Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 30.05.2005, Az.: 2 A 82/05
Anrechnung; anwaltliche Tätigkeit; Erledigung; Erstattung; Gebühren; Gebührenverordnung; Gegenstand; Geschäftsgebühr; Kosten; Prozessbevollmächtigter; Rechtsanwalt; Verfahren; Verfahrensgebühr; Vergütung; Verwaltungsverfahren; Verzeichnis; Vorverfahren
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 30.05.2005
- Aktenzeichen
- 2 A 82/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 50689
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 151 VwGO
- § 162 Abs 2 VwGO
- § 165 VwGO
Gründe
Der gemäß § 165 i.V.m. § 151 VwGO als Erinnerung statthafte Antrag, mit dem sich die Klägerin gegen die Anrechnung der halben Geschäftsgebühr nach Teil 2 des Vergütungsverzeichnisses -Gebühren VV- Nr. 2400 auf die ihr vom Beklagten zu erstattende Gebühr nach Gebühren VV-Nr. 3100 wendet, hat keinen Erfolg.
Auf der Grundlage der mit Beschluss der Kammer vom 21.März 2005 ergangenen Kostengrundentscheidung können lediglich diejenigen Rechtsanwaltskosten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen die unterlegene Partei festgesetzt werden, welche für die anwaltliche Tätigkeit mit Beginn des gerichtlichen Klageverfahrens in diesem konkreten Klageverfahren entstanden sind, da dem Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden.
Zu diesen Kosten gehören nicht diejenigen Kosten, die im Verwaltungsverfahren entstanden sind, in dem die Klägerin ebenfalls anwaltlich vertreten war. Diese Kosten sind, anders als bei einer Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO die Kosten eines Bevollmächtigten in einem Vorverfahren, nicht erstattungsfähig. Das Verwaltungsverfahren ist kein Vorverfahren in diesem Sinne (Kopp/ Schenke, Kommentar zur VwGO, 13. Auflage, § 162, Rn. 16; VGH München vom 26.06.1998, Az. 8 A 97.40026, NVwZ-RR 1999, Seite 347 [VGH Bayern 26.06.1998 - 8 A 97.40026]).
Dies bedeutet, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zwar eine Geschäftsgebühr nach Gebühren VV-Nr. 2400 verdient hat, dass diese die Klägerin aber selbst tragen muss; ein Anspruch auf Erstattung und damit Festsetzung gegen die unterlegene Partei besteht insoweit nicht.
Gemäß Vorbemerkung 3, Abs. 4 zum Vergütungsverzeichnis des RVG ist bestimmt, dass, wenn wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2400 bis 2403 entstanden ist, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist.
Wie aus dem Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 hervorgeht, ist für die Anrechnung maßgeblich, dass eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2400 bis 2403 entstanden ist. Entstanden ist eine Gebühr, wenn die entsprechende Tätigkeit vorgenommen wurde, für welche die Gebühr berechnet werden kann. Damit ist die Geschäftsgebühr hier entstanden (Gerold/ Schmidt/ von Eicken/ Madert/ Müller-Rabe, Kommentar zum RVG, 16. Auflage, § 1, Rn. 321). Für das Entstehen einer Gebühr kommt es nicht darauf an, dass diese auch tatsächlich schon in Rechnung gestellt wurde bzw. überhaupt in Rechnung gestellt wird. Ferner betrifft die Gebühr denselben Gegenstand, nämlich die Rundfunkgebührenpflicht der Klägerin.
Diese Anrechnung ist aus gesetzessystematischen Gründen erforderlich. Sofern nämlich der Rechtsanwalt bereits außergerichtlich mit der Sache betraut war und die Geschäftsgebühr für das „Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information“ verdient hat, reduziert sich der Umfang seiner diesbezüglichen gerichtlichen Tätigkeit erheblich. Eine „doppelte“ Vergütung ist nicht zu vertreten. Auch ist es nicht erforderlich, einen Rechtsanwalt, der bereits außergerichtlich in derselben Sache tätig war, mit einem Kollegen gleichzusetzen, der direkt einen Prozessauftrag erhält. Außerdem soll die gesetzlich vorgesehene Anrechnung die außergerichtliche Erledigung fördern (vgl. zum Ganzen Hergenröder in: RA-MICRO Online Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 1. Aufl., Teil 3 VV RVG Vorbemerkung 3, Anm. 15; Gerold u.a., a.a.O. 2400-2403 VV Rdnr. 183; Hartung, NJW 2004, 1409, 1416).
Der Hinweis der Klägerin auf die frühere Anrechnungsvorschrift des § 118 Abs. 2 BRAGO verfängt nicht. Diese Vorschrift und die sie ablösende Vorschrift der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zum Vergütungsverzeichnis des RVG haben einen unterschiedlichen Wortlaut:
§ 118 Abs. 2 Satz 1 lautet: „Soweit die in Absatz 1 Nr. 1 bestimmte Geschäftsgebühr für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens entsteht, ist sie auf die entsprechenden Gebühren für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren anzurechnen.“
Der 4. Absatz der Vorbemerkung 3 zum Vergütungsverzeichnis des RVG lautet: „Soweit wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2400 bis 2403 entstanden ist, wird diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet.“
Diese Gegenüberstellung macht deutlich, dass die Anrechnungsvorschrift des RVG weitgehender ist und daher nun auch bei der Kostenfestsetzung in verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist (ebenso Gerold u.a., a.a.O., Rdnr. 211).
Gegen die Höhe der Anrechnung sind Bedenken nicht erhoben und für das Gericht auch nicht ersichtlich.