Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 25.09.2001, Az.: 4 A 120/99

Grundstück; Vermögen

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
25.09.2001
Aktenzeichen
4 A 120/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40195
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Kläger wenden sich gegen die Einstellung der ihnen gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt einschließlich des pauschalierten Wohngeldes. Sie zogen zum 1. April 1995 nach S. und bezogen von der im Auftrag des Beklagten handelnden Samtgemeinde S. seit diesem Zeitpunkt Hilfe zum Lebensunterhalt. Zuvor hatten sie von dem Landratsamt H.  Sozialhilfe erhalten. Die Kläger bewohnten ein Haus, das im Eigentum des Bruders des Klägers zu 1., Herrn M.C., stand. Anlässlich eines Ermittlungsverfahrens gegen Herrn M.C. wegen Geldwäsche fanden die Ermittler bei einer Hausdurchsuchung am 14. Januar 1998 Unterlagen, wonach der Kläger zu 1. im Jahre 1994 einmal einen Betrag in Höhe von 100.000,-- DM an seinen Bruder ausgehändigt und einmal einen Betrag in gleicher Höhe überwiesen hatte. Daraufhin wurden die Ermittlungen auch auf den Kläger zu 1. ausgeweitet. Auf Antrag des Beklagten und des Landratsamtes H.  leitete die Staatsanwaltschaft V.  außerdem ein Verfahren wegen Betruges ein. Im Rahmen der Ermittlungen wurden Unterlagen gefunden, nach denen der Kläger bei der Kreissparkasse H. einen Freistellungsauftrag auf Zinsgewinne erteilt hatte. Nach den Feststellungen der Kriminalpolizei C. hatte der Kläger zu 1. dort in dem Zeitraum vom Dezember 1991 bis zum Juli 1995 insgesamt vier Festgeldkonten sowie drei Sparkonten, die zu unterschiedlichen Zeiten eröffnet bzw. aufgelöst worden waren. In der Zeit vom 1. Juni 1993 bis zum 1. Juli 1995 verfügte der Kläger zu 1. bei der Kreissparkasse über ein Festgeldkonto, das zuletzt ein Guthaben  in Höhe von 200.000,-- DM aufwies.

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Mit Bescheid vom 26. Mai 1998 stellte die Samtgemeinde S.  die den Klägern gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt ein. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger zu 1. über verwertbares Vermögen verfüge. Mit Bescheid ebenfalls vom 26. Mai 1998 stellte sie das pauschalierte Wohngeld ein.

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Am 5. Juni 1998 erhoben die Kläger hiergegen Widerspruch. Zur Begründung trugen sie zunächst im Wesentlichen vor:

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Der Fortfall der Bedürftigkeit sei nicht für jeden einzelnen der Kläger geprüft worden. Es bestehe auch weiter Sozialhilfebedarf. Es könne sein, dass bei der Hausdurchsuchung Hinweise auf Vermögen gefunden worden seien. Es sei aber nicht dargelegt worden, dass dieses Vermögen für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehe. Der Freistellungsauftrag beziehe sich auf einen Zeitraum, zu dem der Kläger zu 1. noch Arbeitseinkommen bezogen habe.  Der Betrag in Höhe von 100.000,-- DM sei im Jahr 1994 von Herrn S.C. an den Kläger zu 1. mit der Auflage gegeben worden, das Geld an dessen Bruder weiterzureichen. Dies sei auch in der selben Woche geschehen, ohne dass sie,  die Kläger, auf dieses Geld hätten zugreifen können. Die Konten und Freistellungsaufträge bei der Kreissparkasse H.  seien mit dem Umzug nach S.  aufgelöst worden. Soweit sie, die Kläger, in der Vergangenheit über Gelder verfügt hätten, seien ihnen diese von Verwandten nur für einen Hauskauf geliehen worden. Insgesamt sei im Zeitraum vom April 1990 bis Januar 1998 ein Betrag von zuletzt 390.000,-- DM treuhänderisch und zweckgebunden zur Verfügung gestellt worden. Sie, die Kläger,  hätten über dieses Geld nicht verfügen können. Es habe sich um die gesamten Rücklagen der genannten Verwandten gehandelt, weshalb das Geld ausschließlich zum Erwerb einer Immobilie habe genutzt werden dürfen. Geld für den alltäglichen Lebensunterhalt habe man hiervon nicht abzweigen können. Wegen der Zweckbindung des Geldes seien sie, die Kläger, mittellos im Sinne des BSHG gewesen. Der geplante Hauskauf sei angesichts der Größe der Familie wirtschaftlich sinnvoll gewesen. Derartig große Familien wohnten in Eigenheimen günstiger als zur Miete. Zusätzlich sei der Zuzug weiterer Familienmitglieder geplant gewesen. Im Januar 1998 sei das Geld zurückübertragen worden, weil absehbar geworden sei, dass wegen der Arbeitslosigkeit des Klägers zu 1. ein Hauskauf unrealistisch sei.

