Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 04.04.2022, Az.: 6 U 55/21

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
04.04.2022
Aktenzeichen
6 U 55/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 67425
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 16.03.2022 - AZ: 9 O 99/17

Fundstellen

  • BauR 2024, 653-655
  • BauSV 2024, 72
  • IBR 2024, 65

In dem Rechtsstreit
Haustechnik GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. ...,
gegen
1. A. W.,
2. S. W.,
Kläger und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
Beteiligte:
R. B.,
Streithelfer der Kläger,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
Dr. ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 13. Juli 2021 verkündete Grundurteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und die durch die Streithilfe im Berufungsverfahren verursachten Kosten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 27.000 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Kläger verlangen von der Beklagten Kostenvorschuss wegen behaupteter Lärmbelästigung durch ein Kompaktheizgerät.

Mit der Planung des Neubaus eines Einfamilienhauses als Passivhaus in Massivbauweise beauftragten die Kläger ihren Streithelfer als Architekten, der die Beklagte mit E-Mail vom 18. Oktober 2007 (Anlage B1) um Zusendung eines Angebots für die Haustechnik bat.

Die Beklagte unterbreitete dem Streithelfer für das Bauvorhaben der Kläger das Angebot vom 9. April 2008 zur "Haustechnik für ein Passivhaus" (Anlage K2, Bl. 4-13 Anlagenband Kläger). Mit undatiertem "VOB-Bauvertrag (Kurzfassung)" (Anlage K1 Bl. 1-3 Anlagenband Kläger) übertrugen die Kläger als Auftraggeber der Beklagten als Auftragnehmerin die Ausführung eines Teils der Leistungen unter Bezugnahme auf das Angebot unter Einbeziehung weiterer Unterlagen für dieses Bauvorhaben zum Pauschalfestpreis von 21.746,05 € zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Gegenstand des Auftrags war unter anderem ein Kompaktheizgerät der Firma Y. Modell XXX.

Die Beklagte führte die Arbeiten aus.

In dem vom Streithelfer erstellten Abnahmeprotokoll vom 5. September 2008 (Anlage K3, Bl. 14 Anlagenband Kläger) heißt es:

"Der Abnahmetermin ist vereinbart worden, um die Endabnahme für die Arbeiten im Haus durchzuführen.

Folgende Mängel bzw. nicht vollständig erstellte Arbeiten und Leistungen sind vorab schon festgestellt worden. ...

2. Für den Zuluftauslass in Arbeiten, 2. DG, soll die Schalldämpfung gemäß DIN überprüft werden, gfs ist diese fachgerecht nachzuerstellen ... "

Im Folgenden rügten die Kläger mehrfach die Schallemissionen der Anlage, listeten gegenüber der Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 5. April 2013 (Anlage K6, Bl. 31-35 Anlagenband Kläger) die hier streitgegenständlichen Mängel auf und verlangten Mängelbeseitigung bis zum 7. Mai 2013.

Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2013 leiteten die Kläger gegen die Beklagte das selbstständige Beweisverfahren vor dem Landgericht Hannover zu 3 OH 8/13 ein. Auf Beweisbeschluss des Landgerichts vom 10. März 2014 (Bl. 57 f. OH-Akten) erstattete Prof. Dr. Ing. S. - öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bau-, Raum- und Elektroakustik - aufgrund Messung vom 23. Januar 2015 sein Gutachten vom 19. Juni 2015 (Anlage K5, Bl. 16-30 Anlagenband Kläger und Sonderhefter), das er in seiner Anhörung durch das Landgericht vom 10. Januar 2017 erläuterte (Anlage K7, Bl. 36 ff. Anlagenband Kläger und Bl. 217 ff. OH-Akten).

