Landgericht Aurich
Urt. v. 01.09.2020, Az.: 3 O 25/20

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
01.09.2020
Aktenzeichen
3 O 25/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71599
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG - AZ: 6 U 263/20

Tenor:

1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zahnärztliche Leistungen mit dem Hinweis „KFO-Fachpraxis“ und/oder „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ zu bewerben, sofern er nicht die nach dem Weiterbildungsrecht einer Zahnärztekammer erworbene Bezeichnung „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ führen darf.

2. Dem Beklagten wird für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, auch für den Fall, dass ein Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 299,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. September 2019 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

6. Das Urteil ist im Hinblick auf Ziff. 3 und Ziff. 5 des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 15.000,00 €

Tatbestand:

A.

Der Kläger ist ein Verein zur Förderung gewerblicher Interessen. Er macht die Unterlassung unlauteren Wettbewerbs geltend und verlangt die Erstattung seiner Abmahnkosten.

Der Beklagte ist Zahnarzt und betreibt eine Praxis in S.. Er verfügt über einen in Österreich erworbenen Master of Science „Kieferorthopädie“, welcher ihn qualifiziert und befähigt kieferorthopädische Behandlungen durchzuführen. Der Beklagte verfügt nicht über einen von der Niedersächsischen Landeszahnärztekammer anerkannten Fachzahnarzttitel „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ nach der Fachzahnarztordnung. In einer Stellenanzeige des „Heimatblattes“ vom 24. August 2019 suchte der Beklagten eine/n Mitarbeiter/in mit dem Hinweis „KFO-Fachpraxis Dr. F. J. R.“.

Der Kläger mahnte den Beklagten u.a. deswegen mit Schreiben vom 16.09.2019 (Anlage K 1, Bl. 8 d. A.) ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mit Frist bis zum 27.09.2019 auf. Er beanstandete, dass die Bezeichnung „Fachpraxis“ irreführend sei. Der Beklagte wies diesen Vorwurf mit anwaltlichem Schreiben vom 25.09.2019 (Anlage K 2, Bl. 10 d. a.) zurück.

Der Kläger behauptet, der Beklagte würde ein Praxisschild mit der Aufschrift „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ verwenden, welches auch über die Suchmaschine „Google“ abrufbar sei, wenn nach dem Beklagten gesucht werde. Der Beklagte werde dabei bei Google als „Zahnarzt für Kieferorthopädie“ und „Kieferorthopäde“ bezeichnet. Ferner habe der Beklagte bis vor Kurzem unter www.kieferorthopädie-e...de eine Webseite betrieben.

Der Kläger ist der Ansicht, die beanstandete Verwendung der Begriffe „Fachpraxis für Kieferorthopädie“, „KFO-Fachpraxis“ und „Zahnarzt für Kieferorthopädie“ sei irreführend, da der Beklagte nicht über einen Fachzahnarzttitel „Kieferorthopädie“ im Sinne einer landeszahnärztekammerlichen Berufsordnung verfügt. Der Beklagte erwecke mit diesen Begriffen jedoch den Eindruck, über einen solchen Titel zu verfügen. Der Verbraucher würde das verwendete Präfix „Fach-“ als gesetzlich besonders verankerte und offiziell/amtlich geprüfte Qualifikation auffassen und einen von der Berufsordnung anerkannten Fachzahnarzt erwarten. Der Begriffes „Fachpraxis“ im Zusammenhang mit „Kieferorthopädie“ würde für den Verbraucher, welcher nicht in der Lage sei zwischen dem personenbezogenen Begriff Arzt und dem betriebsbezogenen Begriff Praxis zu differenzieren, auf einen Fachzahnarzt hindeuten.

Der Kläger beantragt,

1. dem Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, auch für den Fall, dass ein Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zahnärztliche Leistungen mit dem Hinweis „KFO-Fachpraxis“ und/oder „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ und/oder „Zahnarzt für Kieferorthopädie“ zu bewerben, sofern er nicht die nach dem Weiterbildungsrecht einer Zahnärztekammer erworbene Bezeichnung „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ führen darf.