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Mit Bescheid vom 8. Juni 1999 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Kriminalpolizei habe bei  weiteren Ermittlungen Bankkonten für zwei der Kläger ermittelt, auf denen es zu erheblichen Geldbewegungen gekommen sei. Eine Buchprüferin sei zu dem Ergebnis gekommen, dass im Zeitraum vom April 1990 bis zum Januar 1998 liquide Mittel in Höhe von 2.6 Mio. DM zur Verfügung gestanden hätten. Es könne dahin stehen, ob die Kläger tatsächlich über eine derartige Summe verfügt hätten, oder ob es sich lediglich  um einen Betrag von 390.000,-- DM gehandelt habe. Jedenfalls müsse davon ausgegangen werden, dass das Vermögen  noch  vorhanden sei und dass die Kläger hiervon ihren Lebensunterhalt sicherstellen könnten. Ihr Vorbringen, es sei ihnen zweckgebunden zur Verfügung gestellt worden, widerspreche jeder Lebenserfahrung.

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Die Kläger haben am 7. Juli 1999 Klage erhoben, mit der sie zunächst begehrt haben, ihnen bis zum 28. Februar 1999 weiter Hilfe zu gewähren. Mit Schriftsatz vom 28. Juli 1999 haben sie ihr Klageziel auf den Zeitraum vom 1. Juni 1998 bis zum 27. Juli 1998 beschränkt und die darüber hinaus gehende Klage zurückgenommen, weil der Kläger zu 1. zum 27. Juli 1998 ein Arbeitsverhältnis eingegangen sei. Zur Begründung der Klage wiederholen die Kläger im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Weiter legen sie fünf Kopien von Überweisungsbelegen vor, wonach am 15. bzw. 16. Januar 1998 drei Überweisungen in Höhe von jeweils 50.000,-- DM veranlasst wurden. Nach zwei undatierten Überweisungsbelegen wurden jeweils 90.000,-- DM überwiesen.

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Die Kläger beantragen,

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die Bescheide der Samtgemeinde S.  vom 26. Mai 1998 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 8. Juni 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen für den Zeitraum vom 1. Juni 1998 bis zum 27. Juli 1998 Hilfe zum Lebensunterhalt einschließlich pauschalierten  Wohngeldes zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seinen bisherigen Vortrag.

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Das Amtsgericht W.  verurteilte den Kläger zu 1.  mit Urteil vom 16. Mai 2001 wegen Betruges zu Lasten des Beklagten zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu 50,-- DM. Das Berufungsverfahren ist bei dem Landgericht V.  anhängig. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft V.  wegen Geldwäsche wurde eingestellt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Es haben außerdem die Akten 2 Js und 29 Js  der Staatsanwaltschaft V.  vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

