Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 10.02.2016, Az.: 10 A 4379/15
Daseinsvorsorge; gemischt wirtschaftliche Unternehmen; gemischt wirtschaftliches Unternehmen; Nahverkehr; Öffentliche Stelle; Öffentlicher Dienstleistungsauftrag; ÖPNV; Rechtsverletzung; Regionalisierung; Verwaltungsaktsbefugnis
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 10.02.2016
- Aktenzeichen
- 10 A 4379/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 43201
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 2 BDSG
- § 2 Abs 4 S 2 BDSG
- § 38 Abs 5 S 2 BDSG
- § 2 Abs 1 DSG ND
- § 2 Abs 1 Nr 2 DSG ND
- § 2 Abs 3 DSG ND
- § 23 Abs 1 DSG ND
- § 1 Abs 1 NVG ND
- § 4 Abs 1 Nr 1 NVG ND
- § 1 Abs 1 RegG
- Art 5 EGV 1370/2007
- Art 2 EGV 1370/2007
- Art 5 Abs 2 Buchst b EGV 1370/2007
- § 113 Abs 1 S 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Ein gemischt wirtschaftliches Unternehmen, das hoheitliche öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnimmt, ist gem. § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG insoweit öffentliche Stelle im Sinne des BDSG.
2. Die Wahrnehmung einer Aufgabe der Daseinsvorsorge im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags im Sinne von Art. 5 der VO (EG) 1370/2007 indiziert dabei eine hoheitliche Aufgabe der öffentlichen Verwaltung im Sinne von § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG und schließt zugleich aus, dass die öffentliche Stelle im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 NDSG am Wettbewerb teilnimmt.
3. Öffentlichen Stellen im Sinne von § 2 Abs. 1 NDSG verleiht § 23 Abs. 1 NDSG eine wehrfähige Rechtsposition dahingehend, nur im Wege der dort vorgesehenen Beanstandung in Anspruch genommen zu werden.
4. Eine zwingende, an § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG angelehnte Untersagungsverfügung des Landesbeauftragten für den Datenschutz verletzt diese Rechtsposition im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 29. August 2014 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer datenschutzrechtlichen Anordnung der Beklagten und mittelbar um den zulässigen Umfang von Videoüberwachung innerhalb von Fahrzeugen im öffentlichen Personennahverkehr.
Die Klägerin erbringt als Beteiligungsunternehmen in einer Holding unter kommunaler Kontrolle aufgrund eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags im Sinne von Art. 5 der Verordnung Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße (ABl. L 315, S. 1) – ÖPNV-Verordnung – Dienstleistungen im öffentlichen Personennahverkehr im Gebiet und im Umland der Landeshauptstadt Hannover. Dort betreibt sie 40 Bus- und 12 Straßenbahnlinien. Die Eigentumsanteile an der Klägerin halten zu 98,38 v. H. die B., zu 1,09 v. H. die C., zu 0,01 v. H. die D. und zu 0,52 v. H. private Eigentümer. Die B. wiederum ist eine Holding, deren Anteile zu 80,49 v. H. von der Landeshauptstadt Hannover und zu 19,51 v. H. von der C. gehalten werden. Die VVG und die C. halten wiederum 76 v. H. der Gesellschaftsanteile der D..
In zahlreichen ihrer Fahrzeuge hat die Beklagte feststehende Videokameras installiert, mit denen im sog. Blackbox-Verfahren durchgehend Bewegtbilder vom Fahrzeuginnenraum aufgezeichnet werden. Der Speicher befindet sich in fest in den Fahrzeugen verbauten Aufzeichnungsgeräten und wird als Ringspeicher nach 24 Stunden neu beschrieben. Eine Übertragung, Beobachtung oder Auswertung der Bilder in Echtzeit findet nicht statt. Wenn die Klägerin Anlass zur Auswertung der Aufzeichnungen sieht, entnimmt sie vor der automatischen Löschung die Datenträger und sichert die Aufzeichnungen.
Nach Presseberichten über die Ausweitung der Videoüberwachung leitete die Beklagte im April 2013 ein formloses Prüfungsverfahren ein. Danach fanden zwischen den Beteiligten mehrere Gespräche und umfangreicher Schriftwechsel statt, in denen sich die Beteiligten nicht über die datenschutzrechtliche Beurteilung der Videoüberwachung einig wurden. Dabei beanstandete die Beklagte mit Schreiben vom 18. Oktober 2013 die vorgelegten Verfahrensbeschreibungen in verschiedenen Punkten (insbesondere hinsichtlich der Zugriffsberechtigung auf die erhobenen Daten) als unvollständig. In einem späteren Schreiben rügte die Beklagte, dass keine rechtliche Prüfung der Notwendigkeit der Überwachung erfolgt sei. Es fehle insbesondere eine Abwägung zwischen den Interessen der Klägerin an der Beweissicherung bei Straftaten und den Interessen der betroffenen Fahrgäste. Dabei sei auch zu prüfen, ob die Rechte der Betroffenen durch Einrichtung überwachungsfreier Zonen gewahrt werden könnten. Eine nach Zeit und Linien undifferenzierte, durchgehende Überwachung sei jedenfalls unzulässig. Der Klägerin wurde aufgegeben, durch Datenmaterial nachzuweisen, dass eine vollständige Überwachung erforderlich sei.