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 299,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu zahlen, berechnet ab dem 23. April 2019.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die verwendeten Bezeichnungen – sofern sie überhaupt von ihm verwendet würden – seien nicht irreführend. Weder der Verbraucher noch sonstige Marktteilnehmer würden infolge dieser Bezeichnung zu Entscheidungen und Handlungen veranlasst, die diese anderenfalls nicht getroffen hätten. Es würde weder über die Befähigung, den Status, die Zulassung noch Sonstiges im Zusammenhang mit der Berufsausübung des Beklagten irregeführt. Durch die Verwendung des Begriffes „Fachpraxis“ im Gegensatz zum „Facharzt“ werde ein fehlerhafter Schluss auf den „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ ausgeschlossen. Ihm müsse möglich sein, auf seine entsprechende Qualifizierung als Master of Science hinzuweisen. Der mündige Verbraucher mit einem erweiterten Wahrnehmungsfokus sei durchaus in der Lage durch Internetrecherche oder Rückfragen bei Bekanntschaften sich über den aufzusuchenden Arzt vorab zu informieren, sodass eine Irreführung auszuschließen sei.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf die Schriftsätze der Parteien und die Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2020.

Entscheidungsgründe

B.

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG klagebefugt.

II.

Der vom Kläger verfolgte Unterlassungsanspruch steht ihm gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG zu, soweit er vom Beklagten begehrt, die Verwendung der Begriffe „KFO-Fachpraxis“ und „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen. Im Hinblick auf die Verwendung des Begriffs „Zahnarzt für Kieferorthopädie“ steht dem Kläger kein Unterlassungsanspruch zu.

1. Der Kläger ist als Verein der Förderung gewerblicher Interessen nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert.

2. Die Verwendung der Begriffe „KFO-Fachpraxis“ und „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ ist

unter den gegebenen Umständen irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG.

a) Die Verwendung dieser Begriffe in der Stellenanzeige des „Heimatblattes“ vom 24. August 2019 sowie auf dem vormaligen Praxisschild des Beklagten stellen eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen.

Eine geschäftliche Handlung, welche in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG legaldefiniert ist, liegt in den vorbezeichneten zwei Verwendungen der Begriffe vor. Sie ist nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig, da sie nach § 5 Abs. 1 S. 1 UWG irreführend ist und geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Der Tatbestand des § 5 UWG ist dabei rein objektiviert zu verstehen (MüKoUWG/Ruess, 3. Aufl. 2020, UWG § 5 Rn. 151). Erfasst wird jede der Förderung eines Geschäftszwecks dienende Tätigkeit (MüKoUWG, aaO, Rn. 147).

aa) Die Stellenanzeige im „Heimatblatt“ enthält mit der Angabe „KFO-Fachpraxis Dr. F. J. R.“ auch eine unternehmensbezogene Angabe. Sie spricht mittelbar potentielle Patienten an, da die Anzeige auch in nennenswertem Umfang von nicht Stellensuchenden gelesen werden konnte. Wenn Stellenanzeigen unternehmens- bzw. produktbezogene Angaben enthalten und dieselben in nennenswertem Umfang nicht nur von Stellensuchenden gelesen werden, sprechen die Angaben mittelbar auch das produktnachfragende Publikum an (Peifer in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Aufl. 2020, § 5 Irreführende geschäftliche Handlungen). Ferner sind auch Handlungen, die auf die Vorbereitung künftigen Wettbewerbs gerichtet sind als Wettbewerbshandlungen zu qualifizieren (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 38. Aufl. 2020, UWG § 2 Rn. 77). Da mit dem einzustellenden Personal die Voraussetzungen für den künftigen Produktabsatz geschaffen werden sollen, liegt objektiv ein Handeln zu Wettbewerbszwecken vor. Subjektiv genügt es, wenn mit der Handlung auch Wettbewerbszwecke verfolgt werden, die nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücktreten (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 24. April 2003 – 5 U 168/02 –, Rn. 9, juris). Werden in einer Stellenanzeige Angaben über das Unternehmen gemacht, ist eine Wettbewerbshandlung zu bejahen. Irreführende Angaben in dieser Stellenanzeige gehen zu Lasten der Mitbewerber um qualifizierte Mitarbeiter und täuschen auch nicht stellensuchende Personen. Folglich liegt ein Wettbewerbsverstoß vor (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 16. Oktober 1997 – 6 U 111/95 –, juris). Dies ist hier zu bejahen, da veröffentlichte Stellenangebote in Zeitungen, wodurch sich das Unternehmen präsentiert, auch der Selbstdarstellung dieses Unternehmens und damit dem Wettbewerb dienen.

