Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 09.03.2000, Az.: 13 U 21/99
Rückgriffsanspruch aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag; Anspruch auf Aufwendungsersatz; Mängel an einem Bau; Verstoß einer Vertragsklausel gegen Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBs)
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 09.03.2000
- Aktenzeichen
- 13 U 21/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 31948
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2000:0309.13U21.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 03.12.1998 - AZ: 2 O 268/98
Rechtsgrundlagen
- § 675 BGB
- § 670 BGB
- § 13 VOB/B
- § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG
Fundstellen
- BauR 2000, 1356-1357 (Volltext mit amtl. LS)
- IBR 2001, 190
- OLGReport Gerichtsort 2001, 17
- OLGReport Gerichtsort 2000, 4
- ZAP EN-Nr. 0/2000
Amtlicher Leitsatz
Ungeachtet des Rückgriffsanspruches des Bürgen aus § 774 BGB infolge gesetzlichen Forderungsüberganges kann der Bürge aus dem der Bürgschaft zu Grunde liegenden Auftragsverhältnis nach Zahlung Rückgriff in dem Umfang nehmen, wie dies objektiv zur Befriedigung der Ansprüche des Gläubigers geboten war. Maßstab dafür ist das verständige Ermessen des Bürgen.
Sachgerecht handelt der Bürge, wenn er den Schuldner nachdrücklich zur Information auffordert und bei unzureichender Mitwirkung auf der Basis der Auskünfte des Gläubigers leistet.
In dem Rechtsstreit
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung der Richter ..., ... und ...
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2000
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 3. Dezember 1998 - 2 O 268/98 - teilweise geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 55.204,56 DM nebst 2% Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank auf 6.997,34 DM seit dem 22. Juli 1997, auf weitere 21.603,61 DM seit dem 6. August 1997, auf weitere 21.603,61 DM seit dem 12. August 1997 und auf weitere 5.000 DM seit dem 29. August 1997 sowie 30 DM außergerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 89% und der Kläger zu 11% mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Streithelfer, die die Beklagte zu 89% und die Streithelfer zu 11% zu tragen haben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 62.199,91 DM.
Beschwer: jeweils unter 60.000 DM.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat weitgehend Erfolg.
I.
Dem Kläger steht ein Rückgriffsanspruch aus §§ 675, 670 BGB auf Zahlung von 55.204,56 DM zu. Weiter gehende Aufwendungen durfte der Kläger bei richtiger sachlicher Prüfung der von den Streithelfern zur Begründung ihrer Gewährleistungsansprüche angeführten Daten nicht für berechtigt halten.
1.
Zutreffend ist das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund der von ihm am 23. September 1993 und 14. März 1994 übernommenen Bürgschaften über 150.000 DM bzw. 140.000 DM den Streithelfern bei nicht vertragsgemäßer Ausführung der beiden Wohneinheiten in ..., ..., Zahlungen für die Kosten der Mangelbeseitigung zu leisten hatte.
Der Rückgriffsanspruch des Klägers nach Zahlung an die Streithelfer als Gläubiger der Beklagten besteht unabhängig davon, ob die Zahlung des Klägers objektiv zur Befriedigung der Gewährleistungsansprüche der Streithelfer erforderlich war. Denn anders als der Rückgriffsanspruch aus § 774 BGB, der auf einem gesetzlichen Forderungsübergang in Höhe der objektiv berechtigten Leistungen beruht, setzt der auf den der Bürgschaft zugrunde liegenden Auftragsverhältnis basierende Aufwendungsersatzanspruch nur voraus, dass der Bürge seine Leistungen an den Gläubiger für erforderlich halten durfte. Maßstab für die Erforderlichkeit ist das verständige Ermessen des Bürgen. Dieser hat vor der Leistung an den Gläubiger dessen Anspruch sorgfältig unter Berücksichtigung aller ihm bekannter Umstände zu prüfen und sich insbesondere durch Befragung des Schuldners über etwa vorhandene Einreden und Einwendungen kundig zu machen (vgl. BGHZ 95, 375, 388 [BGH 19.09.1985 - IX ZR 16/85], OLG Hamm NJW-RR 1997, 307, 308) [OLG Hamm 12.08.1996 - 2 U 227/95].
2.
