Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 15.02.2005, Az.: 13 A 1148/03
ambulante Maßnahme; Berufsfreiheit; Eingliederung; Eingliederungshilfe; Einzeltherapie; Entgeltvereinbarung; Ermessen; Frühförderung; Gleichbehandlungsgrundsatz; Gruppenbehandlung; Heilpädagogik; heilpädagogische Behandlungseinheit; Hilfe zur Erziehung; Jugendhilfe; Jugendhilfemaßnahme; Kostendeckung; Leistungsvereinbarung; Therapie; Vergütung; Vergütungssatz; Wettbewerbsfreiheit
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 15.02.2005
- Aktenzeichen
- 13 A 1148/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50634
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 3 Abs 1 GG
- Art 12 GG
- § 5 Abs 1 SGB 8
- § 35 SGB 8
- § 35a SGB 8
- § 77 SGB 8
- § 78a SGB 8
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Kein Eingriff in die Berufsfreiheit, wenn eine Leistungs- und Entgeltvereinbarung nur deshalb nicht abgeschlossen wird, weil der Träger der Jugendhilfe Anlass hat, die geforderten Entgelte als überhöht anzusehen.
Aus § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII folgt in Niedersachsen kein Anspruch eines Trägers der freien Jugendhilfe, weil Landesrecht i.S. des § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII nicht existiert.
Tatbestand:
Die Klägerin erbringt seit dem Jahr 1990 therapeutische Leistungen u.a. auch auf dem Gebiet der Frühförderung, der Heilpädagogik und der Legasthenieförderung. Dabei führte sie auch Behandlungen von Kindern und Jugendlichen, denen ein Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Erziehung und auf Eingliederungshilfe nach §§ 27 ff., 35 a SGB VIII gegen den Beklagten zusteht, durch. Der Beklagte übernahm im Jahre 1999 im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII für eine heilpädagogische Behandlungseinheit, die die Klägerin im Rahmen einer Einzeltherapie erbrachte, einschließlich aller Nebenkosten pauschal 85,00 DM. In einem Schreiben vom 28. September 2000 an die Klägerin erklärte sich das Jugendamt des Beklagten damit einverstanden, künftig Gruppenbehandlungen unabhängig von der Anzahl der Kinder mit 56,00 DM „pro 90minütiger Behandlungseinheit“ zu vergüten.
Im Jahre 2001 kam es zu Verhandlungen zwischen der Klägerin und dem Beklagten über den Abschluss einer Leistungs- und Entgeltvereinbarung für ambulante Maßnahmen nach § 35 SGB VIII. In diesem Zusammenhang legte die Klägerin neben Nachweisen für eine Leistungs- und Entgeltvereinbarung u.a. eine Konzeption für die heilpädagogische Frühförderung sowie eine Konzeption der heilpädagogischen Behandlung und Lerntherapie vor. In diesen werden auch die von der Klägerin angebotenen Leistungen im einzelnen beschrieben. Dabei wird von der Klägerin u.a. dargelegt, dass sie neben Frühförderung, Hilfe zur angemessenen Schulbildung, Legasthenietherapie, Dyskalkulietherapie, Ergotherapie und Krankengymnastik anbiete. Weiter teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie wolle auch andere ambulante Dienstleistungen aus dem Bereich der Hilfe zur Erziehung anbieten und diese zum Gegenstand einer Leistungs- und Vergütungsvereinbarung machen. In diesen Verhandlungen, die unter Einschaltung des Bezirksverbandes O. - Pflegesatzstelle - geführt wurden, kam es letztlich nicht zu einer Einigung, auch nicht hinsichtlich der Hilfen zur Erziehung, für die von der Klägerin Ende 2002/Anfang 2003 eine ausführliche Konzeption mit Leistungsnachweis, Qualitätsbewertung und weiteren Unterlagen vorgelegt wurde.
Seit der 8. Kalenderwoche des Jahres 2002 erkennt der Beklagte für Leistungen im Rahmen des § 35 a SGB VIII (nur noch) einen Betrag von 75,00 DM (38,35 €) für eine Fachleistungsstunde Einzeltherapie sowie einen Betrag von 56,00 DM (= 28,94 €) für 90 Minuten Therapie je Kind in der Gruppentherapie an.
