Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 23.03.2000, Az.: 6 B 202/00
Fahrlehrer; Fahrlehrererlaubnis; Schulden; Streitwert; Veruntreuung; Zuverlässigkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 23.03.2000
- Aktenzeichen
- 6 B 202/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41234
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs 2 FahrlG
- § 2 Abs 1 FahrlG
- § 13 Abs 1 GKG
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,-- DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der 1956 geborene Antragsteller ist, nachdem er bei der Bundeswehr zum Fahrlehrer ausgebildet worden war, seit Dezember 1979 Inhaber auch des (zivilen) Fahrlehrscheins für die Klassen 1, 2 und 3.
Nachdem er seit 1980 zum Teil nebenberuflich oder aushilfsweise und mit Unterbrechungen als abhängig beschäftigter Fahrlehrer gearbeitete hatte, eröffnete er am 01.10.1990 in Chemnitz eine eigene Fahrschule und gründete in der Folgezeit auch Zweigniederlassungen. In diesem Zusammenhang wurde er durch Urteil des Amtsgerichts Chemnitz vom 21.08.1997 (15 Ds 380 Js 11438/97) wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Beitragsentgelten seiner bis zu vier Arbeitnehmer in 15 Fällen (begangen in der Zeit von März 1995 bis Mai 1996) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 200 Tagessätzen verurteilt, weil er vorsätzlich die der Krankenkasse geschuldeten Sozialabgaben von mehr als 23.000 DM nicht abgeführt hatte.
Ab Juli 1998 arbeitete der zwischenzeitlich arbeitslose Antragsteller als abhängig beschäftigter Fahrlehrer bei der Fahrschule S. in Braunschweig. Da der Antragsteller sich wegen seiner erheblichen Schulden in Geldschwierigkeiten befand, leitete er in der Zeit zwischen Oktober und Dezember 1998 in fünf Fällen die ihm von Fahrschülern übergebenen Geldbeträge ganz oder teilweise nicht an den Inhaber der Fahrschule weiter, sondern behielt insgesamt 850 DM für sich. Deshalb verurteilte ihn das Amtsgericht Braunschweig am 10.11.1999 wegen veruntreuender Unterschlagung in 5 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen.
Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Fahrschule S. am 13.01.1999 arbeitete der Antragsteller bis zum 31.12.1999 vollzeitbeschäftigt bei der Fahrschule . Seit dem 06.01.2000 ist er bei der Fahrschule teilzeitbeschäftigt.
Am 12.01.00 sprachen zwei Fahrschülerinnen bei der Antragsgegnerin vor, die - wie die Antragsgegnerin überprüfte - damals noch bei der Fahrschule angemeldet waren und denen die Antragsgegnerin mit Blick auf deren Angst vor Repressalien Diskretion zusicherte. Die beiden in dem darüber gefertigten Vermerk der Antragsgegnerin namentlich nicht genannten Fahrschülerinnen gaben an, der Antragsteller habe als ihr Fahrlehrer des öfteren Geld für Fahrstunden bar kassiert, dieses anscheinend aber nicht an Herrn X. weitergeleitet, da sie von diesem gemahnt worden seien. Außerdem habe der Antragsteller sich geweigert, einen Prüfungstermin zu vereinbaren, obwohl sie bereits alle Pflicht- und viele weitere Fahrstunden absolviert hätten. Auf ihr Drängen habe der Antragsteller mit Drohungen reagiert, so dass sie demnächst die Fahrschule wechseln wollten.
Daraufhin ermittelte die Antragsgegnerin, dass der Antragsteller wegen solcher Taten einschlägig vorbestraft war. Deswegen widerrief sie mit Bescheid vom 16.02.2000 die Fahrlehrerlaubnis des Antragstellers und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung dieser Verfügung mit der Begründung an, nur durch die sofortige Vollziehung könne unterbunden werden, dass der Antragsteller seine Stellung als Fahrlehrer weiterhin missbrauche. Das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrlehrern überwiege die beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile, die dem Antragsteller aus dem Widerruf der Fahrlehrerlaubnis entstünden.
Gegen diesen ihm am 02.03.2000 zugestellten Bescheid hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt und am 03.03.2000 um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Er macht im Wesentlichen geltend:
Die Anordnung des Sofortvollzugs sei angesichts der schwerwiegenden Folgen, die diese Maßnahme für ihn habe, nur unzulänglich begründet. Die Begehung weiterer Straftaten könne ihm nicht unterstellt werden. Die strafrechtlichen Verurteilungen lägen lange zurück. Er habe sich jetzt zumindest 1 1/2 Jahre lang einwandfrei geführt. Seine Schulden, die bis zu 40.000 DM betragen hätten, trage er weiterhin in Raten ab. Soweit ihm von anonymen Anzeigeerstatterinnen vorgeworfen worden sei, er habe erneut Geld unterschlagen, sei diese Behauptung aus der Luft gegriffen; sowohl der frühere als auch der gegenwärtige Fahrschulinhaber könnten dies bestätigen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16.02.2000 wiederherzustellen.