Der Kläger hat die ihm zumutbare Überprüfung weitgehend sachgerecht durchgeführt. Er hat nach Eingang des Zahlungsverlangens der Streithelfer vom 18. April 1997 die Beklagte am 15. Mai 1997 angeschrieben und gebeten, Gegenrechte mitzuteilen. Darauf hat die Beklagte mit Schreiben vom 21. Mai 1997 entgegnet, Gegenforderungen in Höhe von über 385.000 DM zu haben und die Regie- und Nacharbeitungskosten seien nicht mitgeteilt worden. Da der Kläger von den Streithelfern noch weitere Angaben erbeten hatte, die er noch im Mai 1997 erhalten hat, erörterte er am 3. Juni 1997 die Angelegenheit telefonisch mit dem Geschäftsführer der Beklagten, der ihm eine ausführliche Stellungnahme zukommen lassen wollte. Dies geschah jedoch nicht. Auch auf nochmalige Anforderung vom 16. Juni 1997 hat die Beklagte ebenso wie auf das Schreiben des Klägers vom 22. Juli 1997, in dem mitgeteilt wurde, dass ein Teilbetrag den Streithelfern überwiesen wurde, nicht reagiert. Erstmals mit Schreiben vom 17. September 1997 hat die Beklagte geltend gemacht, die Dämmung der Balkonplatten beruhe auf keinem von ihr zu vertretenden Mangel. In diesem Zeitpunkt hatte der Kläger jedoch mit deutlichen Streichungen bei den Überwachungskosten der Streithelfer deren Ansprüche bereits befriedigt.
3.
Da die Beklagte der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht bei der Prüfung der Ansprüche der Streithelfer nicht nachgekommen ist, konnte und durfte der Kläger die Berechtigung der Forderung anhand der ihm zugänglichen Unterlagen vornehmen. Dem Kläger war aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 15. August 1996 an die Streithelfer bekannt, dass diese berechtigt waren, am 8. August 1996 einverständlich festgestellte Mängel beseitigen zu lassen und die Kosten dafür von der Beklagten zu tragen waren. Die Mängelbeseitigungskosten haben die Streithelfer aufgelistet und entsprechende Belege für die Arbeiten vorgelegt, sodass der Kläger diese Unterlagen auf die grundsätzliche Berechtigung der Mangelbeseitigungskosten zu überprüfen hatte.
a)
Dem geäußerten Einwand bestehender Gegenforderungen musste der Kläger nicht näher nachgehen, weil die Beklagte trotz Vorhalts diese Gegenforderungen nicht näher spezifiziert hat und nach dem Vortrag der Parteien in diesem Rechtsstreit unstreitig ist, dass das Bauvorhaben ... ... vollständig bezahlt war, wie dies die Streithelfer dem Kläger gegenüber am 30. Juni 1997 ebenfalls nachgewiesen haben.
b)
Auch dem erstmals nach Zahlung durch den Kläger von der Beklagten geäußerten Einwand, die Kläger könnten keine Zahlung mehr verlangen, weil die gegenseitigen Forderungen aus beiden Bauvorhaben ... und ... (= ...) seien durch den Vergleich vom 7. April 1997 erledigt, musste der Kläger nicht näher nachgehen. Angesichts des klaren Vergleichstextes, der sich lediglich auf das Bauvorhaben ... bezog, und mangels jeglicher Erklärung der Beklagten zu diesem denkbaren Einwand der Erledigung des Mangelbeseitigungskostenverlangens, musste der Kläger nicht damit rechnen, der Vergleich solle - wie nunmehr von der Beklagten behauptet wird - auch das Bauvorhaben ... erfassen. Anhaltspunkte für diese Annahme konnte der Kläger nicht haben. Da es für den Rückgriffsanspruch des Klägers gemäß §§ 670, 675 BGB nicht auf den objektiven Bestand der Forderung, sondern auf die sachgerechte Prüfung ankommt, war mithin der unter Beweis gestellten Behauptung der Beklagten zur Erledigung durch Vergleich nicht nachzugehen.
c)
Nach den Erklärungen der Beklagten im Schreiben vom 15. August 1996 gegenüber den Streithelfern waren diese berechtigt, Mangelbeseitigungsarbeiten selbst vornehmen zu lassen. Prüfungsmaßstab des Klägers für die Berechtigung der Streithelfer war damit, welche Arbeiten nach dem 15. August 1996 zur Mangelbeseitigung erforderlich waren.
