Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 24.08.2023, Az.: 24 U 345/22

Anspruch auf Schadensersatz wegen des Erwerbs eines PKW mit einer illegalen automatischen Abgasabschalteinrichtung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
24.08.2023
Aktenzeichen
24 U 345/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 52569
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 17.08.2022 - AZ: 5 O 139/22

Redaktioneller Leitsatz

Bei einer Abschalteinrichtung, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für den Motorhersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, so dass es bereits an der objektiven Sittenwidrigkeit fehlt. In sogenannten "Dieselfällen" bedeutet dies, dass der Erwerber eines möglicherweise betroffenen Fahrzeugs greifbare Anhaltspunkte anführen muss, auf die er den Verdacht gründet, sein Fahrzeug weise eine unzulässige Abschalteinrichtung auf. Dabei ist freilich zu beachten, dass er mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Motors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung regelmäßig keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann und letztlich auf Vermutungen angewiesen ist, die er nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält und auf ausreichend greifbare Gesichtspunkte stützen kann, so dass etwa - wie beim Motor EA 189 des Volkswagenkonzerns - der Vortrag genügen kann, der Hersteller habe öffentlich zugegeben, der Motor weise eine illegale Abschalteinrichtung auf, und das KBA habe eine aktuelle Überprüfung eingeleitet, weil es davon ausgehe, dass dieser Motor in das konkrete Fahrzeug eingebaut worden sei; dass das KBA bezüglich des konkreten Fahrzeugtyps bereits eine Rückrufaktion angeordnet hat, ist nicht erforderlich.

Tenor:

  1. I.

    Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis zu 19.000 € festgesetzt.

  2. II.

    Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 17. August 2022 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

  3. III.

    Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme und zur etwaigen Rücknahme der Berufung aus Kostengründen innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Rechtssache dürfte keine grundsätzliche Bedeutung haben, eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dürfte nicht erforderlich und eine mündliche Verhandlung nicht geboten sein. Nach vorläufiger Beurteilung hat die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

1. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers ergibt sich nicht aus §§ 826, 31 BGB, weil die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nicht erfüllt sind.

a) Zwar kommt, wenn unter Täuschung im EG-Typgenehmigungsverfahren bewusst eine unzulässige Motorsteuerungssoftware verbaut wird, eine deliktische Haftung des Herstellers nach §§ 826, 31 BGB grundsätzlich in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316; OLG Celle, Urteile vom 20. November 2019 - 7 U 244/18, juris Rn. 26 ff und vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18, juris). Voraussetzung hierfür ist jedoch eine sittenwidrige Schädigung.

aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (st. Rspr.; zB BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 aaO Rn. 15 und vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, WM 2022, 87 Rn. 19; jew. mwN).

bb) Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2021 aaO Rn. 20 mwN).

Bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber setzt voraus, dass dies in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschieht (vgl. BGH aaO Rn. 21 sowie Beschluss vom 21. März 2022 - VIa ZR 334/21, BeckRS 2022, 10201 Rn. 19; jew. mwN).

cc) Bei einer Abschalteinrichtung, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für den Motorhersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, so dass es bereits an der objektiven Sittenwidrigkeit fehlt (BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, NJW 2021, 3721 Rn. 30 mwN).

b) Diesen Maßstab zugrunde gelegt lassen sich dem Vorbringen des Klägers die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB gegen die Beklagte nicht schlüssig entnehmen. Dabei kann die Unzulässigkeit der in dem Fahrzeug verwendeten Abschalteinrichtungen zu seinen Gunsten unterstellt werden. Eine sittenwidrige Schadenszufügung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs ist jedoch weder dargetan noch ersichtlich.

aa) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs schlüssig und als Prozessstoff erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Das Gericht muss anhand des Parteivortrags beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Dabei ist die Angabe näherer Einzelheiten nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (st. Rspr.; zB BGH, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 12 mwN). Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrunde liegenden Vorgängen hat. Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen hat (BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, ZIP 2022, 276 Rn. 21 mwN). Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatgerichts, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten. Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei allerdings dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen (st. Rspr.; zB BGH, Urteil vom 26. April 2022 aaO Rn. 12 mwN).