Mit der angefochtenen Verfügung vom 29. August 2014 gab die Beklagte der Klägerin gestützt auf § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG auf, die Videoüberwachung in ihren Straßenbahnen und Bussen während des Einsatzes der Fahrzeuge im öffentlichen Personennahverkehr einzustellen und erst wieder aufzunehmen, nachdem sie entweder ein Konzept für einen nach Linien und Zeit differenzierten Einsatz der Videotechnik erarbeitet und umgesetzt hat oder anhand konkreter Anhaltspunkte darlegt, dass die Videoüberwachung zeitlich und örtlich unbeschränkt erforderlich ist.
Hinsichtlich der Einstellung der Videoüberwachung setzte die Beklagte der Klägerin eine Frist von sieben Tagen nach Bestandskraft der Verfügung und gab ihr zugleich auf, eine etwaige Wiederaufnahme der Videoüberwachung vorher anzuzeigen. Weiter drohte sie ein Zwangsgeld an, falls die Klägerin die Überwachung fortsetze.
Die Klägerin hat am 30. September 2014 Klage erhoben. Sie hält die Untersagung der Videoüberwachung für rechtswidrig und sieht sich in der Ausübung ihrer unternehmerischen Tätigkeit beschränkt und in ihren Grundrechten – der allgemeinen Handlungsfreiheit, der Ausübung ihres Gewerbebetriebs und der Eigentumsfreiheit – verletzt. Die Videoüberwachung bewege sich im Rahmen des § 6 b BDSG. Mit der Untersagungsverfügung seien auch die Fristsetzung und die Zwangsgeldandrohung rechtswidrig.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29. August 2014 aufzuheben,
hilfsweise
festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten rechtswidrig ist und gegenüber der Klägerin keine Regelungswirkung entfaltet,
hilfsweise
festzustellen, dass die in Form der Videoaufzeichnung durchgeführte Videoüberwachung ... während des Einsatzes der Fahrzeuge im öffentlichen Personennahverkehr rechtmäßig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Verfügung, die ihre Rechtsgrundlage in § 38 Abs. 5 BDSG finde. Die Untersagung der Videoüberwachung sei nicht absolut, sondern sei darauf gerichtet, dass die Klägerin ein datenschutzkonform abgestuftes Überwachungskonzept vorlege oder anhand einer konkreten Gefahrenprognose nachweise, dass die bisher praktizierte flächendeckende Videobeobachtung erforderlich sei.
In der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2015 hat die Kammer Zweifel an der Anwendbarkeit des Bundesdatenschutzgesetzes geäußert. Die Beteiligten treten dem übereinstimmend entgegen; die Klägerin sei eine nicht-öffentliche Stelle im Sinne des BDSG; falls sie als öffentliche Stelle gelte und aus dem Anwendungsbereich des BDSG herausfalle, sei dieser durch die Rückverweisung in § 2 Abs. 3 Nr. 1 NDSG wieder eröffnet, weil sie als privatrechtliches Unternehmen mit ihrer wirtschaftlichen Betätigung am Wettbewerb teilnehme.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die mit dem Hauptantrag als Anfechtungsklage erhobene Klage hat Erfolg.
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere kommt der Klägerin eine Klagebefugnis zu. Denn sie macht geltend, in ihrer Handlungsfreiheit, ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und ihrer Eigentumsfreiheit verletzt zu sein.
Zwar bedarf die Grundrechtsfähigkeit einer juristischen Person des privaten Rechts nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht näherer Darlegung, wenn diese öffentliche Aufgaben wahrnimmt oder von der öffentlichen Hand gehalten oder beherrscht wird (BVerfG, Beschlüsse vom 2.11.2015 – 1 BvR 1530/15, 1 BvR 1531/15) und vom 3.11.2015 (1 BvR 1766/15, 1 BvR 1783/15, 1 BvR 1815/15 –, V. n. b.). Für die Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO genügt es indes, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht gänzlich ausgeschlossen ist, weil die Klägerin als juristische Person des Privatrechts dem Grunde nach Trägerin dieser Rechte sein kann. Das ist hier der Fall. Ob sich die Klägerin aufgrund ihrer Eigentums- und Beherrschungsverhältnisse oder der von ihr wahrgenommenen Aufgaben auf Grundrechte tatsächlich nicht wird berufen können, ist im Rahmen der Begründetheit der Klage zu klären.
II. Die Klage ist auch begründet. Die angefochtene Verfügung ist rechtswidrig (1.) und verletzt die Klägerin im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren Rechten (2.).
1. Die Anordnung der Beklagten ist rechtswidrig, weil sie sich auf eine Rechtsgrundlage stützt, deren Tatbestand nicht eröffnet ist, und das statt dessen einschlägige Recht die gewählte Rechtsfolge nicht vorsieht.
a. Die Beklagte stützt ihre Anordnung auf § 38 Abs. 5 BDSG. Nach Satz 1 dieser Bestimmung kann die Aufsichtsbehörde zur Gewährleistung der Einhaltung dieses Gesetzes und anderer Vorschriften über den Datenschutz Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Verstöße bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten oder technischer oder organisatorischer Mängel anordnen. Gemäß Satz 2 dieser Norm kann sie zudem bei schwerwiegenden Verstößen oder Mängeln die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung oder den Einsatz einzelner Verfahren untersagen, wenn die Verstöße oder Mängel nicht in angemessener Zeit beseitigt werden.
b. Bereits die formalen Voraussetzungen einer solchen Anordnung sind nicht gegeben, weil der sachliche Anwendungsbereich des BDSG nicht eröffnet ist.
