Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 13.03.2000, Az.: 15 UFH 1/00

Selbstständiges Beweisverfahren sowie Beweiserfordernis und Beweisanordnung; Beweissicherung im Wege der Exhumierung zur Feststellung der Vaterschaft; Vaterschaftsausschluss auf Grund einer serologischen Blutmerkmalsuntersuchung ; Entscheidung über eine Restitutionsklage und Anrufung des Streitgerichts; Tod des in Anspruch genommenen Mannes im Vaterschaftsprozess; Fünf- Jahres- Frist nach Rechtskraft des Vorprozessurteils als absolute Frist einer Restitutionsklage; Umdeutung eines Antrages im Restitutionsverfahren als familiengerichtliches Beschlussverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
13.03.2000
Aktenzeichen
15 UFH 1/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 31549
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2000:0313.15UFH1.00.0A

Fundstellen

  • FamRZ 2000, 1510-1512 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 2000, 1100-1102 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2000, 116-119

Verfahrensgegenstand

Selbständige Beweisanordnung zwecks Wiederaufnahme der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft

In der Kindschaftssache
hat der 15. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 13. März 2000
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag, im Wege der Beweissicherung die Exhumierung des verstorbenen Vaters der Antragsgegnerinnen, ..., anzuordnen und einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens über seine Vaterschaft zur Antragstellerin zu beauftragen, wird auf Kosten der Antragstellerin nach einem Gegenstandswert von 5.000 DM als unzulässig verworfen.

Gründe

1

A.

Die Antragsgegnerinnen sind die ehelichen Töchter des am ... verstorbenen ..., die Antragstellerin behauptet, dessen nichteheliche Tochter zu sein. Ihre Klage auf Feststellung der Vaterschaft ist durch Urteil des Amtsgerichts ... vom 30. September 1981 - 14 C 1137/80 - nach Erhebung von Zeugen- und Sachverständigenbeweis abgewiesen worden; die serologischen Blutmerkmalsuntersuchungen hatten einen dreifachen Vaterschaftsausschluss erbracht. Die auf die Behauptung, den Untersuchungen habe nicht das Blut von A. B. zugrundegelegen, gestützte Berufung der Antragstellerin ist durch Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 24. März 1983 - 14 U 228/81 - als unbegründet zurückgewiesen worden.

2

Die Mutter der Antragstellerin ist bei ihren zwischenzeitlichen Recherchen auf den Zeugen ... gestoßen, der am 12. Oktober 1999 eidesstattlich versichert und am 6. November 1999 zu Protokoll der Kriminalinspektion I.-O. erklärt hat, der verstorbene ... habe ihm mehrfach bei gemeinsamen Gaststättenbesuchen erzählt, dass er mehrere nichteheliche Kinder habe, darunter auch eines gemeinsam mit der Mutter der Antragstellerin, jedoch sei es ihm mittels eines Tricks und der Gefälligkeit des Arztes, der das Blut für die gerichtliche Begutachtung im Vaterschaftsfeststellungsprozess entnommen habe, gelungen, seine Inanspruchnahme als Vater abzuwenden. Nach dem Vortrag der Antragstellerin hat der Arzt die Blutproben dem seinerzeit beklagten ..., der ihn vereinbarungsgemäß außerhalb der Sprechstunde zusammen mit einer seiner Töchter aufgesucht habe, zur Weiterleitung an den Sachverständigen mitgegeben; diese Blutproben seien manipuliert worden.

3

Die Antragstellerin beantragt beim vormaligen Berufungsgericht,

4

im Wege der Beweissicherung den verstorbenen A. B. zu exhumieren und einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Abstammungsgutachtens zu beauftragen zwecks Feststellung, dass der Verstorbene der Vater der Antragstellerin ist.

5

B.

Der Antrag ist unzulässig.

6

I.

Ein selbständiges Beweisverfahren ist bei demjenigen Gericht zu beantragen, das unter Zugrundelegung des vorgetragenen Sachverhalts zur Entscheidung in der Hauptsache berufen wäre (§ 486 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

7

1.