In den sogenannten "Dieselfällen" bedeutet dies, dass der Erwerber eines möglicherweise betroffenen Fahrzeugs greifbare Anhaltspunkte anführen muss, auf die er den Verdacht gründet, sein Fahrzeug weise eine unzulässige Abschalteinrichtung auf. Dabei ist freilich zu beachten, dass er mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Motors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung regelmäßig keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann und letztlich auf Vermutungen angewiesen ist, die er nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält und auf ausreichend greifbare Gesichtspunkte stützen kann, so dass etwa - wie beim Motor EA 189 des Volkswagenkonzerns - der Vortrag genügen kann, der Hersteller habe öffentlich zugegeben, der Motor weise eine illegale Abschalteinrichtung auf, und das KBA habe eine aktuelle Überprüfung eingeleitet, weil es davon ausgehe, dass dieser Motor in das konkrete Fahrzeug eingebaut worden sei; dass das KBA bezüglich des konkreten Fahrzeugtyps bereits eine Rückrufaktion angeordnet hat, ist nicht erforderlich (BGH aaO Rn. 13 mwN).

bb) Gemessen an diesen Voraussetzungen hat der Kläger die für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderliche Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten nicht dargelegt. Denn es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Herstellen und Inverkehrbringen des Fahrzeuges mit - unterstellt - unzulässigen Abschalteinrichtungen in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschehen und damit objektiv sittenwidrig wäre.

(1) Insbesondere hat der Kläger nicht dargetan, dass das KBA die Funktionsweise einer Zykluserkennung und deren Einfluss auf das Emissionsverhalten des Wagens nicht erkannt hätte und dementsprechend seitens der Beklagten hierüber im Typengenehmigungsverfahren getäuscht worden sei.

(a) Für die Annahme, dass die Bewertung des KBA auf einer unzutreffenden oder lückenhaften Beurteilung der Funktionsweise der Fahrkurvenerkennung basierte, findet sich im Streitfall keine Grundlage. Vielmehr ergibt sich aus der seitens der Beklagten als Anlage BB1 vorgelegten amtlichen Auskunft vom 1. September 2022, die das KBA in einem Verfahren vor dem Landgericht Lübeck abgegeben hat und ein vergleichbares Fahrzeug betrifft, genau das Gegenteil, heißt es in dieser Auskunft doch: "Prüfungen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden". Danach hat sich das KBA also gerade nicht auf Angaben Dritter oder der Beklagten verlassen, sondern eigene Untersuchungen vorgenommen, bei denen die Fahrkurvenerkennung deaktiviert war. Ob das KBA dazu in der Lage war, die Motorsteuerungssoftware auszulesen, ist dafür nicht entscheidend. Denn es war, wie die vorgenannte Auskunft belegt, jedenfalls dazu in der Lage, eine Aktivierung oder Deaktivierung der Fahrkurvenerkennung feststellen.

(b) Dies entspricht den Erkenntnissen des Senats in entsprechenden Parallelverfahren, in denen amtliche Auskünfte des KBA in Bezug auf den Dieselmotor EA 288 eingeholt worden sind. So heißt es beispielsweise in einer Auskunft des KBA, die dem Oberlandesgericht Celle im Verfahren 7 U 180/19 am 9. März 2021 zu einem VW Tiguan mit dem - wie auch hier - Motortyp EA 288 Euro 6 und SCR-Katalysator erteilt worden ist:

"Das KBA führte insgesamt sehr umfassende Untersuchungen an Fahrzeugen mit Motoren der Reihe des Entwicklungsauftrages (EA) 288 durch.

Im Fokus der Untersuchungen des KBA standen die Analyse des Abgasnachbehandlungssystems und seiner Komponenten sowie der Software der Motorsteuerung. [...]

Es wurde bei keinem Fahrzeug, welches ein Aggregat des EA 288 aufweist und durch das KBA untersucht wurde, eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. [...]

Die Funktion "Umschaltlogik" in der Motorsteuerung der Aggregate des EA 288 wird seitens des KBA nicht als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilt. Der bloße Verbau einer Fahrkurvenerkennung ist nicht unzulässig, solange die Funktion nicht als Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Abs. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 genutzt wird. Prüfungen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, sodass es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt.

Unter dem technisch nicht definierten umgangssprachlichen Begriff "Thermofenster" versteht man die außenlufttemperaturgeführte Korrektur der Abgasrückführungs-Rate (AGR-Rate) des Motorengrundkennfeldes. Eine Reduzierung dieser Rate führt in der Regel zu erhöhten Stickoxid- (NOx-) Emissionen des Motors bei zu niedrigen oder hohen Außentemperaturen. Die Korrektur kann aus Gründen des Motorschutzes gerechtfertigt sein, wenn dadurch u. a. übermäßige temperaturbedingte Ablagerungen oder Kondensation vermieden werden, die zur Beschädigung des Motors inklusive einzelner Bauteile führen. Eine Unzulässigkeit einer entsprechenden Funktion wurde von dem KBA in Bezug auf die EA 288 Aggregate nicht festgestellt."