Das Bundesdatenschutzgesetz gilt nach § 1 Abs. 2 BDSG für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten. (Nur) insoweit ist der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet, weil die digitale Aufzeichnung und Speicherung von Fotos und Videoaufnahmen im Rahmen einer Videoüberwachung eine Erhebung, ggf. Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG ist (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 29.09.2014 – 11 LC 114/13 –, www.dbovg.niedersachsen., Rn. 29; Dammann, in: Simitis, BDSG, 7. Aufl. 2011, Rn. 4, 66 zu § 3).
Darüber hinaus setzt die Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes gem. § 1 Abs. 2 BDSG voraus, dass die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung durch öffentliche Stellen des Bundes (Abs. 2 Nr. 1), öffentliche Stellen der Länder (Abs. 2 Nr. 2), die Bundesrecht ausführen (Nr. 2 lit. a) oder als Organe der Rechtspflege tätig werden (Nr. 2 lit. b) oder – unter weiteren Voraussetzungen – durch nicht-öffentliche Stellen erfolgt (Abs. 2 Nr. 3). Bei der Datenverarbeitung durch öffentliche Stellen der Länder ist das Bundesdatenschutzgesetz nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BDSG nur anwendbar, soweit der Datenschutz nicht durch Landesgesetz geregelt ist. Diese weiteren Voraussetzungen des sachlichen Anwendungsbereichs sind nicht erfüllt.
Entgegen der Auffassung der Beteiligten ist die Klägerin keine nicht-öffentliche Stelle im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG, sondern eine öffentliche Stelle der Länder im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BDSG.
Sie fällt zwar nicht unmittelbar unter die Definition der öffentlichen Stellen in § 2 Abs. 2 BDSG, die Behörden, Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen eines Landes, eines Gemeindeverbandes oder sonstige der Aufsicht des Landes unterstehende juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet der Rechtsform umfassen. Als Aktiengesellschaft ist die Klägerin eine juristische Person des privaten Rechts im Sinne von § 2 Abs. 4 Satz 1 BDSG und daher zunächst eine nicht-öffentliche Stelle. Über diese Zuordnung zum öffentlichen oder nichtöffentlichen Bereich anhand der Rechtsform hinaus ordnet jedoch § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG an, dass auch nicht-öffentliche Stellen als öffentliche Stellen gelten, soweit sie hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Das ist bei dem von der streitbefangenen Videoüberwachung betroffenen Betrieb des öffentlichen Personennahverkehrs im Gebiet der C. der Fall, weil die Klägerin insoweit hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im Aufgabenbereich der C. wahrnimmt.
aa. Die Wahrnehmung „hoheitlicher Aufgaben“ beschreibt in Anlehnung an die der hergebrachte, auch heute noch Geltung beanspruchende Definition von Walter Jellinek Aufgaben der Verwaltung, die wegen ihres engen Zusammenhangs mit den Staatsaufgaben von der Rechtsordnung aus dem Rahmen der Verwaltung eines Privaten herausgehoben werden, also mehr sind als bloß fiskalische Verwaltung. Innerhalb ihrer gibt es wieder zwei Stufen: obrigkeitliche Verwaltung und schlichte Hoheitsverwaltung (vgl. Jellinek, Deutsches Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931, § 2 I <S. 20 f>; aus der jüngeren Literatur eingehend Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht Bd. 1, 12. Aufl. 2007, Rn. 73 ff. zu § 23). Soweit die Beklagte meint, die „Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben“ im Sinne von § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG setze eine Übertragung hoheitlicher Befugnisse – etwa zur einseitigen Regelung von Rechtsverhältnissen und zum Verwaltungszwang – voraus, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Schon der Begriff des „schlicht-hoheitlichen“ Handelns (vgl. Wolff/Bachof/Stober/– a. a. O. –, Rn. 76. zu § 23) zeigt, dass hoheitliche Aufgaben nicht allein in einem Über-Unterordnungsverhältnis oder nur mit den Handlungsformen der Eingriffsverwaltung wahrgenommen werden können. Insofern besteht ein Unterschied zwischen der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben im Sinne von § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG und der von der Beklagten angeführten Ausübung hoheitlicher Befugnisse (im Sinne eines obrigkeitlichen Handelns). Letztere ist ein hinreichendes, aber kein notwendiges Kriterium der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben.
bb. Der Betrieb des Straßenbahn- und Busverkehrs innerhalb der C. stellt eine hoheitliche Aufgabe in dem vorbeschriebenen Sinne dar, denn er ist untrennbar mit den staatlichen Aufgaben verbunden, die die Rechtsordnung dem Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs zugewiesen hat.
(1) Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr ist in § 1 Abs. 1 des Regionalisierungsgesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2395, geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2598)) – RegG – ausdrücklich als (staatliche) Aufgabe der Daseinsvorsorge beschrieben. Diese Aufgabenzuweisung greift § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Nahverkehrsgesetzes (vom 28. Juni 1995, Nds. GVBl. 1995, 180, geändert durch Gesetz vom 28. Oktober 2009, Nds. GVBl. S. 366) – NNVG – auf und weist „den öffentlichen Personennahverkehr“ den jeweiligen (kommunalen) Trägern als Aufgabe im eigenen Wirkungskreis zu.