Mit einem am 26. März 2003 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin gegen den Beklagten Klage erhoben, mit der sie ursprünglich eine Verpflichtung des Beklagten erstrebte, mit ihr vertragliche Vereinbarungen über Leistungen nach §§ 27-31 SGB VIII sowie nach § 35 a SGB VIII abzuschließen und für diese Leistungen bestimmte Vergütungssätze zu vereinbaren.
Zur Begründung macht die Klägerin geltend: Sie biete seit Jahren Dienstleistungen im Bereich der Frühförderung, der Hilfe zur angemessenen Schulbildung, Krankengymnastik sowie Legasthenie-, Dyskalkulie- und Ergotherapien an. Vergeblich habe sie den Beklagten im Jahre 2002 mit Vorlage von Konzeptionen und Nachweisen um den Abschluss einer Leistungs- und Vergütungsvereinbarung für Leistungen nach den §§ 27-29, 31, 35 a SGB VIII gebeten. Der Beklagte habe sich geweigert, eine entsprechende Leistungsvereinbarung anzuerkennen und die von ihr benötigten Vergütungssätze anzuerkennen. Statt dessen habe er mit anderen Einrichtungen Vereinbarungen abgeschlossen und bei ihr die früher gewährten Leistungen für eine Einzelförderung nach § 35 a SGB VIII sowie für Gruppentherapie gekürzt. Bei den Verhandlungen über den Abschluss einer Leistungs- und Vergütungsvereinbarung habe der Beklagte verschiedene Kostenpositionen sachwidrig außer Acht gelassen und sei damit von der sachgerechten Kalkulation der Kosten einer Fachleistungsstunde für Therapien nach § 35 a SGB VIII ohne sachlichen Grund abgegangen. Dies verstoße gegen die Pflicht des Beklagten, Vergütungssätze unter Berücksichtigung ermessensfehlerfreier Kriterien festzusetzen. Auch sei der Beklagte nicht bereit gewesen, einen kalkulatorischen Gewinn zu berücksichtigen. Letztlich laufe seine Verhandlungsführung darauf hinaus, dass nur „Dumpingpreise“ akzeptiert werden sollten; bei diesen Bedingungen sei ihr eine kostendeckende Leistungserbringung nicht möglich. Ihre - der Klägerin - Angebote für Dienstleistungen, die den Bereich der §§ 27-29 und 31 SGB VIII beträfen, seien vom Beklagten unter Hinweis auf bereits bestehende psychologische Beratungsstellen in W., O. und D. abgelehnt worden. Dies verstoße gegen Art. 12 GG und sei nicht nachvollziehbar, weil diese Beratungsstellen „völlig überlaufen“ seien und für den Beklagten die Verpflichtung bestehe, gemäß § 17 SGB AT darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen umfassend und zügig erhalte und die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stünden.
Nachdem die Klägerin zunächst eine Verpflichtung des Beklagten erstrebt hatte, mit ihr Vereinbarungen mit einem bestimmten Inhalt zu treffen, beantragt sie nunmehr,
den Beklagten zu verpflichten, ihren Antrag auf Abschluss von Vereinbarungen nach § 77 SGB VIII betreffend Leistungen nach §§ 27, 28, 29 und 31 SGB VIII sowie Leistungen nach § 35 a SGB VIII ermessensfehlerfrei zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend: Der Klägerin stehe gegen ihn ein Anspruch auf Abschluss einer Leistungs- und Entgeltvereinbarung nicht zu. Er halte zwar grundsätzlich den Abschluss einer derartigen Vereinbarung für notwendig und sachgerecht, da ihm nur dies ermögliche, eine - wenn auch begrenzte - Qualitätskontrolle durchzuführen. In der Vergangenheit sei er ausschließlich mit Leistungen befasst gewesen, die die Klägerin im Spektrum des § 35 a SGB VIII erbracht habe. Ohne dass es dabei zu einer Vereinbarung nach § 77 SGB VIII gekommen sei, habe er für die Erbringung der von der Klägerin angebotenen Leistungen bis zur 