(c) Das KBA bewertet demnach die Fahrkurvenerkennung - und eine etwaige daran anknüpfende geänderte Abgasrückführung bzw. Funktionsweise des SCR-Katalysators - sowie die temperaturabhängige Regelung der Abgasrückführung (sogenanntes Thermofenster) nicht als unzulässige Abschalteinrichtungen. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Ausführungen des KBA nicht die rechtliche Beurteilung, ob eine Abschalteinrichtung nach dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 171 vom 29. Juni 2007 S. 1 ff; künftig: VO 715/2007/EG) zulässig ist, einer eigenständigen zivilgerichtlichen Prüfung zu entziehen vermögen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, NJW 2022, 1238 Rn. 80). Die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde ist an der objektiven Rechtslage zu messen. Sie hängt nicht davon ab, ob die im jeweiligen Einzelfall zuständige Zulassungsbehörde eine entsprechende Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV ausgesprochen hat oder eine solche (zunächst) unterblieben ist (vgl. BGH aaO Rn. 82). Dies ändert aber nichts daran, dass sich das Gericht für eventuelle Feststellungen zum Vorhandensein und der Funktionsweise von Konstruktionsteilen, die die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringern, auf die Sachkunde des KBA stützen kann. Vor diesem Hintergrund lassen sich aus den zu den Akten gereichten amtlichen Auskünften des KBA Rückschlusse darauf ziehen, welche Feststellungen das KBA im Zusammenhang mit der hier relevanten Fahrkurvenerkennung getroffen hat. Diese ergeben indes im Streitfall keinen Hinweis darauf, dass das KBA über die Wirkung der Fahrkurvenerkennung nicht vollumfänglich informiert war.

(d) Im Übrigen kann dahingestellt bleiben, ob das Fahrzeug im konkreten Fall wegen einer gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ entspricht (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FZV). Denn unabhängig davon fehlt es jedenfalls an dem erforderlichen Vorstellungsbild der Beklagten, das Fahrzeug in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer Unrechtmäßigkeit hergestellt und in den Verkehr gebracht zu haben. In diesem Zusammenhang stellt die Rechtsauffassung des KBA wiederum ein gewichtiges Indiz dar.

Das KBA mag zwar im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens möglicherweise zunächst "arglos" gewesen sein, weil vor Bekanntwerden des "Dieselabgasskandals" das erforderliche Bewusstsein für die Problematik "unzulässiger Abschalteinrichtungen" noch nicht in so ausgeprägter Form wie nunmehr vorhanden war. Das KBA ist allerdings nach Bekanntwerden des Dieselabgasskandals und im Rahmen einer komplexen tatsächlichen wie rechtlichen anlassbezogenen Überprüfung - wie etwa im Rahmen des Berichts der Untersuchungskommission "Volkswagen" und erneut im Zusammenhang mit den zahlreichen, gegenüber verschiedenen mit Schadensersatzansprüchen von vermeintlich geschädigten Fahrzeugerwerbern befassten Gerichten abgegebenen amtlichen Auskünften - zu der Überzeugung gelangt, dass in Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 288 keine unzulässigen Abschalteinrichtungen zum Einsatz kämen. Somit ist das mittlerweile durch den Abgasskandal vollumfänglich "sensibilisierte" KBA auch nach erfolgter Prüfung und umfänglicher Kenntnis der Einzelheiten der Motorsteuerungssoftware bei seiner Beurteilung geblieben, unzulässige Abschalteinrichtungen seien nicht vorhanden.

Das ist - unabhängig vom Vorliegen einer (unzulässigen) Abschalteinrichtung - nach den vorangehenden Ausführungen jedenfalls ein gewichtiges Indiz gegen das erforderliche Vorstellungsbild der Beklagten, das Fahrzeug in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer Unrechtmäßigkeit hergestellt und in den Verkehr gebracht zu haben.

(2) Außerdem hat der Kläger das Vorhandensein einer den Vorwurf der Sittenwidrigkeit rechtfertigenden Prüfstandserkennungssoftware, die bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, nicht hinreichend dargelegt.

