Landgericht Lüneburg
Beschl. v. 12.10.2004, Az.: 3 T 67/04

Beschwerdeführer wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die Ermäßigung seiner Verwaltervergütung; Abschläge im Hinblick auf geleistete Vorarbeiten als vorläufiger Insolvenzverwalter und Abschlag für eine Gläubigerzahl unter 50; Belastung des Verwalters bei der Verfahrensabwicklung unter der eines Normalverfahrens; Abschlag wegen fortgeschrittener Masseverwertung

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
12.10.2004
Aktenzeichen
3 T 67/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 35154
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2004:1012.3T67.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Uelzen - 09.06.2004 - AZ: 7 IN 125/02

Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg hat
am 12.10.2004
durch
die Richterin am Landgericht xxx als Einzelrichterin
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 23.06.2004 wird der Beschluss des Amtsgerichts Uelzen vom 09.06.2004 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Vergütung des Insolvenzverwalters wird festgesetzt auf 24.571,20 EUR Nettovergütung mit Zuschlägen

3.276,16 EUR Auslagen

4.455,58 EUR Mehrwertsteuer in Höhe von 16 %

32.302.94 EUR Gesamtbetrag.

Dem Insolvenzverwalter wird gestattet, den festgesetzten Betrag nach Rechtskraft dieses Beschlusses der Insolvenzmasse zu entnehmen. Bei der Auszahlung ist der Vorschuss auf die Vergütung und die Auslagen einschließlich Mehrwertsteuer in Höhe von 17.400 EUR in Abzug zu bringen.

Der Beschwerdewert wird auf 13.104,64 EUR festgesetzt.

Gründe

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I.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die Ermäßigung seiner Verwaltervergütung. Die Beschwerde richtet sich gegen die vom Amtsgericht Uelzen - Insolvenzgericht - vorgenommenen Abschläge von 50 % im Hinblick auf geleistete Vorarbeiten als vorläufiger Insolvenzverwalter und einem Abschlag für eine Gläubigerzahl unter 50 in Höhe von 13 %.

2

Der Beschwerdeführer wurde durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 18.07.2002, Bl. 49 u. 50 d.A., zum vorläufigen Insolvenzverwalter in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Das vorläufige Insolvenzverfahren endete am 14.08.2002 mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Insoweit wird auf den Eröffnungsbeschluss vom 14.08.2002, Bl. 98 d.A., Bezug genommen. Der Beschwerdeführer wurde zum Insolvenzverwalter ernannt. Mit Beschluss vom 09.06.2004, Bl. 339 - 341 d.A., wurde die Vergütung des Beschwerdeführers wie folgt festgesetzt: Wert der Insolvenzmasse 77.869,87 EUR. Daraus ergibt sich eine Vergütung nach § 2 InsVV in Höhe von 18.200,89 EUR. Gemäß § 3 InsVV wurden Zuschläge gewährt in Höhe von 35 % für umfangreiche Tätigkeit im Zusammenhang mit Insolvenzgeld in Bezug auf die Arbeitsverhältnisse, Aufbereitung der Buchhaltung und Klärung je Verfahren grundstücksrechtlicher Verfahren im Rahmen ZVG, was einem Erhöhungsbetrag in Höhe von 6.370,31 EUR entspricht. Weiter hat das Insolvenzgericht wegen Vorarbeiten des vorläufigen Insolvenzverwalters einen Abschlag von 50 % und wegen einer Gläubigerzahl unter 50 in Höhe von 13 % vorgenommen. Hieraus ergab sich durch Zufügung der Auslagen und der Umsatzsteuer ein Gesamtbetrag von 19.001,73 EUR. Das Insolvenzgericht hat die Abschläge vorgenommen, weil die das Verfahren charakterisierenden und bestimmenden Fakten den Normalfall unterschreiten. Der Insolvenzverwalter habe im Rahmen seiner vorläufigen

3

Insolvenzverwaltung bereits Vorarbeiten, wie die Aufarbeitung der Buchhaltung, begonnen, die im endgültigen Insolvenzverfahren zu berücksichtigen seien. Auch sei die Anfechtung von Rechtshandlungen bereits in der Phase der vorläufigen Insolvenzverwaltung vorbereitet worden.

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Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner sofortigen Beschwerde vom 23.06.2004. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die bloße Bestellung als vorläufiger Verwalter im Verfahren allein nicht ausreiche, damit Arbeitserleichterung eintrete. Für die Fälle, in denen auf den endgültigen Verwalter noch viele Aufgaben zukommen würden, scheide ein Abschlag aus.

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Auch der Abschlag im Hinblick auf eine Gläubigerzahl unter 50 komme nach seiner Ansicht nicht in Betracht. Ein Minderungskriterium könnte nur dann darin gesehen werden, wenn eine sehr geringe Anzahl an Gläubigern durch ein im gleichen Verhältnis der Bearbeitung vereinfachtes Verfahren vorliege.

6

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 21.07.2004, Bl. 353/354 d.A., nicht abgeholfen und der Beschwerdekammer zur Entscheidung vorgelegt.