7. Kalenderwoche des Jahres 2002 einen Satz von 85,00 DM (43,46 €) je Fachleistungsstunde (45 Minuten Therapie zuzüglich 15 Minuten Vor- und Nachbereitung) für eine Einzeltherapie sowie einen Betrag von 56,60 DM (28,94 €) je Fachleistungsstunde und pro Kind für eine Gruppentherapie anerkannt. Nachdem sich im Rahmen der Verhandlungen über eine Vereinbarung im Sinne des § 77 SGB VIII ergeben habe, dass die in der Vergangenheit an die Klägerin gezahlten Entgelte überhöht gewesen seien, sei es nicht zum Abschluss einer Vereinbarung gekommen, da sich die Klägerin geweigert habe, die in Zusammenarbeit mit dem Bezirksverband O. ermittelten angemessenen Entgelte von 75,00 DM (38,35 €) je Fachleistungsstunde für eine Einzeltherapie sowie in Höhe von 56,60 DM (28,94 €) je Kind für eine Gruppentherapie von 90 Minuten Dauer zu akzeptieren. Aus grundsätzlichen Erwägungen habe er es abgelehnt, eine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung für Maßnahmen aus dem Bereich der Hilfe zur Erziehung nach §§ 27-29 und 31 SGB VIII abzuschließen, da diese Leistungen durch ihn selbst und durch für jeden Bürger zugängliche Beratungsstellen in W., O. und D. in hinreichendem Umfang erbracht würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Zugleich mit der Erhebung der Klage hat die Klägerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Diesen Antrag hat die Kammer durch Beschluss vom 18. Juni 2003 abgelehnt. (Az. 13 B 1152/03). Die hiergegen erhobene Beschwerde hat der 12. Senat des Nds. Oberverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 28. August 2003 (Az. 12 ME 299/03) zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin den ursprünglich gestellten Antrag auf Verpflichtung des Beklagten, mit ihr vertragliche Vereinbarungen zu bestimmten Vergütungssätzen für Leistungen sowohl nach § 35 a SGB VIII als auch nach §§ 27 bis 29 und 31 SGB abzuschließen, nicht aufrecht erhalten. Sie verfolgt nunmehr nur noch das früher als Hilfsantrag verfolgte Begehren, ihren Antrag auf Abschluss von Vereinbarungen nach § 77 SGB VIII betreffend Leistungen nach §§ 27, 28, 29 und 31 SGB VIII sowie Leistungen nach § 35 a SGB VIII ermessensfehlerfrei zu bescheiden. Damit hat die Klägerin die Klage, soweit mit ihr eine über den zuletzt genannten Antrag hinausgehende Verpflichtung begehrt wurde, zurückgenommen. Insoweit war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Soweit die Klage noch anhängig ist, ist sie zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Dabei geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin der Sache nach mit dem nunmehr nur gestellten Antrag erreichen will, dass der Beklagte erneut mit ihr über eine Vereinbarung nach § 77 SGB VIII in Verhandlungen eintritt und dabei das ihm hinsichtlich des Abschlusses von Vereinbarungen nach dieser Regelung eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausübt. Ein derartiges Begehren kann zwar nicht mit einer Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO verfolgt werden, da nicht der Erlass eines Verwaltungsakts erstrebt wird. Da mit der Klage aber die Vornahme von Verwaltungshandlungen öffentlich-rechtlicher Art begehrt wird, ist sie als Leistungsklage zulässig (vgl. Kopp/Schenke, Kommentar VwGO, 13. Aufl., Vorb § 40 Rn. 8 a).
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch weder aus Regelungen des SGB VIII noch aus einer Rechtsstellung, die sich aus den der Klägerin zustehenden Grundrechten aus Art. 3 und Art. 12 GG gegenüber dem Beklagten ergibt, zu.