(a) Zwar findet, wie vorstehend erwähnt, mit der Fahrkurvenerkennung in dem Fahrzeug eine Prüfstandserkennung Anwendung. Dies indiziert aber - anders als in den Fällen des Motortyps EA 189 - nicht die Sittenwidrigkeit. Wie oben bereits ausgeführt, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nämlich maßgeblich darauf an, ob ein Automobilhersteller Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Daran fehlt es hier. Denn wie sich aus den oben erwähnten Auskünften des KBA ergibt, werden die gesetzlichen Grenzwerte nach den dortigen Untersuchungen auch bei einer Deaktivierung der Fahrkurvenerkennungsfunktion nicht überschritten.

(b) Dem ist der Kläger nicht mit Substanz entgegengetreten. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Grenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten, im Realbetrieb hingegen überschritten werden. Denn die für die Einhaltung der vorgeschriebenen, im NEFZ-Verfahren gemessenen Werte entsprechen grundsätzlich auch ohne unzulässige Beeinflussung des Messverfahrens nicht den im Rahmen des tatsächlichen Gebrauchs des Fahrzeugs anfallenden Emissionswerten (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, ZIP 2022, 276 Rn. 23 sowie Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 2/21, BeckRS 2021, 37995 Rn. 30). Daher ist der Straßenbetrieb mit der Prüfstandsituation nicht vergleichbar. Dies gilt sowohl hinsichtlich des angegebenen Kraftstoffverbrauchs als auch der Grenzwerte für Emissionen. Auf dem Prüfstand wird eine bestimmte genormte, nicht der Praxis entsprechende Situation vorgegeben, etwa hinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und Geschwindigkeit) und der Abschaltung der Klimaanlage, so dass der erzielte Wert zwar zu einer relativen Vergleichbarkeit unter verschiedenen Fahrzeugfabrikaten und -modellen führen mag, absolut genommen aber nicht mit dem Straßenbetrieb übereinstimmt. Soweit ein Fahrzeug also höhere Emissionswerte im Straßenbetrieb aufweist als unter Prüfstandsbedingungen, kann dies auch auf andere Umstände als den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung zurückzuführen sein.

(c) Auch auf eine sogenannte "Grenzwertkausalität"(vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2022 - VIa ZR 334/21, BeckRS 2022, 10201 Rn. 24) kommt es nicht an. Ob eine Abschalteinrichtung, wie der Kläger meint, auch bei fehlender Grenzwertkausalität unzulässig ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass eine Abschalteinrichtung nach Maßgabe des Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG unabhängig davon unzulässig ist, ob ihre Verwendung Auswirkungen auf die Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte im Verfahren nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) hat, so fehlt der Verwendung einer solchen Steuerung das für den Vorwurf des objektiv sittenwidrigen Verhaltens wesentliche Element, dass anhand der Abschalteinrichtung der Typgenehmigungsbehörde die Genehmigungsfähigkeit des Fahrzeugs im Wege der Täuschung vorgespiegelt wird. Diesen Aspekt, dass der Hersteller die Typgenehmigungsbehörde über die Genehmigungsfähigkeit des eingesetzten Motors mit Blick auf dessen Stickoxidemissionen täuscht, hat der Bundesgerichtshof als wesentliches Element der Bewertung des Verhaltens des Herstellers als sittenwidrig herangezogen. Denn der Vorwurf in seiner Grundsatzentscheidung vom 25. Mai 2020 stützte sich auf die Feststellung, dass anhand der dortigen Abschalteinrichtung, die in der Motorsteuerung des Vorgängermodells, der Baureihe EA 189, verbaut war, das KBA gezielt darüber getäuscht worden ist, dass das Fahrzeug die Abgasgrenzwerte auf dem Prüfstand einhält (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 16). Als schadensstiftend wurde zudem der Umstand angesehen, dass die Herstellerin des dort in Rede stehenden Motors sehenden Auges erhebliche rechtliche Risiken für die Fahrzeugeigentümer in Kauf genommen hat, denen bei Aufdeckung des täuschenden Vorgehens des Herstellers gegenüber der Typgenehmigungsbehörde Betriebsbeschränkungen oder -untersagungen durch die Zulassungsbehörden drohten (aaO Rn. 21). Schließlich begründete der Umstand, dass das Vertrauen der Verbraucher in den Bestand der Typgenehmigung und die Erfüllung der gesetzlichen Abgasgrenzwerte ausgenutzt worden war, die Beurteilung, dass die Täuschung gegenüber der Typgenehmigungsbehörde wertungsmäßig einer Täuschung des geschädigten Verbrauchers gleichstehe (aaO Rn. 23).

