Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 19.06.1990, Az.: 12 U 26/90
Exhumierung und Umbettung eines Toten ohne Vorhandensein einer testamentarischen Bestimmung aufgrund Unrichtigkeit des Bestattungsortes
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 19.06.1990
- Aktenzeichen
- 12 U 26/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 14944
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1990:0619.12U26.90.0A
Fundstellen
- FamRZ 1990, 1273-1274 (Volltext mit red. LS)
- NJW-RR 1990, 1416-1417 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Einwilligung in die Umbettung eines Verstorbenen
In dem Rechtsstreit
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom ...
unter Mitwirkung
der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht ...
der Richterin am Oberlandesgericht ... und
des Richters am Landgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerinnen gegen das am ... verkündete Urteil des Einzelrichters der ... Zivilkammer des Landgerichts ... wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerinnen haben in erster Instanz die Zustimmung der Beklagten zu der Exhumierung und Umbettung des im ... verstorbenen ... aus seiner Grabstelle in ... auf den Friedhof ... verlangt und Feststellung begehrt, daß die Beklagte die dadurch entstehenden Kosten zu tragen habe. Den ersten Antrag verfolgen sie mit der Berufung weiter.
Die Klägerin zu 1) war seit ... mit dem Verstorbenen verheiratet. Für ihn war es die vierte Ehe. Die Eheleute lebten seit Mitte ... getrennt. Aus der Ehe ist die im ... ... geborene Klägerin zu 2) hervorgegangen. Die Beklagte ist eine Tochter des Verstorbenen aus seiner ersten Ehe mit der im Jahre ... verstorbenen.
Die Beklagte erwirkte nach dem Tode ihres Vaters bei dem Amtsgericht ... eine einstweilige Verfügung vom ..., durch die ihr gestattet wurde, die Leiche ihres Vaters in dem Familiengrab der Familie ... in ... beerdigen zu lassen, und ließ ihn dort beisetzen.
Die Klägerinnen haben ausgeführt: Der Verstorbene habe zwar keine testamentarische Bestimmung darüber getroffen, wo er beerdigt werden wolle, er habe jedoch mehreren Personen gegenüber noch kurz vor seinem Tode geäußert, daß er in ... auf dem Friedhof ... begraben sein wolle. Trotz der Trennung der Eheleute sei der Kontakt zwischen ihnen nicht abgerissen. Der Verstorbene habe beabsichtigt, nach einer Kur zu seiner Familie zurückzukehren. Er habe sehr an der Klägerin zu 2) gehangen, dagegen aber keinen Kontakt mehr zu der Beklagten gehabt.
Mit ihrer zunächst bei den Amtsgericht ... erhobenen, von dort antragsgemäß an das Amtsgericht ... und weiter antragsgemäß wegen sachlicher Unzuständigkeit an das Landgericht ... verwiesenen Klage haben sie beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, in die Exhumierung und Umbettung des am ... in ... verstorbenen ... von dem Friedhof in, ... Grabstelle ... auf den Friedhof in ... an der ... einzuwilligen,
- 2.
festzustellen, daß die Beklagte die Kosten für die Exhumierung und Umbettung des am ... in ... verstorbenen ... zu tragen hat.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, es sei der Wille des Verstorbenen gewesen, in Bremen beerdigt zu werden. Dahingehend habe er sich noch kurz vor seinem Tode geäußert.
Der Einzelrichter der ... Zivilkammer des Landgerichts hat die Klage mit dem am verkündeten Urteil, abgewiesen: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe sich nicht feststellen lassen, ob der Verstorbene in ... oder in habe beerdigt werden wollen. Der Mille der Klägerin zu 1) sei nicht entscheidend, weil sich der Verstorbene von ihr getrennt und abgewandt gehabt habe. Er solle die Ruhe in dem von ihm unterhaltenen Doppelgrab in, ... behalten.
Dagegen wenden sich die Klägerinnen mit ihrer Berufung. Sie führen aus: Dem erstinstanzlichen Urteil liege eine eher heidnisch geprägte Vorstellung von der Totenruhe zugrunde, die der christlich geprägten europäischen Tradition nicht entspreche. Es komme auf den zuletzt geäußerten willen des Verstorbenen an. Dieser habe ... gegenüber Mitte Januar ... geäußert, daß er in auf dem Friedhof an der ... bestattet werden wolle. Dieser Wille habe offensichtlich auch schon vorher nachhaltig bestanden. Ergänzend wiederholen sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Sie beantragen,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, in die Exhumierung und Umbettung des am in ... verstobenen ... von dem Friedhof in ... auf den Friedhof in ... an der ... einzuwilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die gerichtlichen Sitzungsniederschriften und das angefochtene Urteil verwiesen. Die Akten ... des Amtsgerichts ..., ... des Amtsgerichts ... und ... des Landgerichts ... waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerinnen hat keinen Erfolg. Sie haben keinen Anspruch darauf, daß die Beklagte in die Exhumierung und Umbettung ihres am ... verstorbenen Vaters einwilligt. Grundsätzlich entscheidet in erster Linie der Wille des Verstorbenen über die Art. seiner Bestattung und den Ort der letzten Ruhestätte. Nur wenn und soweit ein erkennbarer Wille des Verstorbenen nicht vorliegt, sind nach einem ungeschriebenen gewohnheitsrechtlichen Rechtsgrundsatz die nächsten Angehörigen und Verwandten des Verstorbenen - an erster Stelle der Ehegatte, danach die Kinder - berechtigt und verpflichtet, über Art. und Ort der Bestattung zu entscheiden (BGH FamRZ 1978, 15 f. mit Hinweisen). Nach diesen Grundsätzen bestimmt sich auch, ob ein Anspruch auf Umbettung des Toten besteht.