Ihr in der Hauptsache angestrebtes Ziel benennt die Antragstellerin als Restitutionsklage. Insofern bringt sie ihren Beweisantrag beim künftigen Streitgericht an.

8

a)

Zur Entscheidung über eine Restitutionsklage berufen wäre das Oberlandesgericht. Dessen Zuständigkeit als Eingangsgericht sowohl für eine auf Restitutionsgründe nach § 580 ZPO als auch für eine auf den Restitutionsgrund nach § 641 i ZPO gestützte Restitutionsklage ergäbe sich daraus, dass es im Vorprozess im Jahre 1983 die Berufung gegen das die Vaterschaftsfeststellungsklage der jetzigen Antragstellerin abweisende amtsgerichtliche Urteil aus Sachgründen zurückgewiesen und demzufolge im Sinne der §§ 584 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1, 641 i Abs. 3 ZPO das mit der Restitution anzufechtende Urteil "erlassen" hat.

9

b)

Im Rahmen der sich aus der Anrufung als künftiges Streitgericht ergebenden Zuständigkeit hat der Senat den Beweisantrag als unzulässig zu verwerfen. Mit der Anrufung des Streitgerichts hätte die Antragstellerin den falschen Verfahrensweg eingeschlagen. Denn als Klageverfahren vor dem Streitgericht kann die Restitution nicht mehr stattfinden.

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aa)

Mit dem Tod des im Vorprozess auf seine Vaterschaft in Anspruch genommenen Mannes ist für jegliches Klageverfahren, das die Wiederherstellung des Vaterschaftsfeststellungsprozesses zum Gegenstand hat, der allein passivlegitimierte Prozessgegner (§ 1600 e Abs. 1 BGB) entfallen; ebensowenig wie das Streitverfahren gegen den verstorbenen früheren Beklagten im Falle seines Todes vor dem rechtskräftigen Abschluss des Feststellungsprozesses noch hätte fortgesetzt werden können (§§ 640 Abs. 1, 619 ZPO), kann sich das zu restituierende Streitverfahren gegen den Toten richten. Gegen seine Erben kann die Restitutionsklage nicht geführt werden, denn dessen personenrechtliche Rechtsstellung zur Antragstellerin ist, anders als seine vermögensrechtliche, nicht auf seine Erben übergegangen, rechtlicher Ansatzpunkt einer Wiederaufnahme ist aber allein der Gegenstand der Hauptsache und damit hier die personenrechtliche Beziehung. Darüber hinaus konnten Restitutionsgründe nach § 580 ZPO nur innerhalb von fünf Jahren ab Rechtskraft des Vorprozessurteils geltend gemacht werden; mit Ablauf dieser absoluten Frist ist eine Restitution aus Gründen strafbarer früherer Unwahrhaftigkeit - unabhängig davon, ob die Antragstellerin sie innerhalb der Frist durchzusetzen überhaupt in der Lage war - unstatthaft geworden (§ 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

11

bb)

Raum für eine reine Beweisklärung ohne potentielles späteres Hauptverfahren, in welchem sie verwertet werden könnte (§ 493 Abs. 1 ZPO), eröffnet auch das selbständige Beweisverfahren nicht; aus den Verhältnissen, die durch den Beweis festgestellt werden sollen, muss überhaupt ein zivilprozessualer Rechtsstreit entstehen können (Stein/Jonas/Leipold 1999 Rz. 2 vor § 485 ZPO).