Diese Wertungsgesichtspunkte fehlen aber dann, wenn eine Fahrkurvenerkennung zwar Einfluss auf die Abgasreinigung in Abhängigkeit vom Prüfstandsbetrieb nehmen mag, ohne dadurch aber die Einhaltung der Grenzwerte und damit die Genehmigungsfähigkeit vorzuspiegeln. Entsprechend sieht sich die Typgenehmigungsbehörde vorliegend nicht getäuscht und sieht ersichtlich, wie durch die zitierten amtlichen Auskünfte des KBA belegt ist, nach Durchführung eigener Untersuchungen von mit Motoren vom Typ EA 288 ausgestatteten Fahrzeugen keinen Anlass, Maßnahmen zu ergreifen, die auf eine etwaige Herstellung der Genehmigungsfähigkeit gerichtet wären und für den Fahrzeugerwerber die Gefahr von Nutzungsuntersagungen mit sich brächten. Vor diesem Hintergrund ist für den Vorwurf des sittenwidrigen Verhaltens kein Raum.

(d) Erst Recht kann der Kläger keine Rechte daraus herleiten, dass für eine geringe Anzahl von Fahrzeugen der Beklagten mit einem Motor des Typs EA 288 - nämlich beispielsweise einen VW T6 EA 288 Euro 6 - ein verpflichtender Rückruf durch das KBA angeordnet wurde. Denn dieser Rückruf erfolgte, wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, nicht wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen, sondern wegen technischer Konformitätsabweichungen während der Regeneration des Diesel-Partikelfilters und zur Sicherstellung eines für die Ki-Familie des Fahrzeugs repräsentativen Ki-Werts.

Entsprechendes gilt für "freiwillige Servicemaßnahmen". Derartige Maßnahmen sind mit einem Rückruf nicht vergleichbar. Dem Senat ist vielmehr aus diversen Parallelverfahren bekannt, dass sich eine Gleichsetzung insoweit verbietet. Vielmehr betont das KBA in Auskünften regelmäßig, dass derartige der Verbesserung der Luftqualität dienende Maßnahmen nur getroffen werden, wenn keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt wurde.

(e) Ein Indiz für das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen trotz einer Überprüfung durch das KBA ergibt sich auch nicht aus einer von dem Kläger behaupteten Manipulation des On-Board-Diagnosesystems (künftig: OBD-System).

Dass das OBD-System die Funktion eines Teils des Emissionskontrollsystems selbst aktiviert, verändert, verzögert oder deaktiviert und somit seinerseits als Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG zu bewerten wäre, macht der Kläger nicht geltend.

Darüber hinaus verkennt er die Funktion des OBD-Systems. Dieses ist nach Art. 3 Nr. 9 VO 715/2007/EG ein System für die Emissionsüberwachung, das in der Lage ist, mit Hilfe rechnergespeicherter Fehlercodes den Bereich von Fehlfunktionen anzuzeigen. Der Begriff der "Fehlfunktion" bezeichnet nach Art. 2 Nr. 20 der Verordnung (EG) 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung 715/2007/EG (ABl. L 199 vom 28. Juli 2008 S. 1 ff) den Ausfall oder das fehlerhafte Arbeiten eines emissions-relevanten Bauteils oder Systems, der beziehungsweise das ein Überschreiten der in Anhang XI Absatz 3.3.2 genannten Emissionsgrenzwerte zur Folge hätte, oder den Fall, dass das OBD-System nicht in der Lage ist, die grundlegenden Anforderungen von Anhang XI an die Überwachungsfunktionen zu erfüllen.

Nach dieser Maßgabe ist es ersichtlich nicht Aufgabe des OBD-Systems, zwischen einer rechtlich zulässigen und einer rechtlich unzulässigen Abschalteinrichtung zu unterscheiden. Arbeitet eine Abschalteinrichtung - sei sie rechtlich zulässig oder unzulässig - mithin technisch so, wie sie programmiert ist, liegt eine Fehlfunktion nicht vor, so dass die Anzeige einer Fehlfunktion nicht veranlasst ist (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, NJW 2022, 1238 Rn. 91 mwN). Da das Diagnosesystem mit der elektronischen Steuerung des Motor- und Abgassystems verknüpft ist und daher keine Betriebszustände als fehlerhaft anzeigt, die von der Motorsteuerung vorgegeben werden, liegt es auf der Hand, dass das Unterbleiben einer Fehlermeldung unter diesen Voraussetzungen kein Indiz für eine Software-Manipulation ist.

