Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.07.2015, Az.: 1 Ws 339/15 (StrVollz)

Ausgestaltung des Rechtsmittels in den Verfahren über die gerichtliche strafvollzugsbegleitende Kontrolle als Beschwerde sui generis; Keine Zuständigkeitskonzentration in Niedersachsen in Beschwerdeverfahren über gerichtliche strafvollzugsbegleitende Kontrolle

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.07.2015
Aktenzeichen
1 Ws 339/15 (StrVollz)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 28041
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:0721.1WS339.15STRVOLLZ.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 12.05.2015 - AZ: 61 StVK 7/15

Amtlicher Leitsatz

Beschwerden in den Verfahren über die gerichtliche strafvollzugsbegleitende Kontrolle nach § 119a Abs. 5 StVollzG werden von der Zuständigkeitskonzentration der § 121 Abs. 3 GVG i.V.m. § 19 Abs. 4 ZustVO-Justiz nicht erfasst.

In der Strafvollzugssache
betreffend D. J.,
geboren am xxxxxx 1962 in N.,
zurzeit Justizvollzugsanstalt R.,
- Verteidigerin: Rechtsanwältin Dr. B., H. -
wegen Mordes
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 61. großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen vom 12. Mai 2015 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxx, den Richter am Oberlandesgericht xxxxxx und den Richter am Oberlandesgericht xxxxxx am 21. Juli 2015
beschlossen:

Tenor:

Das Oberlandesgericht Celle ist zu einer Entscheidung nicht berufen.

Die Sache wird an das Oberlandesgericht Braunschweig zurückgegeben.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 12. Mai 2015 hat die Kammer gemäß § 119 a Abs. 1 Nr. 1 StVollzG festgestellt, dass dem Verurteilten im Zeitraum seit dem 1. Juni 2013 eine Betreuung angeboten worden ist, die § 66 c Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 StGB entspricht. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Verurteilten. Die Kammer hat das Verfahren daraufhin dem 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt. Dieses hat den Vorgang mit der Bitte um Übernahme an den 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle übersandt. Es sieht die Zuständigkeit des hiesigen Senats, der gemäß § 19 Abs. 4 ZustVO-Justiz zur Entscheidung über sämtliche Rechtsbeschwerden nach §§ 116 f. StVollzG zuständig ist, auch für Beschwerden nach § 119 a Abs. 5 StVollzG für gegeben.

II.

Das Oberlandesgericht Celle ist zu einer Entscheidung über die Beschwerde nicht berufen. Zwar ist dieses gemäß § 121 Abs. 3 GVG i. V. m. § 19 Abs. 4 ZustVO-Justiz zur Entscheidung über alle Rechtsbeschwerden nach den §§ 116 f. StVollzG zuständig. Um eine solche handelt es sich jedoch bei dem vorliegenden Rechtsmittel gerade nicht. Ausdrücklich hat der Gesetzgeber das Rechtsmittel in den Verfahren über die gerichtliche strafvollzugsbegleitende Kontrolle nicht als Rechtsbeschwerde, sondern als Beschwerde sui generis (vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 28) ausgestaltet. Abweichend vom sonstigen gegen Entscheidungen der Kammer nach dem StVollzG vorgesehenen Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde ist damit die Kontrolle der gerichtlichen Entscheidung durch das Oberlandesgericht nicht auf Rechtsfehler beschränkt.

1. Durch den in § 119 a Abs. 6 Satz 3 StVollzG enthaltenen Hinweis auf § 117 StVollzG wird die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Celle auf Beschwerden nach § 119 a Abs. 5 StVollzG nicht erstreckt. Denn nach § 117 StVollzG ist zur Entscheidung über das Rechtsmittel gerade das Oberlandesgericht zuständig, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat.

2. Eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Celle ließe sich daher ausschließlich auf eine analoge Anwendung von § 121 Abs. 3 GVG i. V. m. § 19 Abs. 4 ZustVO-Justiz gründen. Insoweit ist aber bereits eine planwidrige Regelungslücke nicht erkennbar. Die Gesetzesmaterialien gehen auf die Regelung des § 121 Abs. 3 GVG in keinster Weise ein, obwohl schon seit längerer Zeit Streit darüber besteht, ob die benannte Regelung auch die in Strafvollzugssachen anfallenden Beschwerden mit umfasst oder nicht (vgl. Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel-Bachmann, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl., Abschnitt P, Rdnr. 101; Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, 6. Aufl., § 117 StVollzG Rdnr. 1 einerseits; AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rdnr. 7 andererseits). Insoweit ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst die Beschwerde nach § 119 a Abs. 5 StVollzG aus dem Anwendungsbereich des § 121 Abs. 3 GKG durch Gestaltung des Rechtsmittels in Abweichung der Regelungen zu §§ 116 f. StVollzG herausnehmen wollte, zumal er sie als Beschwerde sui generis, also abweichend vom Charakter sonstiger Beschwerden, auffasst.

3. Hierzu steht auch die Entscheidung des Senats vom 24. Juni 2015 (1 Ws 290/15 (StrVollz); zur Veröffentlichung vorgesehen) nicht in Widerspruch. Dort hat der Senat - im Einklang stehend mit den zuständigen Strafsenaten auch des Oberlandesgerichts Braunschweig und des Oberlandesgerichts Oldenburg - seine Zuständigkeit für Beschwerden in Strafvollzugssachen bejaht, soweit es sich um prozessuale Nebenentscheidungen zu einer erhobenen oder möglichen Rechtsbeschwerde handelt, um widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden. Insoweit ist von einer Annexkompetenz des Oberlandesgerichts Celle auszugehen. Ein solcher Ansatz ist jedoch bei den Beschwerden nach § 119 a Abs. 5 StVollzG nicht erkennbar, da es sich bei den Entscheidungen nach § 119 a Abs. 1 und 2 StVollzG nicht um Neben-, sondern um Hauptsacheentscheidungen handelt. Auch aus materiellen Gründen, um widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden, ist die Erstreckung der Zuständigkeit auf Beschwerden nach § 119 a Abs. 5 StVollzG nicht geboten. Zum einen entfalten die Entscheidungen nach § 119 a Abs. 7 StVollzG Bindungswirkung auch für solche Verfahren, in denen das Oberlandesgericht Celle aufgrund einer Rechtsbeschwerde zuständig werden sollte. Zum anderen deckt sich die Entscheidung nach § 119 a Abs. 1 und 2 StVollzG größtenteils mit den Entscheidungen, die der Senat des zuständigen Oberlandesgerichts im Fall sofortiger Beschwerden gegen Entscheidungen nach § 67 c und § 67 d StGB zu treffen hat, bei denen eine Zuständigkeitskonzentration über die Grenzen des jeweiligen Oberlandesgerichtsbezirks hinaus jedoch von vornherein nicht in Betracht kommt.