Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.04.2022, Az.: 21 WF 26/22

Anfechtung einer Vaterschaft; Sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf öffentliche Zustellung einer Antragsschrift; In Abstammungssachen geltender Amtsermittlungsgrundsatz

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
26.04.2022
Aktenzeichen
21 WF 26/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 31498
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2022:0426.21WF26.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Winsen (Luhe) - 31.01.2022 - AZ: 34 F 20/20

Fundstellen

  • FGPrax 2022, 190-192
  • JAmt 2022, 597-598
  • NZFam 2022, 854

Amtlicher Leitsatz

Gegen die Ablehnung eines Antrags auf öffentliche Zustellung der Antragsschrift auf Anfechtung der Vaterschaft ist in analoger Anwendung der §§ 15 FamFG, 567 ff. ZPO die sofortige Beschwerde statthaft (vgl. BGH FamRZ 2015, 743 ff. [in Ehe- und Familienstreitsachen]).

Der Antragsteller in Abstammungsverfahren kann hinsichtlich der Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung nicht darauf verwiesen werden, selbst keine ausreichenden Nachforschungen zum Aufenthalt eines anderen Verfahrensbeteiligten und Zustellungsadressaten unternommen zu haben. Vielmehr folgt aus dem in Abstammungssachen geltenden Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG), dass dem Gericht - neben dem Antragsteller - eigene Ermittlungen und Überprüfungen obliegen (KG FamRZ 2018, 1923).

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist die Mutter des am .... November 2019 geborenen Beteiligten zu 1. Dieser gilt als rechtlicher Sohn des Beteiligten zu 3, da er aus der Ehe der Antragstellerin und des Beteiligten zu 3 hervorgegangen ist. Der Beteiligte zu 3 ist demgemäß in der Geburtsurkunde (Standesamt W. G .../2020) als Vater des Beteiligten zu 1 eingetragen. Die Ehe der Beteiligten zu 2 und 3 wurde am .... November 2019 rechtskräftig geschieden.

Vorliegend begehrt die Antragstellerin die Anfechtung der Vaterschaft des Beteiligten zu 3 unter Vorlage eines privat eingeholten Abstammungsgutachtens, wonach die Vaterschaft eines Dritten "praktisch erwiesen" sei.

Der Beteiligte zu 3 hält sich nach Angaben der Antragstellerin vermutlich in der Türkei auf. Eine Zustellung der Antragsschrift im Wege der Rechtshilfe blieb erfolglos, da der Beteiligte zu 3 nicht unter der von der Antragstellerin mitgeteilten Anschrift wohnhaft ist.

Den Antrag der Antragstellerin auf öffentliche Zustellung der Antragsschrift hat das Amtsgericht - Familiengericht - Winsen (Luhe) mit Beschluss vom 31. Januar 2022 abgelehnt. Es hält die Durchführung der öffentlichen Zustellung für unzulässig, da die Antragstellerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht habe, dass sie ihre Möglichkeiten zu Nachforschungen bezüglich der Anschrift des Beteiligten zu 3 bei dessen Verwandten, Freunden oder Bekannten sowie bei den türkischen Behörden ausgeschöpft habe.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 15. Februar 2022. Sie führt an, als Privatperson bei türkischen Behörden keine Auskunft über die Anschrift des Beteiligten zu 3 erhalten zu können und keinen Kontakt zur Familie des Beteiligten zu 3 zu haben, die als einzige dessen Anschrift mitteilen könne.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung an das Amtsgericht.

1.

Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde folgt aus der analogen Anwendung des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

a)

Einen Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der öffentlichen Zustellung sieht das Familienverfahrensrecht in den Bestimmungen des FamFG nicht vor.

Die Zulässigkeit der öffentlichen Zustellung selbst bestimmt sich in den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 15 Abs. 2 FamFG, der auf die §§ 166 bis 195 ZPO verweist, somit auch auf die in §§ 185 ff. ZPO geregelte öffentliche Zustellung. Auf die im Zivilprozess für Rechtsmittel gegen die Ablehnung einer öffentlichen Zustellung anwendbare Vorschrift des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO verweist § 15 FamFG nicht.