12

aaa)

Die Sicherung des Beweises (§ 485 Abs. 1ZPO) auf Grund glaubhaft gemachter Verlustgefahr oder Benutzungserschwerung oder mit Zustimmung des Gegners, die das Zugeständnis des im Sicherungsbedürfnis bestehenden Anordnungsgrundes bedeutet, hat lediglich Hilfsfunktion für ein vorgedachtes Hauptverfahren (Klaus Müller, Das selbständige Beweisverfahren, in: Festschrift für Egon Schneider, 1997, Seite 405, 408, 409, 411). Zwar ist im selbständigen Beweisverfahren die Erheblichkeit der mit seiner Hilfe zu beweisenden Tatsachen nicht oder allenfalls kursorisch (Stein/Jonas/Leipold § 485 Rz. 9 m.w.N. in Fn. 9, § 487 Rz. 4) zu prüfen, gleichwohl wird aber die Erhebung dieser Beweise nur zu ihrer Erhaltung im Hinblick auf ein potentielles Hauptverfahren vorgezogen. Sie ist damit funktional an dieses gebunden (Müller a.a.O. Seite 408, 411) und dann nicht zulässig, wenn sie nicht benutzbar werden kann und deshalb funktionslos durchgeführt würde, weil ein zivilprozessuales Streitverfahren denkbarerweise nicht mehr stattfindet.

13

bbb)

Das Beziehungserfordernis zwischen selbständiger Beweisanordnung und einem Hauptverfahren entfällt auch insoweit nicht vollständig, als nach § 485 Abs. 2ZPO zur Wahrung des rechtlichen Interesses der antragstellenden Partei die schriftliche Begutachtung des Zustandes (hier: die Zusammensetzung der Blut- und Erbsubstanzmerkmale) einer Person oder Sache (Leiche) angeordnet werden kann. Der Bezug der begehrten Feststellung zu einer Hauptsache ist insoweit - der gesetzlichen Umschreibung der Tatbestandsmerkmale des Anordnungsgrundes zufolge - zwar nicht zur Hilfsfunktion verdichtet, folgt aber daraus, dass ein rechtliches Interesse nur an einer solchen Feststellung bestehen kann, die zur sachgerechten Wahrnehmung eigener Belange in einer Auseinandersetzung von Bedeutung ist (Müller a.a.O. Seite 414/415). Die Feststellung muss Streitschlichtungsfunktion haben können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann (§ 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Eignung, in dieser Weise einem potentiellen (streitigen) Abstammungsprozess vorzubeugen, fehlt der Erbmerkmalsbestimmung jedoch, wenn der Mann, der allein als Gegner im Rechtsstreit in Betracht käme und seine Führung durch eine Vaterschaftserkennung (§§ 1592 Nr. 2, 1594 Abs. 1, 1597 Abs. 1 BGB, 641 c ZPO) überflüssig machen könnte, verstorben ist und daher eine außergerichtliche Regelung der rechtlichen Vaterschaft als solcher - zu der weder seinen Erben noch seinen Angehörigen die materiell-rechtliche Rechtsmacht eingeräumt ist - ausgeschlossen ist. Stellt aber weder das materielle Recht noch das Zivilprozessrecht eine Möglichkeit zur Verfügung, die Rechtsfolge aus den festzustellenden Befunden herbeizuführen, kann die selbständige Befundfeststellung weder Streitschlichtungs- noch Prozessvermeidungsfunktion entfalten und daher auch nicht rechtlichen Interessen der antragstellenden Partei dienen.

14

2.

Rechtlichen Interessen dienen kann die schriftliche Begutachtung nur insofern und insoweit, als die antragstellende Partei deren Schutz vor Gericht verfolgen kann. In Vaterschaftsfeststellungssachen kommt dies nach dem Tod des alleinigen passivlegitimierten Gegners nur noch im familiengerichtlichen Beschlussverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Betracht (§ 1600 e Abs. 2 BGB, §§ 55 b, 64 Abs. 3 Satz 1 FGG, § 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Nur dieser Verfahrensweg ist - nicht nur bei Tod des Gegners bereits vor der Erstklage oder seinem Versterben während des Erstprozesses vor Urteilsrechtskraft, sondern auch bei seinem Tod zwischen Erstprozess und erneuter Belangung, in diesem Fall durch analoge Anwendung des § 1600 e Abs. 2 BGB (Kammergericht NJW-RR 1998, 1229 = FamRZ 1998, 382; OLG Hamm NJW-RR 1986, 1452 [OLG Hamm 03.07.1986 - 15 W 251/86] = DAVorm. 1987, 1001 für eine Ehelichkeitsanfechtung alten Rechts, § 56 c FGG) - noch eröffnet.