Nach § 77 Satz 1 SGB VIII sind, soweit Einrichtungen und Dienste der Träger freier Jugendhilfe in Anspruch genommen werden, Vereinbarungen über die Höhe der Kosten der Inanspruchnahme zwischen der öffentlichen und der freien Jugendhilfe anzustreben. Diese Vorschrift betrifft die von der Klägerin in der Vergangenheit erbrachten Leistungen nach § 35 a SGB VIII und Leistungen der Hilfe zur Erziehung, die sie (zumindest) in Zukunft erbringen will. Die Anwendbarkeit des § 77 Satz 1 SGB VIII scheitert nicht an der Regelung des § 77 Satz 3 SGB VIII, wonach die §§ 78 a bis 78 g SGB VIII unberührt bleiben. Die zuletzt genannten Vorschriften betreffen nach § 78 a Abs. 1 Nr. 4 und 5 SGB VIII nur die Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe, in einem Heim oder einer sonstigen betreuten Wohnform, in intensiver sozialpädagogischer Einzelbetreuung und die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche in teilstationären Einrichtungen und Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen. Darum geht es der Klägerin nicht, da sie nur „ambulante“ Leistungen der Hilfe zur Erziehung nach § 35 a SGB VIII sowie nach den §§ 27 bis 29 sowie 31 SGB VIII erbringt bzw. erbringen will. Der damit anwendbare § 77 Satz 1 SGB VIII beschreibt aber lediglich eine vom Gesetz dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe - dem Beklagten - auferlegte Verpflichtung, aus der dem Träger der freien Jugendhilfe kein eigenes Recht, insbesondere kein Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung erwächst (OVG Schleswig-Holstein - Beschluss vom 19.09.2001 - 2 M 66/01 - RsDE Nr. 53, 75 - zit. n. juris; VG Hamburg, Beschluss vom 21.02.1994 - 8 VG 4089/93 - RsDE 27, 84; Schellhorn, Kommentar SGB VIII, § 77 Rn. 14; Wiesner und andere, Kommentar SGB VIII, 2. Aufl., § 77 Rn. 6). Selbst wenn man mit einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Papenheim in LPK-SGB VIII, § 77 Rn. 4) annimmt, der Träger der öffentlichen Jugendhilfe sei durch § 77 Satz 1 SGB VIII „grundsätzlich verpflichtet mit freien Trägern, die den Abschluss einer Vereinbarung über die Höhe der Kosten einer Jugendhilfemaßnahme verlangen, in Vertragsverhandlungen über die für die Durchführung der Maßnahme erforderlichen Kosten einzutreten und eine Vereinbarung über die Höhe der Kosten im Falle der Inanspruchnahme abzuschließen“, scheitert ein derartiger Anspruch an § 77 Satz 2 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift regelt „das Nähere“ das Landesrecht. Damit ist die Bestimmung des § 77 SGB VIII lediglich eine Rahmenregelung (Schellhorn, a.a.O. § 77 Rn. 21), die Näheres über den Inhalt dessen, was anzustreben ist sowie über eine Verpflichtung des Trägers der Jugendhilfe und deren Umfang dem Landesrecht vorbehält. Eine derartige landesrechtliche Regelung besteht jedoch nicht, ist insbesondere nicht im Niedersächsischen Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetztes (vom 5. Februar 1993 - Nds. GVBl. S. 75) getroffen worden. Dies hat zur Folge, dass aus § 77 S. 1 SGB VIII in Niedersachsen Ansprüche nicht hergeleitet werden können (vgl. dazu nur: Nds. OVG, Urteil vom 11.01.1995 - 4 L 3850/94 - Nds. Rpfl. 1996, 64 zu § 26 S. 1 SGB VIII). Bei dieser rechtlichen Lage kann dahinstehen, ob ein Anspruch der Klägerin aus § 77 S. 1 SGB VIII bereits schon daran scheitert, dass sie Inhaber einer von ihr geführten Praxis ist und sie daher nicht als Freier Träger der Jugendhilfe eingestuft werden kann (vgl. zum Streitstand: Schellhorn, a.a.O. § 3 Rn. 9; Papenheim, a.a.O., § 3 Rn. 10; a.A. Wiesner und andere, a.a.O., § 3 Rn. 10; Gerlach, ZFSH/SGB 2000, 145). Ebenso ist es ohne Bedeutung, dass der Beklagte in der Vergangenheit mit der Klägerin über den Abschluss einer Leistungs- und Entgeltvereinbarung verhandelt hat, diese aber nur aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen über die Höhe des Entgelts für Leistungen nicht zustande gekommen ist.
Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die Berufsfreiheit im Sinn dieser Regelung umfasst die freie unternehmerische Betätigung einschließlich des Schutzes der Unternehmer durch freien Wettbewerb. Diese Wettbewerbsfreiheit kann beeinträchtigt sein, wenn die öffentliche Hand durch berufs- oder wirtschaftslenkende Maßnahmen den freien Wettbewerb einschränkt oder in anderer Weise behindert. Dabei setzt die Annahme eines solchen Eingriffs in den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit nicht voraus, dass der Eingriff bezweckt, die Wettbewerbsfreiheit zu beschränken. Ein hoheitliches Handeln greift bereits dann in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ein, wenn es aufgrund seiner tatsächlichen Auswirkungen die Berufsfreiheit zumindest mittelbar beeinträchtigt und es erkennbar berufsregelnde Tendenz oder eine voraussehbare oder in Kauf genommene schwerwiegende Beeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit aufweist. Davon ist unter anderem dann auszugehen, wenn durch hoheitliches Handeln der Wettbewerb beeinflusst wird und Konkurrenten deutlich benachteiligt werden (BVerfG, Beschluss vom 25. März 1992 - 1 BvR 298/68 - BVerfGE 86, 28, 37; BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 1 C 5/88 - BVerwGE 89, 281; OVG Hamburg, Beschluss vom 10.11.2004 - 4 Bs 388/04 - JAmt 2004, 592).