Als Zwischenentscheidung ist die Ablehnung eines Antrags auf öffentliche Zustellung auch nicht mit der Beschwerde (§§ 58 ff. FamFG) anfechtbar, da diese nur gegen Endentscheidungen im Sinne von § 38 FamFG statthaft ist, wenn nicht das Gesetz die Statthaftigkeit der Beschwerde ausdrücklich bestimmt, § 58 Abs. 1 FamFG. Anders als beispielsweise bei der Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs (§ 6 Abs. 2 FamFG) oder zur Frage der Rechtmäßigkeit der Anordnung von Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung (§ 178 Abs. 2 FamFG i.V.m.

§ 387 Abs. 3 ZPO) nimmt das FamFG eine solche Bestimmung bzw. Bezugnahme für die Ablehnung der öffentlichen Zustellung nicht vor.

Der Bundesgerichtshof hat zumindest für Ehe- und Familiensachen entschieden, dass die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der öffentlichen Zustellung gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO analog zulässig ist und geht von einer versehentlichen Regelungslücke aus (BGH FamRZ 2015, 743 Rn. 14 ff.; ebenso: OLG Hamm, FamRZ 2013, 964 Rn. 17; OLG Köln, Beschluss vom 06.12.2010, Az. 16 Wx 88/10 Rn. 3, zitiert nach juris).

b)

Ob in Anlehnung an die sofortige Beschwerde in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten auch in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ebendieses Rechtsmittel in analoger Anwendung statthaft sein könnte, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten.

Teilweise wird vertreten, dass die sofortige Beschwerde in den Fällen der Ablehnung eines Antrags auf öffentliche Zustellung in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht statthaft sei. So geht das OLG Frankfurt in einer Entscheidung vom 10. März 2015 (FamRZ 2015, 1996 Rn. 2) davon aus, dass ausdrücklich vom Gesetzgeber nur bestimmte Zwischenentscheidungen wegen herausragender Bedeutung mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sein sollen und sich der Gesetzgeber vorliegend bewusst für eine Unanfechtbarkeit entschieden habe. Demgegenüber wird unter Bezugnahme auf die oben genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs teilweise vertreten, dass eine sofortige Beschwerde zwar gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO auch in Familiensachen gegen die Ablehnung eines Antrags auf öffentliche Zustellung statthaft ist, jedoch nur soweit es sich um Ehe- und Familienstreitsachen handelt (vgl. Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. Aufl. 2019, § 15 Rn. 11 und § 58 Rn. 18; Meyer-Holz in: Keidel, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 58 Rn. 89; Althammer in: Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 7. Aufl. 2020, § 58 Rn. 10; Abramenko in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl., § 58 Rn. 17; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 42. Aufl., Vorb. § 58 FamFG Rn. 18).

In der Literatur gibt es Stimmen, die sich für eine Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnung der öffentlichen Zustellung auch in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit aussprechen (vgl. Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl 2017, § 15 FamFG Rn. 60; Brinkmann in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 6. Aufl. 2020, § 15 FamFG Rn. 29; Stockmann, jurisPR-FamR 12/2015 Anm. 1, lit. D). Teilweise wird die fehlende Verweisung als ein Redaktionsversehen bzw. unbeabsichtigtes Versäumnis des Gesetzgebers angesehen, eine entsprechende Regelung für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu schaffen und aus diesem Grund eine Anfechtbarkeit auch in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit angenommen (vgl. A. Fischer in: MüKo FamFG, 3. Aufl. 2018, § 58 FamFG Rn. 86; Borth/Grandel in: Musielak/Borth FamFG, 6. Aufl. 2018, § 15 FamFG, Rn. 9).

c)

Jedenfalls soweit Verfahren auf Antrag eingeleitet werden, wie vorliegend ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren gemäß § 171 Abs. 1 FamFG, schließt sich der Senat der letztgenannten Auffassung an und geht von einer Anfechtbarkeit der Ablehnung einer beantragten öffentlichen Zustellung aus.