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a)

Demzufolge ist das von der Antragstellerin in der Hauptsache erstrebte Ziel - an Stelle der von ihr benannten Klage - in einem Restitutionsverfahren als familiengerichtlichem Beschlussverfahren zu sehen. Insofern will sie ihren selbständigen Beweisantrag bei dem in diesem Verfahrensweg für die Einleitung des künftigen Restitutionsverfahrens zuständigen Familiengericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit anbringen (§ 621 Abs. 1 Nr. 10 ZPO).

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b)

Einer Abgabe oder Verweisung dieses Beweisantrags zur weiteren Behandlung im Verfahrensweg der freiwilligen Gerichtsbarkeit bedarf es nicht. Denn zur Entscheidung über einen Restitutionsantrag im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wäre wiederum das Oberlandesgericht berufen. Auch insoweit ergäbe sich dessen Zuständigkeit daraus, dass es als Streitgericht im Vorprozess im zweiten Rechtszug das mit der Restitution anzufechtende Urteil i.S. der §§ 584 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1, 641 i Abs. 3 ZPO "erlassen" hat (anderer Ansicht Kammergericht a.a.O.) und dass durch das KindRG nunmehr das Oberlandesgericht auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit - wie im Streitverfahren - das Gericht des zweiten Rechtszuges ist (§ 64 Abs. 3 Satz 1 FGG, § 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG). § 1600 e Abs. 2 BGB regelt nicht mit Vorrang vor § 641 i Abs. 3 ZPO die Zuständigkeit des Einleitungsgerichts (anderer Ansicht Kammergericht a.a.O.), sondern generell den Verfahrensweg; seine Formulierung ("entscheidet das Familiengericht") ist auf die gesetzlich geregelten Fälle des Versterbens des Prozessgegners vor der Erstklage oder während des Erstprozesses vor Urteilsrechtskraft abgestellt, also auf diejenigen Fälle, in denen, anders als beim Ausgangssachverhalt für ein Restitutionsverfahren, von vornherein oder durch Erledigung des Verfahrens (§§ 640 Abs. 1, 619 ZPO) keinerlei zu beachtende Hauptsacheentscheidung existent war oder geblieben ist. Den besonderen Anknüpfungspunkt für die Einleitungszuständigkeit beim Vorhandensein einer gültigen Entscheidung, den das Wiederaufnahmeverfahren der letzten Tatsacheninstanz zuordnet, spricht § 1600 e Abs. 2 BGB nicht an, weil insgesamt die Restitution bei Tod des Gegners nach Rechtskraft des Vorprozessurteils nicht unmittelbar gesetzlich geregelt ist. Für die Einleitungszuständigkeit im Fall entsprechender Anwendung der Wiederaufnahmevorschriften ist daher § 641 i Abs. 3 ZPO die - insofern die aus § 1600 e Abs. 2 BGB folgende Zuständigkeit derogierende - speziellere und auch, jedenfalls nach Vereinheitlichung des Rechtsmittelzuges durch das KindRG, sachgerechte Regelung, sodass die Restitution bei dem ihr im Instanzenzug entsprechenden Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beantragen ist.

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3.

Auch auf Grund der so begründeten Zuständigkeit muss der Senat den Beweisantrag als unzulässig verwerfen.

18

a)

Zwar können in sog. echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen die Feststellung der Vaterschaft zählt (BGH NJW 1974, 494, 495 [BGH 21.12.1973 - IV ZR 101/72] = LM § 1600 n BGB Nr. 1), sowohl die Bestimmungen der ZPOüber das selbständige Beweisverfahren (Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt, Freiwillige Gerichtsbarkeit 14. Aufl. § 15 FGG Rz. 67 m.w.N. in Fn. 275; Bumiller/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit 7. Aufl. § 15 FGG Rz. 30; OLG Frankfurt NJW-RR 1997, 581 = FamRZ 1997, 1021, 1022 m.w.N.) als auch diejenigen über die Wiederaufnahme eines Verfahrens (Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt a.a.O. § 18 FGG Rz. 67, 69 m.w.N. in Fn. 249, 251, 265; Bumiller/Winkler a.a.O. § 18 FGG Rz. 21, § 56 c Rz. 12) entsprechend angewendet werden. Das aber bedeutet zugleich, dass die Begutachtung durch einen Sachverständigen nur dann angeordnet werden kann, wenn die Anordnungsvoraussetzungen hierfür beim Infragekommen einer Restitutionsklage vorlägen.

