Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 15.08.2001, Az.: 20 U 24/01
Schadensersatz; Instruktionspflicht; Pflanzenschutzmittel; Gewerblicher Gebrauch; Abnehmerkreis; Verkehrssicherungspflicht
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 15.08.2001
- Aktenzeichen
- 20 U 24/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 21559
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:0815.20U24.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 3 O 250/00
Rechtsgrundlage
- § 823 Abs. 1 BGB
Fundstellen
- PHi 2002, 177-178
- VersR 2002, 905-906 (Volltext mit red. LS)
- zfs 2002, 378-379
Amtlicher Leitsatz
Zum Umfang der Instruktionspflicht bei Pflanzenschutzmitteln für den gewerblichen Gebrauch.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. März 2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10. 000 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheit auch durch Stellung einer selbstschuldnerischen, unbedingten, unbefristeten, unwiderruflichen Bürgschaft einer europäischen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse zu leisten.
Tatbestand:
Die Klägerin ist im Obstbau tätig. Sie verfügt in der Gemarkung ....... über eine Anbaufläche von 20 ha und in der Gemarkung ....... über eine solche von 8 ha. Auf der Teilfläche ....... hat die Klägerin am 17. Juni 2000 in der Zeit zwischen 04: 00 Uhr und 10: 30 Uhr und nochmals von 21: 30 Uhr bis 04: 30 Uhr am Morgen des 18. Juni 2000 Pflanzenschutzmittel aufgebracht, nach ihrer Version eine Kombination aus Merpan, Omnex, Düngal Combi, Gömer und Thiovit. Am folgenden 19. Juni 2000 ist die weitere Teilfläche in ....... ebenfalls in den Nachtstunden gespritzt worden, indes - so ihre weitere Darstellung - ohne Einsatz des Mittels Thiovit. Thiovit, ein Schwefelpräparat gegen pilzliche Krankheiten, Hersteller ....... . mit Sitz in ......., wird von der Beklagten in ....... in 25 kg Säcken vertrieben. Erworben hat die Klägerin das Mittel bei der Landwirtschaftlichen Bezugs- und Absatzgenossenschaft e. G. ........ Die Säcke sind von der Beklagten mit einem Aufdruck versehen, in dem es u. a. unter der fettgedruckten Überschrift Wichtige Hinweise heißt:
'Thiovit wirkt am besten bei vorbeugender Anwendung. Warndienst beachten. Achtung ! Die Wirkung von Thiovit ist temperaturabhängig. Deshalb nicht bei kühlem Wetter (ungenügende Wirkung) oder bei großer Hitze und praller Sonne spritzen (Gefahr von Verbrennungen und Berostungen). Bei Außentemperaturen über 27o C sollte die Anwendung von Schwefel und schwefelhaltigen Produkten unterbleiben. Nicht bei schwefelempfindlichen Sorten anwenden. '
Unstreitig stiegen die Temperaturen entsprechend der Wettervorhersage bereits am 19. Juni 2000 auf Tageshöchstwerte von über 30°. Die Äpfel ihrer in ....... gelegenen Plantage zeigten alsbald Verbrennungsschäden, die der in ....... gelegenen Plantage nicht. Die Klägerin hat schon in erster Instanz die Auffassung vertreten, dass der Beweis des ersten Anscheins bereits für die Annahme streite, dass die Verwendung des Mittels Thiovit für die Schäden ursächlich sei. Sie hat unter Vorlage eines Privatgutachtens ihren Schaden mit 86. 796, 61 DM beziffert.
Demgegenüber hat die Beklagte den Einsatz des Mittels Thiovit, dessen Ursächlichkeit für die Schäden und im Übrigen bei unterstellter Anwendung des Mittels dessen sachgerechte Verwendung bestritten.
