Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 17.02.2005, Az.: 11 A 3239/03

Beweismittel; Folgeantrag; Fälschung; Fälschungsmerkmal; Kurden; Strafurteil; Syrien; syrisches Strafurteil; Urteilszusammenfassung; Yekiti; Zusammenfassung eines syrischen Strafurteils

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
17.02.2005
Aktenzeichen
11 A 3239/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50635
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Frage der Echtheit einer im Asylverfahren in Kopie vorgelegten Zusammenfassung eines Urteils eines syrischen Militärgerichts wegen Aktivitäten für die Kurdische YEKITI-Partei

Tatbestand:

1

Die Kläger sind syrische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit und muslimischen Glaubens aus B. (Provinz A.). Sie reisten nach ihren Angaben am 27. Januar 2002 als Asylbewerber in das Bundesgebiet ein. Ihr Asylerstverfahren, in dem sie sich im Wesentlichen auf eine Verfolgung wegen der Aktivitäten des Klägers des Verfahrens 11 A 3239/03 für die Y-Partei und insbesondere einen Botendienst am 6. Dezember 2001 berufen hatten, blieb erfolglos (rechtskräftiges Urteil des Einzelrichters vom 22. August 2002 - 11 A 849/02 -).

2

Am 19. bzw. 20. August 2003 beantragten die Kläger unter Vorlage der Kopie einer Zusammenfassung des Urteils des Einzelmilitärrichters in A. vom 9. März 2002 sowie der Bescheinigung der Europäischen Sektion der Y-Partei vom 26. Juni 2003 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie das Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG. Zur Begründung wurde im Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 12. August 2003 im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger des Verfahrens 11 A 3239/03 sei wegen der Geschehnisse am 6. Dezember 2001 vom Einzelmilitärrichter in A. am 9. März 2002 zu drei Jahren Haft wegen Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation und rassistischer Verhetzungen verurteilt worden. Zu der beabsichtigten Zustellung am 25. April 2002 sei es nicht gekommen, weil nur seine Eltern angetroffen worden seien. Diese seien zwar über das Urteil informiert und darauf hingewiesen worden, dass sich ihr Sohn den Behörden stellen müsse. Eine Ausfertigung sei ihnen aber nicht ausgehändigt worden. Erst Ende Oktober/Anfang November 2002 habe der Kläger des Verfahrens 11 A 3239/03 fernmündlich von seinen Eltern von dem Urteil erfahren und sich mit Hilfe seines Bruders und Cousins um eine Ausfertigung bemüht. Im Mai 2003 habe er die vorgelegte Kopie erhalten, die vom Libanon aus an seinen im Bundesgebiet lebenden Bruder geschickt worden sei. Er habe sich zunächst erfolglos bemüht, ein besser lesbares Dokument zu erhalten, dann aber beschlossen, den Folgeantrag auf die übersandte Kopie zu stützen. Der Bescheinigung der Europäischen Sektion der Y-Partei sei zu entnehmen, dass er sich regelmäßig an Aktivitäten dieser Partei im Bundesgebiet beteilige und bei einer Rückkehr nach Syrien mit politischer Verfolgung rechnen müsse. Die Kläger des Verfahrens 11 A 3416/03 nahmen auf dieses Vorbringen Bezug.

3

Mit Bescheiden vom 2. September 2003 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie eine Abänderung seines Bescheides vom 19. Februar 2002 bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG ab. Zugleich wies es darauf hin, dass es keiner erneuten Abschiebungsandrohung bedürfe. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und des Vorbringens im früheren Verfahren handele es sich bei der vorgelegten Kopie einer Urteilszusammenfassung um eine Gefälligkeitsbescheinigung, die erhebliche Fälschungsmerkmale aufweise. Neben Hinweisen auf Veränderungen im Kopf des Dokumentes falle der unjuristische Sprachgebrauch („Strafgesetz“ statt „Strafgesetzbuch“) auf. Die herangezogenen Strafvorschriften passten nicht zu Aktivitäten für die Y-Partei, weil diese sich nicht die gewaltsame Zerstörung der syrischen Staatsordnung zum Ziel gesetzt habe. Auch das Fehlen der zwangsläufigen Nebenstrafe „Aberkennung der zivilen Rechte“ weise auf eine Fälschung hin. Bedeutsame exilpolitische Betätigungen würden durch die vorgelegte Bescheinigung der Europäischen Sektion der Y nicht nachgewiesen. Folglich scheide auch ein Wiederaufgreifen nach Ermessen aus.

