Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 13.01.2012, Az.: 10 WF 8/12
Bestimmung der voraussichtlichen Kosten der Prozessführung bei fehlender Grundlage für Anwaltsbeiordnung i.R.e. Verfahrenskostenhilfe bzw. Prozesskostenhilfe
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 13.01.2012
- Aktenzeichen
- 10 WF 8/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 10100
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2012:0113.10WF8.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - AZ: 627 F 4945/11
Rechtsgrundlagen
- § 114 ZPO
- § 115 Abs. 4 ZPO
Fundstellen
- FamRZ 2012, 1159-1160
- FuR 2012, 4
- HRA 2012, 24
- JurBüro 2012, 206-207
- ZAP 2012, 993
- ZAP EN-Nr. 555/2012
Amtlicher Leitsatz
Liegen die Voraussetzungen für eine Anwaltsbeiordnung im Rahmen einer begehrten PKH- (VKH-) Bewilligung nicht vor, so ist für die Höhe der von der Partei (dem Beteiligten) für die Prozeßführung (Verfahrensführung) voraussichtlich aufzubringenden Kosten im Sinne von § 115 Abs. 4 ZPO allein auf die eigenen Gerichtskosten abzustellen.
In der Familiensache betreffend die elterliche Sorge für das beteiligte Kind K. S. W., weitere Beteiligte: 1. A. W., Antragsteller und Beschwerdeführer, Verfahrensbevollmächtigte: Anwaltsbüro M., D., P., 2. M. W., Antragsgegnerin, 3. Stadt L. Allgemeiner Sozialer Dienst, hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 17. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W. und die Richter am Oberlandesgericht G. und H. am 13. Januar 2012 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten und 1. und 2. sind die Eltern des am 2000 geborenen K. S. W.; die elterliche Sorge für K. war durch amtsgerichtlichen Beschluß vom 9. April 2011 dahin geregelt worden, daß das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein der Kindesmutter übertragen wurde und es im übrigen bei der gemeinsamen elterlichen Sorge blieb.
Mit am selben Tage beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 17. Oktober 2011 begehrt der Kindesvater in Abänderung der Regelung vom 8. April 2011 die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes nunmehr allein auf sich. Dazu macht er geltend, K. habe, wie auch in einem beigefügten, an die zuständige Amtsrichterin gerichteten Schreiben bestätigt, ausdrücklich den Wunsch geäußert, in den Haushalt des Kindesvaters zu wechseln; eine außergerichtliche Kontaktaufnahme mit der Kindesmutter dazu hatte vorab nicht stattgefunden. Zugleich sucht der Kindesvater für das Verfahren um Verfahrenskostenhilfe (VKH) unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten nach.
Das Amtsgericht hat das örtliche Jugendamt beteiligt und der Kindesmutter Gelegenheit zur Stellungnahme zum Begehren des Antragsstellers gegeben.
Die - im vorliegenden Verfahren nicht anwaltlich vertretene - Kindesmutter hat daraufhin mitgeteilt, sie habe K. hinsichtlich seines - ihr gegenüber bislang weder von ihm selbst erklärten noch von Seiten des Kindesvater mitgeteilten - Wunsches auf einen aktuellen Aufenthaltswechsel angesprochen. Da K. ihr gegenüber diesen Wunsch bestätigte, habe sie dem - am 3. November 2011 auch bereits tatsächlich erfolgten - dauerhaften Wechsel in den Haushalt des Kindesvaters zugestimmt. Sie regt zugleich an, eine abschließende Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht selbst erst nach einiger Zeit zu treffen.
Das Jugendamt hat in seiner schriftlichen Stellungnahme den geschilderten Aufenthaltswechsel bestätigt, die Situation im Haushalt des Kindesvaters dargestellt und ausführlich über seine - getrennt durchgeführten - Gespräche mit den Eltern berichtet.
Mit Beschluß vom 17. November 2011 hat das Amtsgericht, das bereits zuvor darauf hingewiesen hatte, daß es die Voraussetzungen für eine Anwaltsbeiordnung nicht als gegeben ansehe, dem Antragsteller die nachgesuchte VKH versagt; dabei hat es darauf abgestellt, daß die von ihm zur Verfahrensführung voraussichtlich aufzubringenden Kosten, die das Amtsgericht mit 178 EUR annimmt, die Summe von vier der von ihm nach seinen maßgeblichen Einkünften in Höhe von 75 EUR zu leistenden Raten auf die Verfahrenskosten nicht übersteigt.
Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers, der geltend machen will, bei den von ihm aufzubringenden Kosten seien auch die sich bei einem Verfahrenswert von 3.000 EUR auf 586,08 EUR belaufenden Kosten seines Verfahrensbevollmächtigten zu berücksichtigen.
Das Amtsgericht hat mit ergänzender Begründung der Beschwerde nicht abgeholfen.
