Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 04.04.2022, Az.: 6 U 47/21

Pflicht des Geschäftsführers einer nie existenten GmbH & Co. KG zur Zahlung von Abschlägen auf den Werklohn aus der Haftung eines Vertreters ohne Vertretungsmacht

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
04.04.2022
Aktenzeichen
6 U 47/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 68266
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - AZ: 14 O 31/20

Fundstelle

  • IBR 2023, 57

In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 2. Februar 2022 wird aufrechterhalten.

Der Beklagte zu 4 trägt die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil, das Versäumnisurteil des Senats und das angefochtene Urteil erster Instanz sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte zu 4 darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 39.151 € festgesetzt.

Gründe

A.

Der Beklagte zu 4 erstrebt vollständige Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage auf Zahlung von Abschlägen auf den Werklohn.

Mit "Bauvertrag VOB/B Vertrag" vom 29. April 2016 / 10. und wohl 19. Mai 2016 (Anlage K1, Bl. 17 d. A.) beauftragte die "D. GmbH u. Co. KG" als "Auftraggeber" die Klägerin als "Auftragnehmer" durch "Pauschalpreisvertrag" zur "Vertragssumme" in Höhe von 151.130,00 € (= 127.000 € + 19 % Mehrwertsteuer) für das Gewerk Heizung, Lüftung, Sanitär beim Bauvorhaben Sanierung und Umbau eines Mehrfamilienhauses in B.

Der Beklagte zu 4, der als Geschäftsführer der Beklagten zu 3 der Klägerin mit Schreiben vom 22. November 2019 (Anlage K8, Bl. 28 d. A.) Gründe für die "Verzögerungen bei der Begleichung der offenen Rechnungen" nannte, hat erstmals mit der Berufungsbegründung bestritten, für die Auftraggeberin die Anlage K1 unterzeichnet zu haben.

Die Klägerin führte Arbeiten aus, stellte Abschlagsrechnungen, erhielt Bezahlungen und verlangte von der Beklagten zu 2 mit Abschlagsrechnung vom 2. Mai 2019 (Anlage K3, Bl. 20 f.d.A.) weitere 31.535,00 €, und mit Abschlagsrechnung vom 13. Juni 2019 (Anlage K4, Bl. 22 f.d.A.)

weitere7.616,00 €.
Hauptforderung39.151,00 €,

auf die keine Zahlung erfolgte.

Mit der Klage hat die Klägerin diese Hauptforderung nebst Zinsen und Nebenforderungen zunächst gegen die Beklagte zu 1 mit Mahnbescheid (Bl. 4 d. A.) und Anspruchsbegründung vom 22. Januar 2020, abgetrennt durch Beschluss des Landgerichts vom 25.02.2021 wegen Unterbrechung nach § 240 ZPO (Bl. 239 d. A. i. V. m. Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 15. Oktober 2020 zu 531 IN 1/20, Bl. 218 d.A.), geltend gemacht, mit Klagerweiterung vom 6. April 2020 (Bl. 58 d. A.) gegen die Beklagten zu 2 und 3 sowie mit Schriftsatz vom 3.August 2020 (Bl. 125 d. A.) gegen den Beklagten zu 4.

Die Beklagte zu 2 war "unstreitig nicht existent" (Bl. 264 d. A.), war aber auf dem Briefpapier des Schreibens vom 1. Februar 2016 (Anlage K18, Bl. 152 d. A.) mit der Angabe vermerkt, sie sei beim AG Hannover unter HRA 202 587 eingetragen. Auf dem Briefpapier war als Komplementärin angegeben:

"Persönlich haftender Gesellschafter

D. GmbH

vertr. d. GF A. K."

Im Handelsregister des AG Hannover wurde für die Beklagte zu 3 unter HRB 205 651

- am 19.2.2015 eingetragen, dass die Gesellschafterversammlung vom 8.12.2014 die Änderung der ursprünglichen Firma "D. GmbH" in die o. g. Firma der Beklagten zu 3 beschlossen habe (Anlage K10, Bl. 60) und

- am 9.3.2018 eingetragen, dass der Beklagte zu 4 Geschäftsführer und C. S. nicht mehr Geschäftsführer ist (Anlage BK 8, Bl. 399 d. A.).

Nach Hinweis des Landgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2021, dass die Beklagte zu 2 nicht existent und die Beklagte zu 3 nicht als Vertragspartnerin bezeichnet sei, hat die Klägerin die Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 zurückgenommen (Bl. 264 d.A.).