bb) Das Praxisschild mit dem Titel „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ stellt ebenfalls eine geschäftliche Handlung dar. Insoweit hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung glaubhaft eingeräumt, dieses Praxisschild bis vor circa zwei Jahren verwendet zu haben und dieses nunmehr durch ein neues Schild ohne die Verwendung des Präfixes „Fach-“ ersetzt zu haben. Die zurückliegende Verwendung des Praxisschildes genügt zunächst, um das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung zu bejahen.

cc) Die Verwendung der Begriffe „Zahnarzt für Kieferorthopädie“ und „Kieferorthopäde“ nebst der – nach Inaugenscheinnahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts festgestellten Ablichtung des vorbenannten Praxisschildes auf der Internetseite der Suchmaschine „Google“– stellen keine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

Zunächst ist nicht ersichtlich und nicht nachgewiesen, dass die Verwendung dieser Begriffe durch den Beklagten selbst bei Google initiiert wurden. Eine Verantwortlichkeit des Beklagten ist nicht nachgewiesen. Unabhängig davon ist auch nicht ersichtlich, dass diese Begriffe zugunsten der Tätigkeiten des Beklagten dort verwendet wurden. Daneben stellen die Begriffe „Zahnarzt für Kieferorthopädie“ und „Kieferorthopäde“ keine Begriffe dar, bei welchen der durchschnittliche Verbraucher den Schluss ziehen muss, dass der Verwender über einen Fachzahnarzttitel „Kieferorthopädie“ im Rahmen der Berufsordnung verfügt. Die Verwendung dieser Begriffe dürfte – da der Beklagte unstreitig befähigt und qualifiziert ist, kieferorthopädische Leistungen anzubieten und durchzuführen – mit der Qualifikation des Beklagten als Master of Science in Einklang stehen und ist nicht zu beanstanden.

Soweit der Kläger vorträgt, der Beklagte habe über die Funktion „Änderungen vorschlagen“ bei Google selbst diese Einträge beanstanden können, so steht nach der Erfahrung des Gerichts diese Möglichkeit jedermann offen, sodass der Kläger selbst ebenfalls hätte diesen Vorschlag bei Google unterbreiten können.

Eine aktive Beseitigungspflicht des Beklagten besteht bislang nicht. Diese könnte erst durch das hiesige Urteil entstehen, sodass der Verweis des Klägers auf eine Beseitigungspflicht versandet (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2010, Az. III ZR 17/10, - juris).

dd) Die vermeintliche Verwendung eines entsprechenden Begriffs auf der Internetseite www.kieferorthopädie-e....de konnte nicht festgestellt werden. Schon nach dem klägerischen Vortrag ist die Internetseite nicht mehr abrufbar, sodass dem Beklagten kein unzulässiges Verhalten im Hinblick auf diese Internetseite nachgewiesen werden konnte.

b) Die Verwendung der Begriffe „KFO-Fachpraxis“ und „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ im „Heimatblatt“ sowie auf dem vormaligen Praxisschild ist irreführend.

Nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die Befähigung der Person enthält. Gegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG verstößt, wer in irreführender Weise u.a. Tätigkeits- oder Berufsbezeichnungen verwendet, die das Vertrauen der Verbraucher gewinnen und ihre Nachfrageentscheidung anregen sollen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 38. Aufl. 2020, UWG § 5 Rn. 4.144). Insbesondere kann eine Irreführung durch die Beifügung eines Fachgebiets zur Berufsangabe Zahnarzt, beziehungsweise durch Angaben, die als solche Gebietsbezeichnung wirken, verursacht werden, weil sie vom Verkehr entsprechend der geltenden Rechtslage so verstanden werden, dass sie nach einer entsprechenden Weiterbildung in einem geordneten Verfahren durch die zuständigen inländischen Stellen verliehen worden sind (OLG Düsseldorf, Urt. v. 04.06.1996, Az. 20 U 133/95, NJW 1997, 1644, beck-online).

Wie eine geschäftliche Handlung verstanden wird, hängt maßgeblich von der Auffassung des Personenkreises ab, an den sie sich richtet.