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b)

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Ausgehend von grundsätzlicher Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens in Kindschaftssachen (Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast 2. Aufl. Bd. 2, 1999, § 1600 d BGB Rz. 66) bei Beachtung spezifischer Kautelen,(Schuschke, Selbständige Beweisverfahren in Kindschaftssachen, in: Festschrift für Egon Schneider, 1997, Seite 179 f.) kann es gleichwohl nicht zur Vorbereitung einer Restitutionsklage nach § 641 i ZPO eingesetzt werden. Der infolge des Verstreichens der allgemeinen Frist für Wiederaufnahmeklagen (§ 586 ZPO) allein noch in Frage kommende unbefristete Wiederaufnahmegrund aus § 641 i Abs. 1, 4 ZPO besteht in der Vorlage eines neuen Gutachtens. Die Gutachtensvorlage als solche ist Voraussetzung der Zulässigkeit der Restitution. Zur Zulässigkeit der Restitution genügt es nicht, eine Beweisaufnahme durch das Gericht anzustreben, die sich auf die Einholung des Gutachtens erstreckt und dieses erst beschafft (BGH NJW 1994, 589 = FamRZ 1994 235 = MDR 1994 920; BGH NJW 1982, 2128 = FamRZ 1982, 690 = MDR 1982, 930; OLG Stuttgart FamRZ 1982, 193; OLG Celle FamRZ 1971, 592, 593; Schuschke a.a.O. Seite 189). Dies bewirkt, dass auch das Vorziehen der Beweisaufnahme in ein dem Restitutionsverfahren vorangestelltes, dessen Vorbereitung dienendes selbständiges Beweisverfahren, mit dessen Hilfe sich ein Antragsteller den Zugang zu einem Restitutionsverfahren überhaupt erst eröffnen will, nicht zulässig ist (Schuschke a.a.O. Seite 189; OLG Köln FamRZ 1995, 369, 370 [OLG Köln 30.05.1994 - 16 W 24/94]; OLG Düsseldorf FamRZ 1978, 206; Gaul, Zum Anwendungsbereich des § 641 i ZPO, in: Festschrift für Friedrich Wilhelm Bosch, 1976, Seite 241, 262/263). Ohne bereits geschaffene Zugangsvoraussetzung kann eine Restitution nicht zulässigerweise eingeleitet werden, ein gerichtliches Verfahren zur Schaffung der Zugangsvoraussetzung stellen die gesetzlichen Verfahrensordnungen - bewusst (BT-Drs. V/3719 Seite 42 re. Sp. im 2. Abs.) - nicht zur Verfügung.

20

c)