Wegen des übrigen Parteivorbringens in erster Instanz im Einzelnen und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bl. 104 - 105 d. A. Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe in Ansehung der zu erwartenden Benutzergruppe die Verbraucher hinreichend darüber instruiert, dass bei zu erwartenden hohen Außentemperaturen das Mittel nicht zur Anwendung kommen dürfe, was die Beklagte nicht beachtet habe. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe Bl. 106 - 107 d. A. verwiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr Vorbringen erster Instanz, namentlich zum kausalen Zusammenhang mit der Verwendung des Mittels Thiovit, vertieft. Sie vertritt die Auffassung, die Beklagte habe ihre Instruktionspflicht deshalb verletzt, weil sie nicht darauf hingewiesen habe, dass auch eine bevorstehende Hitzewelle problematisch sei. Von ihr als Hausfrau, die auch zu dem zu erwartenden Konsumentenkreis gehöre, könnten nähere Kenntnisse zur Schwefelempfindlichkeit bestimmter Apfelsorten nicht erwartet werden, wobei sie im Übrigen bestreite, dass die Sorten Holsteiner Cox und Cox Orange dazu gehörten. In diesem Zusammenhang sei zu bedenken, dass Thiovit schon in Streuobstanlagen sinnvoll eingesetzt werden könne, die im Nebenerwerb betrieben würden. Zudem sei bei ohnehin gerichtsbekannt unzuverlässigen Wetterprognosen die Witterungsentwicklung im konkreten Fall auch nicht vorhersehbar gewesen.
Die Klägerin beantragt deshalb,
das Urteil des Landgerichts Stade vom 27. März 2001 (3 O 250/00) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 86. 796, 61 DM zuzüglich 9, 26 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
Sie bestreitet weiterhin die Anwendung des von ihr in den Verkehr gebrachten Produktes und weist zudem auf unterschiedliche Zeitangaben hin. Sie bestreitet einen kausalen Zusammenhang und verweist u. a. auf Unverträglichkeiten der kombinierten Mittel. Ihr seien jedenfalls Reklamationsfälle nicht bekannt. Das Mittel werde von ihr nur für gewerbliche Zwecke vertrieben, was schon aus der Verpackungsgröße folge und aus dem fehlenden Hinweis 'Anwendung im Haus- und Kleingartenbereich'. Die Klägerin müsse sich im Übrigen bei einer Bewirtschaftungsfläche von 28 ha als professionelle Obstbäuerin ansehen lassen; in diesen Verkehrskreisen seien die Probleme beim Einsatz schwefelhaltiger Mittel im Obstbau seit rund 40 Jahren bekannt. Auch sei die Empfindlichkeit der betroffenen Apfelsorten in Fachkreisen bekannt. Es sei schließlich nicht fachgerecht, Mittelkombinationen in der Nacht zu spritzen, wenn nachfolgend mit hohen Temperaturen zu rechnen sei.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht die Klage schon daran scheitern lassen, dass der Beklagten eine Verletzung ihrer Instruktionspflicht nicht vorzuwerfen ist, der Schaden - sollte er denn auf das Mittel Thiovit zurückzuführen sein - lediglich auf die nach den Instruktionen unsachgemäße Anwendung des Spritzmittels zurückzuführen sei.
Dazu bemerkt der Senat im Einzelnen:
1. Die Beklagte ist nicht Herstellerin des in Rede stehenden Produktes. Herstellerin ist eine französische Firma. Der Beklagten obliegt lediglich der Vertrieb des Produktes in ........ Das Landgericht hat deshalb zutreffend angenommen, dass allein eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Betracht kommt (BGH NJW 1994, 517).
2. Der Beklagten kann indes nicht vorgeworfen werden, den hier in Betracht kommenden Kreis der Endverbraucher schuldhaft fehlerhaft instruiert zu haben. Der Umfang der Instruktionspflicht hängt davon ab, für welchen Abnehmerkreis ein Produkt in den Verkehr gebracht wird. Wird ein Produkt für den gewerblichen Bereich in den Verkehr gebracht, sind die Instruktions- und Warnpflichten des Herstellers (Vertreibers) deutlich herabgesetzt (BGH NJW 1992, 2016).
So liegen die Dinge hier.