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt in dem bisherigen Verhalten des Beklagten gegenüber der Klägerin ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor. Der Beklagte hat sich nicht geweigert, mit der Klägerin in Vertragsverhandlungen einzutreten. Diese sind nach längerer Verhandlungsdauer daran gescheitert, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten keine Einigkeit über die Höhe der Entgelte für die von der Klägerin zu erbringenden Leistungen erzielt werden konnte. Der Beklagte hat es auch in der mündlichen Verhandlung nicht etwa abgelehnt, mit der Klägerin erneut in Verhandlungen einzutreten, sondern lediglich deutlich gemacht, dass dann, wenn die Klägerin auf der bislang geforderten Höhe der Entgelte für Leistungen beharre, neue Verhandlungen nicht sinnvoll erschienen. Diese Haltung des Beklagten beeinträchtigt in ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Berufsfreiheit der Klägerin nicht; auch weist das Verhalten des Beklagten weder eine erkennbar berufsregelnde Tendenz noch eine vorhersehbare oder in Kauf genommene schwerwiegende Beeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit der Klägerin auf.
Nach § 5 Abs. 1 S. 1 SGB VIII haben die Leistungsberechtigten das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII soll der Wahl und den Wünschen entsprochen werden, soweit dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Dieses Wunsch- und Wahlrecht wird durch § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII nur insoweit eingeschränkt, als dann, wenn der Leistungsberechtigte die Erbringung einer in § 78 a SGB VIII genannten Leistung in einer Einrichtung wünscht, mit deren Träger keine Vereinbarungen nach § 78 b SGB VIII bestehen, diesem Wunsch nur entsprochen wird, wenn die Erbringung der Leistung in dieser Einrichtung im Einzelfall oder nach Maßgabe des Hilfeplanes geboten ist. Da die von der Klägerin zurzeit angebotenen und in Zukunft geplanten Leistungen - wie oben dargelegt - nicht unter § 78 a SGB VIII fallen, hat daher jeder Leistungsberechtigter - die Personensorgeberechtigten nach § 27 ff. SGB VIII sowie das Kind oder der Jugendliche nach § 35 a SGB VIII - die Möglichkeit, eine erforderliche Leistung der Hilfe zur Erziehung oder der Eingliederungshilfe von der Einrichtung oder dem Dienst seiner Wahl in Anspruch zu nehmen, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Diese rechtliche Lage hat der Beklagte in der Vergangenheit durchaus erkannt und respektiert. Er hat das Institut der Klägerin gegenüber Leistungsberechtigten als durchaus geeignete Einrichtung für Therapien nach § 35 a SGB VIII genannt und hat dann, wenn die Leistungsberechtigten Leistungen der Klägerin in Anspruch genommen haben, auch Zahlungen entweder direkt an die Leistungsberechtigten oder die Klägerin erbracht. Zwar ist er dabei davon ausgegangen, dass für Leistungen im Rahmen des § 35 a SGB VIII Kosten nur bis zu einem Betrag von 38,35 € je Fachleistungsstunde Einzeltherapie und bis zu einem Betrag von 28,94 € für 90 Minuten Therapie je Kind in einer Gruppentherapie angemessen und höhere Kosten unverhältnismäßig seien. Ob diese Einschätzung zutreffend ist, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden. Dies muss in - teilweisen schon anhängigen - Verfahren zwischen den jeweils Leistungsberechtigten und den Beklagten geklärt werden. Entscheidend ist hier lediglich, dass der Beklagte weder versucht hat, die Klägerin aus dem Wettbewerb der Leistungsanbieter für Leistungen nach § 35 a SGB VIII auszuschließen oder zu benachteiligen, sondern lediglich Leistungsberechtigten mitgeteilt hat, er werde Kosten von Therapieeinheiten, die das Institut der Klägerin erbringe, nur bis zur Höhe der oben genannten Beträge übernehmen. Wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf Fragen der Klägerin detailliert und nachvollziehbar dargelegt hat, hat er sich dabei hinsichtlich der Höhe der anzuerkennenden Kosten einerseits daran orientiert, dass mit anderen Einrichtungen für vergleichbare Leistungen geringere Entgelte als