Die in Rede stehenden Angaben richten sich an jeden potentiellen Patienten des Beklagten, mithin im Prinzip an jedermann. Dies ist für das Praxisschild des Beklagten offensichtlich, da sich ein Patient vor Betreten der Praxis unweigerlich dem Praxisschild gegenüber sieht. Genauso dürfte aber auch ein potentieller Patient als Passant die Aussage des Praxisschildes wahrnehmen und auffassen. Die Stellenanzeige wird – wie oben dargestellt – ebenfalls von potentiellen Patienten wahrgenommen, welche als interessierte und aufmerksame Zeitungsleser – selbst beim Überfliegen – der Stellenanzeigen die Verwendung des Begriffes „KFO-Fachpraxis“ wahrnehmen.

Die Verkehrsauffassung dieser potentiellen Patienten vermag das Gericht aufgrund eigenen Erfahrungswissens und eigener Sachkunde zu beurteilen. Zählt das Gericht zu den angesprochenen Verkehrskreisen, so kann es aufgrund eigener Sachkunde die Irreführung bejahen oder auch verneinen (MüKoUWG/Ruess, 3. Aufl. 2020, UWG § 5 Rn. 276).

Maßstab ist hierbei die Auffassung des durchschnittlichen informierten und verständigen Verbrauchers, der den Angaben die in der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 38. Aufl. 2020, UWG § 5 Rn. 1.76 mwN).

Diesem Verbraucher sind dabei die Begriffsbestimmungen und Fachzahnarztverleihungen nach der Berufsordnung der Zahnärzte bzw. Zahnärztekammern und die einschlägige Fachliteratur nicht bekannt. Der Begriff „Facharzt“ steht dabei nicht für einen Beruf im eigentlichen Sinne, sondern für eine Spezialisierung, die durch die Erlangung entsprechender Kenntnisse nachgewiesen wird und damit zur Führung der Facharztbezeichnung berechtigt (MüKoUWG/Busche, 3. Aufl. 2020 Rn. 556, UWG § 5 Rn. 556).

Entgegen der Auffassung des Beklagte versteht der Verkehr die Begriffe „KFO-Fachpraxis“ und „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ tatsächlich so, dass durch die Verwendung des Präfixes „Fach-“ die Vermutung erweckt wird, in der Praxis wäre ein Fachzahnarzt im Sinne der Berufsordnung tätig. Die Verwendung dieser Begriffe durch den Beklagten stellt daher eine sonstige zur Täuschung geeignete Angabe dar, da sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der Patienten, die nach einem Zahnarzt suchen, den falschen Eindruck zu vermitteln, es handele sich bei dem Beklagten um einen Fachzahnarzt für Kieferorthopädie. Eine zulässige Bezeichnung als „Fachzahnarzt“ unter Benennung des Fachgebietes erfolgt hingegen aufgrund ausdrücklicher Anerkennung durch die Zahnärztekammer nach Abschluss einer geregelten Weiterbildung oder durch Anerkennung einer vergleichbaren Ausbildung. Sie darf ohne dies Verleihung nicht geführt werden. Der dem Beklagten rechtmäßig verliehene Titel Master of Science Kieferorthopädie wird von der Zahnärztekammer nicht mit dem Fachzahnarzt für Kieferorthopädie gleichgesetzt, sodass der Beklagten den Titel Fachzahnarzt nicht führen darf, was ihm ausweislich seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung auch bewusst ist.

Die alleinige Existenz einer Facharztbezeichnung führt jedoch noch nicht dazu, dass die Werbung mit der entsprechenden Tätigkeit – wenn sie auch ohne Facharztausbildung ausgeübt werden darf – irreführend ist. So dürfen Zahnärzte, die in diesem Bereich nachhaltig tätig sind, mit dem „Tätigkeitsschwerpunkt Kieferorthopädie“ werben, obwohl es eine geschützte Gebietsbezeichnung „Facharzt/Fachärztin für Kieferorthopädie“ gibt (so OLG Schleswig Urt. v. 3.2.2004 – 6 U 36/03). Der von einem Zahnarzt an der (österreichischen) Donau-Universität Krems erworbene Titel eines „Master of Science Kieferorthopädie“ kann nicht als irreführend untersagt werden, auch wenn der Verkehr vermuten mag, es handele sich um eine dem Facharzt für Kieferorthopädie gleichwertige Qualifikation (BGH GRUR 2010, 1024 [BGH 18.03.2010 - I ZR 172/08] Rn. 29 – Master of Science Kieferorthopädie; vgl. dazu im Ganzen Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 38. Aufl. 2020, UWG § 5 Rn. 4.166).

