Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.08.2023, Az.: 2 W 96/23

Gerichtskosten; Zweitschuldner; Anschlussberufung; Zweitschuldnerhaftung des Anschlussberufungsklägers

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.08.2023
Aktenzeichen
2 W 96/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 32938
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2023:0829.2W96.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - AZ: 3 O 114/21

Fundstelle

  • JurBüro 2023, 526-528

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Einlegung einer unselbständigen Anschlussberufung begründet eine Kostenschuld im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG.

  2. 2.

    Wird die Berufung zurückgenommen und ist eine Zwangsvollstreckung wegen der Kosten des Berufungsverfahrens erfolglos geblieben oder erscheint aussichtslos (§ 31 Abs. 2 Satz 1 GKG), kann der Anschlussberufungskläger als Zweitschuldner (vgl. § 31 Abs. 1 und 2 GKG) in Anspruch genommen werden.

  3. 3.

    Der Anschlussberufungskläger haftet in diesem Fall in Höhe einer nach dem Wert seiner Anschlussberufung berechneten und infolge der Berufungsrücknahme reduzierten Verfahrensgebühr.

In der Beschwerdesache
J. Z. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. Immobilien GmbH, ...
Kläger, Berufungsbeklagter, Anschlussberufungskläger und
Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro Z. & M. Rechtsanwälte PartG mbB, ...,
Geschäftszeichen: ...
gegen
Oberlandesgericht C., Die Bezirksrevisorin, ...,
Beschwerdegegner,
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Landgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 29. August 2023 beschlossen:

Tenor:

Die Erinnerung des Klägers und Anschlussberufungsklägers vom 12. Juni 2023, beim Oberlandesgericht eingegangen auf elektronischem Wege am selben Tage, gegen den Kostenansatz in der Kostenrechnung der Kostenbeamtin der Geschäftsstelle des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 23. Mai 2023 (Kassenzeichen XXX) wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässige Erinnerung, über die das Oberlandesgericht als dasjenige Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind, durch den - nach Übertragung durch den nach dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts zuständigen Einzelrichter des 2. Zivilsenats - der Senat zu entscheiden hatte, hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat die Kostenbeamtin in der angefochtenen Kostenrechnung für das vor dem Oberlandesgericht durchgeführte Berufungsverfahren eine Verfahrensgebühr in Höhe von insgesamt 364,- € auf der Grundlage von Nr. 1222 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG in Ansatz gebracht.

Der Kläger und Anschlussberufungskläger ist Kostenschuldner im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG, der zusammen mit der Beklagten zu 2 als Entscheidungsschuldnerin (§ 29 Nr. 1 GKG) auf der Grundlage von § 31 Abs. 1 GKG als Gesamtschuldner haftet. Die Einwendungen des Klägers und Anschlussberufungsklägers gegen seine Inanspruchnahme als sogenannter Zweitschuldner gehen sämtlichst fehl.

1. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG schuldet in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Kosten derjenige, der das Verfahren des Rechtszugs beantragt hatte. Auch eine unselbstständige Anschlussberufung stellt ein Verfahren des Rechtszugs im Sinne von § 22 GKG dar. Zwar stellt die Anschlussberufung kein eigentliches Rechtsmittel dar. Es handelt sich nur um ein Angriffsmittel innerhalb eines vom Berufungskläger eingelegten Rechtsmittels (HK-ZPO/Wöstmann, 9. Aufl., § 524 Rn. 1).

Die Beantwortung der Frage, wie unselbständige Anschlussberufungen prozessual zu behandeln sind, ist aber strikt von der Beantwortung der Frage zu trennen, wie Anschlussberufungen im kostenrechtlichen Sinne zu behandeln sind (siehe überzeugend OLG Düsseldorf NJW 1968, 410 [OLG Düsseldorf 17.05.1967 - 10 W 37/67]). Demgemäß entspricht es ganz allgemeiner Meinung, dass die Einlegung einer Anschlussberufung eine Kostenschuld als Antragsteller im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG begründet (siehe Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, 5. Aufl., § 22 GKG Rn. 9; Toussaint/Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., § 22 Rn. 13). Auch der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 19. Oktober 2015 (Az.: X ZR 54/11) ausdrücklich klargestellt, dass als Kostenschuldner gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG auch derjenige anzusehen ist, der eine Anschlussberufung gegen ein Urteil eingelegt hat. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es allein darauf ankommt, ob ein Verfahren beantragt worden ist oder nicht. Demgemäß spielt es auch keine Rolle, dass die Durchführung der Anschlussberufung als unselbständiges Rechtsmittel nach § 524 Abs. 4 ZPO davon abhängig ist, dass die Berufung nicht zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird (BGH, aaO, zitiert nach juris Rn. 7).