(3) Darüber hinaus lässt sich auch im Zusammenhang mit der temperaturgesteuerten Abgasrückführung und der Implementierung des Thermofensters keine arglistige Täuschung des KBA durch die Beklagte feststellen.

Dabei kann offenbleiben, ob eine im Fahrzeug vorhandene temperaturgesteuerte Regelung der Abgasrückführung auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 17. Dezember 2020 - C-693/18, NJW 2021, 1216 und vom 14. Juli 2022 - C-128/20, NJW 2022, 2605) als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG zu qualifizieren ist. Auch wenn von einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszugehen sein sollte, genügte der darin liegende Gesetzesverstoß des Fahrzeug- und Motorherstellers jedenfalls nicht, dessen Gesamtverhalten als sittenwidrig zu qualifizieren (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2021 - VI ZR 1154/20, VersR 2021, 1575 Rn. 13 und Beschluss vom 21. März 2022 - VIa ZR 334/21, BeckRS 2022, 10201 Rn. 19; jew. mwN). Der Aspekt der Gesetzeskonformität ist nämlich von der Frage eines sittenwidrigen Handelns strikt zu trennen. Das gilt sogar dann, wenn der Verstoß seitens des Herstellers auf einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung beruht und mit der Entwicklung und dem Einsatz der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt worden sein sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 13). Denn die Applikation einer solchen Steuerung ist nicht mit der Verwendung einer Prüfstandserkennungssoftware zu vergleichen, da letztere unmittelbar auf eine Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt und einer unmittelbaren arglistigen Täuschung des Fahrzeugerwerbers in der Bewertung gleichsteht, während der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems nicht von Vornherein durch Arglist geprägt ist (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, WM 2021, 652 Rn. 27).

Folglich wäre der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens nur dann gerechtfertigt, wenn zu einem Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Dafür müssten sich die betreffenden Personen bei Entwicklung und Installation des Thermofensters darüber bewusst gewesen sein, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Januar 2021 aaO Rn. 19 und vom 21. März 2022 aaO mwN).

Greifbare Anhaltspunkte, die auf ein solches Vorstellungsbild hindeuten könnten - beispielsweise, dass die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren erforderliche Angaben verschwiegen, insbesondere verschleiert hätte, dass die Abgasrückführungsrate durch die Außentemperatur mitbestimmt wird - hat der Kläger jedoch weder erstinstanzlich, noch im Rahmen seiner Berufungsbegründung vorgetragen. Ihn trifft aber die Darlegungs- und Beweislast für solche Umstände, aus denen sich die Verwerflichkeit des Handelns der Mitarbeiter der Beklagten begründen soll (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 aaO). Vor diesem Hintergrund reicht es nicht aus, lediglich zu behaupten, dass die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren erforderliche Angaben unterlassen habe. Die Beklagte braucht auch nicht im Rahmen einer sekundären Darlegungslast zu Vorhandensein und Funktionsweise unzulässiger Abschalteinrichtungen vorzutragen und sich dazu zu entlasten, keine unzureichenden oder fehlerhaften Informationen gegenüber der Genehmigungsbehörde bezüglich der Eigenschaften und Funktionsweise der von ihr verwendeten Motorsteuerungssoftware abgegeben zu haben. Sich zu den Einzelheiten der von ihr erfolgten Angaben im Typgenehmigungsverfahren zu erklären, obläge der Beklagten erst dann, wenn der Kläger seinerseits hinreichende Anhaltspunkte für unzureichende oder unrichtige Angaben vorgetragen hätte. Eben hieran fehlt es vorliegend jedoch.