Mit Versäumnisurteil vom 20. April 2021 hat das Landgericht den Beklagten zu 4 verurteilt, an die Klägerin 39.151,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus 31.535,00 € seit dem 3. Juni 2019, sowie

aus weiteren 7.616,00 € seit dem 4. Juli 2019, sowie

weitere vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.336,90 €, sowie

vorgerichtliche Auskunftskosten in Höhe von 20,00 €, sowie

weitere Mahnkosten in Höhe von 20,00 € zu zahlen.

Mit seinem Einspruch hat der Beklagte zu 4 eingewandt, eine Eigenhaftung komme nicht in Betracht. Dem stünden die Rechtsgrundsätze des unternehmensbezogenen Geschäftes entgegen. Dabei sei davon auszugehen, dass nicht die für das Unternehmen handelnde Person, sondern das Unternehmen selbst habe Vertragspartner werden sollen. Erforderlich dafür sei lediglich ein Unternehmensbezug, der hier gegeben sei (Bl. 299 d. A.). Es sei davon auszugehen, dass die durch die Klägerin behauptete Vertragsbeziehung hinsichtlich des streitgegenständlichen Bauobjekts zwischen der Klägerin und der D. GmbH, die rechtlich existent sei (Beklagte zu 3), zustande gekommen sei (Bl. 300 d. A.).

Das Landgericht hat mit Urteil vom 23. Juni 2021, auf das der Senat zur näheren Sachdarstellung verweist, das Versäumnisurteil vom 20. April 2021 aufrechterhalten und dem Beklagten die weiteren Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Hiergegen wendet der Beklagte zu 4 sich mit seiner Berufung, die der Senat mit Versäumnisurteil vom 16. März 2022 (Bl. 443 f. d. A.) zurückgewiesen hat.

Der Beklagte zu 4, dem das Versäumnisurteil des Senats am 11.02.2022 zugestellt worden (Bl. 446 d. A.) und dessen Einspruch am 24.02.2022 beim hiesigen Oberlandesgericht eingegangen ist (Bl. 447 f. d. A.), beantragt,

das Versäumnisurteil des Senats aufzuheben und unter Abänderung des angefochtenen Urteils sowie unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Landgerichts vom 20. April 2021 die gegen ihn gerichtete Klage abzuweisen, hilfsweise die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Der zulässige Einspruch hat keinen Erfolg.

Die Klägerin kann von dem Beklagten zu 4 die vom Landgericht zugesprochenen Zahlungen aus dem Versäumnisurteil vom 20. April 2021 verlangen.

I.

Hinsichtlich der Hauptforderung, gegen deren fortbestehende Berechtigung aus dem Bauvertrag mit der Berufung keine Einwendungen erhoben werden, ergibt sich der Anspruch aus § 179 Abs. 1 BGB.

Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadenersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert.

1. Der Beklagte zu 4 hat durch Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 18. Januar 2022 (Bl. 425 f. d. A.) folgenden Hinweis erhalten:

"a) Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil festgestellt, dass der in Rede stehende Bauvertrag vom 29. April 2016 zwischen der Klägerin und der dort genannten, unstreitig aber nie existenten D. GmbH & Co. KG vom Beklagten unterzeichnet wurde. Darauf hatte das Landgericht bereits mit Beschluss vom 6. November 2020 (Bl. 199 d. A.) hingewiesen. Diese Feststellung hat der Senat zugrunde zu legen, § 529 Abs. 1 ZPO. Das nunmehr in der Berufungsbegründung erfolgte Bestreiten ist nicht zuzulassen, § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO. Ohnehin hat der Beklagte im Schriftsatz vom 1. April 2021, beim Landgericht eingegangen am 26. Mai 2021 (Bl. 300 d. A.), zugestanden, dass er "der Handelnde" gewesen sei, die Klägerin aber nicht vorgetragen habe, dass er ein Eigengeschäft habe abschließen wollen (S. 3 oben). Das Bestreiten aus der Berufungsbegründung erfolgt auch nur mit dem Bemerken, er, der Beklagte, sei zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht einmal der Geschäftsführer der vermeintlichen Komplementärin, der D. GmbH, gewesen, was freilich in keiner Weise den Rückschluss zulässt, dass er auch den Vertrag nicht unterschrieben haben kann. Überdies geht es um ein Bauvorhaben ... in B. Und in diesem Zusammenhang ist der Beklagte tätig geworden, wie sich aus der Anlage K 18 ergibt (vom Beklagten unterzeichnetes Schreiben der D. GmbH & Co. KG (!) vom 1. Februar 2016). Der Vergleich der beiden Unterschriften Anlagen K 1 und K 18 ergibt keinen Anhalt für die Behauptung des Beklagten, er habe den Bauvertrag nicht unterschrieben. ...

b) aa) Die Grundsätze zur irrtümlichen Falschbezeichnung dürften unanwendbar sein.