Von der Daseinsvorsorge und mithin auch von dem Begriff der hoheitlichen Aufgabe ist (auch) die tatsächliche Erbringung der Leistungen gegenüber dem Berechtigten erfasst. Denn der gesetzliche Gewährleistungsauftrag beschränkt sich nicht auf das bloße Erstellen von Konzepten, deren Umsetzung in freiem unternehmerischen Ermessen steht, sondern umfasst die Konzeption und tatsächliche Bereitstellung des öffentlichen Personennahverkehrs.
(2) Die Zuordnung der Aufgabe zum Bereich der Daseinsvorsorge allein macht die Einordnung der von der Klägerin erbrachten Leistungen als hoheitliche Aufgabe noch nicht zwingend. Denn Nahverkehrsdienstleistungen können grundsätzlich auch durch Private erbracht werden; dies ist sogar die gesetzgeberische Zielvorstellung. Das zeigen auf bundesrechtlicher Ebene § 8 Abs. 4 des Personenbeförderungsgesetzes, wonach Nahverkehrsdienste in eigenwirtschaftlicher, das heißt durch Beförderungserlöse und Ausgleichsleistungen gedeckter, Leistung erbracht werden, und auf europarechtlicher Ebene (exemplarisch) der Erwägungsgrund Nr. 12 der ÖPNV-Verordnung. Danach ist es aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht unerheblich, ob öffentliche Personenverkehrsdienste von öffentlichen oder privaten Unternehmen erbracht werden. Das deutet darauf hin, dass die Rechtsordnung Nahverkehrsdienstleistungen nicht per se wegen ihres engen Zusammenhangs mit den Staatsaufgaben aus dem Rahmen der Verwaltung eines Privaten herausgehoben hat. Bedient sich die Verwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben eines Unternehmers, kann dies durchaus in Form der fiskalischen Verwaltung erfolgen.
(3) Diese Möglichkeit gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Im Personennahverkehr als einem strukturell defizitären Marktsegment (vgl. Möstl, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, 48. Lfg. 11/2006, Rn. 138 zu Art. 87 e GG) können viele Personenlandverkehrsdienste, die im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse erforderlich sind, faktisch derzeit nicht kommerziell betrieben werden – diese Einschätzung hat in Erwägungsgrund Nr. 5 auch in die ÖPNV-Verordnung ausdrücklich Eingang gefunden. Die normative Antwort auf ein derartiges Marktversagen sind der staatliche Gewährleistungsauftrag, der in § 1 RegG seinen Niederschlag gefunden hat, und die in der ÖPNV-Verordnung vorgesehene Festlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen durch die zuständigen Nahverkehrsträger. Dabei handelt es sich um festgelegte oder bestimmte Anforderungen im Hinblick auf die Sicherstellung von im allgemeinen Interesse liegenden öffentlichen Personenverkehrsdiensten, die der Betreiber unter Berücksichtigung seines eigenen wirtschaftlichen Interesses nicht oder nicht im gleichen Umfang oder nicht zu den gleichen Bedingungen ohne Gegenleistung übernommen hätte (vgl. Art. 2 lit. e ÖPNV-Verordnung). Die Initiative zur Vergabe der Dienstleistung geht insofern nicht mehr vom Unternehmer als Bewerber aus, sondern vom Träger der Daseinsvorsorge (vgl. Ronellenfitsch, Öffentlicher Personennahverkehr als öffentliche Aufgabe, in: Hodi [Hrsg.], Die Zukunft des öffentlichen Personennahverkehrs, 2009, S. 89). Entsprechend ist die Vergabe des öffentlichen Dienstleistungsauftrags auch an die Bedingung gekoppelt, dass der interne Betreiber und jede andere Einheit, auf die dieser Betreiber einen auch nur geringfügigen Einfluss ausübt, ihre öffentlichen Personenverkehrsdienste nur innerhalb des Zuständigkeitsgebiets der zuständigen örtlichen Behörde ausführt und nicht an außerhalb des Zuständigkeitsgebiets der zuständigen örtlichen Behörde organisierten wettbewerblichen Vergabeverfahren für die Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten teilnimmt.
Der Unternehmer muss außerdem seinerseits eine organisatorische Nähe zur öffentlichen Verwaltung aufweisen; Art. 5 Abs. 2 der ÖPNV-Verordnung erlaubt die Direktvergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge an eine rechtlich getrennte Einheit (d. h. ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen) nur dann, wenn die zuständige örtliche Behörde über sie eine Kontrolle ausübt, die der Kontrolle über ihre eigenen Dienststellen entspricht. In dem Maße, in dem ein Unternehmen in zulässiger Weise einer solchen Sonderbindung an den Zweck der Einlösung des staatlichen Gewährleistungsauftrags unterworfen wird (bzw. sich unterwirft), wird das Prinzip der Privatwirtschaftlichkeit modifiziert; das Unternehmen wandert zumindest partiell in den Bereich grundrechtsgebundener öffentlicher Aufgabenerfüllung hinüber (vgl. Möstl, – a. a. O. – Rn. 139 zu Art. 87 e GG) und nimmt dann auch hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im Sinne von § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG wahr. So ist es hier.
