Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.11.2006, Az.: 8 K 353/06

Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein Erststudium als vorweggenommene Werbungskosten; Möglichkeit der Gewährung eines Sonderausgabenabzugs für Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
07.11.2006
Aktenzeichen
8 K 353/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 32867
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2006:1107.8K353.06.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 18.06.2009 - AZ: VI R 14/07

Fundstellen

  • DStR 2007, VIII Heft 23 (Kurzinformation)
  • DStRE 2007, 951 (Volltext mit amtl. LS)
  • NWB direkt 2007, 8
  • Jurion-Abstract 2006, 228642 (Zusammenfassung)

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kosten der Klägerin für ein Erststudium als Werbungskosten berücksichtigt werden können.

2

Die Kläger sind Eheleute und werden nach §§ 26, 26 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

3

Der Kläger ist als Lehrer tätig. Die Klägerin besitzt eine abgeschlossene Ausbildung als Buchhändlerin. Nach Abschluss der Ausbildung begann sie zunächst ein Sonderschulpädagogik-Studium, welches sie nicht beendete. Im Jahr 2002 begann die Klägerin ein Studium zur Grund- Haupt- und Realschullehrerin.

4

Bis einschließlich des Veranlagungszeitraumes 2004 berücksichtigte der Beklagte die im Zusammenhang mit dem Studium geltend gemachten Kosten der Klägerin, z.T. nach Durchführung eines finanzgerichtlichen Klageverfahrens, als Werbungskosten.

5

Mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin Kosten für das Studium als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Der Kläger erklärte bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit Werbungskosten in Höhe von insgesamt ... Euro, davon u.a. für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf der Grundlage von 210 Arbeitstagen und einer einfachen Entfernung von 65 Kilometern. Hinsichtlich der geltend gemachten Kosten der Kläger im einzelnen wird Bezug genommen auf die Aufstellungen in den Steuerakten.

6

Der Beklagte erkannte im Einkommensteuerbescheid die Werbungskosten des Klägers im Wesentlichen an. Die Kosten der Klägerin für das Studium berücksichtigte er jedoch nicht als Werbungskosten, sondern gewährte diesbezüglich Sonderausgaben mit dem Höchstbetrag von 4.000 Euro nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Die Kläger legten Einspruch ein und trugen vor, bei dem Studium handele es sich nicht um ein Erststudium, da die Klägerin bereits Sonderschulpädagogik studiert hätte. Zudem seien in der Vergangenheit die Kosten, wenn auch erst nach Einlegung von Rechtsmitteln, anerkannt worden.

7

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid zurück. Zur Begründung führte er aus, die Kosten seien nach § 12 Nr. 5 EStG den Kosten der privaten Lebensführung zuzuordnen und könnten daher nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden. Bei der Klägerin liege ein Erststudium vor, denn sie habe das Sonderschulpädagogik Studium nicht mit dem Staatsexamen abgeschlossen.

8

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Im Klageverfahren begehren die Kläger weiterhin die Berücksichtigung der Studienkosten als Werbungskosten. Sie machen jedoch keine Verpflegungsmehraufwendungen mehr geltend, so dass die Kosten noch in Höhe von ... Euro berücksichtigt werden müssten. Sie sind der Auffassung, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) erfüllten die Aufwendungen den Werbungskostenbegriff, denn sie stünden in einem objektiven Zusammenhang mit künftigen Einnahmen. Die aufgrund der BFH-Rechtsprechung erlassene Gesetzesänderung des § 12 Nr. 5 EStG sei verfassungswidrig, denn sie verstoße gegen das objektive Nettoprinzip sowie gegen Art. 3 des Grundgesetzes. Zudem liege eine verfassungswidrige Rückwirkung vor.

9

Die Kläger beantragen,

die Aufwendungen in Höhe von ... Euro unter Anrechnung der gewährten Sonderausgaben in Höhe von 4.000 Euro als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Er beruft sich zur Begründung auf die gesetztliche Regelung in § 12 EStG, die eine Berücksichtigung der Kosten als Werbungskosten ausschließe. Ergänzend trägt er vor, eine verfassungswidrige Rückwirkung liege nicht vor, denn die geltend gemachten Aufwendungen seien im Streitjahr 2005 und damit nach Bekanntmachtung der Gesetzesänderung entstanden.

12

...

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist nicht begründet.

14

Die Kosten für das Studium der Klägerin können nach § 12 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht als vorweggenommene Werbungskosten berücksichtigt werden.

15

Nach § 12 Satz 1 EStG dürfen Kosten die (auch) die private Lebensführung betreffen, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, soweit nicht ein Abzug als Sonderausgaben oder Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben in Betracht kommt. Nach § 12 Nr. 5 EStG gehören zu den nichtabzugsfähigen Kosten auch die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für ein Erststudium, wenn dieses nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.

16

Im Streitfall handelt es sich bei dem Studium der Klägerin um ein Erststudium, denn die Klägerin hat das vorangegange Studium nicht abgeschlossen (vgl. BMF-Schreiben vom 04.11.2005, Tz. 2.2.1, BStBl. I S. 955; Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 25. Auflage, § 12 Rz. 59).

17

Die Kosten für das Erststudium der Klägerin sind nach der gesetzlichen Regelung des § 12 Nr. 5 EStG keine Werbungskosten (vgl. auch BMF-Schreiben vom 04.11.2005, Tz. 1, BStBl. I S. 955). Zur Überzeugung des Senats hat sich der Gesetzgeber mit der Neufassung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21.07.2004 (BGBl. I S. 1753) innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt.

18

Den möglichen Sonderausgabenabzug für Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung, die nicht Werbungskosten darstellen, hat der Beklagte nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zutreffend mit dem Höchstbetrag von 4000 Euro gewährt.

19

Im Übrigen hätte die Klage auch bei Anerkennung der Kosten der Klägerin als Werbungskosten nicht in vollem Unfang Erfolg. Die bei den Einkünften des Klägers bisher zu Unrecht gewährten Werbungskosten müssten im Rahmen des § 177 der Abgabenordnung berichtigt werden. ...

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).