Bei Streit darüber, ob der Verstorbene umgebettet werden soll, weil der Bestattungsort nicht richtig oder nicht von der zur Entscheidung berufenen Person bestimmt worden ist, können Pietät und die Achtung vor der Totenruhe einem Verlangen nach Umbettung entgegenstehen (BGH a.a.O.; RGZ 108, 271 f; RGZ 154, 269). Der Tote hat Anspruch auf Pietät und Wahrung der Totenruhe. Die Umbettung einer einmal beigesetzten Leiche kann nur aus ganz besonderen Gründen verlangt werden. Verwandtenstreit muß an der Achtung vor der Ruhe der Toten seine Schranken finden (RGZ 154, 275). Ein besonderer Grund, der die Umbettung des Toten zu rechtfertigen vermag, liegt dann vor, wenn der Verstorbene selbst den Ort seiner letzten Ruhe anders bestimmt hatte.
Über seinen letzten Willen dürfen sich die Angehörigen nicht hinwegsetzen, dieser ist auch dann maßgeblich, wenn dies eine Umbettung erforderlich macht (BGH a.a.O.). Wenn einer der nächsten Angehörigen darauf besteht, daß der Wunsch des Verstorbenen an einem anderen Orte bestattet zu werden, erfüllt wird, muß seinem Verlangen stattgegeben werden, wenn es nicht rechtsmißbräuchlich ist.
Aufgrund des Ergebnisses der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme und den gesamten Umständen ist aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, daß der Verstorbene im Zeitpunkt seines Todes den Wunsch und Willen hatte, in ... auf dem Friedhof ... beerdigt zu werden. Er hat sich nämlich nach den Aussagen der Zeugen ... und ... und ... darüber wiederholt zu verschiedenen Zeiten immer wieder unterschiedlich geäußert. Die urkundenbeweisliche Verwertung der Aussagen der beiden letztgenannten Zeugen in dem Rechtsstreit ... des Amtsgerichts ... ist zulässig; der Zustimmung des Gegners bedarf es dazu nicht (Zöller/Stephan, 15. Aufl., § 373 ZPO Rdnr. 9). Daß der Verstorbene sowohl den Wunsch geäußert hat, in ... in dem Doppelgrab neben seiner ersten Frau, der Mutter der Beklagten, beerdigt zu werden, dann aber auch wieder gewünscht hat, er wolle in ... auf dem Friedhof an der ... begraben sein, läßt den Schluß zu, daß sein endgültiger Wille darüber noch nicht feststand und sein Entschluß noch schwankend war. Selbst wenn seine letzte bekanntgewordene Äußerung darüber, wo er begraben zu werden wünschte, nach der Aussage der Zeugin ... dahin lautete, daß er in ... ruhen wollte, steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, daß er daran bis zu seinem Tode festgehalten hat. Der Umstand, daß er von der Klägerin zu 1) getrennt lebte und zwischen ihnen ein Unterhaltsrechtsstreit geführt wurde, insbesondere aber auch die Tatsache, daß sein Todeszeitpunkt unbekannt geblieben ist, er also mangels hinreichenden Kontaktes zu den Klägerinnen einsam gestorben ist und erst durch seinen Bruder gefunden wurde, läßt es nicht ausgeschlossen erscheinen, daß der Verstorbene seinen Willen nochmals geändert hat. Daß er darüber keine schriftliche Verfügung getroffen hat, obwohl ihn die Frage, wo er einmal bestattet werden würde, immer wieder beschäftigt hat und obwohl es ihm in seiner letzten Lebenszeit gesundheitlich nicht gut ging, könnte ebenfalls dagegen sprechen, daß er über den Ort seiner Bestattung einen endgültig feststehenden Willensentschluß gefaßt hat.
Andere besondere Gründe, die es zu rechtfertigen vermöchten, die Ruhe des Verstorbenen zu stören, liegen ersichtlich nicht vor. Insbesondere stellt es keinen solchen besonderen Grund dar, daß die Klägerin zu 2) an ihrem Vater sehr gehangen hat und sein Grab in ... nicht so häufig besuchen kann. Auch der Umstand, daß die Klägerin zu 1) das Grab in ... nicht selbst pflegen kann, rechtfertigt ihr Verlangen nach Einwilligung in die Umbettung des Verstorbenen nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Es besteht kein Grund, die Revision zuzulassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (§ 546 Abs. 1 ZPO).
Streitwertbeschluss:
Streitwert für die Berufungsinstanz: 3.000 DM.