Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 25.09.2001, Az.: 4 A 169/99

Hilfe für junge Volljährige; psychische Erkrankung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
25.09.2001
Aktenzeichen
4 A 169/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40198
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten, ihr Hilfe für junge Volljährige zu gewähren.

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Die am 11. Februar 1980 geborene Klägerin stammt aus Jugoslawien und reiste 1991 mit ihren Eltern und ihrer Schwester nach Deutschland ein. Nach Ablehnung der Asylanträge wurden der Klägerin befristete Duldungen erteilt.

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In Folge von Schwierigkeiten im Elternhaus gewährte der Beklagte der Klägerin ab Mai 1995 Hilfe zur Erziehung durch Heimunterbringung zunächst im Albert-Schweitzer-Kinderdorf U. und ab dem 26. Juni 1995 in einer Einrichtung der Quäker-Häuser e.V. in H. Vom 11. Februar 1998, dem Eintritt der Volljährigkeit der Klägerin, bis zum 30. September 1998 wurden ihr mit Bescheid vom 8. September 1998 Jugendhilfeleistungen im Rahmen von Hilfe für junge Volljährige für die Heimerziehung und sonstige betreute Wohnform bewilligt. Ziele der Hilfegewährung waren die Verselbständigung der Klägerin, der Beginn einer Ausbildung und der Bezug einer eigenen Wohnung.

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Im Oktober 1998 bezog die Klägerin eine eigene Wohnung. Mit Bescheid vom 29. September 1998 gewährte der Beklagte ihr zunächst bis zum 31. Oktober 1998 Hilfe für junge Volljährige in Form von betreutem Wohnen und bewilligte fünf Fachleistungsstunden pro Woche. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin große Fortschritte in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Selbständigkeit gemacht habe, so dass Teilziele der Hilfeplanung erreicht worden seien. Aus der Hilfeplanung am 23. September 1998 habe sich ergeben, dass noch Defizite im Bereich der eigenständigen Lebensführung vorhanden seien. In Bezug auf die Einteilung des Geldes, das Erlernen der selbständigen Versorgung und die Weiterführung der Ausbildung sei noch Hilfe notwendig. Mit Bescheid vom 30. Oktober 1998 half der Beklagte einem Widerspruch der Klägerin vom 14. Oktober 1998 gegen den Bescheid vom 29. September 1998 ab und gewährte der Klägerin Hilfe für junge Volljährige in Form von betreutem Wohnen in einer eigenen Wohnung und bewilligte bis zum 31. Januar 1999 wöchentlich acht Fachleistungsstunden und bis zum 30. April 1999 wöchentlich fünf Fachleistungsstunden. Als Ziele der Hilfe wurden genannt die Fortsetzung der begonnenen Psychotherapie, das eigenständige Leben in der Wohnung und die selbständige Versorgung. Die Betreuungsstunden wurden über die Quäker-Häuser e.V. von der Diplom-Sozialpädagogin A.  durchgeführt.

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Am 20. Januar 1999 fand ein Hilfeplangespräch statt, an dem neben der Klägerin, Mitarbeitern des Jugendamtes des Beklagten und der Quäker-Häuser (u.a. Frau A. ) auch der die Klägerin damals behandelnde Psychotherapeut W.  des Universitätskrankenhauses Eppendorf teilnahm. Dieser wies darauf hin, dass er mit einer Therapiedauer von vier bis fünf Jahren rechne. Dabei sei er auf die Unterstützung der Jugendhilfe angewiesen, die der Klägerin noch mindestens für ein Jahr Sicherheit bieten sollte. Dieser Zeitraum könne sich je nach äußeren Einflüssen auch verlängern. Die Klägerin befinde sich zur Zeit an der Obergrenze ihrer Möglichkeiten. Sie sei sehr ehrgeizig, aber auch brüchig und neige dazu, sich zu überfordern. Ein stationärer Aufenthalt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sei nur in einer akuten Krise passend, um ihren Zustand wieder so zu stabilisieren, wie er jetzt sei. Die Psychiatrie könne der Klägerin einen Lebensort, sozialstabilisierende Bezüge und sozialpädagogische Begleitung nicht ersetzen. Er könne der Klägerin zwar zwei therapeutische Gespräche in der Woche statt einem anbieten, sehe darin aber eine Überforderung der Klägerin, da für diese der Weg so angstbesetzt sei, dass sie diesen in der Regel nicht ohne Begleitung bewältigen könne. Die Betreuenden der Quäker-Häuser und Herr W.  machten weiter deutlich, dass die Reduzierung der Betreuungszeit auf fünf Stunden nicht dem Bedarf entspreche und dieser auch nicht am 30. April 1999 enden werde.