7

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers ist zulässig und begründet. Es sind keine Abschläge von der Vergütung gemäß § 3 Abs. 2 InsVV vorzunehmen. Die vorgenommenen Abschläge in Höhe von 50 % und in Höhe von 13 % sind jeweils unbegründet.

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Eine Reduzierung der Vergütung um 50 % im Hinblick auf die bereits ausgeübte Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter ist nicht gerechtfertigt. § 3 Abs. 2 InsVV weist dem Insolvenzgericht die Möglichkeit eines Abschlags auf den nach § 2 festgesetzten Regelsatz unter bestimmten Voraussetzungen zu. Der Wortlaut der Regelung ergibt bereits, dass selbst dann, wenn einer der in Abs. 2 beispielhaft genannten Fälle vorliegt, das Unterschreiten des Regelsatzes nicht zwingend geboten ist (Hammeyer/Wutzke/Förster, Vergütung im Insolvenzverfahren, InsVV/VergVO, 2. Aufl., München 1999, § 3 Rn. 56). Das Vorliegen der vom Verordnungsgeber in der Abschlagsregelung zum Ausdruck gebrachten Kriterien gibt lediglich Anlass zur Überprüfung, ob die Belastung des Verwalters bei der Verfahrensabwicklung derart unter der eines Normalverfahrens liegt, dass die Gewährung einer Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV außer Verhältnis zu dem durch die Verfahrensabwicklung entstandenen tatsächlichen Bearbeitungsaufwand stünde. Aber auch darüber hinaus muss die Abweichung vom Normalfall schon so deutlich werden, dass sich ein Missverhältnis zwischen tatsächlicher Tätigkeit des Verwalters und der dafür grundsätzlich zu gewährenden Regelvergütung ergibt (vgl. Jürgen Blersch, insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung, 2000, § 3 Rn. 25). Es verbietet sich dabei, für einzelne häufig vorkommende Fallgruppen pauschale Multiplikatoren zu entwickeln und diese gewissermaßen automatisch in die Vergütungsberechnung einfließen zu lassen. Vielmehr ist in jedem Einzelfall als Bemessungskriterium für Zu- und Abschläge ausschließlich der tatsächlich gestiegene oder geminderte Arbeitsaufwand des Insolvenzverwalters heranzuziehen (Jürgen Blersch, a. a. 0., § 3 Rn. 3).

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Das Abschlagskriterium für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter soll entgegen dem missverständlichen Verordnungstext nicht zu einem Abschlag der Regelvergütung für den Fall der bloßen Bestellung als vorläufiger Insolvenzverwalter gelten, sondern vielmehr soll dieses Abschlagskriterium nur dann eingreifen, wenn infolge der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters im Eröffnungsverfahren eine erhebliche Arbeitsersparnis für den später nach Eröffnung bestellten Insolvenzverwalter eingetreten ist. Bewegt sich der mit den restlichen Tätigkeifen verbundene Bearbeitungsaufwand noch im Rahmen des Durchschnittsverfahrens, so ist für einen Vergütungsabschlag kein Raum (Jürgen Blersch, 2000, § 3 Rd. 26).

10

Vorliegend sind keine Merkmale ersichtlich, die das Abweichen vom Normalverfahren kennzeichnen. Insbesondere ist kein deutliches Missverhältnis zu einem normalen Verfahren feststellbar. Wenn hier als vergütungsmindernd die teilweise Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes als Vorarbeit des vorläufigen Insolvenzverwalters vom Insolvenzgericht angeführt wird, so stellt dies keine Erleichterung für das eröffnete Verfahren dar, weil dieser Aufgabenbereich regelmäßig ausschließlich in den Aufgabenbereich des vorläufigen Insolvenzverwalters fällt. Ebenso wenig kann die Aufbereitung der Buchhaltung zu einem Abschlag führen. Aus dem Schlussbericht vom 15.04.2004 des Insolvenzverwalters geht hervor, dass die Tätigkeit in den Bereich des eröffneten Verfahrens gefallen ist. Beispielsweise waren Steuererklärungen für das Unternehmen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nachzubearbeiten. Eine wesentliche Erleichterung für den Verwalter ist damit nicht erfolgt. Darüber hinaus kann die Aufbereitung der Buchhaltung nicht sowohl erhöhend als auch mindernd in Ansatz gebracht werden. Gleiches gilt für die umfangreiche Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Insolvenzgeld, das zum einen vergütungserhöhend in Ansatz gebracht wird, andererseits als teilweise Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes mindernd angesetzt wird.