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Die Kläger haben am 5. bzw. 18. September 2003 Klagen erhoben. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, die Kopie einer Urteilszusammenfassung sei weder Gefälligkeitsbescheinigung noch Fälschung. Hinweise auf Veränderungen im Kopf des Dokuments, das eine handschriftliche Ausfertigung eines gebräuchlichen Formularvordrucks sei, gebe es nicht. Das Fehlen des Zusatzes „Gesetzbuch“ bei den Paragraphenangaben sei üblich und kein Fälschungsmerkmal. Die zitierten Strafvorschriften würden - und sei es nur entsprechend - herangezogen, um gegen systemkritische kurdische Politiker der Y-Partei vorzugehen. Die Nebenstrafe der „Aberkennung der zivilen Rechte“ fehle hier nicht fälschlicherweise, weil der Kläger des Verfahrens 11 A 3239/03 nicht zur Zwangsarbeit verurteilt worden sei. Keinesfalls werde im Falle unzulässiger politischer Aktivitäten stets eine Verurteilung zur Zwangsarbeit ausgesprochen. Der Hinweis auf die Bestätigung durch ein Berufungsgericht beziehe sich auf eine Art Rechtskraftnachweis, der Voraussetzung für die nachfolgend erwähnte Vollstreckbarkeit des Urteils sei. Infolge der exilpolitischen Betätigungen des Klägers des Verfahrens 11 A 3239/03 seien sie im Fall einer Rückkehr nach Syrien gefährdet.

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Die Kläger beantragen,

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den sie jeweils betreffenden Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 2. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich Syrien vorliegen,

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hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG hinsichtlich Syrien bestehen.

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Für den Fall der Klageabweisung beantragen sie,

9

die Einholung eines Gutachtens von amnesty international oder des Auswärtigen Amtes zur Frage der Echtheit der in Kopie vorgelegten Zusammenfassung eines Urteils des Einzelmilitärrichters in A. vom 9. März 2002.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klagen abzuweisen.

12

Sie bezieht sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide.

13

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat keinen Antrag gestellt.

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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Gerichtsakte 11 A 849/02, der Ausländerakten des Landkreises Friesland sowie der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Weiter wird verwiesen auf Auskünfte, Gutachten, Stellungnahmen und Presseberichte, die auf Bl. 39 ff. der Gerichtsakte 11 A 3239/03 aufgeführt und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG oder auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach dem (nunmehr gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG anzuwendenden) § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG (insoweit weder gemäß § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG noch gemäß §§ 51 Abs. 5, 48, 49 VwVfG nach Ermessen) noch auf Schutzgewährung nach den Regelungen des Art. 16a GG bzw. § 60 Abs. 1 - 7 AufenthG. Die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes erweisen sich auch nach dem für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) als rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Darin ist auch zutreffend von der erneuten Anordnung aufenthaltsbeendender Entscheidungen abgesehen worden (vgl. § 71 Abs. 5 AsylVfG).

16

Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist nach der Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages aufgrund eines erneut gestellten Asylantrages (Folgeantrag) ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Danach setzt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens materiell-rechtlich voraus, dass sich die dem Asyl-Erstantrag ablehnende Entscheidung des Bundesamtes zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Asylbewerbers geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Asylbewerber günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder - was hier allerdings ausscheidet - Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO vorliegen (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Entsprechendes gilt für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG. Verfahrensrechtlich ist das Gericht bei seiner diesbezüglichen Überprüfung allerdings zunächst darauf beschränkt, ob die Kläger - nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) - in zulässiger Weise derartige Wiederaufnahmegründe geltend gemacht haben. Nur wenn die erforderlichen Voraussetzungen für die Durchbrechung der Bestandskraft hinsichtlich des jeweiligen Wiederaufgreifensgrundes erfüllt sind, besteht insoweit ein Anspruch auf erneute Sachprüfung verbunden mit der Pflicht des Gerichts, den Sachverhalt umfassend aufzuklären und die erforderlichen Beweise zu erheben (vgl. BVerfG, Beschluss v. 03. März 2000 - 2 BvR 39/98 - DVBl. 2000, 1048; BVerwG, Urt. v. 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 ff. zur Verpflichtung zum „Durchentscheiden“). Für diesen ersten Prüfungsschritt erforderlich - aber auch ausreichend - ist ein substantiierter schlüssiger Vortrag, der nicht von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtungsweise ungeeignet sein darf, zu einer günstigeren Entscheidung zu verhelfen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 03. März 2000, a.a.O.). Zugleich ist für den jeweiligen Wiederaufgreifensgrund substantiiert und schlüssig darzulegen, dass (und ggf. warum) die Asylbewerber ohne grobes Verschulden außerstande waren, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG) und dass sie die Dreimonatsfrist nach § 51 Abs. 3 VwVfG eingehalten haben. Das gilt nicht nur für das Verfahren vor dem Bundesamt, sondern auch für etwaige, im Gerichtsverfahren neu vorgebrachte Gründe, sofern das Vorbringen nicht lediglich in zulässiger Weise geltend gemachte Wiederaufgreifensgründe bestätigt oder ergänzt (vgl. Hessischer VGH, Beschluss v. 08. März 2000 - 12 UZ 1407/98.A - V.n.b.).

