Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 08.10.2008, Az.: L 2 R 511/07

Voraussetzungen eines Anspruchs auf Neuberechnung einer gewährten Altersrente mit der Maßgabe einer Bewertung der im Herkunftsland zurückgelegten Rentenzeiten mit höheren Entgeltpunkten; Ermittlung der Rentenhöhe

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
08.10.2008
Aktenzeichen
L 2 R 511/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 24918
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2008:1008.L2R511.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Osnabrück - 22.08.2007 - AZ: S 10 R 557/05

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 22. August 2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der 1937 geborene Kläger begehrt eine Neuberechnung der ihm gewährten Altersrente unter Heranziehung der für Versicherungszeiten aus dem alten Bundesgebiet maßgeblichen Entgeltpunkte.

2

Der einen Ausweis für Vertriebene und Flüchtlinge mit dem Kennzeichen "A" innehabende Kläger reiste mit seiner Familie aus J. kommend im März 1992 über den Flughafen K. in das Bundesgebiet ein und wurde der Landesaufnahmestelle für Aussiedler in L. zugewiesen. Vom 17. März bis 16. April 1992 wurde die Familie in (ehemaligen) Kasernen in L. und nachfolgend vom 16. April 1992 bis zum 24. Juli 1993 in einem 16 qm großen möblierten Zimmer im Übergangswohnheim in M. /L. untergebracht. Dort nahm der Kläger vom 19. Oktober 1992 bis zum 23. April 1993 an einem 732 Stunden umfassenden Lehrgang "Deutsch für Aussiedler" teil. Während des Aufenthalts der Familie in L. lagerten vier Kisten mit Umzugsgut im Grenzdurchgangslager N. in O ...

3

Im August 1993 bezog der Kläger eine Wohnung in P ...

4

Mit Bescheid vom 12. Juni 1997 sprach die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von anfänglich 988,77 DM zu. Dabei ging die Beklagte davon aus, dass der Kläger namentlich in Form der nach dem FRG bewerteten ausländischen Zeiten über 26,4418 Entgeltpunkte Ost verfügte, die mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) von monatlich 40,51 DM zu vervielfältigen seien. Lediglich bezogen auf weitere 0,0509 Punkte ging die Beklagte davon aus, dass es sich um sog. Entgeltpunkte West handele, die mit einem Rentenwert (West) von 47,44 DM zu multiplizieren seien.

5

Am 4. November 1999 sprach der Kläger bei der Beklagten vor und bat um Überprüfung des Rentenbescheides unter Heranziehung des für Versicherungszeiten im alten Bundesgebiet maßgeblichen Rentenwertes.

6

Mit Schreiben vom 29. November 1999 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihm auf seinen Antrag leider mitteilen müsse, dass es bei der Bewertung nach Entgeltpunkten Ost verbleibe. Er habe mehr als sechs Monate in dem Übergangslager verbracht. Das "Schreiben vom 04. 11. 99" werde als erledigt angesehen.

7

Mit Schreiben vom 7. Dezember 1999 bat der Kläger persönlich um nochmalige Überprüfung.

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Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit einem - diesmal förmlich als Bescheid ausgewiesenen und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen - Schreiben vom 14. März 2000 erneut mit, dass dem Antrag auf eine Neuberechnung der Rente nach Entgeltpunkten West nicht stattgegeben werden könne. Der Kläger habe sich mehr als sechs Monate in den neuen Bundesländern aufgehalten.

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Dagegen legten die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 7. April 2000 Widerspruch ein. Eine Vollmacht war dem Schreiben nicht beigefügt. Anlässlich eines Telefonates am 3. Mai 2000 erklärte der Kläger ausweislich des von der Beklagten verfassten Gesprächsvermerkes, dass er keinen Anwalt beauftragt habe.

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Die Beklagte forderte den Anwalt zunächst vergeblich auf, eine Vollmacht vorzulegen. Mit Schreiben vom 13. September 2000 bat die Beklagte den Kläger um Mitteilung, ob er dem Anwalt eine Vollmacht erteilen oder davon absehen wolle. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.

11

Anfang Oktober 2000 ging die Beklagte ausweislich eines verwaltungsinternen Vermerks von der Nichteinlegung eines Widerspruchs und damit von der statistischen Erledigung des zunächst angenommenen Widerspruchs aus.