(4) Auch die Gesamtschau aller vom Kläger vorgetragenen Umstände reicht nicht aus, um auf das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der für die Beklagten verantwortlichen Personen schließen zu können oder auch nur eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu ihren internen Entscheidungsvorgängen auszulösen. Zwar bietet die zugunsten des Klägers unterstellte Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen sowie eine Abweichung der Abgaswerte zwischen Prüfstand und Realbetrieb einen gewissen Anhalt; für die Annahme sittenwidrigen Handelns genügt dies aber nicht. Ausschlaggebende Bedeutung kommt daher der Bewertung durch das KBA zu, nach dessen Vorgaben sich die Beklagte richten durfte. Mangels Täuschung des KBA und Erschleichens der Typgenehmigung fehlt es an einer Täuschung aller potentiellen Erwerber und damit an einer deliktischen Handlung der Beklagten, die als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung anzusehen wäre.

2. Deliktische Schadensersatzsprüche auf anderer Grundlage als § 826 BGB bestehen ebenfalls nicht.

a) Dem Kläger steht kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung - EG-FGV) oder Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG zu.

aa) Zwar schützen diese Vorschriften die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG ausgestattet ist (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 19, 21, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Daher kann dem Käufer eines solchen Fahrzeugs ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zustehen, weil ihm aufgrund des Vertragsschlusses ein Vermögensschaden nach Maßgabe der Differenzhypothese, also ein Differenzschaden, entstanden ist (BGH aaO Rn. 28, 32). Das Bestehen eines Schadens ist nach Maßgabe der Differenzhypothese zu ermitteln, also nach Maßgabe eines Vergleichs der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit der Vermögenslage, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Ein Vermögensschaden des Käufers im Sinne der Differenzhypothese liegt vor, wenn der Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit der Vermögenslage ohne das haftungsbegründende Ereignis ein rechnerisches Minus ergibt bzw. der objektive Wert des erworbenen Fahrzeugs hinter dem Kaufpreis zurückbleibt. Der Geschädigte wird durch Gewährung des Differenzschadens wegen der Enttäuschung des Käufervertrauens so behandelt, als wäre es ihm in Kenntnis der wahren Sachlage und der damit verbundenen Risiken gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Sein Schaden liegt daher in dem Betrag, um den er den Kaufgegenstand mit Rücksicht auf die mit der unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Risiken zu teuer erworben hat. Insofern unterscheidet sich der Anspruch auf Ersatz eines Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht von dem unter den Voraussetzungen der §§ 826, 31 BGB zu gewährenden kleinen Schadensersatz (BGH aaO Rn. 40 mwN).

bb) Auf einen Schadensersatzanspruch sind jedoch Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs insoweit schadensmindernd anzurechnen, als sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen (BGH, Urteil vom 24. Januar 2022 - VIa ZR 100/21, WM 2022, 543 Rn. 19 f, 22). Das gilt für einen möglichen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB ebenso wie im Rahmen eines Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 aaO Rn. 80).

cc) Dies zugrunde gelegt, verbleibt dem Kläger nach Anrechnung der Nutzungsvorteile und des Veräußerungserlöses kein ersatzfähiger Schaden.

(1) Für die Nutzungsentschädigung legt der Senat im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO im Rahmen einer linearen Teilwertabschreibung des Kaufpreises eine durchschnittlich zu erwartende Gesamtnutzungsdauer von 250.000 km zugrunde. Da das Fahrzeug, das der Kläger als Gebrauchtfahrzeug mit einer Laufleistung von 84.390 km zu einem Kaufpreis von 19.700 € erworben hat, nach dem Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 18. August 2023 (dort S. 15, Bl. 586 Bd. III d. A.) eine aktuelle Laufleistung von 145.107 km aufweist, errechnet sich eine Nutzungsentschädigung von 7.222,54 €.

(2) Des weiteren ist der Restwert des Fahrzeugs zu berücksichtigen. Diesen schätzt der Senat gemäß § 287 BGB auf 15.100 €.

(a) Bei der Schätzung stützt sich der Senat auf die nachfolgend wiedergegebene internetbasierte - und damit auf einer allgemein zugänglichen Quelle beruhende - Wertermittlung der Deutsche Automobil Treuhand GmbH (DAT) unter https://www.dat.de/gebrauchtfahrzeugwerte.

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Diese Wertermittlung ergibt für ein Fahrzeug, das hinsichtlich der wesentlichen wertbildenden Merkmale wie Fahrzeugtyp, Motorisierung, Alter und Laufleistung demjenigen des Klägers entspricht, den genannten Wert von 15.100 €. Daß die vom Kläger mitgeteilte, auf derselben Quelle beruhende Wertermittlung (Schriftsatz vom 18. August 2023, S. 14, Bl. 585 Bd. III d. A.) einen geringeren Wert von 14.200 € ergeben hat, beruht auf der unzutreffenden Angabe, das Fahrzeug sei mit einem manuellen Sechsganggetriebe ausgestattet. Wie aus der Rechnung vom 28. Februar 2019 (Bl. 46 Bd. I d. A.) hervorgeht, weist das Fahrzeug des Klägers das Ausstattungsmerkmal "DSG" auf, verfügt also über ein Automatikgetriebe in Gestalt eines Doppelkupplungsgetriebes.