Die Klägerin erbringt ihre Nahverkehrsleistungen gegenüber der C. als der gem. § 4 Abs. 1 Nr. 1 lit. a NNVG zuständigen Aufgabenträgerin aufgrund eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags im Sinne des Art. 2 lit. i, Art. 3 Abs. 1 der ÖPNV-Verordnung und damit gerade nicht eigenwirtschaftlich, sondern betreibt in Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen einen öffentlichen Dienst. Die Kammer geht dabei davon aus, dass die gemeinwirtschaftliche Gestaltung der Leistungserbringung nicht nur willkürlich gewählt worden ist, sondern eine eigenwirtschaftliche Lösung tatsächlich nicht zur Verfügung stand. Denn auch die ÖPNV-Verordnung geht dem Grunde nach von einem Vorrang der eigenwirtschaftlichen Leistungserbringung aus (vgl. Ziekow, Die Direktvergabe von Personenverkehrsdiensten nach der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 und die Zukunft eigenwirtschaftlicher Verkehre, in: NVwZ 2009, 865).
Die Vergabe im Wege des öffentlichen Dienstleistungsauftrags zeigt auch die organisatorische Nähe der Klägerin zu der C. als Aufgabenträgerin auf. Sie erfüllt insoweit die Anforderungen des Art. 5 Abs. 2 lit. b der ÖPNV-Verordnung, weil sie ungeachtet kleinerer privater Anteile gesellschaftsrechtlich durch die Verkehrs- und Versorgungsgesellschaft Hannover mbH kontrolliert wird, deren Anteile wiederum ausschließlich von Kommunalen Gebietskörperschaften (der C. und der Landeshauptstadt Hannover) gehalten werden. Der im Hinblick auf § 2 Abs. 1 NDSG erhobene Einwand der Beklagten, die Klägerin sei keine Vereinigung einer öffentlichen Stelle, weil ihre Gesellschaftsanteile zu 0,52 v. H. in privater Hand seien, greift nicht durch. Denn nach Art. 5 Abs. 2 lit. b der ÖPNV-Verordnung muss die Stelle nicht im vollständigen Eigentum der Behörde stehen; es genügt vielmehr, dass ein beherrschender öffentlicher Einfluss der Behörde besteht und aufgrund anderer Kriterien festgestellt werden kann, dass eine Kontrolle ausgeübt wird.
Allein die gesellschaftsrechtliche Organisation der Klägerin schließt eine „hoheitliche“ Aufgabenwahrnehmung nicht aus (vgl. zur strafrechtlichen Verantwortung als Amtsträger OLG Düsseldorf, Urteil vom 9.10.2007 – 5 Ss 67/07, 35/07 –, NStZ 2008, 459 [OLG Düsseldorf 09.10.2007 - III-5 Ss 67/07-35/07 I]; BGH, Urteil vom 14.11.2003 – 2 StR 164/03 –, NStZ 2004, 380; zur presserechtlichen Einordnung als Behörde OLG Hamm, Urteil vom 16.12.2015 – 11 U 5/14 –, V. n. b.).
cc. Auch die tatbestandliche Einschränkung des § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG, dass die nicht-öffentliche Stelle nur „insoweit“ als öffentliche Stelle gilt, als sie hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, begründet keine andere Beurteilung.
Diese Einschränkung könnte nur unter der Prämisse relevant werden, dass der Linienverkehr, in dessen Rahmen die streitgegenständliche Videobeobachtung stattfindet, von der im Übrigen hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung teilbar und anders zu bewerten wäre. Weil die Klägerin ihre Leistungen tatsächlich nicht eigenwirtschaftlich erbringt, müsste zudem die bloß abstrakte Möglichkeit des eigenwirtschaftlichen Betriebs die Einordnung tragen. Beides ist hier zu verneinen.
Die Einordnung der wahrgenommenen Aufgabe als hoheitlich oder nicht-hoheitlich richtet sich zur Überzeugung der Kammer nach der tatsächlichen Ausgestaltung der Aufgabenwahrnehmung und nicht nach der abstrakt bestehenden Möglichkeit einer eigenwirtschaftlichen Leistungserbringung. Auch die bei der Einbindung in die Daseinsvorsorge eintretende partielle Grundrechtsbindung der Klägerin knüpft an die tatsächliche Wahrnehmung der Aufgaben an und entfällt nicht aufgrund einer abstrakt denkbaren fiskalischen Leistungserbringung.
Ist danach die tatsächliche Übertragung bzw. Übernahme gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen maßgeblich, steht diese einer isolierten Betrachtung des Straßenbahn- und Busbetriebs (und mithin einer Einschränkung der Geltungsfiktion des § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG) entgegen. Denn es ist gerade Gegenstand der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, den Leistungserbringer über den eigenwirtschaftlichen Linienbetrieb hinaus in Anspruch zu nehmen und die eigenwirtschaftlich denkbaren mit den gemeinwirtschaftlich erforderlichen Leistungen zu verknüpfen. Der Verpflichtung, neben lukrativen Linien auch defizitäre Angebote zu bedienen, steht dabei die Gewährung von ausschließlichen Rechten ebenfalls für den gesamten Geltungsbereich des Dienstleistungsauftrags gegenüber.
dd. Soweit die Klägerin danach als öffentliche Stelle i. S. d. § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG gilt, ist sie gem. § 2 Abs. 2 BDSG den öffentlichen Stellen der Länder zuzuordnen, weil sie Aufgaben der C. als einer der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts wahrnimmt. Weil der Datenschutz insoweit durch Landesgesetz geregelt ist, ist der Anwendungsbereich des BDSG nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BDSG gesperrt.