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Mit Schreiben vom 25. März 1999 beantragte die Klägerin die Weitergewährung von Jugendhilfe über den 30. April 1999 hinaus. Sie gab an, dass sie immer noch große Schwierigkeiten habe, alleine die Nacht zu verbringen, ohne dass Ängste sie quälten. Sie wohne übergangsweise bei ihrem Freund. Die Psychotherapie führe sie fort. Für aktuelle Probleme brauche sie aber weiterhin ihre Betreuerin als Gesprächspartnerin. Diese unterstütze sie auch in der Haushaltsführung z.B. Geldeinteilung, Einkaufen, Kochen. Weiter nutze sie die Bindung an ihre ehemalige Wohngruppe, wo sie Ansprechpartner und Unterstützung zu Zeiten finde, in denen ihre Betreuerin nicht greifbar sei.

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Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Weitergewährung der Hilfe für junge Volljährige mit Bescheid vom 26. April 1999 ab. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass die Klägerin innerhalb der Einrichtung ein ausreichendes Maß an Selbstständigkeit und Selbstverantwortung erlangt habe, das sie in die Lage versetzt haben sollte, eigenständig zu leben. Ihre Lebenssituation sei immer wieder durch ihre psychische Instabilität, ihre Ängste und Angstzustände beeinträchtigt worden. Deshalb habe sie vor ca. zwei Jahren eine psychotherapeutische Behandlung begonnen, für die zunächst eine Behandlungsdauer von bis zu zwei Jahren prognostiziert worden sei. Inzwischen sei es aufgrund der in Folge der neuen Lebenssituation eingetretenen Angstzustände notwendig geworden, die Behandlung mindestens ein Jahr, eher jedoch zwei oder mehrere Jahre fortzusetzen. Dies zeige, dass nicht zu bestimmen sei, wann die Hilfe nicht mehr erforderlich sein werde. Eine konkrete Zielplanung lasse sich daher nicht aufstellen. Die Klägerin sei aufgrund ihrer Ängste nicht in der Lage, die Ziele des letzten Hilfeplanes "Leben in eigener Wohnung" und "eigenständige Versorgung" zu erfüllen. Im Vordergrund stehe daher die psychische Erkrankung und deren Behandlung. Die Unterstützung der psychotherapeutischen Behandlung sei nicht Aufgabe der Jugendhilfe.

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Die Klägerin legte mit Schreiben vom 19. Mai 1999 dagegen Widerspruch ein und machte geltend, dass sie neben ihrer Therapie die Unterstützung von Frau A.  benötige.

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Am 4. Juni 1999 beantragte die Klägerin bei Gericht vorläufigen Rechtsschutz. Mit Beschluss vom 27. August 1999 (4 B 59/99) verpflichtete die Kammer den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung, die bis zum 30. April 1999 gewährte Hilfe nach § 41 SGB VIII ab dem 4. Juni 1999 bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten vom 26. April 1999 und im Falle der Klageerhebung bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig weiter zu gewähren.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 1999 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Am 3. September 1999 heiratete die Klägerin Herrn C.D..

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Die Klägerin hat am 1. Oktober 1999 Klage erhoben.