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Im Übrigen ist die Klage  zulässig, aber unbegründet. Die Kläger haben in dem hier umstrittenen Zeitraum vom 1. Juni 1998 bis zum 27. Juli 1998 keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1   BSHG ist Hilfe zum Lebensunterhalt demjenigen zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann. Bei nicht getrennt lebendenden Ehegatten sind das Einkommen und das Vermögen beider Ehegatten zu berücksichtigen; soweit  minderjährige unverheiratete Kinder, die dem Haushalt ihrer Eltern oder eines Elternteils angehören, ihren notwendigen Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen und Vermögen nicht beschaffen können, sind auch das Einkommen und das Vermögen der Eltern oder des Elternteils zu berücksichtigten (§ 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG). Nach § 16 Satz 1 BSHG wird vermutet, dass ein Hilfesuchender, der in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten lebt, von ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt erhält, soweit dies nach ihrem Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.  

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Hier bedurften sämtliche Kläger in dem genannten Zeitraum keiner Hilfe, weil davon auszugehen ist, dass einzelne der Kläger über Vermögen verfügten, von dem ihr Lebensunterhalt  und derjenige der übrigen Kläger sichergestellt werden konnte. Zum Vermögen gehört das gesamte verwertbare Vermögen (§ 88 Abs. 1 BSHG), d.h. neben Geld und Geldeswerten auch Forderungen z.B. aus Bankguthaben oder Wertpapieren. Über derartige Forderungen verfügten die Kläger zu 4. , zu 5. , zu 7. und zu 9.. Aus den vorliegenden Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft V. lässt sich ersehen, dass in der Zeit von Juli 1995 bis zum Februar 1998 bei der Commerzbank W. Konten der Kläger zu 4., zu 5. und zu 9. eingerichtet waren, auf denen umfangreiche Bewegungen stattgefunden haben. Allein für das Konto des Klägers zu 4. waren dabei im Jahr 1997 Eingänge in Höhe von 848.582,41 DM und Abgänge in Höhe von 959.735,09 DM zu verzeichnen. Im Jahr 1998 betrugen die Eingänge auf den Konten der Kläger zu 4. und zu 5. 296.350,77 DM, die Abgänge 296.805,29 DM. Aus den Kopien der Überweisungsbelege, die von den Klägern im Rahmen dieses Klageverfahrens vorgelegt worden sind, lässt sich weiter ersehen, dass außerdem noch für den Kläger zu 7. zwei Konten bei der Volksbank W.  bestanden, die in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft nicht erfasst sind. Im Hinblick auf die Höhe des Vermögens räumen die Kläger selbst ein, dass ihnen von Verwandten in der Zeit bis Januar 1998 Geldbeträge zur Verfügung gestellt worden waren, wobei die Gesamtsumme zuletzt 390.000,-- DM betragen habe. Ob dies zutrifft, oder ob das Vermögen einzelner Kläger darüber hinaus ging, kann dahinstehen. Bereits der zugestandene Betrag von 390.000,-- DM überstieg das nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG geschonte Vermögen und war für den Lebensunterhalt einzusetzen.