Die durch den Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 25. Februar 2015 für Ehe- und Familienstreitsachen aufgeführten Gründe (BGH FamRZ 2015, 743 Rn. 14 ff.) sprechen dafür, auch in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO analog auf die Anfechtung der Ablehnung einer öffentlichen Zustellung anzuwenden.

So umfasst der in Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verankerte Justizgewährungsanspruch auch die Möglichkeit, verfahrenseinleitende Schriftsätze öffentlich zuzustellen. Eine Verletzung dieses Anspruchs durch die unberechtigte Ablehnung der öffentlichen Zustellung bedarf einer Überprüfbarkeit der ablehnenden Entscheidung (BGH a.a.O. Rn. 20; Brinkmann in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 6. Aufl. 2020, § 15 Rn. 29). Eine Anfechtbarkeit von Zwischenentscheidungen muss jedenfalls dann gewährt sein, wenn die Entscheidung in so einschneidender Weise in die Rechte eines Beteiligten eingreift, dass eine selbstständige Anfechtbarkeit unbedingt geboten ist (vgl. BGH a.a.O. unter Verweis auf BVerfGE 101, 106-132 [BVerfG 27.10.1999 - 1 BvR 385/90]). In verfassungskonformer Auslegung ist in diesen Fällen auch ohne ausdrücklich normierten Rechtsbehelf von einer Anfechtbarkeit einer Zwischenentscheidung auszugehen (Klußmann in: Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, 3. Aufl. 2015, § 58 FamFG Rn. 14).

Der Senat ist der Auffassung, dass dies auch für Abstammungsverfahren gelten muss, die gemäß § 171 Abs. 1 FamFG auf Antrag eingeleitet werden. Eine Ablehnung der öffentlichen Zustellung eines Antrags auf Vaterschaftsanfechtung oder -feststellung kommt in seiner Wirkung regelmäßig einer Zurückweisung des Hauptantrags gleich mit dem Unterschied, dass ein Rechtsbehelf nicht normiert ist. Denn ohne die Gewährung von rechtlichem Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG gegenüber den gemäß § 172 Abs. 1 FamFG zwingend Beteiligten kann das Verfahren in der Regel nicht gefördert werden (vgl. Borth, FPR 2007, 381 Ziff. V 2). Das ist mit dem Justizgewährungsanspruch nicht vereinbar, so dass von einer Regelungslücke auszugehen ist.

Auch ist kein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung zivilrechtlicher und familienrechtlicher Angelegenheiten denkbar. Der Senat verkennt nicht, dass Abstammungsverfahren nach Art. 8 EMRK einem Beschleunigungsgrundsatz unterliegen (vgl. EGMR FamRZ 2013, 691 Rn. 81 ff.). Da ein Verfahren über die Anfechtung einer Vaterschaft jedoch regelmäßig ohne rechtliches Gehör der nach § 172 Abs. 1 FamFG zwingend Beteiligten nicht abgeschlossen werden kann, steht die Maxime der Verfahrensbeschleunigung der Anfechtbarkeit der Zurückweisung eines Antrags auf öffentliche Zustellung nicht entgegen.

Es ist auch nicht zu erkennen, dass sich der Gesetzgeber mit der Fassung des § 15 FamFG bewusst für eine Unanfechtbarkeit der öffentlichen Zustellung entschieden hätte. Im Gegenteil führt er in der Gesetzesbegründung aus, dass sich die Anfechtbarkeit von nicht instanzbeendenden Beschlüssen mit der sofortigen Beschwerde aus der jeweiligen Bezugnahme auf die ZPO ergebe und dadurch gewährleistet sei, dass die Statthaftigkeit des Rechtsmittels gegen die auf der Grundlage von ZPO-Vorschriften getroffenen Neben- und Zwischenentscheidungen in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit derjenigen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten entspricht (BT-Drucks. 16/6308, 203; Roßmann in: Weinreich/Klein, Familienrecht, 6. Aufl. 2019, § 58 FamFG Rn. 36). Dass gerade dies hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Ablehnungen öffentlicher Zustellungen nicht umgesetzt wurde, untermauert die Annahme eines Redaktionsversehens.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO analog fristgerecht erhoben worden und auch im Übrigen zulässig.

2.