(1) Der Datenschutz ist im Hinblick auf die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch die Klägerin im Rahmen ihrer Aufgaben im Öffentlichen Personennahverkehr durch Landesgesetz geregelt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 NDSG gilt das Niedersächsische Datenschutzgesetz für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Behörden und sonstige öffentliche Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften. Als öffentliche Stellen bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 2 NDSG auch Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs, denen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung übertragen sind. Das ist bei der Klägerin aufgrund des öffentlichen Dienstleistungsauftrags der Fall; insoweit beanspruchen die vorstehenden Ausführungen zur Wahrnehmung hoheitlicher öffentlicher Aufgaben auch hier Geltung.
Soweit die Beklagte dementgegen sinngemäß einwendet, eine Übertragung öffentlicher Aufgaben im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 NDSG setze die Verleihung hoheitlicher Befugnisse voraus, findet diese Betrachtungsweise im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze. Auch die von der Beklagten zitierten Erwägungen des Gesetzgebers im Abschlussbericht des Ausschusses für innere Verwaltung (LT-Drs. 12/5250, S. 3) tragen eine solche Auslegung nicht. Zwar wurde auf Anregung des Ausschusses im Entwurfstext die Formulierung „nimmt eine ... Stelle außerhalb des öffentlichen Bereichs Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr“ geändert in „sind einer ... Stelle außerhalb des öffentlichen Bereichs Aufgaben der öffentlichen Verwaltung übertragen“. Diese Änderung wurde auch damit begründet, dass nur „die sogenannten Beliehenen“ angesprochen werden sollten, die ohnehin „Behörden“ seien.
Gleichwohl hat der Gesetzgeber den Begriff des Beliehenen nicht im Gesetzeswortlaut verankert, sondern die Übertragung von Aufgaben genügen lassen. Ausreichend ist insoweit die Aufgabenübertragung durch den öffentlich-rechtlichen Dienstleistungsauftrag, ohne dass es näherer Betrachtung bedarf, ob damit zugleich auch hoheitliche Befugnisse verliehen oder ein Subordinationsverhältnis begründet worden sind.
Dass die Beleihung eine, möglicherweise die nächstliegende, Art der Aufgabenübertragung ist, bedeutet nicht, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers jede andere Art der Aufgabenübertragung ausgeschlossen oder unbeachtlich sein sollte. Dafür spricht schon, dass der Begriff der Beleihung und seine Reichweite äußerst kontrovers diskutiert werden und eine Beleihung zumindest nach der sogen. modifizierten Aufgabentheorie (vgl. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 46 ff) schon dann vorliegt, wenn überhaupt staatliche Aufgaben übertragen werden. Auch wenn der Ausschussbericht (nicht weiter differenziert) erwähnt, dass der Beliehene Behörde sei, muss darin keine zwingende Entscheidung zugunsten der Rechtsstellungstheorie (vgl. zum Begriff: Freitag, Das Beleihungsrechtsverhältnis, 2004, § 1 m. w. N.) liegen, die für eine Beleihung die Übertragung nicht nur hoheitlicher Aufgaben, sondern auch hoheitlicher Befugnisse erfordert. Die Zielrichtung der beabsichtigten Klarstellung in § 2 Abs. 1 Satz 2 NDSG ergibt sich zudem aus der im Ausschussbericht ebenfalls erwähnten Abgrenzung der öffentlichen Stellen zur Auftragsdatenverwaltung durch „Auftragnehmer“, womit wohl eine rein fiskalische Tätigkeit durch Verwaltungshelfer gemeint ist. Bei einer strikten Abgrenzung zwischen Beliehenen (im engeren Sinne der Rechtsstellungstheorie) und Verwaltungshelfern ließe sich dabei der Fall der Aufgabenübertragung ohne Übertragung hoheitlicher Befugnisse nicht sicher zuordnen, was gesetzgeberisch ebenso wenig gewollt war. Denn zum Begriff der Behörde in § 1 NDSG hat der Berichterstatter des federführenden Ausschusses ausgeführt, dass das Gesetz von einem weiten, funktionalen Behördenbegriff ausgehe und Behörde demnach jede Stelle sei, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehme. Der weitergehende Begriff der öffentlichen Stelle solle sicherstellen, dass im Anwendungsbereich des Gesetzes keine Lücken blieben (vgl. LT-Drs. 12/5250, S. 2).
Eine solche Lücke entstünde jedoch, wenn sowohl das Bundesdatenschutzgesetz als auch das Niedersächsische Landesdatenschutzgesetz nicht anwendbar wären. Denn das Bundesdatenschutzgesetz gilt für öffentliche Stellen der Länder auch subsidiär nur dann, wenn diese Bundesrecht ausführen oder als Organe der Rechtspflege tätig werden. Mit der Wahrnehmung der Aufgaben der Region im eigenen Wirkungskreis führt die Klägerin kein Bundesrecht aus. Denn es genügt nicht, dass sie Bundesrecht (etwa das Personenbeförderungsgesetz) beachtet oder zu beachten hat; vielmehr muss ihr im Wege der Bundesauftragsverwaltung die Ausführung bundesrechtlicher Vorschriften als Aufgabe übertragen sein.
(2) Auch im Wege einer Rückverweisung aus dem Niedersächsischen Datenschutzgesetz durch die abdrängende bzw. einschränkende Spezialvorschrift des § 2 Abs. 3 NDSG ist das Bundesdatenschutzgesetz nicht anwendbar. Danach gelten die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes für nicht-öffentliche Stellen, soweit personenbezogene Daten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder deren organisatorisch selbständigen Einrichtungen, die am Wettbewerb teilnehmen (Nr. 1), von wirtschaftlichen Unternehmen der Gemeinden und Landkreise ohne eigene Rechtspersönlichkeit (Eigenbetriebe) und Zweckverbänden, die überwiegend wirtschaftliche Aufgaben wahrnehmen (Nr. 2) oder von öffentlichen Einrichtungen, die entsprechend den Vorschriften über die Eigenbetriebe geführt werden (Nr. 3), in Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit verarbeitet werden.