Infolgedessen fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage, die eine Verpflichtung Dritter aus § 372 a ZPO, an der Erstellung des Gutachtens durch Duldung der Blut- und Erbsubstanzentnahme mitzuwirken, zur Entstehung brächte; eine Duldungspflicht wird weder durch unzulässige, weil zur Schaffung der Zugangsvoraussetzung für eine Restitution getroffene Anordnung der Begutachtung durch einen Sachverständigen, noch eigenständig durch § 485 Abs. 2 ZPO (Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl. § 485 Rz. 8 a. E.) begründet. Dies wiederum bedeutet sowohl, dass nahe Blutsverwandte des früheren Beklagten, deren Einbeziehung in eine Begutachtung im gegebenen Defizienzfall dem schwerer wiegenden Eingriff in die Totenruhe vorginge, die Mitwirkung verweigern dürfen, als auch, dass die (analog § 2 des Feuerbestattungsgesetzes) zur Totenfürsorge berechtigten nächsten Angehörigen des Verstorbenen, deren Legitimation nicht mit der Bestattung geendet hat, sondern an der beigesetzten Leiche fortbesteht (Staudinger/Dilcher BGB 13. Aufl. § 90 Rz. 26 a. E.; Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts 5. Aufl. Seite 183; LG Detmold NJW 1958, 265 [LG Detmold 30.08.1957 - O 226/57] = FamRZ 1958, 280 m. Anm. Baumann) und sich infolge der persönlichkeitsrechtlichen Ableitung vom Verstorbenen (H. Schünemann, Die Rechte am menschlichen Körper 1985 Seite 282; MünchKomm.BGB/Leipold 3. Aufl. § 1922 Rz. 51) auf die Entnahme von Gewebe und anderer Körpersubstanz erstreckt (Gaedke a.a.O. Seite 117; Gucht JR 1973, 234 bezüglich Leichenöffnung), dem Eingriff in die für die (an die Mindestruhezeit anzulehnende, vgl. Staudinger/Dilcher a.a.O. § 90 Rz. 23; Schünemann a.a.O. Seite 273) Dauer der Totenehrung zu schützende Totenruhe (BGH FamRZ 1978, 15; OLG Zweibrücken NJW-RR 1993, 1982 = MDR 1993, 878; OLG Oldenburg FamRZ 1990, 1273, 1274 [OLG Oldenburg 19.06.1990 - 12 U 26/90]; OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 1159, 1160; OLG Schleswig NJW-RR 1987, 72, 73 [OLG Schleswig 14.05.1986 - 4 U 202/85]; LG Gießen NJW-RR 1995, 264, 265 [LG Gießen 29.06.1994 - 1 S 109/94]; LG Detmold a.a.O.; Baumann FamRZ 1958, 281, 282) durch Exhumierung der Persönlichkeitshülle und Verletzung des Leichnams nicht entgegen dem - sie grundsätzlich bindenden (BGH NJW-RR 1992, 834 [BGH 26.02.1992 - XII ZR 58/91] = FamRZ 1992, 657 [BGH 26.02.1992 - XII ZR 58/91]) - mutmaßlichen Willen des Verstorbenen zuzustimmen brauchen.

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4.

Auf § 164 FGG kann die Antragstellerin ihren Antrag nicht stützen. Der in dieser Bestimmung vorgesehene Antrag, einen Sachverständigen zu ernennen, ist weder beim Oberlandesgericht noch beim Vorprozessgericht, in dessen Bezirk der frühere Beklagte nicht begraben liegt, anzubringen; darüber hinaus liegt die tatbestandliche Voraussetzung des § 164 FGG, dass ein in zivilrechtlichen Vorschriften gewährter Anspruch auf Feststellung des Zustandes einer Sache verfolgt wird, offensichtlich nicht vor.

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5.

Schließlich findet der Antrag auch im Landesrecht keine Grundlage. Die ursprünglich in Art. 27 und jetzt in Art. 23 des Niedersächsischen Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit (GVBl. 1958, 117) vorgesehene gerichtliche Beurkundung von Sachverständigengutachten setzt deren freiwillige Erstattung voraus; zuständig für eine derartige Beweissicherung (vgl. Hornig Nds. Rpfl. 1958, 101, 102), die in einer bloßen Urkundstätigkeit besteht (so die gesetzliche Abschnittsüberschrift), sind die Amtsgerichte.

23

III.

Die Kosten ihres unzulässigen Antrags sind der Antragstellerin aufzuerlegen, weil diese einem Hauptsacheverfahren, dessen Kostenentscheidung sie folgen könnten, nicht zugeordnet werden können (Stein/Jonas/Leipold a.a.O. Rz. 8 vor § 485 ZPO; MünchKomm. ZPO/Schreiber § 485 Rz. 20, 21; Thomas/Putzo a.a.O. § 494 a Rz. 6, je m.w.N.).

24

Die Wertfestsetzung beruht auf § 30 Abs. 3 KostO.