Sie ist auch begründet. Eine Ablehnung der öffentlichen Zustellung verletzt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall angesichts des bisherigen Verfahrensstands den Justizgewährungsanspruch der Antragstellerin.

a)

In der angefochtenen Entscheidung verweist das Amtsgericht auf die strengen Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung und begründet die Ablehnung unter anderem mit der fehlenden Darlegung eigener Ermittlungen der Antragstellerin bei Freunden und Verwandten des Beteiligten zu 3. Zutreffend ist, dass die Zustellung der Gewährung rechtlichen Gehörs dient und deshalb im Erkenntnisverfahren an die Feststellung der Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung hohe Anforderungen zu stellen sind. Unbekannt ist der Aufenthalt einer Person nämlich nur dann, wenn nicht nur das Gericht, sondern auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustellungsadressaten nicht kennt (vgl. BGHZ 149, 311-326 Rn. 13; OLG Brandenburg FamRZ 2020, 934 Rn. 14). Wer die öffentliche Zustellung begehrt, muss alle der Sache nach geeigneten und zumutbaren Nachforschungen anstellen, um den Aufenthalt des Zustellungsadressaten zu ermitteln. Diese vorgenommenen Nachforschungen im bisherigen Lebenskreis des Zustellungsempfängers und deren Ergebnis muss er gegenüber dem Gericht darlegen (vgl. BGH NJW-RR 2013, 307 Rn. 16; BGH FamRZ 2012, 1376 Rn. 17; OLG Frankfurt NJW 2013, 2913 Rn. 3).

Das Amtsgericht kann im vorliegenden Abstammungsverfahren die Zurückweisung des Antrags auf öffentliche Zustellung jedoch nicht allein auf fehlende Darlegungen der Antragstellerin zu Ermittlungen zum Aufenthalt des Beteiligten zu 3 stützen. Die Nachforschungsobliegenheiten des die öffentliche Zustellung beantragenden Beteiligten entbinden das Gericht nicht von seiner Amtsermittlungspflicht. Ist eine Zustellung von Amts wegen vorzunehmen, ist das Gericht auch zu eigenen Überprüfungen verpflichtet (BGH, NJW 2012, 3582 [BGH 04.07.2012 - XII ZR 94/10] Rn. 17).

Abstammungsverfahren unterliegen als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit dem Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 FamFG (vgl. Dürbeck in: Prütting/Helms, a.a.O., § 177 Rn. 2; Schwonberg in: Schulte-Bunert/Weinreich, a.a.O., § 177 Rn. 2 ff.). Die Amtsermittlungspflicht beschränkt sich dabei nicht nur auf verfahrens- oder materiell-rechtliche Tatsachen, sondern auch auf alle sonstigen für das Verfahren und die Verfahrensgestaltung relevanten Umstände (KG FamRZ 2018, 1923 Rn. 4). Dazu gehört auch die Ermittlung von Namen und Anschrift eines Beteiligten (BGH MDR 2015, 518 [BGH 18.02.2015 - XII ZB 473/13] Rn. 21). Vor Ablehnung einer beantragten öffentlichen Zustellung in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist ein Gericht insoweit gehalten, sich im Wege der Amtsermittlung selbst davon zu überzeugen, dass die Anschrift eines Beteiligten nicht ermittelt werden kann.

b)

Der Senat verkennt nicht, dass die Möglichkeiten zu eigenen Ermittlungen des Amtsgerichts begrenzt sind, wenn - wie vorliegend - wenige Hinweise auf den Aufenthalt des Beteiligten bekannt sind.

Es ist jedoch bislang jedenfalls unversucht geblieben, das Jugendamt zur Erreichbarkeit des Beteiligten zu 3 zu befragen. Soweit die Abstammung eines minderjährigen Kindes in Rede steht, das zudem noch seinen Aufenthalt in Deutschland hat, ist naheliegend, dass das Jugendamt über Kenntnisse zum Vater verfügt, die es am Verfahren nicht einbringen konnte, da ihm bisher - dem Verfahrensrecht entsprechend - gemäß § 172 Abs. 2 FamFG lediglich Gelegenheit gegeben wurde, sich auf Antrag am Verfahren zu beteiligen.