Die Klägerin ist offenkundig weder Zweckverband noch Eigenbetrieb (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 NDSG) oder wird wie ein solcher geführt (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 NDSG). Es kann auch dahinstehen, ob die Klägerin eine organisatorisch selbständige Einrichtung im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 1 NDSG ist (zur fehlenden Legaldefinition, Konturenlosigkeit und Entbehrlichkeit dieses Begriffs in § 136 NKomVG: Wefelmeier, in: KVR-NKomVR, Rn. 56 zu § 136), weil die Klägerin jedenfalls nicht im Sinne dieser Vorschrift am Wettbewerb teilnimmt. Sie steht weder im Rahmen ihrer Verpflichtungen aus dem öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Wettbewerb noch hat sie bei ihrer Auswahl als Auftragnehmerin im Wettbewerb gestanden. Nach Art. 5 Abs. 2 lit. b. und c. der ÖPNV-Verordnung ist sie auch gehindert, außerhalb des Zuständigkeitsgebiets der C. an organisierten wettbewerblichen Vergabeverfahren für die Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten teilzunehmen.
c. Das einschlägige Niedersächsische Datenschutzgesetz enthält auch keine Eingriffsermächtigung, auf die die Beklagte die angefochtene Verfügung – unter entsprechendem Austausch der Begründung – stützen könnte. Denn die Befugnisse der Landesbeauftragten für den Datenschutz im Hinblick auf Verstöße gegen das Niedersächsische Datenschutzgesetz oder gegen andere Datenschutzbestimmungen sind in § 23 NDSG abschließend geregelt. Danach hat der Landesdatenschutzbeauftragte Verstöße gegen dieses Gesetz oder andere datenschutzrechtliche Bestimmungen zu beanstanden und der betroffenen Stelle Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NDSG). Die von der Beklagten gewählte Rechtsfolge einer zwingenden Verbotsverfügung enthält das NDSG dagegen nicht.
2. Die Verfügung verletzt die Klägerin auch im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren Rechten, so dass sie die Aufhebung der Verfügung beanspruchen kann.
a. Dabei ergibt sich die Rechtsverletzung allerdings nicht schon aus der Adressatenstellung der Klägerin allein, sondern bedarf infolge ihrer Organisationsform als gemischt-wirtschaftlichem Unternehmen der öffentlichen Hand näherer Darlegung. Denn dass der Adressat eines rechtswidrigen belastenden Verwaltungsakts regelmäßig in seinen Rechten verletzt ist und dessen Aufhebung beanspruchen kann, beruht auf der Annahme, dass er durch den Verwaltungsakt zumindest in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt wird. Den Schutz dieses Grundrechts kann jedoch die Klägerin als öffentlich beherrschtes gemischt-wirtschaftliches Unternehmen der öffentlichen Hand nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls soweit nicht in Anspruch nehmen, wie sie – wie es hier der Fall ist – öffentliche Aufgaben wahrnimmt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.11.2015 – 1 BvR 1530/15, 1 BvR 1531/15) und vom 3.11.2015 (1 BvR 1766/15, 1 BvR 1783/15, 1 BvR 1815/15)). Insofern wächst sie in den Bereich grundrechtsgebundener Aufgabenwahrnehmung des Staates hinein und verliert zugleich ihren Status privatwirtschaftlicher Grundrechtsfähigkeit (so Möstl – a. a. O. –, Rn. 103 zu Art. 87 e).
b. Auch der Justizgewährungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG verleiht der Klägerin keinen uneingeschränkten Anspruch auf gerichtliche Kontrolle. Mit der Zuordnung zur öffentlichen Sphäre wachsen der Klägerin zwar organschaftliche Rechtspositionen zu, die ihr auch in gewissem Umfang einen Kontroll- oder sogar Abwehranspruch gegenüber dem Handeln der Beklagten eröffnen. In Abgrenzung zu subjektiv-öffentlichen Rechten sind solche Rechte aber weder Ausdruck von Individualität und Personalität noch auf die Abgrenzung von Willens- und Handlungssphären individueller Freiheitsbereiche bezogen, sondern auf die „Zusammenordnung einzelmenschlichen Wirkens und Handelns zu einem einheitlichen Wirkungszusammenhang“ (Böckenförde, in: Festschrift für H. J. Wolff, 1973, S. 269 (303), zit. nach: Schütz/Wahl, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, Rn. 92 zu § 42 Abs. 2 VwGO). Die Ausübung organschaftlicher Rechte steht daher nicht im Belieben des Rechtsträgers, sondern ist durch ihre Pflichtorientierung geprägt; die Schutzzone organschaftlicher Rechte beschränkt sich auf den innerorganisatorischen Funktionsablauf. Organschaftliche Rechte genießen auch nicht den Schutz des Art. 19 Abs. 4 GG und verleihen ihrem Träger nicht automatisch einen Abwehranspruch gegen rechtswidrige Handlungen, auch wenn diese final gegen ihn als Adressaten gerichtet sind. Konsequenterweise gilt das auch für Folgenbeseitigungsansprüche oder -lasten; in Bezug auf das Außenrechtsverhältnis ist sogar fraglich, ob die Verletzung des Organschaftsrechts das Verwaltungshandeln überhaupt rechtswidrig macht (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, Rn. 12 zu § 113 VwGO).