Die von dem Beklagten verwendeten Formulierungen sowohl in der Stellenanzeige im „Heimatblatt“ vom 24. August 2019 als auch auf dem vormaligen Praxisschild sind geeignet, bei einem erheblichen Teil der (potentiellen) Patienten die Erwartung hervorzurufen, der Beklagte habe auf dem bezeichneten Fachgebiet die Anerkennung als „Fachzahnarzt“ erhalten. Beiden Bezeichnungen ist gemein, dass das Präfix „Fach-“ verwendet wird. Bei Verbrauchern erweckt die Verbindung des Präfixes „Fach-“ mit einem bestimmten Fachgebiet die Erwartung, dass dadurch eine Spezialisierung für das jeweils bezeichnete Fachgebiet gekennzeichnet wird und zwar im Sinne eines Fachzahnarzttitels. Diese Erwartung besteht aufgrund der jahrzehntelang bei verschiedenen Berufen eingeführten und dem Verbraucher inzwischen bekannten Bezeichnungen des „Fachanwaltes“, „Facharztes“ und des „Fachzahnarztes“. Der Verbraucher entwickelt eine Vorstellung von gewissen Mindeststandards und Qualifikationen, welche er auch begründet entwickeln darf, da die entsprechende Bezeichnung nur führen darf, wer die Befähigung nach Maßgabe der jeweiligen Berufsordnung erworben hat und bei wem dies nachprüfbar von der entsprechenden Kammer festgestellt worden ist. Der Verkehr erwartet daher eine Spezialisierung auf das Fachgebiet und eine formalisierte Zusatzqualifikation (zur Fachkanzlei, wo der Verbraucher Fachanwälte erwarten dürfe OLG Koblenz v. 03.12.2014, Az. 9 U 354/12 – BRAK-Mitt 2015, 47; insgesamt so auch LG Flensburg, Urt. v. 29.12.2017, Az. 6 HKO 51/17 – juris).

Die Verwendung der Begriffe durch den Beklagten hängt sich an diese vorgefestigten Verbrauchererwartungen an, ohne sie zu erfüllen. Es wird nicht in Abrede gestellt, dass der Beklagte durch die rechtmäßige Erlangung des Titels Master of Science Kieferorthopädie besondere fachliche Zusatzqualifikationen erworben hat. Es bleibt dem Beklagten daher unbenommen mit seinem rechtmäßigen Titel zu werben und sich daher Master of Science Kieferorthopädie zu nennen (so auch BGH, Urt. v. 18.03.2010, Az. I ZR 172/08 – juris). Die Führung dieses rechtmäßig erworbenen akademischen Grades an sich wäre – selbst unterstellt, das ihr ein gewisses Irreführungspotential innewohnt – nicht zu beanstanden (vgl. MüKoUWG/Busche, 3. Aufl. 2020 Rn. 566, UWG § 5 Rn. 566 mwN). Die Angabe „Tätigkeitsschwerpunkt Kieferorthopädie“ wäre dem Beklagten ebenfalls gestattet. Die Fachzahnarztanerkennung stellt jedoch die höchste Stufe der zahnärztlichen Qualifikation in einem speziellen Teilbereich dar. Diese höchste Qualifikationsstufe erwartet der Verbraucher, wenn er mit einem Begriff wie „KFO-Fachpraxis“ oder „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ konfrontiert wird. Die Verwendung ebendieser Begriffe bleibt daher den Fachzahnärzten vorbehalten.