2. Gemäß § 31 Abs. 1 GKG haften mehrere Kostenschuldner als Gesamtschuldner. Ob und in welchem Umfang eine Gesamtschuldnerschaft besteht, ist nach allgemeinen Regeln und zwar den §§ 421ff. BGB zu beurteilen (siehe Meyer, GKG/vom GKG 2016, 15. Aufl., § 31 Rn. 4). Der Anspruch muss sich also gegen mehrere Schuldner richten, der Gläubiger darf die Leistung lediglich einmal fordern und es ist eine Identität des Leistungsinteresses erforderlich (siehe Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 121 Rn. 6). Denn nur dann kann die Feststellung getroffen werden, dass die mehreren Schuldner auch gerade dieselbe Kostenschuld zahlen sollen (vgl. Toussaint/Toussaint, Kostenrecht, 52. Auflage, § 31 GKG Rn. 9).

a) Im vorliegenden Fall ist hierbei zu berücksichtigen, dass die Einlegung der Anschlussberufung zu einer Erhöhung des Streitwertes geführt hat. Gemäß § 45 Abs. 2 GKG sind für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, § 45 Abs. 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG sind in einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, zusammenzurechnen. Betreffen die Ansprüche denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG).

Mit seiner Anschlussberufung hat der Kläger beantragt, unter teilweise Abänderung des Schlussurteils des Landgerichts Lüneburg die Beklagte zu 2 zu verurteilen an den Kläger einen Betrag in Höhe von 103.940,44 € nebst Zinsen zu zahlen. Da mit dem Schlussurteil lediglich ein Zahlungsbetrag in Höhe von 98.290,45 € zuzüglich Zinsen zugesprochen worden ist, betrifft die Anschlussberufung nicht denselben Gegenstand, sodass der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle zu Recht den Streitwert für die Berufungsinstanz mit Beschluss vom 13. Juli 2022 (Bl. 337 d.A.) auf insgesamt 103.940,44 € (98.290,45 € für die Berufung + 5.649,99 € für die Anschlussberufung) festgesetzt hat.

b) Einer anteiligen gesamtschuldnerischen Haftung steht auch nicht entgegen, dass durch diese Erhöhung des Streitwertes kein Gebührensprung entstanden ist. Es kommt nicht darauf an, ob ohne die Anschlussberufung des Klägers Gerichtskosten in selber Höhe entstanden sind. Entscheidend ist alleine der Umstand, dass der Kläger einen eigenständigen verfahrensrechtlichen Antrag gestellt und damit einen eigenen Streitgegenstand verfolgt hat, der durch die zuvor eingelegte Berufung nicht erfasst worden ist. Ungeachtet dessen haftet ein Anschlussberufungskläger auch dann neben dem Rechtsmittelführer als gesamtschuldnerischer Antragsteller, soweit das Anschlussrechtsmittel denselben Gegenstand betrifft und deshalb keine höheren Gebühren entstanden sind (siehe Meyer, GKG/vom GKG 2016, § 22 Rn. 17).

c) Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die Höhe der in Ansatz gebrachten Kosten nicht zu beanstanden ist. Bei Klage und Widerklage und wechselseitigen Rechtsmitteln haften die Parteien nach § 22 GKG im Umfang ihrer sich deckenden Beteiligung am Gebührenstreitwert gesamtschuldnerisch (siehe Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, 5. Aufl., § 31 GKG Rn. 2; Meyer, GKG/vom GKG 2016, 15. Aufl., § 31 Rn. 5). Demgemäß haften bei einer Widerklage Kläger und Beklagter als Antragsteller der Instanz gemäß § 22 Abs. 1 GKG jeweils für eine nach dem Wert der jeweiligen Klage berechnete Verfahrensgebühr sowie für die durch das Verfahren über die jeweilige Klage entstandenen Auslagen (NK-GK/Volpert, gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., § 31 Rn. 30). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die unselbstständige Anschlussberufung (OLG München JurBüro 1975, 1230, 1231).

Bei einem Streitwert bis zu 6.000 € beträgt die einfache Gebühr gemäß der Gebührentabelle in der Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG 182,- €. Da die Berufungsklägerin ihre Berufung zurückgenommen hat, führt dies auf der Grundlage von Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG zu einer Gebührenermäßigung auf 2,0. Die Kostenbeamtin hat daher dem Kläger und Anschlussberufungskläger zu Recht insgesamt 364 € (= 2 × 182 €) in Rechnung gestellt.

3. Die weiteren Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Klägers als sogenannter Zweitschuldner liegen ebenfalls vor. Gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 GKG soll die Haftung eines anderen Kostenschuldners (soweit ein Kostenschuldner aufgrund von § 29 Nr. 1 oder 2 (Erstschuldner) haftet), nur geltend gemacht werden, wenn eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Erstschuldners erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Kosten wurden gegen die Berufungsklägerin als Entscheidungsschuldnerin mit Kostenrechnung vom 8. September 2022 zum Soll gestellt. Die zentrale Vollstreckungsstelle des Nds. Landesamt für Bezüge und Versorgung hat mit Schreiben vom 18. April 2023 (Blatt 387 der Akte) mitgeteilt, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das bewegliche Vermögen der Kostenschuldner bzw. die vorliegende Vermögensauskunft kein verwertbares Vermögen ergeben hätte und somit die Zwangsvollstreckung erfolglos verlaufen sei. Das Nds. Landesamt für Bezüge und Versorgung hat ferner ausdrücklich um Prüfung der Zweitschuldnerhaftung und gegebenenfalls um Erteilung entsprechender Kostenrechnungen gebeten.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.