Die Klägerin kann nicht damit gehört werden, sie sei als Hausfrau nicht sachkundig. Die Klägerin führt einen Obstbaubetrieb mit insgesamt ca. 28 ha Anbaufläche. Zu ihrer Unterstützung hat sie einen Betriebsleiter eingestellt. Hinzu kommt, dass die Beklagte unbestritten das in Rede stehende Produkt ausschließlich in einer Verpackungsgröße von 25 kg in den Handel bringt. Damit ist eine sinnvolle Nutzung für den privaten Bereich ausgeschlossen. Dies gilt auch in Ansehung der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 6. Juli 2001 angestellten Überlegungen zu einer sinnvollen Nutzung des fraglichen Mittels im Bereich der Nebenerwerbslandwirtschaft. Der Einsatz moderner Maschinen in der Landwirtschaft bringt es mit sich, dass frühere Vollerwerbsflächen heute vielfach im Nebenerwerb bewirtschaftet werden. Indes ist auch bei Nebenerwerbslandwirtschaft Sachkunde im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln vorauszusetzen, wie § 10 Pflanzenschutzgesetz zu entnehmen ist. Tatsächlich erfordert die Bewirtschaftung von Teilflächen im Nebenerwerb wegen der gleichwohl vorhandenen Wirtschaftsgrößen die gleiche Sachkunde wie sie der Vollerwerbslandwirt haben muss. Wenn deshalb die Beklagte als Vertreiberin des Produkts von einem fachkundigen Endabnehmerkreis ausgehen durfte, dann musste sie auch nur auf solche Produktgefahren hinweisen, die für das Fachpublikum von Relevanz waren. Die Risiken des Einsatzes schwefelhaltiger Pflanzenschutzmittel bei hohen Außentemperaturen sind seit 40 Jahren bekannt. Die Beklagte hat die Produktgefahren mit der fettgedruckten Überschrift 'Wichtige Hinweise' hinreichend hervorgehoben. Der Wortsinn der Erläuterungen war für einen fachkundigen Nutzer auch hinreichend deutlich. Das Mittel bildet einen unter 'Wirkungsweise' beschriebenen Schutzbelag. Es bleibt also zunächst an der Oberfläche der Pflanze haften. Damit aber war für den Fachkundigen ohne Weiteres erkennbar, dass die Warnhinweise sich nicht nur auf die aktuelle Außentemperatur zum Zeitpunkt des Spritzvorganges beziehen konnten, sondern die Anwendung insgesamt bei hohem Außentemperaturniveau im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Aufbringung zu unterbleiben hatte. Die letzte Anwendung ist nach der eigenen Version der Klägerin in der Nacht vom 17. auf den 18. Juni 2000 erfolgt. Schon am 17. Juni 2000 waren für den darauf folgenden Sonntag, den 18. Juni Temperaturen bis 27° und für Montag solche von 30° vorhergesagt worden. Dies ergibt sich aus einer unbestritten gebliebenen Auskunft des Deutschen Wetterdienstes. Eine entsprechende Auskunft zu den tatsächlichen Temperaturen, die der Vorhersage entsprachen, hat die Klägerin im Übrigen schon in erster Instanz zur Gerichtsakte gereicht. Ihr Hinweis auf die angeblich gerichtsbekannte Unzuverlässigkeit von Wettervorhersagen kann nicht verfangen. Zum Zeitpunkt der Ausbringung des Mittels musste nämlich jedenfalls mit hohen sommerlichen Temperaturen gerechnet werden, weshalb nach den Warnhinweisen eine Ausbringung zu unterbleiben hatte. Widerlegt ist durch Vorlage der Wettervorhersage ihre Behauptung, im konkreten Fall sei die Entwicklung auch nicht vorhersehbar gewesen. Ob die Nichtbeachtung der Wettervorhersage aus Sicht der Klägerin ein schuldhaft vorwerfbares Verhalten war, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Maßgeblich ist allein, dass bei Beachtung der hinreichend deutlich gefassten Warnhinweise von einer Anwendung hätte Abstand genommen werden müssen. Dass sich das Temperaturniveau wegen der Anhaftung des Mittels nicht nur auf den Zeitpunkt des Spritzvorgangs beziehen konnte - mithin durch Anwendung in den Nachtstunden auch nicht 'umgangen' werden konnte - verstand sich für den sachkundigen Anwenderkreis von selbst.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die sonstigen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 2, 103 ZPO.