17

Wird kein gänzlich neuer Sachverhalt vorgetragen, sondern nur eine Fortentwicklung der bisherigen Gründe geltend gemacht, kommt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht in Betracht, wenn sich daraus keine Anhaltspunkte für eine Verfolgungsgefährdung ergeben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19. Februar 1999 - 10 A 10408/98 - V.n.b.). Dabei ist zu beachten, dass der „Vorverfolgtenmaßstab“ bei der Prüfung exilpolitischer Aktivitäten nicht zur Anwendung kommt, wenn hinsichtlich der Vorverfolgung keine durchgreifenden Wiederaufnahmegründe vorgetragen werden (vgl. OVG Münster, Urt. v. 10. August 1999 - 1 A 5410/96 A - V.n.b.).

18

Ausgehend von den genannten Grundsätzen war die Klage abzuweisen, ohne dass es der hilfsweise beantragten Beweiserhebung zur Frage der Echtheit der in Kopie vorgelegten Zusammenfassung des Urteils des Einzelmilitärrichters in A. vom 9. März 2002 bedurfte. Soweit die geltend gemachten Wiederaufnahmegründe nicht ohnehin nach § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG ausgeschlossen sind, hat sich jedenfalls im Ergebnis weder die Sachlage zugunsten der Kläger geändert noch liegt ein neues Beweismittel vor, das eine ihnen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

19

Hinsichtlich der vorgelegten Kopie, die eine Verurteilung des Klägers des Verfahrens 11 A 3239/03 am 9. März 2003 belegen sollen, ist ein Wiederaufgreifen des Verfahrens bereits nach § 51 Abs. 2 VwVfG ausgeschlossen. Es spricht - außer der bloßen Behauptung - nichts Überzeugendes dafür, dass die Kläger ohne grobes Verschulden außerstande waren, die angebliche Verurteilung des genannten Klägers vom 9. März 2002 in dem erst durch Urteil vom 22. August 2002 abgeschlossenen Asylerstverfahren 11 A 849/02 geltend zu machen. Nach eigenem Vorbringen ist den Eltern des genannten Klägers die Verurteilung bereits am 25. April 2002 bekannt geworden. Es ist kein plausibler Grund dargetan oder sonst ersichtlich, warum es ihnen nicht möglich gewesen sein soll, diesen - auch aus ihrer Sicht für den auf der Flucht befindlichen Sohn bedeutsamen - Umstand vor Ende Oktober/Anfang November 2002 dem Kläger oder sonstigen Angehörigen (etwa seinen Bruder) im Bundesgebiet mitzuteilen.

20

Auch § 51 Abs. 3 VwVfG, wonach Wiederaufgreifensgründe innerhalb von drei Monaten nach Kenntniserlangung dargelegt werden müssen, steht hier insoweit der Zulässigkeit eines Wiederaufgreifens des Verfahrens entgegen. Denn der Kläger des Verfahrens 11 A 3239/03 hätte bereits nach (angeblicher) Kenntniserlangung von der Verurteilung vom 9. März 2002 im Herbst 2002 - oder jedenfalls unmittelbar nach Erhalt der Kopie im Mai 2003 - einen Folgeantrag stellen können. Auch ist sehr zweifelhaft, ob er nicht bereits vor Juni 2003 eine Bescheinigung der Europäischen Sektion der Y-Partei hätte erlangen können, die auf seine Initiative hin ausgestellt worden sein muss. Da die angeblichen exilpolitischen Aktivitäten des Klägers darin zeitlich nicht konkretisiert werden, lässt sich insoweit ein Ausschluss nicht abschließend beurteilen.