Es müsste sicher feststehen, dass die Parteien einen gemeinsamen Willen dahingehend hatten, dass Vertragspartnerin der Klägerin eine im Vertrag nicht einmal genannte Gesellschaft werden soll. (Die Beklagte zu 3 ist dort nur als Komplementärin genannt.)

bb) Auch aus der Rechtsprechung zum unternehmensbezogenen Geschäft ergibt sich für den Beklagten nichts.

Bei einem unternehmensbezogenen Geschäft geht der Wille der Beteiligten nach der von der Rechtsprechung angewandten Auslegungsregel im Zweifel dahin, dass der Inhaber des Unternehmens Vertragspartei wird und nicht der für das Unternehmen Handelnde. Der Handelnde haftet aber dann nach § 179 BGB, wenn der Unternehmensträger gar nicht existiert oder wenn der Handelnde keine Vollmacht hatte, für den Unternehmensträger zu handeln (vgl. BGH, II ZR 355/95, Urteil vom 18. Mai 1998, NJW 1998, 2897 [BGH 18.05.1998 - II ZR 355/95], unter 2., beck-online). Vorliegend existierte die KG nicht, und im Übrigen hat der Beklagte nicht (dargelegt und) nachgewiesen, als Vertreter der Komplementär-GmbH aufgetreten zu sein (deren organschaftlicher Vertreter er nicht gewesen sein will), sodass ihm auch die Grundsätze für vollmachtloses Handeln bei mehrstufiger Vertretung (vgl. BGH, VIII ZR 18/76, Urteil vom 25. Mai 1977, NJW 1977, 1535, beck-online (und Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl., 2022, § 179 Rn. 3 m. w. N.)) nicht helfen. [Eine solche Darlegung ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben vom 24.05.2016, mit dem ein Mitarbeiter der Beklagten zu 3 der Klägerin den Bauvertrag übersandt hat (Anlage BK3, Bl. 394 d. A.)]

Dabei kann bislang nicht nachvollzogen werden, wer tatsächlich Eigentümer des Grundstücks war, ein Grundbuchauszug ist nicht vorgelegt, die Offenlegung der Eigentumsverhältnisse gegenüber der Klägerin vor Abschluss des Vertrages nicht behauptet worden. Es dürfte darauf aber ohnehin nicht ankommen, weil ein Werkvertrag über Arbeiten auf einem Grundstück nicht zwingend mit dem Eigentümer abgeschlossen werden muss und nichts dafür ersichtlich ist, dass die Klägerin wusste, dass die im Vertrag bezeichnete KG nicht existiert."

2. Anschließend ist kein Vortrag des Beklagten zu 4 erfolgt, der eine andere Entscheidung rechtfertigen könnte.

a) Ein Grundbuchauszug ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt und die Eigentumsverhältnisse sind auch nicht in anderer Weise nachgewiesen worden.

b) Dem Einwand, richtige Beklagte sei die Beklagte zu 3 als Komplementärin und Objekteigentümerin, steht auch entgegen, dass der Beklagte zu 4 als Geschäftsführer der Beklagten zu 3 in diesem Prozess beantragt hat, die Klage gegen die Beklagte zu 3 abzuweisen (Bl. 84 d. A.), und geltend gemacht hat, die Beklagte zu 3 hafte nicht auf die Klagforderung (Bl. 89 d. A.), der Bauvertrag sei also nicht auf das Unternehmen der Beklagten zu 3 bezogen gewesen.

Hierauf hat bereits das Landgericht im angefochtenen Urteil hingewiesen.

c) Im Übrigen war für die Klägerin nicht eindeutig, wer hinter der KG steht. Die Angaben zur Komplementär GmbH sind widersprüchlich.

Zwar heißt es in der Rubrik "Auftraggeber" des Bauvertrages:

"D. GmbH und Co KG"

Doch ist die Komplementär-GmbH falsch bezeichnet, weil die Umfirmierung schon lange zuvor erfolgt war und Briefpapier existiert, auf dem die Komplementär-GmbH einen anderen Namen trägt (Anlage K 18, Bl. 152 d. A.).

3. Zum Anspruchsgrund im Übrigen und zur Anspruchshöhe enthält die Berufungsbegründung keinen Angriff.

II.

Gleiches gilt zu den Zinsen und den anderen Nebenforderungen.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10 und § 711 Satz 1, 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).