c. Ein Abwehranspruch ergibt sich deshalb weder aus der Rechtswidrigkeit der Anordnung der Beklagten noch per se aus der Wahl der Handlungsform Verwaltungsakt und der Zwangsgeldandrohung an sich, sondern muss gleich einer „wehrfähigen Innenrechtsposition“ aus der tatsächlichen rechtlichen Stellung der Klägerin im staatlichen Organisationsgefüge anhand konkreter Rechtssätze begründet werden. Denn die Beklagte soll einer sachlichen Überprüfung ihres Handelns nur insoweit ausgesetzt sein, als die einschlägigen Normen der Klägerin eine durchsetzbare Rechtsposition einräumen.
In Anlehnung an die Dogmatik des störenden bzw. polizeipflichtigen Hoheitsträgers kann dabei zwischen der formellen und der materiellen Rechtsstellung (und Pflichtigkeit) der Klägerin differenziert werden. Maßgeblich ist insofern nicht die durch das Bundesdatenschutzgesetz geregelte Stellung im Subordinationsverhältnis, die die Beklagte der Klägerin in ihrer Anordnung beigemessen hat, sondern ihre tatsächliche Rolle als öffentliche Stelle im Sinne des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes. Das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten wird daher, wie vorstehend ausgeführt, durch § 23 Abs. 1 NDSG definiert.
aa. Ein Anspruch auf materielle Kontrolle steht der Klägerin dabei nicht zu. Die Beanstandung nach § 23 NDSG ist – anders als die kommunalaufsichtsrechtliche Beanstandung nach § 173 NKomVG – kein Verwaltungsakt und nicht mit der Anfechtungsklage angreifbar. Ein materielles Kontrollrecht folgt auch weder aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung noch aus einem kommunalen Anspruch auf Achtung oder einen öffentlichen „Ruf“ (vgl. zu letzterem BVerwG, Beschluss vom 5.2.1992 – BVerwG 7 B 15.92 –, juris, NVwZ-RR 1992, 371). Die eigenrechtliche Berufung auf die kommunale Selbstverwaltung ist der Klägerin schon dadurch verwehrt, dass sie selbst keine Kommune ist, sondern nur deren Aufgaben wahrnimmt. In Frage kommt daher allenfalls eine prozessstandschaftliche Geltendmachung. Auch insofern steht aber entgegen, dass die den Gemeinden gewährleistete Garantie der kommunalen Selbstverwaltung durch den Gesetzgeber ausgestaltet und beschränkt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.6.2015 – BVerwG 10 C 13.14 –, juris Rn. 18). Auch bei der Aufgabenwahrnehmung im eigenen Wirkungskreis sind die Kommunen daher an die Rechtsvorschriften gebunden (§ 5 Abs. 2 NKomVG). Unter den in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG normierten Gesetzesvorbehalt fallen auch die landesrechtlichen Regelungen des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes, die nicht nur die Art und Weise der Aufgabenerfüllung durch die öffentlichen Stellen regeln, sondern auch die Eingriffsbefugnisse der Landesbeauftragten für den Datenschutz.
bb. Diese Regelung der Eingriffsbefugnisse begründet aber eine Rechtsposition der Klägerin im Hinblick auf die formale Ausgestaltung ihrer Inanspruchnahme (sog. formelle Pflichtigkeit). Eine Inanspruchnahme von Hoheitsträgern im Wege des Verwaltungsakts ist zwar (anders als die Vollstreckung solcher Verwaltungsakte durch Mittel des Verwaltungszwangs) nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr völlig ausgeschlossen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.7.2002 – BVerwG 7 C 24.01 – NVwZ 2003, 346). Sie setzt aber weiterhin eine entsprechende Ermächtigungsnorm voraus. Die hier in Rede stehende Eingriffsermächtigung in § 23 NDSG beschränkt das Eingriffsinstrumentarium der Landesbeauftragten für den Datenschutz auf die Beanstandung, die weder Regelungswirkung aufweist noch vollziehbar ist.
Diese Beschränkung des Eingriffsinstrumentariums begründet auf Seiten der Klägerin jedenfalls eine entsprechende Rechtsposition als Adressatin solcher Beanstandungen. Diese Rechtsposition erstreckt sich zur Überzeugung der Kammer zugleich darauf, nur im Rahmen der gesetzlich zugewiesenen Adressatenstellung in Anspruch genommen zu werden. Sie ist insofern auch wehrfähig, als die Klägerin mit gerichtlicher Hilfe einer Inanspruchnahme durch Verwaltungsakt entgegentreten kann, die angesichts der drohenden Bestandskraft, der Tatbestandswirkung und ihrer Vollziehbarkeit über die Eingriffsbefugnisse der Beklagten und zugleich über die Duldungspflichten der Klägerin erheblich hinaus geht.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.
IV. Die Kammer lässt die Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 1 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zu, ob ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen der öffentlichen Hand, das durch öffentlichen Dienstleistungsauftrag mit der Erbringung von ÖPNV-Dienstleistungen betraut ist, insoweit öffentliche Stelle im Sinne von § 2 Abs. 2, Abs. 4 Satz 2 BDSG ist.