12

Mit Schreiben vom 25. April 2005 teilte der Anwalt mit, dass er auf seinen Widerspruch vom 7. April 2000 "zurückkomme" und um Überprüfung der Rentenberechnung in mehrfacher Hinsicht bitte. Nunmehr wurde eine Vollmacht des Klägers vorgelegt.

13

Mit Bescheid vom 30. Mai 2005 nahm die Beklagte in mehreren Punkten eine Rentenneuberechnung rückwirkend ab Januar 2001 vor, dabei ging sie von 30,6123 Entgeltpunkten (Ost) und von weiterhin 0,0509 Entgeltpunkten ("West") aus. Der Rentenzahlbetrag betrug nach der Neufestsetzung ab Juli 2005 638,27 EUR, für den Zeitraum ab Januar 2001 wurde eine Nachzahlung in Höhe von 5.059,09 EUR bewilligt.

14

In den Gründen des Bescheides wies die Beklagte erneut darauf hin, dass eine Neuberechnung der Rente unter Heranziehung von Entgeltpunkten ("West") nicht in Betracht komme, da sich der Kläger mehr als sechs Monate in dem Übergangslager in den neuen Bundesländern aufgehalten habe.

15

Mit Schreiben vom 1. Juli 2005 legte der Kläger vorsorglich noch einmal Widerspruch ein und hob hervor, dass er von vornherein die Absicht gehabt habe, im Bereich Q. seinen Wohnsitz zu nehmen.

16

Mit Bescheid vom 7. September 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe bis zum 25. Juli 1993 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Übergangswohnheim in M. gehabt, so dass nach Art. 6 § 4 Abs. 6b FANG der Rentenberechnung Entgeltpunkte (Ost) zugrunde zu legen seien.

17

Zur Begründung der am 30. September 2005 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass der nach dem Aufenthaltsgesetz für Aussiedler behördlich angeordnete Aufenthalt in L. für ihn nur eine Übergangslösung gewesen sei. Es habe sich um eine zwangsweise "Kasernierung" gehandelt. Der still geduldete und durchlittene Zwangsaufenthalt habe sich dadurch verlängert, dass ihm erst im Oktober 1992 die Möglichkeit zur Teilnahme an dem vorgeschriebenen Sprachkurs eröffnet worden sei.

18

Er habe von vornherein nach Q. ziehen wollen, zumal dort schon weitere Angehörige von ihm gelebt hätten. Dementsprechend habe er das Umzugsgut im Grenzdurchgangslager N. aufbewahren lassen, bis er eine Wohnung in Q. gefunden hatte.

19

Mit Urteil vom 22. August 2007 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, rückwirkend ab Juli 1997 eine Rentenneuberechnung nach Entgeltpunkten (West) vorzunehmen. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass der Kläger erst in Q. seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet begründet habe. In der vorausgegangenen Zeit im Übergangswohnheim M. habe sich der subjektive Wunsch nach einem Wechsel nach Q. hinreichend in dem objektiven Umstand manifestiert, dass seinerzeit die persönliche Habe der Familie mit einem Gewicht von 2070 kg in vier Holzkisten im Grenzdurchgangslager N. zwischengelagert worden sei.

20

Gegen dieses ihr am 13. September 2007 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 21. September 2007. Die Beklagte macht geltend, dass mit fortschreitender Dauer des Aufenthaltes die nur für eine begrenzte Dauer sprechenden Umstände sukzessive zurücktreten müssten. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Kläger mit Abschluss des Deutschkurses am 23. April 1993 die volle Freizügigkeit erlangt habe, gleichwohl habe er das Übergangswohnheim erst Ende Juli 1993 verlassen.

21

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 22. August 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

22

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

23

Er weist darauf hin, dass es allein auf die seinerzeit sehr schwierige Wohnungslage im Raum Q. zurückzuführen sei, dass er erst drei Monate nach Abschluss des Sprachkursus nach Q. umgezogen sei. Trotz nachhaltiger sich über Monate erstreckender Bemühungen hätten sie erst im Juli 1993 eine Wohnung in Q. finden können.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Berufung ist begründet. Das von der Beklagten angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben, da der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Rentenneuberechnung unter Zugrundelegung von Entgeltpunkten (Ost) hat.

