die so vor Ort produzierte Wärme verkauft wird, kann nach den oben dargestellten Grundsätzen des BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 XI R 3/10, a.a.O, der Bemessung der Wertabgabe nicht zugrunde gelegt werden. Dabei kann offen bleiben, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass der Kläger, wie er selbst eingeräumt hat, für die Streitjahre kein entsprechendes Angebot der Stadtwerke Soltau eingeholt hat. Entscheidend ist, dass eine entsprechende Heizungsanlage in den Streitjahren im Keller des Klägers unstreitig nicht vorhanden war. Somit war die von einer solchen Anlage erzeugte Wärme für den Kläger zum Zeitpunkt der hier zu beurteilenden Umsätze grundsätzlich nicht ebenso erreichbar und einsetzbar wie seine selbst erzeugte Wärme. Außerdem hätte auch eine im fremden Eigentum stehende Heizungsanlage Kellerraum des Klägers beansprucht und ferner von ihm die Bewerkstelligung der Abgasentsorgung verlangt. Es ist daher fraglich, ob die von einem solchen Ofen produzierte Wärme daher als "gleichartiger Gegenstand" angesehen werden kann.
c) Das FA hat den Umfang der Selbstkosten zutreffend ermittelt. Insoweit wird auf die im Einspruchsverfahren getroffenen Feststellungen des FA verwiesen, die zwischen den Beteiligten unstreitig sind. Nach den Angaben des Klägers erzeugte das BHKW in einer Betriebsstunde 12 kW Strom und 26 kW Wärme der nicht auf den unternehmerischen Bereich entfallende Anteil betrüge danach 68,4 %. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass Wärmeverluste, die aus technischen Gründen nicht zur Beheizung des Hauses führen, nicht unter § 3 Abs. 1 b Nr. 1 UStG zu fassen sind. Mangels eines entsprechenden Entnahmewillens liegt insoweit keine Entnahme aus dem Unternehmen vor. Das FA hat deshalb den nicht auf den unternehmerischen Bereich entfallenden Anteil aufgrund des Wärmeverlusts zu Recht auf 65 % vermindert. Da dem Gericht keine Aufzeichnungen über die tatsächlichen Wärmeverluste vorliegen, hält es dies im Schätzungswege ebenfalls für angemessen. In 2009 hat das FA in Abweichung von der Vorgehensweise in den Vorjahren zugunsten des Klägers nur 35 % der laufenden Vorsteuer als gewerblich veranlasst angesehen, so dass AfA-Beträge im Ergebnis in die Berechnung der Wertabgabe nicht mit einflossen. Eine Verböserung ist im finanzgerichtlichen Verfahren insoweit jedoch ausgeschlossen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes nach § 115 Abs. 2 FGO war die Revision nicht zuzulassen.