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Insbesondere war das Vermögen nach § 88 BSHG verwertbar. Verwertbar ist jeder Vermögensgegenstand, über den der Einsatzpflichtige nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten tatsächlich zu einem vertretbaren Preis in einem absehbaren Zeitraum verfügen kann (Brühl in LPK - BSHG, 5. Auflage 1998,  § 88 Rn. 10). Dies war hier der Fall. Die Kläger konnten rechtlich und tatsächlich über das Vermögen in Höhe von mindestens 390.000,-- DM verfügen. Dies zeigen die umfangreichen Geschäfte in Form der Anlage des Geldes als Termingeld sowie des Kaufes und Verkaufes von Wertpapieren, die die Kläger ausweislich der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft getätigt haben. Soweit die Kläger vortragen, die entsprechenden Geldbeträge seien ihnen von Verwandten zur Verfügung gestellt worden, um sich hiervon ein Haus zu finanzieren, steht dies einer Verwertbarkeit nicht entgegen. Soweit dies nicht ausdrücklich gesetzlich bestimmt ist, kommt es hierfür auf die Zweckbestimmung des Vermögens nicht an (BVerwG, Urt. v. 18.2.1999 - 5 C 35.97 - BVerwGE 108, 296). Ist beabsichtigt, davon ein Hausgrundstück zu beschaffen, regelt § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG, in welchen Fällen das Vermögen nicht vorrangig zur  Bedarfsdeckung eingesetzt werden  muss. Nach der genannten Vorschrift darf die Sozialhilfe nicht  vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines angemessenen Hausgrundstückes bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken Behinderter, Blinder oder Pflegebedürftiger dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde. Eine derartige Fallgestaltung ist hier offensichtlich nicht gegeben. Sonst ist nicht aus öffentlichen Mitteln stammendes Vermögen, auch wenn hiermit ein Wohngrundstück beschafft werden soll, mithin zu verwerten, soweit - wie hier - kein Fall des § 88 Abs. 3 oder des § 89  BSHG gegeben ist.  Einer Verwertbarkeit des Vermögens einzelner der Kläger für den Lebensunterhalt der Familie steht auch die nach dem Vortrag der Kläger mit ihren Verwandten intern getroffene Absprache nicht entgegen. Wie bereits ausgeführt wurde, hatte die angegebene Absprache keine rechtlichen oder tatsächlichen Verfügungsbeschränkungen zur Folge, das Vermögen konnte damit zur Deckung des Bedarfs verwendet werden. Soweit sich die Kläger darauf berufen, eine abredewidrige Verwendung des Geldes hätte  zu Schadensersatzansprüchen ihrer Verwandten geführt, rechtfertigt dies ebenfalls keine andere Beurteilung. Es ist nicht ersichtlich, dass in diesem Fall  für die Verwandten der Kläger  überhaupt ein Vermögensschaden hätte entstehen können, den sie gegenüber den Klägern hätten geltend machen können. 

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Es ist auch davon auszugehen, dass in dem hier umstrittenen Zeitraum, d.h. vom 1. Juni 1998 bis zum 27. Juli 1998, noch einsetzbares Vermögen vorhanden war. Der Vortrag der Kläger, sie hätten die ihnen zur Verfügung gestellte Summe im Januar 1998 vollständig zurückgezahlt und seien danach wieder mittellos gewesen, ist unglaubhaft. Allerdings ist aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft V.   zu ersehen, dass ein Betrag von insgesamt 150.000,-- DM von den Konten der Kläger zu 4. und zu 5. auf die Konten dreier Personen geflossen ist, wobei 50.000,- DM von einem Konto des Klägers zu 4. und 100.000,- DM von einem Konto des Klägers zu 5. überwiesen wurden. Zweimal 90.000,-- DM wollen die Kläger nach den hier vorgelegten Quittungskopien von zwei Konten des Klägers zu 7. bei der Volksbank W.  überwiesen haben. Insgesamt sind damit aber lediglich Überweisungen in Höhe von 330.000,-- DM dargetan. Der Verbleib des restlichen von den Klägern angegebenen Vermögens in Höhe von 60.000,-- DM bleibt hingegen ungeklärt. Weiter hat der Kläger zu 1. am 15. und 16. Januar 1998 nach den vorliegenden Ermittlungsakten von einem  Konto des Klägers zu 4. 145.500,-- DM bar abgehoben, ohne dass eine Verwendung dieses  Betrages zu erkennen ist. Es ist deswegen davon auszugehen, dass den Klägern auch in dem hier maßgeblichen Zeitraum vom 1. Juni 1998 bis zum 27. Juli 1998 noch Vermögen zur Verfügung stand, von dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten. Dabei kann offen bleiben, welchen der Kläger die entsprechenden Forderungen aus Bankguthaben zustanden, bzw. wer Eigentümer des Geldes war. Auch wenn dies die damals sämtlich noch minderjährigen Kläger zu 3. - 10. gewesen sein sollten, gälte nach § 16 Satz 1 BSHG die Vermutung, dass das Vermögen auch für den Lebensunterhalt der übrigen Kläger zur Verfügung stand.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.