26

Der Kläger hatte bereits am 4. November 1999 ein Überprüfungsbegehren geltend gemacht, das die Beklagte mit dem - rechtlich als Verwaltungsakt zu qualifizierenden - Schreiben vom 29. November 1999 zurückgewiesen hatte. Das daraufhin vom Kläger sinngemäß mit Schreiben vom 7. Dezember 1999 eingeleitete Widerspruchsverfahren, in das nach § 86 SGG auch die nachfolgenden Bescheide vom 14. März 2000 und vom 30. Mai 2005 einzubeziehen waren, ist erst mit dem Widerspruchsbescheid vom 7. September 2005 abgeschlossen worden. Die daraufhin vom Kläger erhobene zulässige Klage erweist sich im Ergebnis als unbegründet. Ihm steht kein Anspruch aus § 44 SGB X auf Neuberechnung der gewährten Altersrente mit der Maßgabe einer Bewertung der im Herkunftsland zurückgelegten Rentenzeiten mit den höheren Entgeltpunkten - anstelle der von der Beklagten herangezogenen Entgeltpunkte (Ost) - zu.

27

Der Kläger hat sein Arbeitsleben in der früheren R. bzw. in J. verbracht. Dass ihm als Aussiedler gleichwohl eine Rente nach bundesdeutschem Recht unter Einbeziehung der in seinem Heimatland zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten zuerkannt worden ist, ergibt sich aus den Bestimmungen des Fremdrentengesetzes (FRG). In Anwendung der dort normierten Vorgaben hat die Beklagte insgesamt 30,6632 Entgeltpunkte ermittelt. Deren Ermittlung wird auch von Seiten des Klägers nicht beanstandet.

28

Die jeweilige Rentenhöhe ergibt sich aus diesen Entgeltpunkten, in dem diese mit dem Zugangsfaktor und dem aktuellen Rentenwert multipliziert werden (§ 64 SGB VI), wobei das Rentenrecht allerdings - bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse - zwischen Entgeltpunkten (gewissermaßen: "West") und Entgeltpunkten (Ost) unterscheidet. Erstere werden mit dem aktuellen Rentenwert (gewissermaßen: "West"), letztere mit dem (etwas geringeren) Rentenwert (Ost) vervielfältigt (§§ 254b, 255a SGB VI).

29

Für in Deutschland zurückgelegte Beitragszeiten hängt die Zuordnung zu Entgeltpunkten bzw. Entgeltpunkten (Ost) jedenfalls im Grundsatz davon ab, ob sie im Beitrittsgebiet oder im alten Bundesgebiet zurückgelegt worden sind (§ 254d SGB VI).

30

Soweit - wie im vorliegenden Fall - im nichtdeutschen Herkunftsland zurückgelegte Beitragszeiten in Anwendung des FRG ebenfalls mit Entgeltpunkten berücksichtigt werden, hat der Gesetzgeber in Art. 6 § 4 Abs. 6 des Gesetzes zur Neuregelung des Fremdrenten- und Auslandsrentenrechts (FANG) folgende Regelung hinsichtlich ihrer Zuordnung zu den Entgeltpunkten bzw. Entgeltpunkten (Ost) getroffen:

31

Bei Berechtigten nach dem Fremdrentengesetz, die a) ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet haben und dort nach dem 31. Dezember 1991 einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem Fremdrentengesetz erwerben, b) nach dem 31. Dezember 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Beitrittsgebiet in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verlegen und dort nach dem 31. Dezember 1991 einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem Fremdrentengesetz erwerben oder c) nach dem 31. Dezember 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet in das Beitrittsgebiet verlegen und bereits vor Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem Fremdrentengesetz haben,

32

werden für nach dem Fremdrentengesetz anrechenbare Zeiten Entgeltpunkte (Ost) ermittelt; im Falle von Buchstabe c gilt dies nur, sofern am 31. Dezember 1991 Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem Fremdrentengesetz nicht bestand. Dies gilt auch für die Zeiten eines weiteren Rentenbezuges aufgrund neuer Rentenfeststellungen, wenn sich die Rentenbezugszeiten ununterbrochen aneinander anschließen. Bei Berechtigten nach Satz 1 Buchstabe a und c, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Beitrittsgebiet in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verlegen, verbleibt es für Zeiten nach dem Fremdrentengesetz bei den ermittelten Entgeltpunkten (Ost).