Bei der Verwendung des Begriffes „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ kommt hinzu, dass die Verwendung der Präposition „für“ zusätzlich die Erwartung schürt, dass ein Fachzahnarzt im Sinne der Fachzahnarztordnung in der entsprechenden Praxis tätig ist. Dadurch wird eine erhebliche Verwechslungsgefahr mit der geschützten Bezeichnung „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ begründet (so auch LG Flensburg, Urt. v. 29.12.2017, Az. 6 HKO 51/17 – juris).

c) Es liegt auf der Hand, dass die Irreführung über derlei positive Merkmale eines Zahnarztes, d.h. dass der gesuchte Arzt auf dem gesuchten Fachgebiet über die höchstmögliche Qualifikation verfügt, für die Marktentscheidung des Verbrauchers von Bedeutung und damit wettbewerblich relevant i.S.v. § 5 UWG ist (vgl. dazu Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 38. Aufl. 2020, UWG § 5 Rn. 1.177). Patienten, die einen Zahnarzt suchen, werden sich bei der Auswahl des Zahnarztes an solchen Angaben, die für eine Auswahl wichtig sind, orientieren. Die Verwendung der Begriffe „KFO-Fachpraxis“ und „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ sind darüber hinaus geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil von anderen Zahnärzten, insbesondere von Fachzahnärzten für Kieferorthopädie in relevanter Weise zu beeinflussen.

d) Die Verwendung der irreführenden Angaben ist dem Beklagten auch zuzurechnen. Soweit sich der Beklagten darauf beruft, dass er die Anzeige im „Heimatblatt“ nicht selbst formuliert habe, so hat er in der mündlichen Verhandlung jedenfalls angegeben, diese Anzeige übernommen zu haben. Bei der Schaltung einer Stellenanzeige trifft den Aufgebenden doch insoweit eine Prüfpflicht – wenn er die Anzeige schon von der Zeitung vorformulieren lässt – als dass er sich den Inhalt der in seinem Namen erstellten Anzeige vollumfänglich zurechnen lassen muss. Der Beklagte hat insoweit eingeräumt die Anzeige „mehr oder weniger ungeprüft übernommen“ zu haben (Bl. 54 d. A.).

Im Hinblick auf das Praxisschild hat der Beklagte jedenfalls eingeräumt, dass entsprechende Praxisschild bis vor circa zwei Jahren verwendet zu haben.

e) Die vom Beklagten vorgetragenen Argumente, es würde sich aktuell gerade ein Bedeutungswandel im Hinblick auf die Verwendung der streitgegenständlichen Begriffe vollziehen und außerdem läge in der Verwendung durch ihn eine langjährige unbeanstandete Nutzung vor, vermögen im Rahmen einer Interessenabwägung nicht, das gefundene Ergebnis zu revidieren.

aa) Ein Bedeutungswandel ist allerhöchstens im Begriff, zu beginnen – sofern er denn überhaupt gerade stattfindet. Es ist bisher jedenfalls kein Bedeutungswandel erkennbar, in der Gestalt, dass die verwendeten Begriffe im größeren Umfang im Verkehr Eingang gefunden haben und daher eine Verwendung dem Beklagten zuzubilligen wäre.

Ein Bedeutungswandel kann zum einen zu einer Verengung eines bisher in einem weiteren Sinne verwendeten Begriffs wie auch zum anderen zu einer Ausdehnung eines bisher im engeren Sinne verwendeten Begriffs führen (MüKoUWG/Ruess, 3. Aufl. 2020, UWG § 5 Rn. 226). Im Fall einer Erweiterung eines zunächst engeren Begriffs führt die Interessenabwägung im Rahmen einer Schwerpunktbetrachtung zu dem Ergebnis, dass der Gebrauch im Sinne der erweiterten Bedeutung schon dann zulässig ist, wenn er in größerem Umfang im Verkehr Eingang gefunden hat und dieser Gebrauch daher nicht ohne Verletzung beachtlicher Interessen wieder entzogen werden kann (MüKoUWG, aaO, Rn. 227). Es ist nicht ersichtlich, dass der Verkehr in größerem Umfang zu unterscheiden vermag zwischen einem Fachzahnarzt im Sinne der Berufsordnungen und einem Zahnarzt mit Zusatzqualifikationen wie einem Master of Science, welcher beispielsweise durch den Begriff Facharzt Eingang in das allgemeine Verständnis gefunden hätte.