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Zur Begründung verweist sie auf die Beschlüsse der Kammer in den Eilverfahren 4 B 59/99 und 4 B 101/00.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 26. April 1999 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 1. September 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin Hilfe für junge Volljährige in Form eines Betreuungshelfers über den 30. April 1999 hinaus zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ist der Auffassung, dass sich die geleistete und von der Klägerin geforderte Hilfe überwiegend auf Probleme in der Partnerschaft und Unterstützung in der Klageführung beziehe. Diese Hilfestellungen seien jedoch nicht Aufgaben der Jugendhilfe. Der Klägerin habe ausreichend Zeit und Raum zur Verfügung gestanden, um die Ziele der Jugendhilfe zu erreichen. Erst als deutlich gemacht worden sei, dass aufgrund der Ängste (Krankheit) der Klägerin eine ausreichende Selbständigkeit nicht zu erreichen sei, sei die Jugendhilfe eingestellt worden. Danach habe es im Leben der Klägerin positive Veränderungen gegeben (Hochzeit, positives Verhältnis zu den Eltern, Abschiebung droht nicht mehr), die nicht zu einer Verbesserung der Eigenverantwortlichkeit geführt hätten. Die Klägerin sehe sich nach wie vor nicht in der Lage eigenständig zu leben, was die Vermutung stütze, dass Jugendhilfe nicht die geeignete Hilfeform sei bzw. auch die Frage aufwerfe, wie gravierend die tatsächliche Unselbständigkeit sei. Es gebe immer Situationen, in denen sie deutlich mache, dass sie sehr wohl für sich handeln könne. Gleichwohl sei seinerzeit ein Hilfebedarf noch anerkannt worden. Die Hilfe sei so gestaltet worden, dass ein allmählicher Rückgang der Betreuung die vorhandenen Fähigkeiten stärken und festigen sollte, wodurch sie im Alltag mehr Sicherheit im Sinne von Routine erlangen sollte. Anstelle der Festigung ihrer Fähigkeiten seien aber immer wieder andere Probleme in den Vordergrund getreten, die nicht von der Jugendhilfe abzudecken seien. Diese selbst definierten Aufgaben hätten die Bearbeitung der ursprünglichen Aufgabe verdrängt, ohne dass die Klägerin darunter stark gelitten habe.

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Den Antrag des Beklagten auf Abänderung des Beschlusses vom 27. August 1999 hat die Kammer mit Beschluss vom 30. Oktober 2000 (4 B 101/00) abgelehnt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu diesem Verfahren und zu den Eilverfahren 4 B 59/99 und 4 B 101/00 sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

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Der Bescheid des Beklagten vom 26. April 1999 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 1. September 1999 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat für den im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Zeitraum vom 1. Mai 1999 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 1. September 1999 einen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihr Hilfe für junge Volljährige gewährt und in diesem Rahmen die Kosten für ihre sozialpädagogische Betreuung im Umfang von fünf Fachleistungsstunden pro Woche bewilligt.

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Nach § 41 SGB VIII soll einem jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift gelten für die Ausgestaltung der Hilfe u. a. die §§ 33 - 36 SGB VIII entsprechend.

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Die am 11. Februar 1980 geborene Klägerin gehörte im entscheidungserheblichen Zeitraum zum Personenkreis der "jungen Volljährigen". Sie konnte auch als Ausländerin, die aufgrund einer ausländerrechtlichen Duldung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, gem. § 6 Abs. 2 SGB VIII Leistungen nach § 41 SGB VIII beanspruchen.

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Die Hilfegewährung nach § 41 SGB VIII setzt voraus, dass Defizite in der Persönlichkeitsentwicklung und eigenverantwortlichen Lebensführung bestehen. Ziel der Persönlichkeitsentwicklung ist die eigenverantwortliche und gemeinschaftsfähige Persönlichkeit. Der Hilfebedarf ist gegeben, wenn insoweit Defizite bestehen und daher der Prozess der persönlichen Reife unterstützt werden muss (Hauck/Haines, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Komm., Stand: 1. August 2000, § 41 Rn. 6). Davon ist für den hier maßgeblichen Zeitraum vom 1. Mai 1999 bis zum 1. September 1999 auszugehen.

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Nachdem für die Klägerin mit dem Umzug in eigene Wohnung im Oktober 1998 die stationäre Betreuung in einer Einrichtung der Quäker-Häuser e. V. beendet worden war, bewilligte der Beklagte ihr weiterhin Hilfe für junge Volljährige und zwar durch ambulante Einzelbetreuung. Hintergrund dafür war, wie sich auch aus den Bescheiden des Beklagten vom 29. September 1998 und vom 30. Oktober 1998 ergibt, dass die Klägerin noch nicht selbständig in ihrer Wohnung leben konnte, sondern im Alltag insbesondere in Bezug auf die eigenständige Haushaltsführung und die Einteilung des Geldes sowie die Fortführung ihrer Ausbildung und die Fortsetzung der Psychotherapie weiterhin Hilfe benötigte. Die sich darin zeigenden Defizite der Klägerin in Bezug auf ihre Selbständigkeit und Selbstverantwortung lagen im maßgeblichen Entscheidungszeitraum noch vor, so dass auch über den 30. April 1999 ein Hilfebedarf bestand.