21

Im Übrigen ist auch bei Berücksichtigung des ausgeschlossenen Vorbringens in der Sache kein Schutz nach Art. 16 a GG oder §§ 60 Abs. 1 - 7 AufenthG zu gewähren.

22

Unter Berücksichtigung der Erkenntnislage (Deutsches Orientinstitut - DOI, Stellungnahmen vom 16. September 2004 an VG Braunschweig und vom 5. November 2002 an VG München) und des Vorbringens der Kläger im Asylerstverfahren 11 A 849/02 teilt der Einzelrichter die Einschätzung, dass die in Kopie vorgelegte Zusammenfassung des Urteils des Einzelmilitärrichters in A. vom 9. März 2002 als Gefälligkeitsbescheinigung oder Fälschung zu werten ist. Er ist aufgrund der genannten Erkenntnismittel hinreichend sachkundig (beraten) und übt sein Ermessen im Hinblick auf den hilfsweisen Beweisantrag (§§ 98 VwGO, 404, 412 ZPO) dahingehend aus, dass ein zusätzliches Gutachten zur Echtheit der Urteilszusammenfassung nicht einzuholen ist. Denn die herangezogenen Stellungnahmen des DOI sind aktuell, betreffen vergleichbare Urteilszusammenfassungen und erscheinen in keiner Hinsicht zweifelhaft oder unstimmig. Unabhängig davon sprechen die Ungereimtheiten und Widersprüche im früheren und jetzigen Vorbringen der Kläger gegen einen weiteren Klärungsbedarf.

23

Bei der Beurteilung der Urteilszusammenfassung mag dahinstehen, ob sich bereits aus dem Format der vorgelegten Kopie Anlass für entsprechende Zweifel ergibt, weil derartige Bescheinigungen im Original größer als DIN-A 4 sind (vgl. DOI vom 16. September 2002 an VG Braunschweig und vom 5. November 2002 an VG München). Jedenfalls ist das für Urteile übliche syrische Wappen (Adler bzw. Falke mit zwei Sternen) auf der vorgelegten Kopie nicht mit der zu erwartenden Deutlichkeit zu erkennen. Auch der unkorrekte Sprachgebrauch nach der Paragraphenangaben „Strafgesetz“ statt „Strafgesetzbuch“ spricht gegen die Echtheit des Dokuments (DOI, Stellungnahme vom 5. November 2002). Außerdem passt die in der Urteilszusammenfassung aufgeführte normale Gefängnisstrafe nicht zu der in Art. 306 syrisches StGB vorgesehenen Freiheitsstrafe bei schwerer Arbeit (Zwangsarbeitsstrafe). Nach der eindeutigen Aussage in der Stellungnahme des DOI vom 5. November 2002 gibt es keinen Anlass für die Annahme, dass in der Praxis entgegen dem gesetzlichen Rahmen andere Strafen verhängt werden. Dementsprechend ist es ferner unstimmig, wenn die im syrischen Strafrecht zwingend vorgesehene Nebenstrafe der „Aberkennung der zivilen Rechte“ in der Urteilszusammenfassung nicht erwähnt wird (vgl. DOI, Stellungnahme vom 5. November 2002). Schließlich passen die beim Kläger des Verfahrens 11 A 3239/03 allenfalls möglichen Tatvorwürfe (Aktivitäten für die Y-Partei und insbesondere Botendienst am 6. Dezember 2001) nicht zu dem herangezogenen Tatbestand des Art. 306 syrisches StGB. Nach der in Art. 304 syrisches StGB befindlichen Legaldefinition handelt es sich um Gruppen, die mit Gewalt die syrische Gesellschaft und ihre staatliche Ordnung ändern oder zerstören wollen (DOI, Stellungnahme vom 5. November 2002). Unter diese Definition lässt sich die Y-Partei, die sich solche Ziele nicht auf ihre Fahnen geschrieben hat, nicht subsumieren (vgl. DOI, Stellungnahmen vom 16. September 2004 und vom 5. November 2002). Die Y-Partei ist zwar verboten, wird aber gleichwohl geduldet und von der syrischen Regierung gelegentlich sogar als Ansprechpartner hinsichtlich bestimmter Belange der Kurden akzeptiert (vgl. DOI, Stellungnahmen vom 16. September 2004 und vom 5. November 2002). Schließlich spricht für eine Fälschung des vorgelegten Dokuments, dass - nach einem weiteren Zusatz dort am Textende - eine Bestätigung durch das Berufungs- bzw. Widerspruchsgericht erfolgt sein soll. Da der Kläger im Frühjahr 2003 bereits außer Landes war, bleibt unerfindlich, wer dieses Rechtsmittelverfahren geführt haben könnte. Hinweise auf eine routinemäßige Bestätigung durch Berufungs- oder Widerspruchsgerichte bzw. für deren „Rechtskraftnachweise“ als Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit des Urteils finden sich weder in den genannten Erkenntnismitteln noch in sonstigen, die syrische Strafurteile betreffen.