die von der Klägerin geforderten vereinbart worden sind und im Einzelnen dargelegt, dass neben diesen Einrichtungen und denen der Klägerin weitere Einrichtungen bzw. Einzelanbieter vorhanden seien, die vergleichbare Therapieleistungen zu niedrigeren als von der Klägerin angebotenen Preisen erbringen. Bei dieser Sachlage verhält sich der Beklagte durchaus „marktkonform“; sein Bestreben, mit der Klägerin jedenfalls keine Vereinbarung mit Preisen abzuschließen, die er im Verhältnis zu anderen Anbietern als überhöht ansieht, lässt nicht erkennen, dass er im Wettbewerb der verschiedenen Anbieter, die Klägerin bewusst benachteiligen oder andere Konkurrenten deutlich bevorzugen will. Wird weiter berücksichtigt, dass der Beklagte durchaus bis zu dem Betrag, den er auch im Hinblick auf § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII noch für angemessen erachtet, an Leistungsberechtigte bzw. die Klägerin selbst Kosten für Therapien im Rahmen des § 35 a SGB VIII erstattet, ist auch nicht erkennbar, wie dadurch die berufliche Betätigungsfreiheit der Klägerin schwerwiegend beeinträchtigt werden sollte. Auch sie muss sich mit ihren Leistungen und Preisen der Konkurrenz der Anbieter stellen; Art. 12 Abs. 1 GG gibt kein Recht darauf, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Vereinbarungen über Leistungen zu Preisen abschließt, die er nach seiner Einschätzung des Marktgeschehens als überhöht ansehen kann.
Bei dieser Sachlage liegt darin, dass der Beklagte mit der Klägerin dann, wenn die Klägerin ihr bisheriges Angebot nicht modifiziert, nicht erneut in Verhandlungen über eine Leistungs- und Entgeltvereinbarung eintreten will, auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar hat der Beklagte - wie er in der mündlichen Verhandlung näher dargestellt hat - mit den Einrichtungen „W.“, „L.“, „S.“ und „K.“ Leistungs- und Kostenvereinbarungen getroffen. Auch orientiert er sich nach seiner Sachdarstellung, an deren Richtigkeit die Kammer Anlass zu zweifeln nicht sieht, hinsichtlich der Einrichtung „L.“ an einem Entgeltschema, das vom Sozialamt des Beklagten mit der „L.“ ausgehandelt worden ist. Darin liegt jedoch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser verbietet es nur, Gruppen oder Personen ungleich zu behandeln, obwohl zwischen ihnen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG, Urteil vom 17. November 1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234). Es liegt auf der Hand, dass ein niedrigeres Entgelt durchaus ein Kriterium sein kann, das beim Abschluss von Entgelt- und Leistungsvereinbarungen eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen kann.
Die Rechte der Klägerin werden schließlich nicht dadurch beeinträchtigt, dass der Beklagte nicht beabsichtigt, mit ihr Leistungs- und Entgeltvereinbarungen über Leistungen nach §§ 27 bis 31 SGB VIII abzuschließen. Wie bereits oben dargelegt, ergibt sich ein entsprechender Anspruch der Klägerin auf Abschluss von Vereinbarungen oder ein Eintreten in Verhandlungen über Vereinbarungen nicht aus § 77 SGB VIII. Zwar soll nach § 4 Abs. 1, Abs. 3 SGB VIII die öffentliche Jugendhilfe mit der freien Jugendhilfe zusammen arbeiten und diese nach Maßgabe des SGB VIII fördern. Daraus ergibt sich jedoch kein Recht darauf, dass Vereinbarungen über bislang vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe selbst oder von anderen benachbarten Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erbrachte Leistungen, getroffen werden, wenn der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Einschätzung gewonnen hat, dass die von ihm und den genannten Stellen erbrachten Leistungen ausreichend und bedarfsdeckend sind. Darin liegt insbesondere kein Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte freie unternehmerische Betätigung. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt schon deshalb nicht vor, weil der Beklagte nach seinen Darlegungen, an deren Richtigkeit die Kammer nicht zweifelt, hinsichtlich dieser Leistungen auch mit anderen Anbietern Vereinbarungen nicht abgeschlossen hat.