Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.08.2001, Az.: 9 W 160/01
Ungleiche Parteibehandlung als Grund zur Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit; Ablehnung eines wegen Urlaubsabwesenheit des Beklagten zum Termin gestellten Terminsantrags; Anordnung des persönlichen Erscheinens nur des Beklagten zum Termin
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.08.2001
- Aktenzeichen
- 9 W 160/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 30664
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:0816.9W160.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 02.08.2001 - AZ: 9 AR 13/01
Rechtsgrundlagen
- § 42 Abs. 1 ZPO
- § 42 Abs. 2 ZPO
Fundstellen
- KF 2002, 92
- NJW-RR 2002, 72 (Volltext mit red. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2001, 300-301
Verfahrensgegenstand
Richterablehnung
In dem Rechtsstreit
...
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 16. August 2001
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 8. August 2001 wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 2. August 2001 geändert.
Das Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 9. Juli 2001 gegen den Richter am Amtsgericht Alvino wird für begründet erklärt.
Gründe
Die gemäß §§ 46 Abs. 2, 577 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet.
Gemäß § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Dies setzt gemäß § 42 Abs. 2 ZPO voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Ein Ablehnungsgesuch ist dann begründet, wenn Gründe vorliegen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung den Schluss zulassen, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; es ist nicht erforderlich, dass der abgelehnte Richter objektiv befangen ist. Anders als das Landgericht ist der Senat im vorliegenden Fall der Auffassung, dass auch bei objektiver Betrachtung aus der Sicht der Beklagten anzunehmen ist, dass der abgelehnte Richter am Amtsgericht ... der Sache nicht unparteiisch gegenüber steht.
Warum das persönliche Erscheinen der Beklagten zum Termin zur mündlichen Verhandlung angeordnet worden ist, ergibt sich weder aus der in der Akte niedergelegten (besonderen) Verfügung des Richters noch aus der der Beklagten übermittelten Ladung. Die Anordnung musste der Beklagten - ebenso wie dem Senat - unverständlich erscheinen. Der im Gesetz genannte Zweck der Anordnung ("zur Aufklärung des Sachverhalts") konnte im damaligen Stadium des Verfahrens nicht maßgeblich sein, weil nur die Anspruchsbegründung der Klägerin vorlag, deren etwaige Mängel zu beheben oder Lücken zu schließen in erster Linie Sache der Klägerin, nicht aber der Beklagten gewesen wäre; das persönliche Erscheinen der
- anwaltlich nicht vertretenen - Klägerin war aber gerade nicht auch angeordnet worden.
Ob bereits diese Verfahrensweise und die ungleiche Behandlung der Parteien Zweifel der Beklagten an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters ihr gegenüber wecken konnten - immerhin sollte die Beklagte aus mehr als 300 km Entfernung anreisen, ohne dass sie sich durch ihren bereits bestellten Anwalt zur Sache geäußert hatte -, kann dahin stehen. Jedenfalls waren solche Zweifel berechtigt, als der Richter den Antrag des Beklagtenvertreters ablehnte, die Anordnung aufzuheben, weil die Beklagte am Terminstag im Jahresurlaub sei, obwohl ihr Anwalt zugleich eine schriftsätzliche Erwiderung angekündigt hatte. Nachdem schon nicht erkennbar geworden war, warum der Richter nicht wegen großer Entfernung von der Anordnung des persönlichen Erscheinens der Beklagten absehen wollte (vgl. § 141 Abs. 1 Satz 2 ZPO), gab er ihr nicht einmal Gelegenheit, den - an sich stichhaltigen - Entschuldigungsgrund (Jahresurlaub) glaubhaft zu machen und, falls nötig, zu konkretisieren (Urlaubsort etc.); darauf, wann der Urlaub beginnen und enden sollte, kam es entgegen der in der dienstlichen Äußerung niedergelegten Auffassung des abgelehnten Richters nicht an. Außerdem war nach wie vor nicht auch die Klägerin geladen, und es war nicht abzusehen, welcher Aufklärungsbedarf nach der bevorstehenden anwaltlichen Klagerwiderung überhaupt noch bestehen würde und warum er ggf. allein durch die Beklagte befriedigt werden sollte.
Unter diesen Umständen ist die Besorgnis auch einer um objektive Betrachtung bemühten Partei begründet, der Richter stehe ihr nicht unvoreingenommen gegenüber.