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Dass die Klägerin an Angstzuständen leidet und sich deswegen seit 1997 in psychotherapeutischer Behandlung befindet, schließt einen Hilfebedarf nicht aus. Wie bereits in dem Beschluss der Kammer vom 27. August 1999 dargelegt worden ist, kommt es für den Anspruch auf Hilfe nach § 41 SGB VIII auf die Ursachen mangelnder Persönlichkeitsentwicklung nicht an. Diese können auch in psychischen Beeinträchtigungen (Hauck/Haines, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar, Stand: 1. August 2000, § 41 Rn. 6), Angstzuständen oder Depressionen (Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, a.a.O., 2. Auflage, § 41 Rn. 1) bestehen. Entscheidend ist allein, ob die Klägerin im maßgebenden Entscheidungszeitraum - neben dem psychotherapeutisch abgedeckten Bedarf - zusätzlich einen Bedarf an pädagogischer Hilfe (hier Einzelbetreuung nach §§ 41 Abs. 2, 35 SGB VIII) hatte. Maßnahmen nach § 27 Abs. 3 SGB VIII kommen gerade im Überschneidungsbereich zwischen Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie begleitend zu psychotherapeutischen oder psychiatrischen Behandlungen in Betracht (vgl. Hauck/Haines, a.a.O., § 27 Rn. 63 und § 35 a Rn. 38). Wie bereits ausgeführt worden ist, bestand ein solcher Bedarf. Die Klägerin benötigte neben der Behandlung ihrer Krankheit durch die Psychotherapie auch sozialpädagogische Hilfe nach § 41 SGB VIII, um ihre Angstzustände abbauen, in einer eigenen Wohnung leben und Alltagssituationen selbständig bewältigen zu können. Dies ergibt sich insbesondere aus der Stellungnahme des Psychotherapeuten W.  der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätskrankenhauses E. im Rahmen des Hilfeplangesprächs vom 20. Januar 1999. Dieser machte u.a. geltend, dass die Klägerin noch für mindestens ein Jahr auf die Unterstützung der Jugendhilfe parallel zu der Psychotherapie angewiesen sei und sozial stabilisierende Bezüge und sozialpädagogische Begleitung benötige.

27

Dass im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides nicht konkret absehbar war, wann die psychotherapeutische Behandlung und damit auch die begleitende sozialpädagogische Hilfe beendet sein würden, steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Bei der Entscheidung über die Gewährung einer Hilfe nach § 41 SGB VIII muss eine Förderung der Persönlichkeitsentwicklung erwartet werden können. Eine offensichtlich erfolglose Hilfe ist nicht zu gewähren. Da die Hilfe in der Regel mit der Vollendung des 21. Lebensjahres, in jedem Fall aber mit der Vollendung des 27. Lebensjahres endet, ist im Wege einer sorgfältigen Prognose zu klären, ob innerhalb dieses Zeitraumes wenigstens bestimmte Ziele erreicht werden können. Allerdings muss bei Abschluss der Hilfe am Ende des vorgegebenen Zeitrahmens der Prozess der Persönlichkeitsentwicklung nicht abgeschlossen sein und noch nicht die Fähigkeit zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung ohne jede Fremdhilfe vorhanden sein. Ausreichend ist vielmehr bereits jede Aussicht auf eine spürbare Verbesserung und Förderung der Persönlichkeitsentwicklung des jungen Volljährigen und seiner Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Lebensführung (vgl. Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 2. Auflage, § 41 Rn. 23, 23 a). Eine derartige Prognose konnte im maßgebenden Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides aber getroffen werden. Dass die Persönlichkeitsentwicklung der Klägerin stagnieren würde, war gerade nicht zu erwarten gewesen.

28

Nach allem sind hier die Voraussetzungen des § 41 SGB VIII erfüllt, so dass der Klägerin nach dem Wortlaut dieser Vorschrift Hilfe gewährt werden sollte. Da Anhaltspunkte für ein Abweichen von dieser "Soll-Vorschrift" nicht bestehen, ist der Beklagte zur Hilfeleistung verpflichtet gewesen (Hauck/Haines a. a. O., § 41 Rn. 10).

29

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.