Landgericht Lüneburg
Urt. v. 08.10.2004, Az.: 4 O 144/04
Anfechtung einer Rechtshandlung im Insolvenzverfahren bei Vorliegen einer inkongruenten Befriedigung; Rückführung eines Kontokorrentkredites nach Stellung des Insolvenzantrages; Zurückbehaltungsrecht an den nach einer Kontokorrentrückführung aufgegebenen Sicherheiten
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 08.10.2004
- Aktenzeichen
- 4 O 144/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 38370
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2004:1008.4O144.04.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - 02.02.2005 - AZ: 3 U 287/04
Rechtsgrundlagen
- § 131 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 InsO
- § 144 Abs. 1 InsO
In dem Rechtsstreit
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 5.8.2004
durch
die Richterin am Landgericht ... als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 83.662,62 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 79.198,03 EUR seit dem 14.5.2004 und aus 83.662,62 EUR seit dem 6.8.2004 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen den ... GmbH. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte auf den Antrag der Geschäftsführer der Insolventschuldnerin vom 20.6.2002. Die Insolvenzschuldnerin unterhielt bei der Beklagten ein Kontokorrentkonto mit der Nr. 4 .... Am 12.6.2002 wies dieses Konto einen negativen Saldo von 79.198,03 EUR auf. Bis zum 20. Juni 2002 wurde der Schuldsaldo vollständig zurückgeführt bis auf ein Guthaben in Höhe von 2.740,9 2 EUR. Hinsichtlich der Einzelheiten der Kontobewegungen wird auf die Anlage K 2 (Bl. 6. A.) Bezug genommen.
Außerdem erfolgte am 4. Juli 2004 die Rückzahlung des Darlehens Nr. 4 ... in Höhe von 4.464,59 EUR. Noch am 20. Juni 2002 unterrichtete die Insolvenzschuldnerin die Beklagte von der Stellung des Insolvenzantrages. Daraufhin kündigte diese die bis dahin bestehende Kontokorrentverbindung.
Der Kläger verfolgt mit der Klage einen Insolvenzanfechtungsanspruch. Er ist der Auffassung, hinsichtlich der Rückführung des Kontokorrents sich auf § 131 Abs. 1 Nr. 1 Inso stützen zu können. Im Hinblick auf die Darlehensrückzahlung bezieht er sich auf § 130 Abs. 1 Nr. 2 Inso.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 83.662,62 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 79.198,03 EUR seit Zustellung der Klagschrift und aus 83.662,62 EUR seit dem 6.8.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Voraussetzungen der von dem Kläger erklärten Anfechtung lägen nach der - auch vom Kläger zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung - nicht vor. Vorsorgliche bestreitet die Beklagte die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin mit Nichtwissen und die Kenntnis der Beklagten davon. Weiterhin macht sie ein Zurückbehaltungsrecht wegen von ihr aufgegeben Sicherheiten geltend. Im Einzelnen wird insoweit auf die Aufstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 28. Juli 2004 Bezug genommen.
Die Akten des Amtsgerichts Schwerin zum Aktenzeichen 580 IN 492/02 lagen zu Informationszwecken vor. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien zum Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Wegen der Rückführung des Kontokorrentkredites zwischen dem 12.6.2002 und 20.6.2002 kann Kläger nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 Inso in Höhe von 79.198,03 EUR anfechten. In dieser Höhe liegt eine inkongruente Befriedigung der Beklagten vor.
Die Verrechnung erfolgte im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Aus den Beiakten des Amtsgerichtes Schwerin ergibt sich eindeutig, dass nur der Antrag vom 20.6.2002 gestellt wurde; dies wurde in der mündlichen Verhandlung vom 5.8.2004 erörtert, der Beklagtenvertreter hat seine zuvor schriftsätzlich geäußerten Bedenken dann nicht mehr weiter ausgeführt. Zu dieser Zeit konnte die Beklagte die Befriedigung ihrer Forderung nicht beanspruchen, denn der Kontokorrent war ungekündigt bis zur Stellung des Insolvenzantrages.
In diesem Umfang stehen der Kreditrückführung auch Auszahlungen nicht gegenüber. Bei Eingängen von 98.467,15 EUR sind nur noch Ausgänge von 16.528,20 EUR im fraglichen Zeitraum zu verzeichnen. Ein Bargeschäft kommt diesbezüglich wegen der Inkongruenz auch nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, vor allem der von beiden Parteien zitierten Entscheidung vom 7.3.2002, sind Verrechnungen, mit denen eigene Forderungen der Gläubigerbank getilgt wurden, im Ergebnis der Anfechtung unterstellt. In Höhe von 79.198,03 EUR ist genau das geschehen, darauf ob dies eine "Zufälligkeit" und keine "Zwangsexekution" gewesen ist, kommt es nicht an. Die von der Beklagten im Schriftsatz vom 25.8.2004 vorgenommene einschränkende Interpretation findet nach Auffassung des Gerichtes im Wortlaut der obergerichtlichen Entscheidungen keine Stütze.
Ein Zurückbehaltungsrecht wegen der nach Kontokorrentrückführung aufgegebenen Sicherheiten an diversen Maschinen der Insolvenzschuldnerin steht der Beklagten nicht zu. Nach dem vorliegend - auch nach Auffassung der Beklagten - anzuwendenden § 144 Abs. 1 Inso lebt das Recht der Beklagten erst nach Rückzahlung der Klageforderung in Höhe 79.198,03 EUR von wieder auf.
Wegen der nach der der Beklagten bekannten Stellung des Insolvenzantrages erfolgten Darlehnsrückzahlung ergibt sich das Anfechtungsrecht in Höhe von 4.464,59 EUR aus § 130 Abs. 1 Nr. 2 Inso.
Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 ZPO.