11

Dieses ergibt sich daraus, dass nur die Regelvergütung (Normalvergütung) des § 2 InsVV kürzungsfähig ist. Dies zeigt die Systematik der gesetzlichen Regelung ganz deutlich: In § 2 InsVV ist die Normalvergütung geregelt, die ein Normalverfahren abgilt. Bestehen konkrete (über das Normale hinausgehende) Besonderheiten in Form von Erschwernissen, so ist gemäß Abs. 1 zu erhöhen; bestehen (das Normale unterschreitende) Besonderheiten in Form von Erleichterungen, ist gemäß Abs. 2 zu kürzen. Eine Erhöhung kann daher nicht jedoch zugleich von einer Kürzung erfasst werden; das ist begrifflich widersinnig und verstößt gegen das Regelungssystem der §§ 2, 3 InsVV (Dieter Eickmann, Vergütungsrecht, Kommentar zur InsVV, 2. Aufl. 2001, zu § 3 Rn. 34). Auch rechtfertigt die Übertragung des Betriebes auf zwei Auffanggesellschaften und die Rückgabe von Sicherungseigentum (drei Fahrzeuge) nicht zu einem

12

Abschlag wegen fortgeschrittener Masseverwertung. Ein Abschlag ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Masse vor der Verfahrenseröffnung verwertet ist (durch den vorläufigen Verwalter, den Schuldner oder den Gläubiger). Dann entfällt nämlich eine wesentliche Aufgabe des Verwalters, so dass eine Reduzierung des Honorars gerechtfertigt ist. Auch führt dies nur zu einer Vergütungsminderung erst dann, wenn eine erhebliche Verwertungsmaßnahme (ca. 50 % der Masse) vor Verfahrenseröffnung vorliegt (Harald Hess, InsVV, 2000 zu § 3 Rn. 87). Vorliegend sind in der vorläufigen Insolvenz drei Fahrzeuge an den Leasinggeber zurückgegeben worden, die restlichen zwei wurden im eröffneten Verfahren zurückgegeben. Die Insolvenzmasse beträgt ca. 77.000 EUR. Es sind keine Anhaltspunkte hierfür ersichtlich, dass damit ca. 50 % der Masse vor der Verfahrenseröffnung verwertet worden sind. Daher ist nicht von einer Abweichung vom Normalfall auszugehen. Dies gilt ebenfalls für die Gründung von zwei Auffanggesellschaften. Es ist nicht feststellbar, dass durch die Gründung von zwei Auffanggesellschaften ca. 50 % der Masse vor der Verfahrenseröffnung verwertet worden sind. Auch hier ist vom Normalfall auszugehen. Darüber hinaus wirkt sich die Gründung von zwei Auffanggesellschaften auch nicht unter dem Aspekt der Vorarbeiten des vorläufigen Verwalters als vergütungsmindernd i.S.v. § 3 Abs. 2 InsVV, denn die Überleitung des Geschäftsbetriebes war mit Eröffnung des Verfahrens nicht beendet, sondern es wurden schrittweise Betriebsteile auf die Auffanggesellschaften übergeleitet. Insofern ist auch hier von einem Normalfall auszugehen, der nicht zum Abschlag berechtigt.

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Auch der vom Insolvenzgericht vorgenommene Abschlag in Höhe von 13 % für eine geringe Gläubigerzahl ist nicht gerechtfertigt. Es besteht zwar Einigkeit darüber, dass bei einer geringen Gläubigerzahl ein Abschlag gemäß § 3 Abs. 2 InsVV vorgenommen werden kann (Hammeyer/Wutzke/Förster, InsVV, VergVO, 2. Aufl., § 4 Rn. 69, die von einer Gläubigerzahl unter 20 ausgehen), jedoch ist auch vorliegend eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Die unterschiedlichen vertretenen Auffassungen über die Höhe der Gläubigerzahl, die zu einem Abschlag führen (Eickmann, Vergütungsrecht, Kommentar zur InsVV, 2. Aufl. 2002, zu § 3 Rn. 40, geht von einem Abschlag in Höhe von 15 % bei einer Gläubigerzahl von unter 50 aus), stehen anderen Meinungen gegenüber, nach denen eine Gläubigerzahl von nicht mehr als 100 noch keinen Abschlag begründet (Nowak in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung Bd. 1, 2001, zu § 2 Rn. 3). Die pauschale Festsetzung eines Abschlages ist abzulehnen. Einen Abschlag allein auf Grund einer Pauschalierung vorzunehmen, verbietet sich von vornherein. Ein Abschlag kann immer nur im Hinblick auf ein Normalverfahren vorgenommen werden. Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass bei einer Gläubigerzahl von 41 die Verfahrensabwicklung derart unter der eines Normalverfahrens lag, dass die Gewährung einer Regelvergütung außer Verhältnis zu dem tatsächlichen Bearbeitungsaufwand stand. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Abweichung vom Normalfall so deutlich war, dass sich ein Missverhältnis zwischen tatsächlicher Tätigkeit des Verwalters und der dafür grundsätzlich zu gewährenden Regelvergütung ergab.

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Abzüge in Höhe von 50 % und 13 % waren daher nicht vorzunehmen.

15

Unter Berücksichtigung der unstreitigen Insolvenzmasse in Höhe von 77.869,87 EUR und der Errechnung einer Regelvergütung nach § 2 InsVV und den unstreitigen Zuschlägen in einer Gesamthöhe von 35 % ergibt sich die im Tenor ausgesprochene Vergütungsfestsetzung.

Streitwertbeschluss:

Der Beschwerdewert wird auf 13.104,64 EUR festgesetzt.