(b) Entgegen der Argumentation des Klägers (Schriftsatz vom 18. August 2023, S. 15, Bl. 586 Bd. III d. A.) ist der so ermittelte Restwert nicht im Hinblick auf nicht auszuschließende zukünftige Betriebsbeschränkungen um 15 % zu mindern. Der Restwert, der im Rahmen der Vorteilsausgleichung Berücksichtigung findet, ist der Wert, der bei einer Veräußerung aktuell zu erzielen ist. Dieser Wert beläuft sich nach der dargestellten Wertermittlung auf 15.100 €. Daß, wie der Kläger meint, tatsächlich ein geringerer Veräußerungserlös zu erzielen wäre, weil beim Verkauf auf das mögliche Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen hinzuweisen wäre, ist nicht anzunehmen. Denn die Umstände, aus denen der Kläger - wie zahlreiche andere Erwerber ähnlicher Fahrzeuge auch - auf eine unzulässige Abschalteinrichtung schließt, sind der Öffentlichkeit seit langem bekannt und daher in der Wertermittlung, die auf Marktbeobachtungen und damit auf tatsächlich erzielten Veräußerungserlösen beruht, bereits eingepreist.

(3) Die sich daraus ergebenden Vorteile von 22.322,54 € übersteigen den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs, wenn dieser, eine Wertminderung von 15 % (vgl. BGH aaO Rn. 71 ff) unterstellt, mit 16.745 € (85 % des Kaufpreises) angenommen wird, um 5.577,54 €. Dieser Betrag ist höher als ein zugunsten des Klägers mit 2.955 € angenommener Minderwert (15 % des Kaufpreises) und lässt diesen somit vollständig entfallen.

dd) Die zum vollständigen Entfallen des Schadens führende Vorteilsanrechnung widerspricht nicht dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 21. März 2023 in der Rechtssache C-100/21 (NJW 2023, 1111). Der EuGH stellt insoweit ausdrücklich fest, dass es in Ermangelung einschlägiger Vorschriften des Unionsrechts Sache des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats ist, die Vorschriften über den Ersatz des Schadens festzulegen, der dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG ausgestatteten Fahrzeugs tatsächlich entstanden ist, vorausgesetzt, dass dieser Ersatz in einem angemessenen Verhältnis zum entstandenen Schaden steht (aaO Rn. 96). Diese Voraussetzungen werden durch die dargelegten Grundsätze zur Berechnung des kleinen Schadensersatzes gewahrt. Es wird eine angemessene Entschädigung bei gleichzeitiger Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung gewährt. Durch die Berechnungsmethode wird ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt. Der Geschädigte darf im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Allerdings sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, bei denen also dem Geschädigten die Anrechnung zumutbar ist und die den Schädiger nicht unangemessen entlastet. Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2022 aaO Rn. 18 mwN). Dass diese Berechnungsmethode im Streitfall zum vollständigen Wegfall des Anspruchs führt, steht dem folglich nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 aaO Rn. 80).

b) Die Beklagte haftet nicht nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, weil aus den vorgenannten Gründen eine vorsätzliche Täuschung des Klägers nicht festzustellen ist und überdies kein ersatzfähiger Schaden verbleibt.

c) Da die objektiven Voraussetzungen einer deliktsrechtlichen Haftungsnorm nicht erfüllt sind, besteht ein Anspruch aus § 831 BGB ebenfalls nicht (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, NJW 2021, 3721 Rn. 41).

3. Da die Beklagte dem Kläger gegenüber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Schadensersatz verpflichtet ist, erweisen sich die weiteren, auf Zahlung von Zinsen und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie Feststellung des Annahmeverzugs gerichteten Anträge ebenfalls als unbegründet.

4. Die Berufung des Klägers hat aus diesen Gründen keine Aussicht auf Erfolg. Der Kläger sollte deshalb unter Kostengesichtspunkten in Erwägung ziehen, das Rechtsmittel zurückzunehmen.