Mit der Klage vom 2. August 2017 haben die Kläger von der Beklagten Vorschuss in Höhe von 27.000 € nebst Zinsen verlangt und geltend gemacht, die Beklagte habe das streitgegenständliche Gerät vorgeschlagen und den Aufstellort festgelegt. Die Leistung der Beklagten sei mangelhaft, weil die von dem Gerät in der konkreten Aufstellsituation ausgehenden Geräuschemissionen zu hoch seien. Die Kompaktheizanlage lasse sich aufgrund ihrer Größe nicht in den Keller verlegen. Die nach Höhe und Erforderlichkeit streitigen Kosten für die Neuherstellung einer Kompakt-Heizanlage im Keller rechtfertigten aufgrund eingeholter Kostenvoranschläge den geltend gemachten Vorschuss.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und vorgetragen, dass die vom Kompaktheizgerät ausgehenden Schallpegel für die Anlagen dieser Art üblich seien und das Gerät nicht zu laut sei. Dies habe sie nicht ausgesucht. Entweder der Streithelfer oder der P-Planer müssten das konkrete Gerät vorgegeben haben, dessen Leistungsparameter Grundlage des P-Nachweises gewesen seien. Auch der Aufstellort sei vom Streithelfer vorgegeben worden. Ein Mangel scheide schon wegen des Fehlens einschlägiger Normen zum Zeitpunkt der Errichtung der Anlage aus. Der Streithelfer sei für die Einhaltung des Schallschutzes verantwortlich. Dieser sei verpflichtet gewesen, bauliche Maßnahmen zu planen, um die Geräuschentwicklung einzudämmen, wie schalldämmende Türen oder die Verwendung von Steinen mit hoher Dichte. Sie habe davon ausgehen dürfen, dass der Streithelfer entsprechende Maßnahmen geplant habe. Sie habe keine über die Ermittlung des Wärme- und Lüftungsbedarfs hinausgehende Fachplanung geschuldet, insbesondere nicht im Hinblick auf den Schallschutz. Da die Anlage nach Herstellerangaben für die Aufstellung im Wohnbereich geeignet gewesen sei, habe sie auch nicht auf Bedenken hinweisen müssen. Bei der Aufstellung der Anlage habe sie von der Verwendung schallhemmender Türen ausgehen dürfen. Eine Verlegung der Anlage in den Keller sei nicht erforderlich. Es könnten am Aufstellungsort andere schalldämmende Maßnahmen getroffen werden. Darüber hinaus seien diverse Kosten als Sowieso-Kosten zu bewerten. Auch sei ein Abzug neu für alt in Höhe von mindestens 70 % anzusetzen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 16. Oktober 2018 durch persönliche Anhörung der Sachverständigen Prof. S. und Dipl. Ing. K. in der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2021 (Bl. 495 ff. d. A.).

Mit Grundurteil vom 13. Juli 2021, auf das der Senat zur näheren Sachdarstellung verweist, hat das Landgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Hiergegen wendet die Beklagte sich mit ihrer Berufung und beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger und der Streithelfer beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die Berufung ist unbegründet.

I.

Dem Grunde nach (vgl. zu den hier gegebenen Voraussetzungen eines Grundurteils nach § 304 ZPO: Urteil des BGH vom 6. Juni 2019 zu VII ZR 103/16, Kniffka/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., 20. Teil, Rn. 70 und 73) können die Kläger von der Beklagten gem. § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B in der bei Vertragsschluss gültigen Fassung vom 4. September 2006 (VOB/B 2006) Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung wegen überhöhter Lärmbelästigung durch das Kompaktheizgerät in ihrem Einfamilienhaus verlangen.

1. Das Werk der Beklagten ist mangelhaft, weil von der Anlage eine unzulässige Lärmbelästigung durch Luft- und Körperschall ausgeht.

a) Die Mangelhaftigkeit hat das Landgericht im angefochtenen Urteil nach umfassender Beweisaufnahme überzeugend begründet und festgestellt.

b) Gegen die Messungen des Sachverständigen werden keine Einwendungen erhoben.