bb) Eine langjährige Nutzung der Begriffe durch den Beklagten ist ebenfalls nicht ersichtlich. Im Übrigen gilt, dass der Umstand, dass eine irreführende Bezeichnung langjährig unbeanstandet benutzt werden konnte, für sich betrachtet der Durchsetzung des Irreführungsverbots nicht zwingend entgegensteht. So hat die bisherige Rechtsprechung entschieden, dass der Werbende an der Aufrechterhaltung einer das Publikum irreführenden Werbeangabe niemals ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse haben könne (MüKoUWG, aaO, Rn. 234). Die vom Beklagten vorgetragenen Verweise auf eine zurückliegende Streitigkeit mit der Zahnärztekammer bezüglich der Eingruppierung in den gelben Seiten verfängt nicht, da diese zunächst nicht streitgegenständlich war und überdies – aufgrund veränderter Randbedingungen – tatsächlich von den vom Beklagten im vorliegenden Fall gemachten Angaben zu unterscheiden ist.

f) Die Wiederholungsgefahr wird hinsichtlich der Stellenanzeige im „Heimatblatt“ aufgrund des bereits verwirklichten Verstoßes tatsächlich vermutete (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, 38. Aufl. 2020, UWG § 8 Rn. 1.43). Im Hinblick auf das Praxisschild ist dem Beklagten zwar zuzugestehen, dass er – glaubhaft – eingeräumt hat, dass Praxisschild nunmehr gegen ein anderes Schild ausgetauscht zu haben, bei dem der Begriff „Fachpraxis“ keine Verwendung mehr findet. Dennoch hat das Gericht aufgrund der in der mündlichen Verhandlung zu Tage getretenen Argumentationen des Beklagten die Vermutung, dass der Beklagte sich ohne die hiesige Verurteilung nicht davon abbringen lassen würde, die Begriffe „KFO-Fachpraxis“ sowie „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ weiter zu verwenden.

3. Die Androhung von Ordnungsmitteln erfolgt nach § 890 Abs. 1 und 2 ZPO.

4. Der Kläger kann nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG die Erstattung seiner Kosten für die Abmahnung verlangen. Die vom Kläger ausgesprochene Abmahnung war größtenteils begründet, weil der Beklagten zur Unterlassung der Verwendung der beanstandenden Begriffe „KFO-Fachpraxis“ sowie „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ verpflichtet war. Die Abmahnung war auch berechtigt, denn sie war erforderlich, um dem Beklagten einen Weg zu weisen, den Kläger ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe klaglos zu stellen (vgl. LG Flensburg, Urt. v. 29.12.2017, Az. 6 HKO 51/17 – juris)

Die Höhe der geltend gemachten Abmahnkosten, die von dem Kläger anteilig am Ersatz der Personal- und Sachkosten in Form einer Kostenpauschale verlangt wurde, ist nicht zu beanstanden.

Der Anspruch auf Zinsen gem. §§ 288, 280 Abs. 2, 286 BGB besteht seit dem 28.09.2019. Entgegen den Angaben des Klägers war dem Beklagten eine Frist bis zur Zahlung der Pauschale für die Abmahnkosten bis zum 27.09.2019 eingeräumt worden (Anlage K 1), sodass eine Verzinsung ab dem darauffolgenden Tag geschuldet ist, § 187 Abs. 1 BGB analog.

III.

Die Entscheidung zur Kostentragung beruht auf § 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf § 709 ZPO.

C.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 51 Abs. 2 GKG. Dabei ist auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers abzustellen, das nach objektiven Maßstäben zu bewerten ist (BDZ/Dörndorfer, 4. Aufl. 2019, GKG § 51 Rn. 4). Ein Streitwert in Höhe von 15.000,00 € erscheint dabei objektiv dem klägerischen Interesse zu entsprechen. Der Auffangstreitwert nach § 51 Abs. 3 GKG dient für Fälle in denen der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte bietet, wobei beispielhaft Bagatellverstöße im Online-Handel in Betracht kommen (ebenda). Ein Bagatellverstoß wird hier nicht gesehen. Nach § 51 Abs. 2 GKG ist der Streitwert nach billigem Ermessen festzulegen, das heißt, dass sich eine Festlegung von Regelstreitwerten verbietet (BeckOK KostR/Toussaint, 30. Ed. 1.6.2020, GKG § 51 Rn. 20). Ein Wert von 15.000,00 € erscheint dabei angemessen.