33

In Anwendung dieser gesetzlichen Vorschrift hat die Beklagte zutreffend entschieden, dass die vom Kläger im Herkunftsland zurückgelegten Beitragszeiten bei dem mit Rentenbescheid vom 12. Juni 1997 ab Juli 1997 und damit nach dem 31. Dezember 1991 auf der Grundlage des FRG zugesprochenen Rentenanspruch mit Beitragspunkten (Ost) zu bewerten sind. Der Kläger hat im Sinne von Art. 6 § 4 Abs. 6b FANG im Juli 1993 und damit nach dem 31. Dezember 1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Beitrittsgebiet in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet, d.h. in das alte Bundesgebiet, verlegt. Namentlich erfüllt er die dafür erforderliche Voraussetzung in Form eines zuvor im Beitrittsgebiet - vorliegend im sächsischen M. - eingenommenen gewöhnlichen Aufenthaltes.

34

Der Kläger wohnte vom 17. März 1992 bis zum 24. Juli 1993 in L., erst nachfolgend ist er nach Q. in O. umgezogen. Während dieses 16monatigen Zeitraums von März 1992 bis Juli 1993 lebte der Kläger nicht nur tatsächlich in L., zugleich befand sich dort auch sein gewöhnlicher Aufenthalt im Rechtssinne. Der Kläger kann nicht damit gehört werden, dass er sich dort nur vorübergehend aufgehalten und damit bis zum Umzug nach Q. überhaupt keinen örtlich zuordbaren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe.

35

Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand nach der Legaldefinition in § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

36

Dabei sind die objektiv gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des Einzelfalles im entscheidungserheblichen Zeitraum maßgeblich; auf "Prognosen" über spätere Entwicklungen, auf Veränderungswünsche oder -absichten oder auf den Willen des Betroffenen, sich an einem Ort aufzuhalten oder einen Wohnsitz zu begründen, kommt es nicht an. Sogar die konkrete Absicht, zu einem bestimmten Zeitpunkt in ein bestimmtes Land auszuwandern, steht einem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland auch in der Zeit der Vorbereitung der Auswanderung (Einholung von behördlichen Erlaubnissen; die Wohnsitznahme im Ausland vorbereitende Aufenthalte dort, Verkaufsverhandlungen im Inland etc) bis zum Ablauf des letzten Tages vor der Auswanderung, also der konkreten Verlagerung des Lebensschwerpunktes ins Ausland, nicht entgegen (BSG, U.v. 3. April 2001 - B 4 RA 90/00 R - SozR 3-1200 § 30 Nr. 21 m.w.N.).

37

Bei der Beurteilung sind mithin alle Umstände zu berücksichtigen, die einen Schluss darauf zulassen, ob der Betreffende im Aufenthaltsgebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Danach ist weder die Begründung eines Daseinsmittelpunktes, Mittel- oder Schwerpunktes der Lebensverhältnisse erforderlich noch muss der Aufenthalt dauerhaft, d.h. von unbegrenzter Dauer, sein. Vielmehr reicht ein mehr als nur vorübergehendes, tatsächliches Verweilen aus (BSG, U.v. 9. August 1994 - 13 RJ 59/93 - SozR 3-1200 § 30 Nr. 15). Schon der allgemeine Sprachgebrauch macht die kurzfristige Ausrichtung eines "nur vorübergehenden Verweilens" deutlich. Jedenfalls ein mehr als einjähriger Aufenthalt sprengt die Grenze eines "nur vorübergehenden Verweilens" auch dann, wenn er von vornherein von Umzugswünschen des Betroffenen begleitet wird.

38

Jedenfalls unter Berücksichtigung der Dauer des 15monatigen Aufenthalts im Übergangswohnheim hat der Senat keinen Zweifel daran, dass der Kläger dort mehr als nur vorübergehend verweilt ist. Insbesondere verfügte er seinerzeit über keine anderweitige Wohnung. Im Grenzdurchgangslager N. bestand lediglich eine Lagermöglichkeit für das in Kisten untergebrachte Umzugsgut, gelebt haben der Kläger und seine Familie dort nicht.

39

Eine anderweitige Gesetzesinterpretation würde zu dem letztlich sachwidrigen Ergebnis führen, dass auch ein - von Rechts wegen zeitlich nicht beschränkter - sich über mehrere Jahre erstreckender tatsächlicher Aufenthalt in einer Wohnung bzw. Unterkunft in einem bestimmten Ort dort keinen "gewöhnlichen" Aufenthalt im Rechtssinne begründen würde, wenn der Betreffende - was in Zeiten zunehmender Mobilität nicht selten anzutreffen ist - von vornherein Umzugspläne hätte.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben. -