24

Im Übrigen spricht gegen die behauptete Verurteilung und damit gegen die Echtheit des Dokuments, dass die Kläger weder die Urteilszusammenfassung im Original noch eine Ausfertigung des zugrunde liegenden Urteils vorzulegen können, ohne eine plausible Begründung für ihr Unvermögen zu unterbreiten. Hinweise darauf, dass in Abwesenheit ergangene Urteile syrischer Gerichte den Betroffenen und ihren Bevollmächtigten nicht oder nur gegen Bestechung zugänglich gemacht werden, finden sich in den Erkenntnismitteln nicht.

25

Schließlich wird die gefundene Einschätzung dadurch bestätigt, dass sich ein - der zweifelhaften Verurteilung vom 9. März 2002 angeblich zugrunde liegender - Botendienst des Klägers für die Y-Partei am 6. Dezember 2001 im Asylerstverfahren wegen verschiedener Widersprüche und Ungereimtheiten als unglaubhaft erwiesen hat.

26

Exilpolitische Betätigungen hatte der Kläger des Verfahrens 11 A 3239/03 gemäß seiner Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 22. August 2002 trotz behaupteter Einbindung in die Y-Partei nicht entfaltet. Auch von entsprechenden Plänen ist nicht die Rede gewesen. Ebenso wenig ist in der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2005 von konkreten Aktivitäten (nach Abschluss des Erstverfahrens) berichtet worden. Solche werden auch nicht durch die pauschale Bescheinigung der Europäischen Sektion der Y-Partei vom 26. Juni 2003 belegt.

27

Die Kläger haben auch nicht schon allein wegen ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung oder Maßnahmen im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu befürchten.

28

Das syrische Regime gewährt den Kurden wie anderen ethnischen Minderheiten ein relativ großes Maß an kultureller Eigenständigkeit. Kurden sind in Syrien nur dann staatlichen Repressionen ausgesetzt, wenn sie sich konkret gegen den syrischen Staat betätigen. (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 13. Dezember 2004, S. 9 ff.; Nds. OVG, Urteile vom 22. Juni 1999 - 2 L 670/99 -, 14. Juli 1999 - 2 L 4943/97 -, 27. März 2001 - 2 L 5117/97 bzw. 2 L 2505/98 -, 12. Dezember 2001 - 2 L 5428/97 - und 27. Mai 2003 - 2 L 2040/02 -).

29

Diese Einschätzung gilt auch unter Berücksichtigung der Ereignisse, die sich Mitte März 2004 in Kamishli, Damaskus, Hassake, Derik, Afrin und A. zugetragen haben (vgl. auch Nds. OVG, Urteile vom 22. Juni 2004 - 2 L 6129/96, 2 L 6130/96 u. 2 LB 86/03 -; Beschlüsse vom 20. Juli 2004 - 2 LA 963, 964, 965, 966 u. 967/04 -; Urteil vom 30. September 2004 - 2 L 986/99 -).

30

Aus den genannten Gründen ist ebenso wenig rechtlich zu beanstanden, dass auch ein Wiederaufgreifen nach Ermessen gemäß §§ 51 Abs. 5, 48, 49 VwVfG bezüglich der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG versagt wurde.