Bei sorgfältiger Prüfung hätte dem Kläger auffallen müssen, dass in der Aufstellung der Streithelfer auch Arbeiten enthalten sind, die bereits vor August 1996 für die Streithelfer erledigt worden waren und bei denen zudem zweifelhaft ist, ob sie zu einer Mangelbeseitigung erforderlich waren und ob die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruches nach § 13 VOB/B überhaupt gegeben waren. Dementsprechend kann der Kläger die Aufwendungen aus den Rechnungen ... ... vom 19. Januar 1996 über 4.830,76 DM, der Schreinerei ... vom 2. April 1996 über 122,33 DM und der Rechnung ... vom 10. April 1996 über 937,11 DM nicht erstattet verlangen.
Gleiches gilt für die Beschaffung von Brausearmaturen bei ... in Höhe von 238,80 DM, für die ein Beleg nicht eingereicht wurde.
Weiter sind aus der Rechnung ... vom 7. Oktober 1996 276 DM zu streichen, weil ausweislich dieser Rechnung dieser Betrag für das Bauvorhaben ... verlangt wurde. Diesbezüglich hatten sich die Parteien aber verglichen.
Schließlich besteht die Erstattungsfähigkeit der Rechnung ... vom 25. Oktober 1996 über 590,37 DM nicht. Die Verteilung der Ausbesserungsarbeiten auf die Bauvorhaben ... und ... ist anhand dieser Abrechnung nicht ersichtlich, sodass ein Maßstab zur Reduzierung des Rechnungsbetrages für Ausbesserungsarbeiten an dem Bauvorhaben ... nicht vorhanden ist.
d)
Bei sachgerechter Prüfung durfte der Kläger davon ausgehen, dass die Dämmung der Balkonplatten zur Beseitigung der Kältebrücke und der dadurch hervorgerufenen Schimmelpilzbildung erforderlich war. Der Kläger hatte von den Streithelfern die Bauunterlagen angefordert und die Erläuterung erhalten, dass die Beklagte die in den Bauzeichnungen enthaltenen Isolierkörbe nicht eingebaut habe. Dazu wäre die Beklagte, die die schlüsselfertige Erstellung des Bauvorhabens übernommen hatte, aber verpflichtet gewesen, um eine fachgerechte vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Unerheblich ist insoweit, ob die Herstellung der Isolierkörper nach dem Wortlaut des Bauvertrages ausdrücklich geschuldet war. Entscheidend ist, dass diese Leistungen in den Bauzeichnungen enthalten waren, die nach § 2.4. des Generalunternehmervertrages ebenso der Leistungsbeschreibung dienten und die grundsätzlich eher geeignet sind, die geschuldeten Arbeiten im Detail näher zu beschreiben (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 9. Aufl., Rdn. 1032 m.w.N.).
e)
Die gezahlten Planungs- und Überwachungsleistungen in Höhe von 5.000 DM kann der Kläger ebenfalls erstattet verlangen. Er hat die geltend gemachten 25.217,20 DM durch angemessene Streichung des gebotenen Aufwandes sachgerecht reduziert. Eine weitere Aufklärung der einzelnen erforderlichen Fahrten und Überwachungsleistungen war angesichts der Vielzahl der erforderlichen Mangelbeseitigungsarbeiten nicht mehr möglich.
4.
Zusammengefasst kann der Kläger folglich bezüglich folgender Beträge Rückgriff nehmen:
... | 4.293,92 DM |
---|---|
... | 834,90 DM |
... | 1.469,13 DM |
... | 399,39 DM |
... | 43.207,22 DM |
... | 5.000,00 DM |
Summe: | 55.204,56 DM |
Dass der Kläger diese Zahlungen geleistet hat, steht aufgrund der von ihm eingereichten Auszahlungsbelege fest.
5.
Ein darüber hinausgehender Anspruch steht dem Kläger nicht aufgrund der Regelung in § 4 Nr. 1 b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen über einen umfassenden Einwendungsausschluss zu. Insoweit hat das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt, dass diese Regelung gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG verstößt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
II.
Mahnkosten kann der Kläger in beantragter Höhe verlangen. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus der vertraglichen Regelung in § 5 der Versicherungsbedingungen. Da die nicht zuerkannten Erstattungsansprüche Zahlungen vom 22. Juli 1997 betrafen, war die auf diese Beträge gestützte Zinsforderung ebenfalls abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 101 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Festsetzung der Beschwer richtet sich nach § 546 Abs. 2 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Streitwert: 62.199,91 DM.
Beschwer: jeweils unter 60.000 DM.