Der Einzelrichter hat die Sache dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II.
Die zulässige Beschwerde kann in der Sache keinen Erfolg haben.
Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, daß im Streitfall der gemäß § 76 Abs. 1 FamFG entsprechend anwendbare § 115 Abs. 4 ZPO einer VKH-Bewilligung durchgreifend entgegensteht.
1. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten im Rahmen der begehrten - und im Hinblick auf die Voraussetzungen nach § 114 ZPO grundsätzlich bewilligungsfähigen - VKH nicht vor.
Wie der Senat bereits entschieden hat, kommt für ein Verfahren betreffend die von vornherein zwischen den Kindeseltern einvernehmliche und dem ausdrücklichen Kindeswillen entsprechende Änderung der elterlichen Sorge regelmäßig mangels Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Beiordnung eines Anwaltes im Rahmen bewilligter VKH nicht in Betracht (Senatsbeschluß vom 12. November 2010 - 10 WF 358/10 - FamRZ 2011, 388 = MDR 2011, 367 = [...]). Eine derartige Situation liegt im Streitfall vor, wobei sich eine Abweichung auch nicht allein daraus ergeben kann, daß die Kindesmutter vom Antragsteller nicht - wie geboten - vorab über den aktuellen Wunsch de Sohnes informiert worden ist, sondern erst durch die Zustellung des Antrages davon erfahren hat. Der genannte Befund wird noch dadurch unterstrichen, daß auch vom Antragsteller selbst keine weiteren Gesichtspunkte für die Notwendigkeit einer Antwaltsbeiordnung geltend gemacht werden und sich die Antragsgegnerin ihrerseits im vorliegenden Verfahren nicht anwaltlich vertreten läßt.
2. Nach Aktenlage allemal begründet und auch von ihm selbst in keiner Weise angegriffen ist das Amtsgericht beim Antragsteller zu aus seinem Einkommen auf die Verfahrenskosten aufzubringenden Raten von monatlich 75 EUR gelangt; zutreffenderweise ergäben sich sogar Monatsraten in Höhe von 95 EUR, da das Amtsgericht ohne diesbezügliche tatsächliche Grundlage zugunsten des Antragstellers eine Pauschale von 5% des Nettoeinkommens für berufsbedingten Aufwand abgesetzt hat - für eine derartige (im materiellen Unterhaltsrecht übliche) pauschale Berücksichtigung findet sich in den für die Ermittlung der PKH/VKH maßgeblichen Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO jedoch keine Grundlage.
3. Zutreffend hat das Amtsgericht auf dieser Grundlage für die Prüfung nach § 115 Abs. 4 ZPO zur Ermittlung der maßgeblichen "voraussichtlichen Kosten der Prozeßführung der Partei" vorliegend allein auf die Gerichtskosten abgestellt, die sich vorliegend sogar nur auf 44,50 EUR belaufen werden [für Hauptsacheverfahren in selbständigen Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit fällt im Verfahren vor dem Familiengericht in Kindschaftssachen gemäß Nr. 1310 KV FamGKG lediglich eine 0,5 Gerichtsgebühr an, die sich bei einem - wie vorliegend gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG regelmäßig anzunehmenden - Verfahrenswert von 3.000 EUR auf (0,5 * 89 EUR =) 44,50 EUR beläuft]. Die so bestimmten Kosten der Verfahrensführung für den Antragsteller liegen weit unter der Höhe auch nur einer von ihm auf die Verfahrenskosten aufzubringenden Raten, so daß gemäß § 115 Abs. 4 ZPO eine VKH-Bewilligung ausgeschlossen ist.
Soweit der Antragsteller demgegenüber in die Berechnung seiner voraussichtlichen Kosten auch die Gebühren seines - vorliegend im Rahmen der VKH gerade nicht beiordnungsfähigen - Verfahrensbevollmächtigten einzubeziehen sehen will, geht das fehl.
Schon aus der Stellung des § 115 Abs. 4 ZPO im Zusammenhang der Regelungen der Prozeß- bzw. Verfahrenskostenhilfe ergibt sich, daß es sich bei den " Kosten der Prozeßführung " im Sinne der Norm maßgeblich nur um diejenigen Kosten handeln kann, die nach dem Verständnis im Rahmen der PKH/VKH notwendig sind und von einer etwaigen PKH/VKH-Bewilligung umfaßt werden. Liegen - wie vorliegend - die Voraussetzungen für eine Anwaltsbeiordnung dagegen nicht vor, so sind Kosten für einen dennoch herangezogenen Anwalt nicht notwendig und daher nicht Teil der " Kosten der Prozeßführung " im hier maßgeblichen Sinne (vgl. in diesem Sinne auch Musielak8-Fischer, ZPO § 115 Rz. 56 a.E., der sich im Schrifttum - soweit ersichtlich - als einziger zur vorliegenden Streitfrage äußert).