c) Der daraus gezogene Schluss, dass der Betrieb der Anlage im Wohnbereich eine unzulässige Lärmbelästigung der Bewohner erzeugt, ist nicht zu beanstanden. Die Wertung des Sachverständigen S. aufgrund seiner Messungen und persönlichen Wahrnehmungen im Ortstermin sind überzeugend und nicht zu beanstanden. Seine Angaben sind nicht rein subjektiv, sondern beruhen zunächst auf Messungen, die der dazu fachlich geeignete Sachverständige unter Berücksichtigung der im Ortstermin vorgefundenen Verhältnisse zu bewerten hatte. Hierbei hat er insbesondere auf die besonderen Verhältnisse vor Ort abgestellt, die sich aus dem Zusammenspiel von Anlage, Aufstellort und Nähe des Wohnbereichs ergeben.

Demgegenüber ist es wenig aussagekräftig, wenn sich die Beklagte darauf beruft, dass der Einbau eines solchen Gerätes in ein Wohnhaus auf Erdgeschossebene mit den Anforderungen an eine Nutzung zu Wohnzwecken "grundsätzlich vereinbar" bzw. "Standard und üblich ist". Seitens der Sachverständigen ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dass es jeweils auf den konkreten Einzelfall ankommt. Die Voraussetzungen für ein Obergutachten nach § 412 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. In Anbetracht der sachverständigen Ausführungen ist es auch nicht entscheidend, ob die DIN 4109 gilt oder nicht.

2. Die Beklagte hat den Mangel zu vertreten.

Als Fachfirma musste die Beklagte die Besonderheiten des vorliegenden Falles durch das Zusammenspiel von Anlage, Aufstellort und Nähe zum Wohnbereich erkennen und auf Schallschutzbedenken hinweisen.

Der Sachverständige K. hat hierzu erklärt, dass die Beklagte als Fachfirma die vorliegende Schallschutzproblematik hätte erkennen müssen (Bl. 501 f.)

3. Den Klägern ist keine Mitverursachung und kein Mitverschulden zuzurechnen.

a) Die Berufung wendet ein, es wäre originäre Architektenaufgabe gewesen, entweder den Klägern zu empfehlen, einen Fachplaner hinzuzuziehen, oder aber konkrete Nachfragen bei der Beklagten zu stellen. Dies sei nicht geschehen. Sie, die Beklagte, habe keine Fachplanung geschuldet. Es könne in das Wissen eines planenden Architekten gestellt werden, dass ein Kompakt-Heizgerät im Erdgeschoss eine gewisse Geräuschentwicklung mit sich bringe. Es sei demzufolge seine Aufgabe, in Bezug auf den von ihm gewählten Aufstellraum auch für eine schalltechnische Entkopplung des Raumes im Bereich des Rohbaus und der Wahl der Türen Sorge zu tragen. Diese Pflicht habe der Streithelfer verletzt. Er habe nicht einmal den Einbau einer schallschluckenden Tür geplant. Zum Beispiel die Wahl einer höheren Rohdichte des Mauersteins und/oder der Einbau von schallhemmenden Türen wären geeignete Mittel für die Planung gewesen. Dieses Planungsverschulden sei den Klägern zu 100 % als Mitverschulden anzurechnen.

b) Schon das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, ein den Klägern zuzurechnender Planungsfehler des Streithelfers liege nicht vor. Selbst für den Fall, dass der Streithelfer es zu verantworten habe, dass dieses Gerät Planungsgrundlage geworden sei, würde dies keinen Planungsfehler begründen, den die Kläger sich zurechnen lassen müssten. Insoweit sei maßgeblich, dass der Streithelfer nicht als Fachplaner tätig geworden sei, sondern als normaler Objektplaner. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S. habe sich der Architekt darauf verlassen dürfen, dass die Beklagte als Fachfirma die entsprechende Schallschutzproblematik mit prüfe und auf Probleme hinweise. Es habe ausschließlich der Beklagten oblegen, aufgrund der von ihr zu erwartenden Fachkenntnisse dafür zu sorgen, dass auch im Hinblick auf den Schallschutz ein mangelfreies Werk entstehe. Nicht die Planung des Raumes und auch nicht die Auswahl der Anlage seien zu beanstanden gewesen, sondern erst die Beziehung zwischen beiden und die konkrete bauliche Ausführung. Hierfür treffe nach vorstehenden Ausführungen den Streithelfer nicht die Verantwortung.