Auch verfügt die Deutsche Rentenversicherung häufig über aktuelle Anschriften derjenigen Personen, die jemals in Deutschland einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen sind. Nachfragen hierzu beantwortet erfahrungsgemäß bei unbekannter Sozialversicherungsnummer die Deutsche Rentenversicherung Bund in ihrer Funktion als Bundesträger im Sinne des § 125 Abs. 2 Satz 1 SGB VI mit ihrer Zuständigkeit für Grundsatz- und Querschnittsaufgaben der unterschiedlichen deutschen Rentenversicherungsträger, § 125 Abs. 2 Satz 2 SGB VI.

In Erwägung zu ziehen ist auch die Kontaktierung früherer Arbeitgeber des Beteiligten zu 3 in Deutschland, die bei der Antragstellerin in Erfahrung gebracht werden könnten. Es ist nicht fernliegend oder völlig ausgeschlossen, dass ein Arbeitgeber noch über Kontakt zu seinem nun im Ausland lebenden früheren Arbeitnehmer hat.

Überdies ist eine Anfrage des Gerichts an die türkische Außenvertretung in Berlin unversucht geblieben. Darüber hinaus ist bei Beteiligten mit ausländischer Staatsangehörigkeit auch beim Bundesverwaltungsamt in Köln nachzufragen (vgl. Prütting/Gehrlein/Marx, ZPO, 13. Aufl., § 185 Rn. 3).

Erfahrungsgemäß versprechen daneben Recherchen in sozialen Medien nicht selten Erfolg (vgl. OLG Frankfurt NJW 2009, 2543 Rn. 14 im Fall einer bekannten E-Mail-Adresse). Hierzu sind aufgrund der häufig länderübergreifenden Angebote regelmäßig nicht einmal Fremdsprachenkenntnisse erforderlich.

Unter Verweis auf diese je nach Einzelfall nicht abschließende Aufzählung hält der Senat die Möglichkeiten des Amtsgerichts im Rahmen der Amtsermittlung für noch nicht ausgeschöpft. Deshalb erachtet der Senat die Ablehnung des Antrags auf öffentliche Zustellung derzeit nicht für begründet.

c)

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass das Amtsgericht die Antragstellerin zu Recht auf ihre Nachforschungsobliegenheit hingewiesen hat. Denn gemäß § 27 FamFG sind Beteiligte gehalten, zur Aufklärung beizutragen.

Voraussetzung für eine gegebenenfalls durchzuführende öffentliche Zustellung wären jedenfalls konkretisierte Darlegungen der Antragstellerin dazu, welche Bemühungen sie unternommen hat, Freunde und Verwandte des Beteiligten zu 3 zum Zwecke von Nachforschungen zu dessen Aufenthalt zu kontaktieren. Allein der Hinweis, keinen Kontakt zum Beteiligten zu 3 und seiner Familie zu haben, genügt nicht. Sind Verwandte oder Freunde des Beteiligten zu 3 im Inland wohnhaft, dürfte wenigstens geboten sein, deren Anschrift oder Erreichbarkeit dem Amtsgericht mitzuteilen, und die Bemühungen um Nachfragen bei diesen durch die Antragstellerin konkret darzulegen (vgl. BGH FamRZ 2012, 1376 Rn. 17 f.).

Auch dürfte es der Antragstellerin zumutbar sein, über die türkische Außenvertretung in Deutschland eine Anfrage bei der landesweiten Aufenthaltsdatenbank der Türkei zu tätigen, auf die das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat. Angesichts der mittlerweile deutlich vereinfachten grenzüberschreitenden Kommunikation folgt der Senat insoweit nicht dem Bayrischen Obersten Landesgericht, das mit Beschluss vom 21. August 1978 (Az. 2 Z 2/78) die Auffassung vertreten hatte, dass Ermittlungen bei ausländischen Behörden in der Regel von Beteiligten nicht erwartet werden können (BayObLG, RPfleger 1978, 446 Rn. 26 ff.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 20 FamGKG; die Wertfestsetzung ist in §§ 40 Abs. 2, 47 Abs. 1 FamGKG begründet.