Die Beklagte verteidigt ihr Entscheidung und beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Die Antragsgegnerin hat die sofortige Vollziehung der mit Verfügung vom 16.02.2000 angeordneten Maßnahme in formell ordnungsgemäßer Weise angeordnet (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) und in noch ausreichender Weise schriftlich begründet, warum das besondere Interesse an dem Sofortvollzug als gegeben erachtet wird (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Sie hat dabei insbesondere auch das private Interesse des Antragstellers, zumindest vorläufig von einem Widerruf seiner Fahrlehrerlaubnis verschont zu bleiben, nicht unberücksichtigt gelassen, indessen es mit beachtlichen Erwägungen als nachrangig bewertet.
Auch aus materiell-rechtlichen Gründen besteht keine Veranlassung, die aufschiebende Wirkung des gegen den Bescheid erhobenen Rechtsbehelfs wiederherzustellen. Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung, sofern nicht die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde besonders angeordnet wird. Eine derartige Vollziehungsanordnung setzt zu ihrer Rechtswirksamkeit voraus, dass ohne sie das öffentliche Interesse in schwerwiegender Weise beeinträchtigt würde, so dass demgegenüber die privaten Interessen des von der Vollziehungsanordnung Betroffenen zurücktreten. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn der Verwaltungsakt, dessen sofortige Vollziehung angeordnet worden ist, offensichtlich rechtmäßig ist und demgemäß das dagegen eingelegte Rechtsmittel voraussichtlich erfolglos bleiben wird.
Nach Maßgabe dieser Gesichtspunkte ist die angefochtene Maßnahme der Antragsgegnerin vom 16.02.2000 zu Recht ergangen. Nach § 8 Abs. 2 FahrlG ist die Fahrlehrerlaubnis u.a. dann zu widerrufen, wenn nachträglich die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FahrlG vorausgesetzte Zuverlässigkeit entfallen ist. Unzuverlässig in diesem Sinne ist der Erlaubnisinhaber insbesondere dann, wenn er wiederholt die Pflichten gröblich verletzt hat, die ihm nach dem Fahrlehrergesetz oder den auf ihm beruhenden Rechtsverordnungen obliegen. Neben diesem speziellen, aber nach dem eindeutigen Wortlaut nicht abschließenden Unzuverlässigkeitstatbestand können auch andere, nicht spezifisch fahrschulrechtliche Umstände die Unzuverlässigkeit des Fahrschulinhabers begründen. Das ist hier der Fall.
Der Antragsteller ist bereits zwei Mal strafrechtlich verurteilt worden und zwar wegen vermögensrechtlicher Taten, die er im unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Fahrschulwesen ausgeübt hat. Durch die der Verurteilung vom 23.11.1999 zugrunde liegenden Taten hat er die Vermögensinteressen der ihm anvertrauten Fahrschüler zumindest gefährdet und das in ihn gesetzte Vertrauen gröblich verletzt. Der Antragsteller hat durch diese Taten, zudem unter Ausnutzung des in ihn als Fahrlehrer gesetzten Vertrauens begangen hat, eine beachtliche charakterliche Fehlhaltung gezeigt, die umso schwerer wiegt als er vergleichsweise kurze Zeit davor ebenfalls wegen Vermögensdelikten verurteilt worden war. Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin erst einige Zeit nach den Verurteilungen davon Kenntnis erhalten hat, entlastet den Antragsteller nicht. Der Zeitablauf kann auch nicht begründen, dass nunmehr die für die begangenen Taten ausschlaggebenden Einstellungen des Antragstellers sich wesentlich zum Besseren geändert hätten. Darauf, dass der Strafzweck erfüllt sei, wie der Antragsteller meint, kommt es für die hier zu beurteilende Frage der hinreichenden Zuverlässigkeit nicht an. Vor diesem Hintergrund kann auch dahingestellt bleiben, ob die im Dezember 1999 gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe zweier Fahrschülerinnen berechtigt sind.
Nach alledem überwiegt das öffentliche Interesse am Widerruf der Fahrlehrerlaubnis das Interesse des Antragstellers an einer Fortführung seiner Fahrlehrertätigkeit, so dass der schon mit Blick auf die fortbestehenden Schulden des Antragsteller nicht gebannten Gefahr weiterer grober Pflichtverstöße durch den Antragsteller mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu begegnen ist.
Infolgedessen ist der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG und orientiert sich an der Hälfte des für ein Hauptsacheverfahren anzunehmenden Wertes (Nr. 14.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit; abgedruckt in: Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., § 189).