c) Dem ist nichts hinzufügen, nachdem der Sachverständige Prof. S. überzeugend erklärt hat, dass der Architekt davon ausgehen konnte, dass die Beklagte als Fachfirma die Schallschutzproblematik mitberücksichtigt und bei Problemen darauf hinweist (Bl. 502 d. A.). Der Sachverständige K. hat sich dem angeschlossen (Bl. 502 d. A.).

4. Der Zahlungsanspruch der Kläger entfällt nicht vollständig aus dem Grund, dass bei mangelfreier Errichtung ohnehin höhere Kosten angefallen wären (Sowiesokosten).

a) Das Landgericht hat ausgeführt, zur Höhe sei der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif. Nach den Ausführungen des Sachverständigen S. sei nicht zwingend davon auszugehen, dass eine Verlegung der Anlage in den Keller erforderlich sei. Gleich, auf welcher Grundlage Nachbesserungskosten zuerkannt würden, sei nicht davon auszugehen, dass sämtliche Nachbesserungskosten als Sowieso-Kosten zu bewerten seien. In jedem Fall würden Kosten für Teilrückbau, Anpassungen und im Abschluss jedenfalls auch Renovierungskosten anfallen, die bei mangelfreier Erbringung von Anfang an nicht angefallen wären. Hinzu komme, dass auf die heutigen Baupreise abzustellen sei.

b) Die Berufung wendet ein, hätte der planende Architekt im Rahmen seiner Planung eine schalltechnische Entkopplung des von ihm selbst gewählten Technikaufstellraums geplant, so wären hierdurch höhere Kosten angefallen, welche umfänglich als Sowieso-Kosten einzustufen seien.

c) Die Entscheidung des Landgerichts ist zutreffend, weil in jedem Fall Mängelbeseitigungskosten entstehen, die bei mangelfreier Planung nicht entstanden wären, und ferner nach den inzwischen gestiegenen Baupreisen abzurechnen ist, nachdem die Beklagte die Mängelbeseitigung seit Jahren verweigert hat.

5. Ein Abzug neu für alt ist nicht vorzunehmen. Die Argumentation der Beklagten verkennt, dass die Kläger sich von Anfang an mit einem mangelhaften Werk begnügen müssen.

a) Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass ein solcher Abzug nicht verlangt werden kann, wenn die erlangten Vorteile auf einer Verzögerung der Mängelbeseitigung beruhten und sich der Auftraggeber jahrelang mit einem funktional fehlerhaften Werk hat begnügen müssen. Der Unternehmer soll nicht dadurch eine Besserstellung erfahren, dass der Vertragszweck nicht gleich, sondern erst später erfüllt wird (Kniffka/Jurgeleit, a. a. O., 5. Teil Rz. 80).

b) Für den Zuluftauslass im Arbeitszimmer des zweiten Dachgeschosses ist eine Mängelrüge zur Schalldämpfung bereits im Besprechungstermin vom 5. September 2008 ins Abnahmeprotokoll übernommen worden (Anlage K3). Spätestens das Anwaltsschreiben vom 5. April 2013 (Anlage K6) enthält eine Mängelrüge mit Fristsetzung zum 7. Mai 2013. Die Erwägungen der Berufungsbegründung, dass das bei den Klägern verbaute Gerät inzwischen knapp 15 Jahre alt sei und seine normale Lebensdauer bereits überschritten habe, ist daher unerheblich.

6. Auf diese rechtliche Einschätzung ist die Beklagte durch Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 8. März 2022 hingewiesen worden. Anschließend ist kein weiterer Vortrag erfolgt, der eine andere Entscheidung rechtfertigt.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1, § 708 Nr. 10 und § 711 Satz 1, 2 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt dem Zahlungsantrag der Kläger erster Instanz.